Interview mit Marli Hoppe-Ritter: „Mir war immer klar: Irgendwann wird es Früchte tragen“
Liebe Blogleser,
heute möchte ich euch Marli Hoppe-Ritter vorstellen: Frau Hoppe-Ritter ist die Enkelin der Firmengründer Alfred & Clara Ritter und Mitinhaberin von RITTER SPORT. Auf ihre Initiative geht Cacao-Nica, unser Programm zur Förderung des nachhaltigen Kakaoanbaus in Nicaragua, zurück.
Frau Hoppe-Ritter, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für mich und unsere Blogleser nehmen. Ich habe auf dem Blog bereits einiges über Cacao-Nica berichtet und freue mich, heute von Ihnen etwas über die Ursprünge und Ihre ganz persönliche Sicht auf über 25 Jahre Cacao-Nica zu erfahren.
Sie waren vor über 25 Jahren das erste Mal vor Ort. Wie hat sich die Region aus Ihrer persönlichen Sicht verändert?
Das kann man vielleicht am Beispiel von Waslala, dem Ort der ersten mit unserer Unterstützung gegründeten Kooperative, ganz gut beschreiben. Als ich 1991 das erste Mal dort war, brauchte man mit dem Auto von der Hauptstadt Managua nach Waslala rund fünf Stunden, weil die Straßen in so unglaublich schlechtem Zustand waren, heute sind es gerade mal noch gut zwei. Weil es bei meinem ersten Besuch keine Möglichkeit für uns zu übernachten gab, wurden wir im Pfarrhaus untergebracht – im Bett, das eigentlich dem Bischof bei seinen Besuchen vorbehalten war. Inzwischen gibt es dort ein Hotel und Restaurants. Auch gab es zum Beispiel keinerlei Straßenbeleuchtung – und das in einer Region, wo es von 18:00 Uhr abends bis 6:00 Uhr morgens stockdunkel ist. Da hat sich einiges verändert. Die Maultiere, die damals noch als Transportmittel für alles genutzt wurden, sind inzwischen unzähligen Motorrädern und Pick-ups gewichen. Ich persönlich vermisse sie ein wenig im Straßenbild, aber für die Menschen dort ist es natürlich eine große Erleichterung. Das alles ist sicher keine unmittelbare Auswirkung unseres Engagements. Vielleicht haben wir aber ein wenig dazu beigetragen. Bei meinem letzten Besuch habe ich zum Beispiel einen Bauern getroffen, der von Anfang an mit dabei ist und mir berichtete, dass seine beiden Töchter heute als Lehrerinnen arbeiten. So etwas freut mich ungemein.
Busse und LKW statt Esel – Straßenverkehr in Nicaragua heute
Wie kam es eigentlich dazu, dass RITTER SPORT ausgerechnet in Nicaragua aktiv geworden ist?
Mein Bruder und ich waren schon lange der Meinung, dass wir eine Verantwortung für die Menschen haben, die unseren wichtigsten Rohstoff, den Kakao, anbauen. Dass die Wahl dann auf Nicaragua fiel, hatte verschiedene Gründe. Westafrika als das Hauptanbaugebiet für Kakao weltweit erschien uns einfach zu groß. Ein kleines Kakaoland wie Nicaragua war der richtige Ort für ein vergleichsweise kleines Unternehmen wie RITTER SPORT.
Nicaragua war aber bis dahin nicht gerade als Anbaugebiet für Kakao bekannt?
Ja, das stimmt. Nicaragua galt vielen damals als klassisches Kaffeeland. Und so wirkte meine Idee, gerade hier den nachhaltigen Anbau von Kakao zu fördern, auf viele in der Branche – vorsichtig formuliert – ungewöhnlich. Unsere Vision war jedoch klar: die Verbesserung der Lebenssituation der Bauern, ein schonender Umgang mit der Natur und qualitativ hochwertigen, nachhaltig angebauten Kakao für unsere Schokolade. Dass Nicaragua sehr arm und durch den Bürgerkrieg gebeutelt war, war uns bewusst, aber wir sind davon ausgegangen, dass der Kakaoanbau einen gewissen Stellenwert für die Wirtschaft des Landes hatte. Was wir dann allerdings vorgefunden haben, war etwas ganz anderes. Der Kakaoanbau lag nahezu völlig am Boden – nicht zuletzt eine Folge des Bürgerkriegs. Die meisten Bauern haben Landwirtschaft damals zur reinen Selbstversorgung betrieben. Sie lebten zusammen mit ihrem Vieh in einfachen Hütten und bauten auf kleinen Flächen Bohnen und Mais für den Eigenbedarf an.
Heute liefern über 3.500 Cacao-Nica Partner rund 1.000 Tonnen Kakao – der inzwischen sogar als Edel-Kakao anerkannt ist – an RITTER SPORT. Wie haben Sie das geschafft?
Das war ein langer Weg, der großer Mühen und eines langen Atems bedurfte, bis aus dem Entwicklungsprojekt Cacao-Nica die Partnerschaft wurde, die es heute ist. Aber das ist natürlich nicht mein Verdienst. Wir hatten neben guten Leuten vor Ort auch viele kompetente Partner wie die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit und verschiedene NGOs, mit denen wir vor Ort echte Basisarbeit leisten konnten.
Haben Sie in dieser Zeit mal daran gedacht, das Engagement zu beenden?
Das Projekt wurde tatsächlich von verschiedenen Seiten immer mal wieder in Frage gestellt. Aber für mich war immer klar, wir machen weiter. Wir geben nicht auf. Ich war überzeugt, irgendwann wird es „Früchte“ tragen.
Marli Hoppe-Ritter bei einem ihrer ersten Besuche in Nicaragua
Das ist inzwischen ja durchaus der Fall. Im letzten Jahr haben Experten in einer Studie festgestellt, dass sich das Engagement tatsächlich positiv auf die Lebensbedingungen der Bauern auswirkt. Das empfinden Sie sicher als Bestätigung?
Für uns war es wichtig, nach 25 Jahren Cacao-Nica unsere Arbeit von unabhängigen Fachleuten überprüfen zu lassen. Dass sich das renommierte Südwind Institut dieser Aufgabe angenommen hat, war bereits ein wichtiger Schritt. Das überaus positive Resümee freut mich persönlich sehr. Denn es belegt, unser Ansatz aus nachhaltigem Anbau, konsequenter Qualitätsorientierung und fairen Preisen verfehlt seine Wirkung nicht.
Wir haben schon über die Veränderungen in Nicaragua gesprochen. Hat sich Ihrer Meinung nach auch bei uns in Europa etwas verändert?
Wir sind – ich hatte es eingangs schon angedeutet – für unser Engagement in den Anfangsjahren oft belächelt worden. Heute arbeiten auch andere Unternehmen aktiv an der Entwicklung des Kakaoanbaus, um die Einkommenssituation der Bauern zu verbessern. Wir haben offenbar bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt den richtigen Weg eingeschlagen. Dass so viele diesen Weg heute mitgehen, begrüße ich sehr.
Frau Hoppe-Ritter, vielen Dank für Ihre Zeit und das Gespräch. Und euch, liebe Blogleser, vielen Dank für euer Interesse. Wie immer freue ich mich über eure Kommentare und Fragen.
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