Sicher schmeckt besser


Katrin, du leitest bei uns die Abteilung Analytik und Rohstoffsicherheit. Was müssen wir uns darunter vorstellen?
Bei Ritter Sport verwenden wir über 100 verschiedene Zutaten. Neben Kakao, Milch und Nüssen zum Beispiel auch Cornflakes, Mandeln oder Sultaninen. Jeder einzelne Rohstoff wird von uns intensiv geprüft. Dazu führen wir zum Beispiel aufwendige mikrobiologische Analysen durch. Aber wir verkosten auch. Es sind also wissenschaftliches Know-how und ein geschulter Geschmackssinn gleichermaßen wichtig. Bei Ritter gilt, alle Zutaten müssen nicht nur unbedenklich sein, sondern auch gut schmecken. Qualität heißt bei uns eben: sicher und lecker.
Unsere Arbeit beginnt aber schon lange bevor ein Rohstoff in Waldenbuch angeliefert wird. Wir unterziehen zum Beispiel alle Rohstoffe einer Risikobewertung und erstellen detaillierte Spezifikationen, also konkrete Qualitätsanforderungen. Auf der Basis werden dann entsprechende Vereinbarungen mit Lieferanten in aller Welt getroffen.

Kannst du uns mal ein konkretes Beispiel nennen!
Schokolade ist ein Naturprodukt, für das wir ausschließlich natürliche Zutaten verarbeiten. Da kann es auf dem Weg vom Anbau bis zur Verarbeitung beispielsweise zu Verunreinigungen kommen. Nehmen wir das Beispiel Aluminium. Immer wieder kommen Schokoladen oder besser gesagt kakaohaltige Produkte wegen Spuren von Schwermetallen in die Schlagzeilen. Diese Einträge können einerseits aus dem Boden, zum Beispiel aus vulkanischem Gestein kommen, oder aber es gibt andere Eintragsquellen. Mit unseren Analysen können wir sicherstellen, dass unser Kakao unseren strengen Anforderungen gerecht wird, die übrigens über das gesetzlich vorgeschriebene hinausreichen. Wir gehen sogar noch einen Schritt weiter und betreiben auf verschiedenen Gebieten Grundlagenforschung. Wir suchen intensiv nach möglichen Eintragsquellen und arbeiten beispielsweise in einer breit angelegten Studie mit einem international tätigen Kakaoverarbeiter und dem Bundesverband der deutschen Süßwarenindustrie zusammen. Die Ergebnisse machen wir dann allen in der Branche zugänglich. Zusammenarbeit ist ohnehin das A und O, wenn es um Lebensmittelsicherheit geht, denn Qualität beginnt immer am Anfang der Lieferkette. Und endet selbstverständlich nicht beim Wareneingang der Rohstoffe, sondern erstreckt sich über den gesamten Produktionsprozess bis zur fertigen Schokolade, die bei uns ebenfalls streng kontrolliert wird.

Ein spannendes Thema über das die meisten von uns wahrscheinlich nicht viel wissen. Wie bist Du dazu gekommen?
Am Anfang stand tatsächlich ein Glas Nuss-Nugat-Creme. Auf dem gab es einen Stempel und die Unterschrift von Dr. Wilhelm Fresenius. Sein Urgroßvater war der Gründer des renommierten Fresenius Institut. Damals war ich vielleicht zehn Jahre alt, aber mir klar: Das will ich auch machen. Ich will dafür sorgen, dass Leute bedenkenlos etwas essen oder trinken können. Deshalb habe ich Lebensmittelchemie studiert. Und nun bin ich schon seit fast zehn Jahren bei Ritter. Das Fresenius-Siegel auf der Nuss-Nugat-Creme gibt es übrigens immer noch!
Vielen Dank für deine Zeit und die Einblicke in deine Arbeit, Katrin. Wenn ihr Fragen an Katrin habt, hinterlasst uns gerne einen Kommentar.
73 Kommentare
Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Niemandsland
Jonas: Ich konnte mich nicht rühren. Ich war gefesselt und geknebelt. Ich hatte Angst. Ich wartete. Die Tür ging auf, und herein kam, nein, kein Mann mit Pistole, eine Frau mit Laserstrahler. Frau Professor Caligari. Sie zielte auf meine Stirn. Ich starrte in ihre Augen und in die Mündung. Drei Löcher, schwarz wie der Tod. Ihr Finger am Abzug bewegte sich, wurde weiß, aber es zischte nicht. Es klingelte. Wieder und wieder. Und da wachte ich endlich auf. Ich schüttelte den schweren Kopf, um den schweren Traum zu verscheuchen und griff zum Fon.
Jonas: Ja?
Sesam: Jonas?
Jonas: Jonas. Jonas, nur Jonas.
Sesam: Privatdetektiv?
Jonas: Ja. Der letzte. Ein Fossil. Ein Dinosaurier. Nur nicht so groß und so schrecklich. Dafür bin ich zu müde. Und wer sind Sie?
Sesam: Mein Name ist Sesam. Martin Sesam.
Jonas: Ja?
Sesam: Der Name sagt Ihnen nichts? Sesams Zierzwerge?
Jonas: Nie gehört. War das alles, was sie wollten?
Sesam: Bitte?
Jonas: Mich fragen, ob ich Sie kenne?
Sesam: O nein, ich hätte einen Auftrag für Sie. Aber ich sage Ihnen gleich, es ist ein schwieriger Auftrag. Sie müßten in eine sehr gefährliche Gegend.
Jonas: Das Reservat?
Sesam: Sie waren schon im Reservat, habe ich gehört, und Sie sind lebend wieder rausgekommen. Deshalb habe ich ja auch an Sie gedacht. Aber ich meine nicht das Reservat. Da, wo ich Sie hinschicken will, ist es womöglich noch schlimmer.
Jonas: Etwa die Grauzone?
Sesam: Na, so schlimm nun auch wieder nicht.
Jonas: Hören Sie, Herr Sesam, dreimal darfst du raten können Sie mit anderen spielen. Ich hab keine Lust. Wiederhören.
Sesam: Nein, legen Sie nicht auf. Ich meine das Niemandsland. Würden Sie ins Niemandsland gehen?
Jonas: Sicher. Warum nicht?
Jonas: Sicher. Das sagte ich so einfach, als ob er mir nur einen Whisky angeboten hätte. Ich war nicht voll da. Am Vorabend war ich mit Judith zusammen gewesen. Wir hatten uns gestritten. Nicht der erste Streit, bei weitem nicht, aber vielleicht der letzte. Mir ging alles auf die Nerven. Judith. Babylon. Mein Job. Ich ging mir selber auf die Nerven. Darum sagte ich einfach: Ins Niemandsland? Warum nicht? Aber ganz weggetreten war ich doch nicht.
Jonas: Kommt natürlich darauf an, was Sie locker machen. Goldbarren, Uran, Diamanten.
Sesam: Ich dachte eher an Euros, gute, normale, solide Euros.
Jonas: Wieviel?
Sesam: Das besprechen wir besser direkt. In Ruhe. Bei mir. Am Schwanensee 14. Wann können Sie hier sein?
Jonas: Wie spät ist es?
Sesam: Halb elf.
Jonas: Schon?
Jonas: Nach dem Krach mit Judith war in ins Casablanca gegangen, zur alkoholischen Therapie und Auferbauung. Es muß ziemlich lange gedauert haben. Mein Kopf tat weh. Mein Magen auch. Und zu allem Überfluß wollte ich auch noch ins Niemandsland. Wahnsinn.
Jonas: In anderthalb Stunden, Herr Sesam.
Sesam: Gut, ich erwarte Sie also um 12.
Jonas: 12 Uhr Mittags.
Sam: Hight Noon. Do not forsake me o my darling.
Jonas: Das war natürlich Sam. Unentbehrliche Hilfe des Detektivs und unausstehliche Plage. Mein Computer. Überprogrammiert und unterbelichtet. Nie um ein Wort verlegen, auch wenn’s nicht das richtige ist. Was hatte ich Gerry Cooper am Hut. Mein Held ist Humphrey Bogart.
Sam: Ich habe den Verdacht, daß unter der zynischen Schale ein reichlich sentimentales Herz schlägt.
Jonas: Schon besser, Sammy. Klapp das Bett rein. Wir haben viel vor.
Sam: Der bescheidene Knecht eurer detektivischen Waghalsigkeit hat sich erfrecht, zuzuhören. Sag mal Kumpel, willst du wirklich ins Niemandsland?
Jonas: Vielleicht, Sam, aber jetzt fahren wir erstmal ins Westend, an den schönen blauen Schwanensee. Da wohnt dieser Sesam, und wenn er da wohnt, dann hat er.
Sam: Hat er was, o Leuchtturm in stockdunkler Nacht.
Jonas: Kies, Sammy, Moos, Mäuse, Pinke, Money, Euros, und ein bißchen davon will er abgeben an einen bedürftigen Privatdetektiv.
Jonas: Er hatte wirklich, der Herr Sesam. Eine richtige Villa, viel Platz, eine Einrichtung direkt aus Teurer Wohnen, Musik aus unsichtbaren Lautsprechern, irgendwas klassisches, Georg Sebastian Beethoven, eine gut bestückte Hausbar eben 0815 Millionärsstil. Nur eine Sache fiel aus dem Rahmen. Überall an den Wänden, auf dem Fußboden standen, lagen, hingen sie rum: kleine Kerle aus Plastik, bunt angemalt mit langen Bärten und langen Zipfelmützen. Ich sah sie mir an, während ich meinen Whisky schluckte, echt, natürlich, nicht Synth. Sie erinnerten mich an was.
Jonas: Ach ja Gartenzwerge.
Sesam: Bitte, Herr Jonas, nicht dieses Wort, ein absoluter Faupaux in unsere Branche. Es ist abgewertet und unzutreffend ist es obendrein, seit es keine Gärten mehr gibt. Es sind Zierzwerge, Herr Jonas, Sesams Zierzwerge, putzige Gesellen, eine wahre Freude fürs Auge und fürs Herz, der geschmackvolle Schmuck fürs geschmackvolle Heim.
Jonas: So was kaufen die Leute?
Sesam: Sie werden sich wundern, Herr Jonas, wenn Sie wüßten, wer alles meine Zwerge kauft, gebildete Menschen, Menschen mit hohem sozialem Nutzenstatus.
Jonas: Ah deshalb.
Sesam: Wie meinen?
Jonas: Deshalb hab ich kein Organ dafür. Ich bin nur ein armer Privatdetektiv. Apropos. Kommen wir zu Ihrem Fall, Herr Sesam.
Sesam: Wir sind schon mitten drin.
Jonas: Sie meinen, ich soll ins Niemandsland wegen Ihrer Garten- pardon Ihrer Zierzwerge.
Sesam: So ist es, Herr Jonas.
Jonas: Das müssen Sie mir erklären.
Sesam: Aus diesem Grunde hab ich Sie ja hergeben. Hören Sie zu.
Jonas: Herr Sesam produzierte also Zierzwerge, das war an sich nichts besonderes, viele Leute in Babylon produzieren alles mögliche, mit Robotmaschinen natürlich, aber eben das tat Herr Sesam nicht. Seine Zwerge waren Handarbeit, 100prozentig echte menschliche Handarbeit, damit warb Herr Sesam, und das war der Grund, sagte Herr Sesam, daß seine Zierzwerge weggingen wie die bekannten warmen Semmeln. Im Gegensatz zu den Zwergen der Konkurrenz, die von Robots gemacht wurden.
Sesam: Die liebenswerten kleinen Unzulänglichkeiten, Herr Jonas, die spezifisch menschliche Nichtganzperfektion, das ist das besondere, das einmalige an meinen Produkten und dafür zahlen meine Kunden gern mehr als anderswo.
Jonas: Schön für Sie, Herr Sesam, wo liegt das Problem?
Jonas: Das Problem, sagte Herr Sesam lag bei der WePo, der Werbepolizei. Die kontrolliert, ob Werbesprüche wie „echte menschliche Handarbeit“ tatsächlich stimmen, und zwar scharf, andere Polizeieinheiten lassen sich schmieren, die WePo nicht, und deshalb mußte Herr Sesam seine Zierzwerge auch wirklich von menschlichen Arbeitern herstellen lassen.
Sesam: Natürlich nicht von Einheimischen, bei den Tarifen und Nebenkosten würden meine Zwerge unerschwinglich. Nein, Herr Jonas, bei mir arbeiten Drittweltler.
Jonas: Illegale Einwanderer, meinen Sie, ohne Arbeitserlaubnis.
Sesam: Gott, Herr Jonas, natürlich ist es im Prinzip verboten die Leute zu beschäftigen, Aber die WePo interessiert sich nur dafür, ob meine Zwerge wirklich von Menschen gemacht werden, von was für Menschen, das will sie gar nicht wissen, und die ImPo, die Immigrationspolizei, hat in Babylon nichts zu sagen, nur im Grenzgebiet. Außerdem, die Drittweltler, die es über die Grenze schaffen, sind froh, wenn sie einen Job kriegen. Immerhin verdienen sie bei mir das mehrfache vom dem, was sie bei sich zuhaus kriegen würden, falls sie da überhaupt arbeiten dürfen.
Jonas: Nicht zu bestreiten. Im KDW, dem Konglomerat Dritte Welt, sieht’s traurig aus, so traurig, daß immer wieder Drittweltler versuchen, über die Grenze zu uns zu kommen, in die Vereinigten Staaten von Europa, wo Milch und Honig fließen, das meinen jedenfalls die von drüben. Wir hier sehen das ein bißchen anders. Und wenn dann auch den Drittweltlern klar wird, daß die VSE nicht das sind, was sie sich vorgestellt haben, ziehen sie weiter, ins wahre Paradies, nach Amerika.
Sesam: Und ich besorge mir neue Arbeitskräfte aus dem Grenzgebiet. Die paar Handgriffe, die sie brauche, bringen wir ihn schnell bei. Wir gießen unsere Zwerge, Herr Jonas, in alten Formen aus dem 20. Jahrhundert.
Jonas: Bestens, ich versteh bloß immer noch nicht, wo Ihr Problem liegt, Herr Sesam, über die faszinierenden Einzelheiten der Zwergenproduktion können wir uns vielleicht ein ander Mal unterhalten. Wo drückt der Schuh?
Sesam: Das hab ich bereits erwähnt, Herr Jonas, im Niemandsland.
Jonas: Das Niemandsland ist eine Art Dreiländereck, da wo das KDW, die VSE und die UVR, die Union der Volksrepubliken, zusammenstoßen, irgendwo auf dem Balkan. In den späten 90er Jahren, nach den großen Hungermärschen aus dem Süden und den langen Abwehrschlachten, hat man hier die Grenze neu festgelegt, in großen Zügen, über den genauen Verlauf konnte man sich nicht einigen, und so entstand das Niemandsland, ein etwa 20 km breiter Streifen, den alle drei Anlieger beanspruchen und der keinem gehört. Zur Dritten Welt hin ist das Gebiet praktisch offen, wir haben gegen die illegalen Einwanderer einen Zaun gebaut, der nicht viel nützt, und die UVR hat ihre Ecke durch eine massive Mauer abgeschottet, mit so was haben sie schon im vorigen Jahrhundert gute Erfahrungen gemacht, dazwischen liegt das Niemandsland, ein wilder Landstrich, ohne Gesetze, voller Gefahren wie seinerzeit der amerikanische Westen, trotzdem schlagen sich immer wieder Drittweltler zu uns durch.
Sesam: Und auf einmal klappt das nicht mehr, Herr Jonas, seit 4 Wochen hab ich keine neuen Arbeiter von drüben bekommen, keinen einzigen, Herr Jonas, der Nachschub ist plötzlich abgerissen, und niemand weiß warum.
Jonas: Was sagt denn ihr Schleuser? Sie haben doch einen.
Sesam: Selbstverständlich habe ich einen Schleuser. Baklava in Karakul, tüchtiger Mann, wir arbeiten seit Jahren zusammen, als die Leute ausblieben, hab ich gleich drüben angerufen.
Jonas: Und was sagt Baklava.
Sesam: Er kann sich die Sache nicht erklären. Die Trupps werden zusammengestellt wie immer, und gehen wie immer mit ihren Führern ins Niemandsland, und da verschwinden sie, jedenfalls kommen sie nicht auf unserer Seite an. Seit 4 Wochen. Ich habe kaum noch Arbeiter, Herr Jonas, die Bestellbücher sind voll, die Lager sind leer. Ich weiß nicht, was ich tun soll.
Jonas: Aber sicher wissen Sie das, Herr Sesam, da Sie sich nicht an die ImPo werden können.
Sesam: Natürlich nicht.
Jonas: Beauftragen Sie einen Detektiv. Der soll sich im Niemandsland mal umsehen. Für 200 Euros pro Tag und Spesen.
Sesam: 200? Ihr Tarif sagt 80.
Jonas: Normalerweise, Herr Sesam, normalerweise. Aber für 80 Euros gehe ich nicht ins Niemandsland. Und wenn ich vernünftig wäre, auch nicht für 200.
Jonas: Das war wieder so ein Fall. Nicht ganz astrein, nicht 100prozentig, nichts für fahrende Ritter, die erschlagen Drachen, retten Jungfrauen, schützen Witwen und Waisen, Herr Sesam war keine Waise auch keine Witwer und erst recht keine Jungfrau. Was er mit den Drittweltlern machte, roch ein bißchen nach Ausbeutung. Anderseits die Leute kamen freiwillig und wollten bei ihm arbeiten. Und ich verpflichtete mich nur mal nach dem rechten zu sehen, nicht etwa Sesams Nachschub an Arbeitskräften zu sichern.
Sesam: Einverstanden. 200 Euros pro Tag.
Jonas: Und Spesen und 400 Euros im Voraus.
Sesam: Jaja, wenn Sie nur was ausrichten, Herr Jonas. Wie wollen Sie vorgehen?
Jonas: Professionell, Herr Sesam.
Sesam: Ja natürlich. Sie haben schon einen Plan.
Jonas: Ich hatte einen Plan, aber den behielt ich lieber für mich. Der Plan war riskant, das Niemandsland war riskant, das ganze Unternehmen war riskant. Und je weniger davon wußten, um so besser. Jonas ist Solist, aus Prinzip, die Einsamkeit des Privatdetektivs.
Jonas: Sie kriegen einen Bericht, Herr Sesam, wenn alles vorbei ist. Vorher sagt er nichts. Und Sie sagen auch nichts. Sie sagen keinem Menschen, daß ich für Sie ins Niemandsland gehe.
Sesam: Und Baklava, sollte der nicht Bescheid wissen, schon in Ihrem Interesse, Herr Jonas, Sie könnten Hilfe brauchen.
Jonas: Sie sagen es keinem Menschen, Herr Sesam, auch nicht Baklava.
Sesam: In Ordnung, wenn Sie so großen Wert darauf legen.
Jonas: Er wirkte verlegen, das fiel mir auf, aber ich hakte nicht nach. An diesem Tag, dem 13. August 2010 war ich wirklich nicht ganz da. Durch Nachhaken hätte ich mir einiges ersparen können. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.
Sesam: Ich werde Ihnen eine Rikscha rufen, Herr Jonas.
Jonas: Nicht nötig. Ich nehm die Metro.
Sesam: Das ist nicht Ihr Ernst, ich zahle, setzen Sie die Rikscha auf die Spesenrechnung.
Jonas: Ich hab’s eilig, Herr Sesam. Ich fahr mit der Metro.
Jonas: Ich weiß nicht, warum ich darauf bestand, vielleicht weil ich Sesam zeigen wollte, wie hart ich war, so hart, daß man mit mir Nägel in die Wand schlagen konnte, oder weil mir alles so ungeheuer egal war. Kamikaze Jonas. Der hat keine Angst in der Metro, auch dann nicht, als drei Typen in den Wagen stiegen, in dem ich ganz allein saß, zwei davon hatten die irren Augen der typischen Metro-Killer, sie setzten sich rechts und links neben mich und rutschten immer näher. Wenn sie den Mund aufmachten, roch es wir freitag abend im Lokus vom armen Schlucker. Sie sahen das anders.
1. Metro-Killer: Stinkt hier.
2. Metro-Killer: Na das ist der da, der alte Pater, der alte Sack.
1. Metro-Killer: Der ist schon verfault, darum stinkt er so. Hey Alter du stinkst.
2. Metro-Killer: Machs Maul auf, Alter.
1. Metro-Killer: Der sagt nichts, der hat Schiß.
2. Metro-Killer: Vielleicht sagt er was, wenn wir bißchen an ihm rumspielen.
1. Metro-Killer: Wir können ihn ja mal ankokeln oder ihm was abschneiden.
2. Metro-Killer: Hey Alter sollen wir dich mal ein bißchen ankokeln? Oder dir was abschneiden.
1. Metro-Killer: Guck mal, Alter, Rasiermesser ganz scharf.
2. Metro-Killer: Hey kuck mal, Spirituskanister und Feuerzeug. Hähä.
Jonas: Beide waren jetzt ganz nah, ganz dicht neben mir, ich mußte was tun. Karategrundkurs, plötzlich ohne Ansatz beide Ellbogen rechts und links raus, je in einen Solarplexus.
Metro-Killer: Ah!
Jonas: Beide klappten nach vorn und kriegten meine Handkante ins Genick, damit waren sie erst mal bedient, aber da war ja noch der dritte Typ, ich hatte ihn im Augenwinkel und das war gut so, er stand etwas abseits und machte eigentlich einen ganz normalen Eindruck, kein crazy look um die Augen, kein Spiritus, kein Rasiermesser, aber ein Laserstrahler. Während ich die zwei Stinker fertig machte, holte er ihn raus, ganz ruhig, er ging in die Grätsche und hielt die Waffe Richtung Jonas in beiden Händen, ein Profi. Mit Karate war hier nichts zu machen. Meine gute alte Smith & Wesson. Ich kann ziemlich schnell zielen, auch wenn Gary Cooper nicht mein Held ist.
Mann: Strugazkiplatz.
Jonas: Ein Bahnhof. Still und leise schlichen die beiden Stinker von dannen, der mit dem Laser schlich nicht. Er konnte nicht mehr schleichen, nicht mal mehr kriechen. Er konnte überhaupt nichts mehr. Er lag da mit einem Loch im Kopf. Als die Metro weiterfuhr, war ich allein im Wagen, mit einem toten Mann. Und natürlich mit Computer Sam.
Sam: Ist es gestattet, eurer fernöstlichen Kampfestechnik nebst Pistoleroeffizienz zum glorreichen Sieg über die bösen Metrokiller ergebenste Glückwünsche auszusprechen.
Jonas: Danke, Sam, danke. Ich wär mir da nicht so sicher.
Sam: Wie das, mein Herr. Es war ein Sieg. Ein großer Sieg. Wir werden nimmer seines Gleichen sehen.
Jonas: Soll sein, Sam, soll sein. Metrokiller, die zwei die sich zu mir gesetzt haben, das waren welche, angeheuert für einen Schuß oder Kapsel Solipsin.
Sam: Dreigroschenknaben, wie man diesen Typus in den guten alten Zeit zu benamsen pflegte, o 80 Euro Mann.
Jonas: Sam besteht aus zwei Elementen, aus dem Hirn und aus den Sinnen, wie ein Mensch, aber anders als beim Menschen ist das Hirn der bei weitem größte Teil, die Speicherbox, die fest in meinem Büro steht, Sam 1. Sam zwo ist ein Kästchen im Taschenformat, mit Sam 1 drahtlos verbunden. Sam 2 sieht, hört und redet, er redet immer zu und überall, weil ich ihn überall hin mitnehmen, damit er mir bei der Arbeit hilft. Das tut er auch, auf seine Weise.
Sam: Kein typischer Metro-Killer hingegen ist jener dritte Aggressor, welches dies irdische Jammertal so früh und frühzeitig verlassen mußte.
Jonas: Dazu sieht er viel zu ordentlich aus.
Sam: Offiziell könnte man sagen.
Jonas: Fast wie ein Polizist.
Sam: Ob er wohl einen Dienstausweis hat. Nun greif ihm doch schon in die Tasche, alter Zausel, du bist doch sonst nicht so zimperlich.
Jonas: Gemach, gemach. Kein Dienstausweis. Sam.
Sam: Bürgerkarte. Geld?
Jonas: Nichts, Sammy. Gar nichts, Moment, hier ist doch was, ein Holobild, und da drauf, das bin ich.
Sam: Hehe, sprechende Ähnlichkeit, Meister, bei der vorangegangenen Szene handelte es sich als keinesfalls um einen beliebigen Metroüberfall, vielmehr…
Jonas: Die Kerle waren auf Jonas angesetzt. Warum?
Sam: Möglicherweise eine Verbindung mit dem soeben von eurer Meisterdetektivität übernommenen Fall.
Jonas: Sehr unwahrscheinlich Sammy. Holo anschaffen, Killer anheuern, mich verfolgen, das dauert seine Zeit. Und Sesam hat mich erst vor knapp 3 Stunden angerufen. Vielleicht steckt jemand dahinter, der noch eine alte Rechnung mit mir zu begleichen hat.
Sam: Oh, die Auswahl ist groß, o vielfach verfeindeter Ehrenmann, ein Freund und Rächer der seligen Frau Prof. Caligari, des seligen Herrn Quarz, des seligen Herr Guttapercha, des seligen Randy Orgas, des seligen Vizepräsidenten Cordes…
Jonas: Und so weiter und so weiter.
Jonas: Als ich ausstieg, war ich immer noch allein im Wagen, der Tote fuhr weiter bis zur Endstation, da sind sie an so was gewöhnt und räumen weg was anfällt. Ich wanderte Richtung Heimat. Unterwegs blieb ich stehen, vor einem Art-Shop, der war neu in der Nachbarschaft und hatte eine hübsche Verkäuferin. Aber das war nicht der Grund, weshalb ich reinging.
Verkäuferin: Kann ich Ihnen helfen?
Jonas: Ich suche Zwerge, Gartenzwerge, Pardon, Zierzwerge, meine ich, haben Sie so was?
Verkäuferin: Selbstverständlich führen wir Zierzwerge. Wenn Sie sich hier hinten umsehen wollen, in diesem Regal.
Jonas: Hmh. Ja, ja wirklich nett. Handarbeit?
Verkäuferin: Leider nein, alles Robotware.
Jonas: Haben Sie denn gar keine handgemachten Zwerge, Sesams Zierzwerge zum Beispiel.
Verkäuferin: Völlig ausverkauft, tut mir leid.
Jonas: Oder von irgendeiner anderen Firma, bloß Handarbeit müssen sie sein.
Verkäuferin: Da kämen nur noch Zierzwerge von Adamson & Co in Frage, aber die sind leider auch ausgegangen.
Jonas: Hmh. Und wie sieht’s aus mit andern Artikeln?
Verkäuferin: Handarbeit.
Jonas: Ja Handarbeit.
Verkäuferin: An handgearbeiteten Waren haben wir zur Zeit leider gar nichts da, offenbar ein momentaner Engpaß. Kommen sie doch nächste Woche wieder vorbei.
Jonas: Jetzt aber nach Hause, ins gemütliche 22 Quadratmeterloch, das mir Wohnung ist und Büro dazu, packen und überlegen, letzteres laut, wozu hatte ich Sam.
Jonas: Die Konkurrenz ist es also nicht. Diese Firma, wie heißt sie.
Sam: Adamson und Co. euer Liebden. Ganz gewiß nicht, ist sie doch gleich fall betroffen. Wie verhält es sich jedoch mit jener weiten Konkurrenz des Herrn Sesam, welche Zierzwerge nicht mittels Menschenhand herstellen läßt, sondern wie Vernunft und Fortschritt es gebieten, elektronisch automatisch.
Jonas: Könnte sein, Sammy, glaub ich aber nicht. Diesen Engpaß an menschlichen Arbeitskräften gibt’s ja nicht nur in der Zwergenbranche. Hinter der Sache steckt was anderes als Konkurrenzkampf, was größeres.
Sam: Was?
Jonas: Das können wir nur an Ort und Stelle rauskriegen Auf, Sammy, auf ins Niemandsland.
Sam: Wenn’s denn sein muß, o tapferster der tapfersten.
Jonas: Ich will dir was sagen: Ich bin furchtbar müde.
Sam: Sam auch.
Jonas: Und ich hab zu gar nichts Lust.
Sam: Aber ich.
Jonas: Trotzdem ich fahr gern ins Niemandsland. Ich bin froh, daß ich wegkomme, weg von diesem Büro, weg von Babylon, weg von den Straßen, den Menschen.
Sam: Weg von der Dame Judith.
Jonas: Da hast du dich nicht einzumischen, Sam, das hab ich dir schon oft gesagt.
Sam: Oh, Sam bereut. Sam ringt die Hände, Sam streut Asche auf sein Haupt. Verzeih gestrenger Herr, verzeih.
Jonas: Schon gut, Sammy, Buch mir ein Platz in der nächsten Chemorocket nach Karakul.
Jonas: Wie gesagt ich hatte einen Plan. Ich wollte nicht direkt ins Niemandsland, nicht von den Vereinigten Staaten von Europa aus, ich machte ein Umweg und steuerte mein Ziel sozusagen von hinten an, über die Dritte Welt. Karakul liegt im KDW, nicht weit von der Grenze, nicht weit vom Niemandsland, eine interessante Stadt mit Moschen und Museen, Basaren, krummen Gassen, fotogenen Eingeborenen, ein paar großen internationalen Hotels für die vielen Touristen aus Amerika, Japan und Europa und mit einem Flugplatz.
Zollbeamtin: Jonas.
Jonas: Nur Jonas.
Zollbeamtin: Aus Babylon VSE.
Jonas: Steht doch alles da, Schwester. Geboren 1. Mai 1967, Größe 1, 83, besondere Kennzeichen: keine.
Zollbeamtin: Zweck ihrer Reise?
Jonas: Tourist.
Zollbeamtin: Bleiben Sie länger?
Jonas: Vielleicht.
Zollbeamtin: Zertifikat Ihrer letzten Gesundheitsinspektion.
Jonas: Auch das. Bitte sehr.
Zollbeamtin: Magengeschwür. Hinter den Vorhang, Herr Jonas.
Jonas: Warum denn das?
Zollbeamtin: Schutzimpfung gegen Malaria. Vorschrift.
Jonas: Seit wann.
Zollbeamtin: Vorschrift. Gehen Sie hinter den Vorhang, halten Sie den Betrieb nicht auf.
Jonas: Von mir aus, wenn mir nichts schlimmeres passiere als eine Impfung gegen Malaria. Und es ging nicht nur mir so. Alle Touristen wurden geimpft. Ungewöhnlich. Aber ich dachte nicht weiter darüber nach. Ich hatte wichtiges zu tun. Ich suchte mir eine Unterkunft, nicht eins von den großen Touristenhotels, einen billigen Schuppen im Basarviertel, und da verwandelte sich Jonas, der europäische Tourist, in den Drittweltler Mustafa.
Jonas: Preisfrage Sam.
Sam: Ja.
Jonas: Wie erfährt man am besten, was mit Grenzgänger aus der dritten Welt im Niemandland passiert. In dem man selbst als illegale Drittweltler ins Niemandsland geht, richtig.
Sam: Ohne jeden Zweifel, Herr Rundfunkrat.
Jonas: Wie seh ich aus?
Sam: Wie Jonas nur mit etwas dunklerem Teint und anders gekleidet als üblich.
Jonas: Das muß reichen.
Sam: Ja.
Jonas: Plastifacetanks gibt es hier nicht und mit einem völlig falschen Gesicht rumzulaufen ist auch nicht das wahre. Weißt du noch, damals im Schlachthausfall.
Sam: Welche Frage Sir, hab ich doch all eure Herrlichkeit Abenteuer sorgsam gespeichert und für alle Zeit bewacht. Ein Denkmal dauerhafter denn Erz. Horaz.
Jonas: Wer immer das sein mag.
Sam: Ho.
Jonas: Mit Waffen sieht’s ziemlich dünn auf. Das landesübliche Messer, mehr ist nicht drin. Ein armer Drittweltler hat kein Laserstrahler. Nicht mal eine Smith & Wesson. Auch wenn ich sie durch die Flughafenkontrollen gekriegt hätte. Geld, 1000 Piaster, das sind etwa 200 Euros. Tja, und dann hab ich bloß noch mein Kopf.
Sam: Sowie den allzeit getreuen Sam, sofern ein armer Drittweltler ein Computer sein Eigen nennen darf, ohne Verdacht zu erregen.
Jonas: Weiß du was, Sammy.
Sam: Ja?
Jonas: Ich sag einfach, du bist ein altmodisches Transistorradio.
Sam: Pfui. Pfui.
Jonas: Nicht für mich, und daß Computer so was wie Würde haben kann ich mir nicht denken.
Sam: Das denken sollten eure verquälte Scherzhaftigkeit den Computern überlassen, die haben kleinere Chips und größere Speicher.
Jonas: Der Rest war einfach. Ein paar Tassen Tee, synthetisch natürlich, ein paar Fragen, ein paar Piaster, und Jonas Mustafa stand in einem schäbigen kleinen Laden, wo es Mützen aus synthetischem Lammfell zu kaufen gab, hier residierte Dschamil Baklava, der Schleuser, der Mann, der armen Drittweltlern das Tor zu den Fleischtöpfen Europas öffnete, aus reiner Menschenliebe und gegen ein kleine Gebühr.
Baklava: Hast du Geld?
Jonas: Ja, Effendi, wenig.
Baklava: Wieviel?
Jonas: Ein paar Piaster, Effendi.
Baklava: Wieviel?
Jonas: 5. äh 500 Piaster.
Baklava: Gib sie mir.
Jonas: Alle 500, Effendi?
Baklava: Gib her. Alles was du hast. In ein paar Stunden bist du drüben, in Europa, da brauchst du keine Piaster. Oder willst du gar nichts nach Europa. Willst du lieber zurück in dein Dorf?
Jonas: O nein, Effendi.
Baklava: Na also. Gib. 500. Gut so. Geh hinten durch die Tür, auf dem Hof steht ein Lastwagen.
Jonas: Ein Benzinauto.
Baklava: Natürlich ein Benzinauto, was denkst du denn, du steigst auf die Ladefläche unter die Plane, und da wartest du.
Jonas: Worauf, Effendi?
Baklava: Das wirst du schon merken.
Jonas: 12 Leutchen hockten schon auf der Ladefläche, als ich dazustieg, und nach mir kamen noch welche. Keiner sagte ein Wort. Alle warteten. Ab und zu steckte Baklava seinen unschönen Kopf durch die Plane und sah jedem von uns aufmerksam ins Gesicht. Es wurde dunkel, die Fahrertür klappte, der Motor wurde gestartet, unser Wagen setzte sich in Bewegung, wir fuhren durch die Straßen von Karakul und dann über Land auf schlimmen Straßen. Neben mir saß ein alter Mann mit seiner Tochter oder Enkelin, einer richtigen orientalischen Schönheit, schwarzes Haar, Mandelaugen usw. Nach zwei Stunden Rütteln und Schütteln fühlte der Alte sich soweit gelockert, daß er ein Gespräch mit mir anfing, er hieß Hüsük, sagte er, und er war halbblind, aber er war nicht dumm:
Hüsük: Du bist anders, Mustafa, du bist keiner von uns.
Jonas: Ich komme von weit her. Vom Rand der Wüste. Sag mir Großvater Hüsük, warum willst du nach Europa.
Hüsük: Ich gehe mit meiner Enkelin, meine Enkelin Safiye, sie wird drüben Arbeit finden und sie wird es gut haben.
Jonas: Und du, Großvater, bist du nicht schon zu alt zum arbeiten.
Hüsük: Ich gehe um zu sterben, Mustafa, dann zu sterben, wenn meine Zeit gekommen ist, nicht zu früh, nicht an der Krankheit. Gibt es sie auch bei euch, am Rand der Wüste diese schreckliche Krankheit?
Jonas: Nein.
Safiye: Bei uns im Dorf sind schon viele an ihr gestorben, auch in den Nachbardörfern.
Hüsük: Sogar in Karakul soll sie schon sein die Krankheit.
Jonas: Was ist das für eine Krankheit, Großvater.
Hüsük: Man nennt sie den schwarzen Tod, wer von ihr befallen wird, bekommt zuerst heftiges Fieber, dann wachsen ihm Beulen und Leisten unter den Narben am Hals, schwarze Geschwüre so groß wie Hühnereier, sie breiten sich über den ganzen Körper aus, und nach wenigen Tagen stirbt der Kranke, unter großen Schmerzen.
Safiye: Die Regierung hat versprochen, uns Medizin zu schicken, aber sie hat es nicht getan.
Hüsük: Man sagt, die Regierung hat nicht genug Medizin, alles was sie hat, gibt sie den Fremden, die unser Land besuchen, sagt man, damit sie nicht krank werden und man draußen nicht schlecht über unser Land redet. Schau durch das Loch in der Plane, Safiye, sag mir, was du siehst.
Safiye: Nichts, Großvater, alles ist dunkel.
Hüsük: Kein Licht?
Safiye: Nein, Großvater.
Hüsük: Dann sind wir schon im Niemandsland.
Jonas: Seit einer Minute piepte Sam wie wild in meiner Brusttasche. Notsignale, ich rücke etwas ab von Hüsük, holte meinen Freund und Helfer raus und hielt ihn ans Ohr. Zum Glück war es so dunkel, daß keiner der anderen was mitkriegte.
Sam: Na endlich. Habe mir erlaubt, mitzuhören, Herr Sanitätsrat. Klar Fall. Diagnose eindeutig.
Jonas: In der Dritten Welt ist eine Epidemie ausgebrochen. Irgendeine Seuche.
Sam: Nicht irgendeine, Herr Medizinalrat, eine ganz bestimmte, die Beulenpest.
Jonas: Unsinn Sam, die Pest ist längst ausgerottet, zuletzt ist sie aufgetreten, warte mal, das war.
Sam: Vor genau 90 Jahren, Herr Oberarzt, in der Mandschurei, seitdem muß sich in einem gottverlassenen Winkel der Dritten Welt eine Kolonie vom Pasteur Relabestis bis heute gehalten haben.
Jonas: Und das wäre?
Sam: Der Pestbazillus, geschätzter Lateingehilfe. Die Beschreibung des Krankheitsablaufs ist unmißverständlich. In der Dritten Welt grassiert die Pest.
Jonas: Was?
Sam: Ja, ein Tatbestand, den die Regierung offensichtlich geheimzuhalten wünscht.
Jonas: Natürlich, wegen der Touristen, damit sie nicht abgeschreckt werden.
Sam: Jeder Tourist wird noch auf dem Flughafen geimpft. Pieks.
Jonas: Ja, gegen Malaria.
Sam: Glaubst du das wirklich, du geistiger Hilfspfleger. Frage, was geschieht mit den Grenzgängern, mit den Drittweltlern, die durch das Niemandland nach Europa gelangen wollen. Einige von ihnen müssen infiziert sein.
Jonas: Und wenn sie in Europa sind und da auch die Pest ausbricht.
Sam: Dann weiß alle Welt bescheid. Das ganze KDW wird unter Quarantäne gestellt. Es gibt keine Touristen mehr.
Jonas: Ja, aber es kommen ja keine Grenzgänger mehr nach Europa.
Sam: Dreimal dürfen Herr Chefarzt raten, warum. So, spring ab.
Jonas: Soll ich nicht die andern hier.
Sam: Die würden dir sowieso nicht glauben, spring ab, Jeronimo.
Jonas: Also sprang ich ab und duckte mich hinter einen Grabenrand. Keinen Augenblick zu früh. Ein paar Meter weiter blieb der Wagen stehen, plötzlich blendeten Scheinwerfer auf, es wurde taghell, ich mußte ein paar Sekunden lang die Augen zukneifen. Als ich sie wieder aufmachte, sah ich Soldaten in den Uniformen der KDW-Grenztruppe, sie zerrten Hüsük, Safiye und die andern von der Ladefläche und trieben sie in einen niedrigen Schuppen ohne Fenster.
Jonas: Sie bringen sie um, Sam, sie bringen alle um, den alten Hüsük, die schöne Safiye, alle.
Sam: Seit 4 Wochen, geehrter Trauergast, bringen die KDW-Truppen alle illegalen Grenzgänger um, damit die Außenwelt nichts von der Pest erfährt.
Jonas: Jetzt wissen wir, warum Herr Sesam keine Arbeiter mehr kriegt.
Sam: Ganz recht, großer Durchblicker, Auftrag ausgeführt. Mission beendet.
Jonas: Bleibt nur ein kleines Problem, Sam.
Sam: Ja?
Jonas: Wie komme ich zurück nach Babylon. Oder wenigsten raus aus dem Niemandland.
Grenzsoldat mit Megafon: Hier spricht das Sanitätskommando der Grenztruppe, Konglomerat Dritte Welt, wir rufen Jonas, alias Mustafa, Jonas alias Mustafa.
Jonas: Woher wissen die?
Grenzsoldat mit Megafon: Verlassen Sie Ihr Versteck, Flucht ist zwecklos, kommen Sie zu uns, ergeben Sie sich, es wird Ihnen nichts geschehen.
Jonas: Glaubst du ihm, Sammy?
Sam: Glaubst du ihm?
Jonas: Bin ich blöd? Taktischen Rückzug nennt man so was.
Sam: Bitte gelegentlich einen Blick auf den treuen Sammy werfen zu wollen, o flotter Normeh. Der erleuchtete rote Pfeil auf dem Bildschirm weist den Weg nach Europa.
Jonas: Der Weg führte quer durchs Niemandsland, vorbei an Ruinen, an gesprengten Bunkern, an verrosteten Panzerwracks, alles war still, unheimlich still. Und auch ich war leise, um nicht mögliche Verfolger aufmerksam zu machen. Aber es gab keine Verfolger. Im ganzen großen Niemandsland schien nichts zu leben, kein Strauch, kein Tier, kein Mensch, doch, da war was: vor mir ein Licht, ein Flackern, ein Lagerfeuer, ich schlich näher, vorsichtig, und sah 3 Männer, 3 wildaussehende struppige Kerle mit Hackmessern am Gürtel und eine Frau, der die drei gerade die Taschen ausräumten.
Bandit: 20 Piaster, eine silberne Kette, ein Ring, Messing.
Bandit: Die guten Sachen hat sie in der Wäsche.
Bandit: Glaub ich auch. Zieh dich aus.
Safiye: Nein.
Bandit: Ja zieh dich aus.
Safiye: Nein. Las mich los. Hilfe.
Jonas: Das ist Safiye, sie ist auch geflohen.
Safiye: Man will mich… Zu Hilfe! Hilfe! Hilfe! zu Hilfe!
Bandit: Schrei nur, keiner hört, keiner hört dich, und wenn du schreist, machst du uns erst richtig scharf. Maul halten.
Sam: Sehr gut Leutnant, lassen Sie ausschwärmen. Zu Befehl, Herr Hauptmann. Ausschwärmen, keiner darf entkommen! Na bitte, hat gewirkt.
Jonas: Nicht ganz, Sam.
Jonas: Nur zwei Banditen waren ins Dunkel getürmt, der dritte hielt Safiye am Arm fest und wußte offenbar nicht recht, was er tun sollte. Ich half ihm, ich warf ihm ein Messer in den Hals, er fiel um und alle Unklarheit war vorüber. Für immer. Ich trat in den Feuerschein, um mir das Messer zurückzuholen.
Safiye: Mustafa.
Jonas: Hallo Safiye.
Safiye: Sie haben sie erschossen, Mustafa, Großvater auch. Alle sind tot, nur wird nicht, Mustafa.
Jonas: Ja, Safiye. Wie bist du aus dem Schuppen gekommen?
Safiye: Ein Brett war lose, ich bin durchgekrochen.
Jonas: Und sie haben dich nicht gesehen.
Safiye: Nein, ich bin gelaufen, ich hatte Angst, auf einmal waren die Banditen da.
Jonas: Jetzt ist ja alles gut, ist ja gut. Vorläufig jedenfalls. Du gehst am besten mit mir, Safiye.
Safiye: Ja Mustafa. Ich hab ja sonst niemand mehr.
Jonas: Und wieder ein Marsch durchs nächtliche Niemandsland. Diesmal aber nur ein kurzer. Safiye war erschöpft und ich brauchte auch ein bißchen Ruhe. Wir suchten uns eine Ruine, die noch ein paar intakte Wände hatte, es war kühl. Wir waren beide müde, Safiye und ich, aber was wir noch nötiger hatten als Schlaf, das waren Wärme und Trost. Ich schaltete Sam ab. Wir wärmten und wir trösteten uns. Dann schliefen wir ein. Schritte und Stimmen schreckten uns aus dem Schlaf, es wurde schon hell, ich riskierte einen vorsichtigen Blick über die Mauer und schaltete Sam wieder ein. Drei Köpfe sind besser als zwei, auch wenn Sam keinen hat.
Jonas: Das sind unsere Söldner, eine Streife der ImPo. Keine Gefahr, oder? Was denkst du?
Sam: Was kann Hoheit schon an der Meinung eines armseligen Computers liegen, eines Objekts, welches menschliche Willkür an und abschalten kann, ganz nach Belieben.
Jonas: Hör auf zu muffeln, Sam. Was meinst du?
Sam: Erlaube mir ergebenst, vorerst verhaltene Vorsicht anzuempfehlen.
Safiye: Guten Morgen, Jonas.
Jonas: Guten Morgen Safiye. Jonas? Wieso Jonas? Mustafa.
Safiye: Jetzt brauchst du nicht mehr zu lügen du heißt Jonas und du bist aus Europa.
Jonas: Wer sagt das.
Safiye: Die Grenzer. Unsere Grenzer. Sie waren sehr böse, als sie merkten, daß du nicht mehr bei uns warst. Sie haben nach dir gefragt, und dann haben sie mich aussortiert, bevor sie die anderen erschossen haben, sie haben gesagt, du bist ein Spion, sie haben gesagt, ich soll im Niemandsland nach dir suchen, und wenn ich dich gefunden habe, und wenn Grenztruppen in der Nähe sind, ganz gleich ob unsere oder Europäer, dann dann soll ich…
Jonas: Ja?
Safiye: Hier, hier ist er, hier ist Jonas! Wenn ich dich verrate, lassen sie mich nach Europa, das haben sie versprochen. Hier.
ImPo-Beamter: Waffen in Anschlag. Kommen Sie raus, Hände über den Kopf, los los. Sie sind also Jonas. Super, das gibt Sonderurlaub, vielleicht sogar einen Orden. Danke Täubchen gut gemacht, jetzt brauchen wir dich nicht mehr.
Safiye: Ah!
ImPo-Beamter: Hast du dir gedacht, Täubchen, nach Europa, uns die Pest einschleppen. Kommen Sie, Jonas.
Jonas: Eine knappe Stunde zu Fuß zum ImPo-Stützpunkt, Fahnenstange, Landeplatz mit einem Hubschrauber, Baracke. Meine Wächter schoben mich durch eine Tür mit der Aufschrift Kommandantur.
Shuk: Majorin Shuk, Immigrationspolizei der VSE. Willkommen. Der vielbegehrte Jonas in meinem Stützpunkt. Ich bin hoch erfreut.
Jonas: Und ich erst.
Shuk: Lassen Sie sich anschauen. Sie sind wirklich kein Mensch, keine Katze, wieviel Leben haben Sie eigentlich. Gestern, in Babylon, sind Sie einem unserer besten Spezialisten entkommen, den wir auf Sie angesetzt hatten. Was sage ich entkommen, Sie haben ihn umgebracht, nicht er Sie wie es vorgesehen war.
Jonas: Der Überfall in der Metro, das waren Sie, die ImPo?
Shuk: Ja sicher, Weil Sie planten, das Niemandsland aufzusuchen, und das konnten wir nicht zulassen.
Jonas: Woher wußten Sie denn daß ich ins Niemandland wollte? Ich hatte doch gerade erst mit meinem Auftraggeber.
Shuk: Dafür hat Herr Sesam gesorgt, noch bevor er Ihnen den Auftrag gab, hat er diese seine Absicht kundgetan.
Jonas: Wem?
Shuk: Seinem Schleuser, Baklava, um ihn, wie er meinte, zu beruhigen, nun ist aber Baklava ein Patriot, und in der jetzigen problematischen Situation. Sie wissen ja Bescheid, Jonas, Beulenpest im KDW etc. In dieser Situation also arbeitet Baklava mit den Grenzorganen seines Staates zusammen.
Jonas: Soll heißen er führt den Mördern die Opfer zu, nachdem er sie ausgeplündert hat.
Shuk: Aber Jonas machen sie eine so simple Geschichte nicht zu Melodram. Baklava hat die KDW-Grenzwächter über Sie informiert und die Kameraden von drüben haben die Information sofort an uns weitergegeben. Wir ziehen alle an einem Strang.
Jonas: Hoffentlich hängen Sie bald dran.
Shuk: Was wollen Sie. Auch wir können nicht daran interessiert sein, daß pestkranke Drittweltler Europa heimsuchen.
Jonas: Warum sperren Sie nicht einfach die Grenze?
Shuk: Mein bester Jonas dann würde allgemein bekannt werden was die Kameraden von drüben mit so großem Eifer und aus so guten Gründen geheimzuhalten suchen, und ihren dringenden Wunsch, daß auch weiterhin niemand von der grassierenden Beulenpest erfährt, läßt die Dritte Welt sich gern etwas kosten.
Jonas: Die ImPo wird also bestochen.
Shuk: Die Welt, mein lieber Jonas, ist kein Nonnenkloster, Alle bestechen oder werden bestochen. Zurück zu Ihnen. Nach dem fehlgeschlagenen Attentat unseres Spezialisten taten Sie etwas, womit niemand rechnen konnte. Sie gingen nicht auf direktem Weg ins Niemandland, Sie flogen als Tourist nach Karakul, und wir hier an der Grenze haben vergeblich auf Sie gewartet. Zum Glück hatten wir dafür gesorgt, daß Baklava ein Holobild von Ihnen bekam, für alle Fälle. Er erkannte Sie trotz ihrer Mustafamaskerade und verständigte seine Kontaktleute an der Grenze. Besondere Vorkehrungen wurden nicht getroffen, man nahm an, Sie würden mit samt der übrigen LKW-Ladung routinemäßig erledigt werden.
Jonas: Ein Irrtum.
Shuk: Gewiß, aber ohne schwerwiegende Folgen. Wir sind ja auch noch da. Wir sind gewissermaßen die Lumpensammler.
Jonas: Wie sinnig.
Shuk: Wenn den Kameraden drüben einer durch die Lappen geht, rufen sie uns an und wir fangen ihn ab. Und dann erschießen wir ihn natürlich.
Jonas: Natürlich. Mich auch?
Shuk: Aber ja. Sie vor allem.
Jonas: Aber ich hab nicht die Pest. Ich bin geimpft.
Shuk: Sie sind viel gefährlicher als so ein armer verpester Drittweltler. Sie wissen, was hier gespielt wird. Und Sie sind im Stande es weiter zu erzählen. Sie hatten Glück, Jonas, großes Glück, aber jetzt ist Ihr Glück zu Ende und Ihr Leben auch. Schade. Apropos: haben sie einen letzten Wunsch. Wenn es sich irgendmachen laßt.
Jonas: In dem Schrank da seh ich eine Flasche.
Shuk: Schottischer Whisky, echter, uns geht es gut, wir können uns was leisten. Wie hätten Sie ihn gern, mit Eis, mit Soda, mit Wasser?
Jonas: In einem Glas.
Shuk: Aber gewiß doch. Ah!
Jonas: Das ist ein Messer, Majorin, die Spitze direkt an Ihrer Halsschlagader.
Sam: Wie vor einem Jahr im Reservat, Sultan Suleiman, mein Meister geruht sich zu erinnern.
Jonas: Klar. Was jetzt, wir sind nicht im 10. Stock und einen Kanal gibt es hier nicht.
Sam: Wohl aber, hehehe, muß eure innere Schwerbegrifflichkeit tatsächlich darauf hingewiesen werden, wohl aber einen Hubschrauber.
Jonas: Gute Idee, Sam.
Sam: Gute Idee, Sam. Ausgezeichnete Idee, wunderbare Idee, exorbitante Idee, superpyramidale Idee.
Jonas: Auf jeden Fall eine Idee, die funktionierte. Ich nahm mir den Laserstrahler der Majorin und ging mit ihr zum Hubschrauber, langsam, die ImPos trauten sich nicht einzugreifen, ich band die Majorin auf dem Nebensitz fest und flog los. Zum Glück wußte ich, wie man mit so einem Ding umgeht. Ich überlegte, ob ich die Majorin unterwegs rauswerfen sollte, ich tat’s nicht, es hatte schon so viele Tote gegeben. Statt dessen ließ ich sie an einem Seil auf einen Alpengletscher runter. Auch eine Strafe. Den Hubschrauber landete ich auf freiem Feld vor Babylon. Drei Stunden später war ich bei Martin Sesam, gewaschen und umgezogen. Und Sesam war über meinen Bericht gar nicht glücklich.
Sesam: Beulenpest, Todesschwadron, Baklava ein falscher Fuffziger, was soll ich mit so einer Räuberpistole, mich interessiert nur eins, Herr Jonas, haben Sie mir von drüben neue Arbeitskräfte mitgebracht?
Jonas: Das war nicht mein Auftrag, Herr Sesam.
Sesam: Ach. Wissen Sie wenigstens, wann ich mit neuen Arbeitern rechnen kann?
Jonas: Überhaupt nicht.
Sesam: Ist das wahr? Dann muß ich Konkurs anmelden.
Jonas: Ihre Sache, Herr Sesam.
Sesam: Meinen Sie, Jonas? Wenn ich pleite gehe, können Sie sich ihre Rechnung an die Backe kleben. Von mir kriegen Sie kein Geld, 400 Euros Vorschuß haben Sie schon, mehr gibt’s nicht.
Sam: Besagten 400 Euros Vorschuß auf der Einnahmenseite steht auf der Ausgabenseite gegenüber die Summe von 387 Euros 0 Cents. Welche sich zusammensetzt wie folgt: Flug Babylon-Karakul mittels Chemorocket 352 Euros. Diverse gebrauchte Kleidungsstücke 78 Euros.
Jonas: Sei mal still: 400 weniger 387.
Sam: 13 Euros.
Sesam: Na bitte 13 Euros Reingewinn, ist doch was. Sie finden wohl selbst raus.
Jonas: Auf dem Weg nach Hause kam ich wieder am Art-Shop vorbei, die hübsche Verkäuferin stand in der Tür und lächelte mich an.
Verkäuferin: Hatten Sie nicht gestern nach handgearbeiteten Zierzwergen gefragt?
Jonas: Ja.
Verkäuferin: Einen hab ich noch gefunden beim Grossisten. Das ist der allerletzte hat er gesagt, weil keine mehr nachkommen. Wollen Sie ihn mitnehmen?
Jonas: Soll ich Ihnen was verraten: Ich hasse Zierzwerge.
Jonas: Ich hätte sie fragen können, ob sie abends schon was vorhatte. Ich hätte sie zu mir einladen können. Das echte Büro eines echten Detektivs. Das zieht immer. Aber ich war zu müde. Ich ging nach Hause, legte mich ins Bett und ließ mich von Sam in den Schlaf singen.
Sam: You must remember this, a kiss is just a kiss.
Jonas: Ich dachte an die Verkäuferin, an Judith, an Safiye und daran, daß ich was unternehmen sollte, wegen der Pest in der Dritten Welt. Morgen.
Das war Niemandsland. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Es wirkten außerdem mit: Elisabeth Endriss, Sabine von Maydell, Karin Kernke, Harald Leipnitz, Michael Habeck, Michael Hoffmann, Peter Capell und viele andere (Michael Gahr, Julia Fischer, Norbert Goth, Erik P. Caspar, Joachim Schmahl, Marold Langer-Philippsen). Ton und Technik: Günter Heß und Angela Bernd. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Alexander Malachovsky. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1985). Redaktion: Dieter Hasselblatt und Erwin Weigel.
Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Schmiergeld
Jonas: Ich machte die Tür auf, und da saß er. Mitten in meinem Büro. Auf meinem besten und einzigen Klientenstuhl. Er war klein und trug grau, das offizielle grau der Politiker und Geschäftsleute. Eine graue Maus. Unauffällig. Abgesehen von einer Kleinigkeit. Er war tot. Sein Gesicht war blau angelaufen, die Zunge hing ihm aus dem Mund, die Augen standen weit offen. Das gefiel mir nicht. Welcher Detektiv findet schon gern eine ermordete Leiche in seinem Büro?
Jonas: Erwürgt mit einer Drahtschlinge. Fachmännische Arbeit. Zwei Täter. Einer hält den Mann fest, der andere zieht zu.
Sam: Wie weiland die Thugs, eure mäßige Belesenheit dürfte sie kaum kennen. Eine indische Mördersekte. Welche vorzugsweise in Bengalen florierte. Zu Ehren ihrer Göttin Kali oder auch Bowarni erwürgten sie zahllose Menschen mit gelben Tüchern.
Jonas: Sam. Mein Computer. Bis an die Oberkante vollprogrammiert mit nützlichem Wissen und unnützer Gelehrsamkeit. Unentbehrlich und innervierend. Und ein bißchen verrückt. Vor fünf Jahren habe ich ihn billig gekauft. Im Ramsch. Als Einzelstück. Seitdem versuche ich mich an ihn zu gewöhnen. Das ist nicht leicht.
Sam: Dem Treiben der Thugs machte die britische Kolonialverwaltung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Ende.
Jonas: Wir sind in Babylon, Sam, nicht in Indien. Und wir haben heute den 2. Juni 2010. Wer immer unseren Besucher umgebracht hat, Thugs waren es bestimmt nicht, blas dich nicht auf mit deiner Bildung, mach dich nützlich.
Sam: Jawohl, großmächtiger Herr und Meister. Sam drängt darauf, sich ganz ungeheuer nützlich zu machen, doch wie, so fragt der Fachmann und der Laie wundert sich, wie oder mit anderen Worten ausgedrückt, auf welche Weise?
Jonas: Ich stell dich ab, Sam, ich werf dich aus dem Fenster.
Sam: Ob seines Gebieters Zorn windet sich der unglückselige Sklave im Staub.
Jonas: Ich verkauf dich als Schrott.
Sam: Bin ja schon ganz still, Chef.
Jonas: Kennst du den Mann?
Sam: Sorry, Sir. Nie gesehen.
Jonas: Ich auch nicht, aber das war kein Problem. Unser Besucher stellte sich selbst vor. Mein altes Diktaphon, das auf Sams Datenspeicher stand, war verschoben, kein Staub auf den Tasten, ein Detektiv sieht so was. Und er weiß, was das bedeutet. Ich ließ die Kassette zurücklaufen und der Tote sprach.
Hartog: Zunächst einmal muß ich Sie um Entschuldigung bitten, Herr Jonas, unter normalen Umständen hätte ich mir niemals erlaubt, Ihr Diktiergerät zu benutzen oder in Ihrer Abwesenheit in Ihre Räumlichkeiten einzudringen. Übrigens hat mich Ihr Hauswart eingelassen. Wie gesagt, nicht unter normalen Umständen. Aber die Umstände sind nicht normal. Ich werde verfolgt, ich fühle mich bedroht, und ich werde zu unrecht beschuldigt, Sie sind meine letzte Hoffnung, Herr Jonas.
Jonas: Jonas, das bin ich. Nur Jonas. Ich bin der die das letzte. Das letzte Gremium, die letzte Instanz, der letzte Privatdetektiv. Zu mir kommt man, wenn alle Stricke reißen. Nicht, daß ich viel tun kann, aber ich gebe mir Mühe. Davon lebe ich.
Hartog: Ich darf mich vorstellen. Hartog ist mein Name. Hugo Hartog. Sie werden mich nicht kennen. Ich bin Stadtrat in der babylonischen Finanzverwaltung, Abteilung Gewerbesteuern. Stellvertretender Abteilungsleiter. Kein großes Licht. Ja, ich, ich, ich sollte mich besser beeilen. Also, ein Journalist hat mich angerufen, ich kenne ihn flüchtig. Er heißt Sidonia, und er ist beim Europäischen Pressebüro EPB. Er hat einen Informanten bei Chips Inc. Und dieser Informant hat ihm eine Liste durchgegeben. Eine Liste, auf der alle stehen, die in diesem Jahr von Chips bestochen worden sind. Mit den Beträgen, die sie bekommen haben, wegen der Robotergesetze, wissen Sie.
Jonas: Natürlich wußte ich. Jeder weiß das. Die Robotergesetze bestimmen, daß ein Betrieb je nach Umsatz für eine bestimmte Anzahl Roboter eine menschliche Arbeitskraft einstellen muß. Oder eine kräftige Ersatzgebühr zahlen. Beides wollen die Betriebe nicht. Zu teuer. Zu umständlich. Deshalb schmieren sie die Kontrollbehörden. Das kommt billiger. So ist allen geholfen. Nur nicht den menschlichen Arbeitskräften. Aber die fragt sowieso keiner.
Hartog: Und ganz oben auf der Liste, sagt Sidonia, stehe ich. Als erster. Mit 15 Millionen Euros. Das stimmt nicht, Herr Jonas, das schwöre ich. Mit Chips habe ich seit Jahren nichts mehr zu tun, und ich habe in meinem Leben noch nie Schmiergeld genommen. Das habe ich Sidonia gesagt, aber der glaubt mir nicht, und wird die Liste heute noch veröffentlichen. Helfen Sie mir, Herr Jonas. Beweisen Sie meine Unschuld, ich bitte Sie. Da, Schritte draußen auf dem Gang. Sie kommen nach Hause, Herr Jonas. Der Rest mündlich.
Jonas: Ich war’s nicht, der da gekommen ist.
Sam: Keinesfalls, o Rächer der Genervten. Wie die akustisch-subtonale Anneliese, äh Korrektur Analyse zeigt, handelte es sich um die Schritte zweier Menschen.
Jonas: Die Mörder mit der Drahtschlinge. Glaubst du ihm, Sam?
Sam: Begriff unpräzise, Meister. Computer glauben nicht, Computer wissen.
Jonas: OK, Sammy. Weißt du, ob er die Wahrheit sagt?
Sam: Daten unzureichend, Hochwürden.
Jonas: Na, dann machen wir sie doch ein bißchen zureichender. Wie spät ist es?
Sam: Piep. 14 Uhr 1 Minute und 12 Sekunden.
Jonas: News Time im öffentlichen Holokanal.
Nachrichtensprecherin: Liste mit angeblichen Empfängern von Bestechungsgeldern. Chips Inc, der bedeutendste Hardwareproducer in den Vereinigten Staaten von Europa, hat bisher jede Stellungnahme abgelehnt. Auch der Hauptbelastete, Stadtrat Hartog, hat sich noch nicht geäußert. Ein Sprecher der Finanzverwaltung teilte mit…
Jonas: Soweit stimmt die Sache also. Er steht wirklich ganz oben auf der Schmiergeldliste von Chips, der Herr Hartog.
Sam: Möge er ruhen in Frieden, Eminenz.
Jonas: Dafür werden wir sorgen, Sammy.
Sam: Wie ist dieses zu verstehen, Heiligkeit?
Jonas: Hartog ist zu mir gekommen, er hat mir den Auftrag gegeben, die Angelegenheit zu klären. Wenn er genug Geld bei sich hat.
Sam: 80 Euros pro Tag plus Spesen.
Jonas: Ich hab schon jede Menge Auftraggeber gehabt. Dicke und dünne, verrückte und normale, nette und widerliche, aber noch keinen Toten. Das war was neues.
Sam: Hoffentlich bringt’s auch was ein, Meister.
Jonas: Wollen mal sehen. Hier, hier ist seine Brieftasche, 100, 200, 10, 20, 30, 40, 50, 70 Euros in Scheinen, 240 für mich als Anzahlung, 3 Tagessätze.
Sam: Und die Spesen, o leuchtendes Exempel an Großzügigkeit?
Jonas: Wird sich finden, Sam.
Sam: Dein Wort in Gottes Ohr, Alter. Wenn Sie gestatten, Sir, es hat gedong-dongt. Geklopfet.
Jonas: Wir sind nicht zu Hause, James. Eine Leiche im Salon verstört auch den gutwilligsten Gast.
Brock: Machen Sie auf, Jonas, Kriminalpolizei.
Jonas: Die gute alte Kripo. Sie ist immer noch unter uns. Unterbesetzt. Unterbezahlt. Unterbewertet. Staatsgewalt für Minderbemittelte. Wer was hat, leistet sich Privatbullen. Und für die wirklich wichtigen Dinge gibt’s Spezialtruppen. PoPo, MePo, FiPo etc. Aber wenn die Kripo auch keine große Rolle mehr spielt, einem einzelnen Privatdetektiv kann sie noch ganz schön Ärger machen. Besonders wenn sie im Büro des Detektivs einen Ermordeten findet. Und wenn die Kripo aus Inspektor Brock nebst Gefolge besteht.
Brock: Ich hab’s ja immer gesagt, Jonas, mit Ihnen ist was faul. Privatdetektiv. Das ist doch kein Beruf für einen anständigen Menschen.
Jonas: Wir können nicht alle bei der Kripo sein, Inspektor. Was führt Sie zu mir.
Brock: Wir sind angerufen worden.
Jonas: Von wem?
Brock: Von einer Frau. Namen hat sie nicht gesagt. Nur daß bei Ihnen einer ermordet worden ist. Kunde von Ihnen?
Jonas: Der Tote, ja, könnte man sagen.
Brock: Haben Sie ihn umgebracht.
Jonas: Soviel Kunden hab ich nicht, daß ich s mir leisten kann sie umzubringen.
Brock: Ich glaube Ihnen kein Wort, Jonas. Pauly.
Pauly: Inspektor?
Brock: Was sagt der Pathomat?
Pauly: Moment. Tod trat ein genau 12 Uhr 49.
Brock: Wo waren Sie 12 Uhr 49, Jonas?
Jonas: Bei Ihnen Bröckchen.
Brock: Scheißen Sie mich nicht an. Wo waren Sie?
Jonas: In der Zentrale der Sicherheitsverwaltung, Europaplatz in der Polizeikantine beim Essen.
Brock: Echt? Kein Scheiß?
Jonas: Sojaschnitzel mit gedämpften Algen, recycelt natürlich aber gar nicht schlecht.
Brock: Haben Sie Zeugen?
Jonas: Nur einen. Das heißt: eine: Ihre Chefin.
Brock: Sie scheißen mich ja schon wieder an.
Jonas: Kein Scheiß Inspektor. Rufen Sie Frau Delgado an.
Jonas: Judith Delgado ist Hauptabteilungsleiterin bei der Sicherheitsverwaltung und sie ist meine z.B., meine zeitweilige Beziehung, wobei das zeitweilig eigentlich nicht mehr stimmt, immerhin kennen wir uns seit über einem Jahr, und Beziehung stimmt auch nicht so richtig, weil wir uns meist streiten, allerdings in letzter Zeit ist es zwischen uns besser geworden, vielleicht weil ich sie rausgeholt habe, als sie gekidnaped und auf die Insel Swartcliff verschleppt worden war. Wie auch immer, wir hatten wirklich zusammen gegessen in der Polizeikantine. Bei so einem Alibi mußte Inspektor Brock abschnallen und ohne Jonas von dann ziehen. Was ihm sichtlich schwer fiel, und ich konnte endlich anfangen an meinem neuen Fall zu arbeiten.
Sam: Roy Sidonia, Journalist, angestellt in europäischen Pressebüro.
Jonas: Tschuldigung, du verwirrst mich, Sam, wo wohnt er?
Sam: Im Nordwestbezirk, Mardukstraße 20.
Jonas: Nicht gerade um die Ecke. Wie kommen wir hin Sammy?
Sam: Am bequemsten per Rikscha, Sahib, am billigsten zu Fuß. Am schnellsten mit der Metro.
Jonas: Also die Metro, ich hatte es eilig, und ich konnte Judo und Karate und was ich sonst noch im antarktischen Krieg gelernt hatte. Vor Räubern und Funkillern brauchte ich keine Angst zu haben. Trotzdem, richtig wohl fühlte ich mich erst wieder, als ich an der Mardukstraße ausstieg. Ein mittleres Viertel, nicht posch, aber auch nicht gerade heruntergekommen, solider Durchschnitt. Sidonia wohnte in einem Mietshaus aus dem vorigen Jahrhundert im 4. Stock. Kein Fahrstuhl und zum Glück auch kein Torwächter. Er war nicht da, jedenfalls machte er nicht auf. Ich machte auf, sein Türschloß war so alt wie das Haus.
Jonas: Mindestens 30 Quadratmeter.
Sam: Der Mitarbeiter eines kontinentalen Infobüros in Tarifstufe 6 hat Anrecht auf 32 Quadratmeter Wohnraum, o du mein beengter, eingezwängter und beschränkter Freiberufler.
Jonas: Sam hatte ich dabei. Wie immer, ich meine natürlich Sam 2, kleiner Apparat, paßt in jede Tasche, rund um die Uhr mit dem großen Kasten im Büro verbunden, drahtlos, guter Rat überall und jeder Zeit und Nervensägerei als Zugabe.
Sam: Das Leben ist ungerecht, Genosse. Find dich damit ab. Ein Journalist gilt mehr als ein Privatdetektiv.
Jonas: Dieser Journalist hat nur leider nichts mehr davon. Er ist nämlich tot, da liegt er, neben dem Bett.
Sam: Aha, aus diesem Grunde hat er meinen Herrn nicht die Türe geöffnet.
Jonas: Sehr gut mein dear Watson. Sehr scharfsinnig. Computer sind Denkmaschinen, das bestätigt sich immer wieder.
Sam: Daten, wenn ich bitten darf, Daten und keine blöden Bemerkungen, o Wonne meiner Seele die ich nicht besitze. Wie kam Sidonia zu Tode. Falls es sich bei der Leiche tatsächlich um ihn handelt.
Jonas: Es ist Sidonia, er hat seine Bürgerkarte in der Tasche. Er hat überhaupt noch alles in der Tasche, Schlüssel, Geld und er ist ermordet worden.
Sam: Erwürgt?
Jonas: Mit einer Drahtschlinge. Kommt uns bekannt vor, was Sammy.
Sam: Ein Muster beginnt sich abzuzeichnen, großer Kombinator. Stadtrat Hartog in dero Durchlaucht Büro, Sidonia in seiner Wohnung, die gleiche Methode, die gleichen Mörder, der gleiche Fall.
Jonas: Alles gleich, Sam. Bis auf eins. Sieh dir den Computer in der rechten Ecke an.
Sam: Computer? Das Ding ist so alt, daß es nicht mal reden kann, igitt, so was nenn ich nicht Computer, das ist eine Rechenmaschine, wenn’s hochkommt, ein Museumstücke, zum normalen Gebrauch nicht geeignet.
Jonas: Ist ja auch schon jahrelang nicht mehr benutzt worden, Sam. Fingerdick Staub, Roststellen, die Tasten verklemmt. Trotzdem haben die Mörder den Speicher kaputt geschlagen und ausgeräumt.
Sam: Wie euer Scharfsinn bereits erschlossen haben dürfte, waren sie bemüht zu verhindern, daß gewisse Informationen anderweit bekannt würden. Informationen, welche zweifellos mit Chips Inc. und mit der Bestechungsliste in Zusammenhang stehen.
Jonas: Vermutlich der Name der Person, die Sidonia die Liste gegeben hat.
Sam: Dabei ist den Tätern nicht aufgefallen, daß die fragliche Information sich keinesfalls in diesem diesem computerähnlichen Etwas befunden haben kann, Hoheit.
Jonas: Das waren Killer, Sam, keine Infoexperten.
Sam: Im Gegensatz zu meinem Gebieter, welcher ohne Frage weiß, wo die gesuchte Information zu finden ist.
Jonas: Ach ja.
Sam: Nicht. O Sancta Inplicitas. So lasset uns denn logisch vorgehen, geliebte Gemeinde. Erstens. Kein Mensch kommt heutzutage ohne Computer aus.
Jonas: Richtig.
Sam: Zweitens in seiner Privatwohnung verfügte Sidonia nicht über eine benutzbaren Computer.
Jonas: Auch richtig.
Sam: Drittens. Sidonia hat seinen Computer an anderer Stelle.
Jonas: Das Europäische Pressebüro liegt im Zentrum, nicht weit vom Europaplatz. Reinkommen ist ein Kinderspiel: Man braucht nur eine Aktentasche unterm Arm, einen wichtigen Gesichtsausdruck und Sidonias Paß, den ich in seiner Tasche gefunden hatte. In Tarifstufe 6 hat man nicht nur Anspruch auf 32 Quadratmeter Wohnfläche, sondern auch auf ein Einzelbüro. Schreibtisch mit Textgerät, Stuhl, Schrank, und ein Personalcomputer, klein aber effektiv. Ich aktivierte ihn mit Sidonias Schlüssel. Keine lange Unterhaltung, das war zu gefährlich. Ich ließ Sam kurz interfacen und holte dann schnell aus ihm raus was ich wissen wollte.
Sam: Aye aye Sir, kurz und bündig. Unter heutigem Datum, 6 Uhr 30 morgens findet sich verzeichnet die ungewöhnlich hohe Zahlung von Euros 3000 für Information erhalten, Kennwort Liste Chips.
Jonas: Das ist es, Sammy. Zahlungsempfänger?
Sam: C. Hinkelstein. Auch in den vorangegangen Monaten taucht dieser Name des öfteren auf, o Schmieröl meiner Schaltungen.
Jonas: Ganz klar. Hinkelstein war Sidonias Informant bei Chips Inc und er hat ihm heute morgen die Liste der Schmiergeldempfänger geliefert, die Liste, auf der unser Klient ganz oben steht.
Sam: Vermutlich zu Unrecht.
Jonas: Hinkelstein. Ausgefallener Name. Sieh mal das Personalverzeichnis von Chips durch, Sammy.
Sam: Schon passiert, Herr Oberbrandmeister, unter den zahlreichen Mitarbeitern von Chips befindet sich nur ein C. Hinkelstein. Berichtigung: nur eine C. Hinkelstein. Carla Hinkelstein, Sachbearbeiterin in der Abteilung Marketing und PR.
Jonas: Fonnummer.
Sam: Wünschen Durchlaucht Dienst oder Privatnummer.
Jonas: Wie spät?
Sam: Piep. 17 Uhr 21 Minuten und 8 Sekunden.
Jonas: Dann wird sie zu Hause sein.
Sam: 2271399625.
Hinkelstein: Ja?
Jonas: Frau Carla Hinkelstein?
Hinkelstein: Ja?
Jonas: Mein Name ist Jonas, nur Jonas. Ich möchte mit Ihnen sprechen.
Hinkelstein: Ja worüber?
Jonas: Eine Überraschung. Sie konnte nicht nur ja, sie konnte auch anders. Und mehr. Das machte mir Mut.
Jonas: Über einen Bekannten von Ihnen, Roy Sidonia und über eine gewisse Liste.
Hinkelstein: Ich weiß nicht, was Sie meinen.
Jonas: Natürlich nicht. Kann ich gleich vorbeikommen.
Hinkelstein: Sind Sie von der Presse?
Jonas: Nein, ich bin Detektiv.
Hinkelstein: Oh, heute geht’s nicht, kommen Sie morgen.
Jonas: Zu Chips?
Hinkelstein: Nein, in meine Wohnung, Lemstraße 92. Morgen früh um 8.
Jonas: Im Korridor vor meinem Büro war’s dunkel. Der Hauswart hatte vergessen die kaputte Birne der Deckenlampe auszuwechseln. Wie üblich. Das störte mich nicht. Ich finde das Schlüsselloch auch im Dunkeln. Was mich störte war ein Umriß neben meiner Tür. Ein Umriß, der etwas heller war als die Wand und der sich bewegte. Ich ließ den Schlüssel los und griff nach meiner alten Smith and Wesson, eher Maskottchen als Waffe aber im Zweifelsfall besser als nichts.
Luna: Herr Jonas?
Jonas: Treten Sie drei Schritt zurück und bleiben Sie dann ganz still stehen.
Luna: Keine Angst, Herr Jonas, Sie sind doch Herr Jonas, ich tue Ihnen nichts, im Gegenteil. Ich brauche einen Detektiv. Der Hauswart wollte mich nicht in Ihr Büro lassen.
Jonas: Ich hab’s ihm verboten aus gutem Grund. Kommen Sie rein. Setzen Sie sich. Lassen Sie sich ansehen.
Jonas: Eine Frau Mitte 30, kräftige Schultern, große Füße in flachen Schuhen, ein Gesicht ohne Bemalung, schmaler Mund, kleine Augen, Kleidung so so, kein Schund aber auch nichts besonders, kein Schmuck. Sie saß steif da, Knie zusammen, Hände im Schoß gefaltet. Nicht gerade ein herzerwärmender Typ, aber wer sagt, daß einem Privatdetektiv alle seine Klienten sympathisch sein müssen.
Luna: Ich heiße Marten. Vanessa Marten.
Jonas: Und Sie brauchen einen Detektiv. Warum.
Luna: Ich hab eine Partnerin, Nora Karatschi.
Jonas: Zeitweilig oder dauerhaft?
Luna: Z.B. Wir haben einen Halbjahresvertrag gemacht.
Jonas: Ja.
Luna: Nora geht fremd, seit ein paar Wochen, jeden Montag abend verschwindet sie, wenn sie glaubt, ich schlafe, ich nehme Pillen, wissen sie, vegetative Dystomie.
Jonas: Sieht man Ihnen nicht an. Und?
Luna: Am nächsten Morgen kommt sie zurück, ganz früh und tut, als ob nichts gewesen ist. Letzten Montag bin ich ihr heimlich nachgegangen, wir wohnen ganz in der Nähe, sie ist hier die Straße langgegangen, vorbei an Ihrem Haus, um die Ecke gebogen.
Jonas: Und dann?
Luna: War sie verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Ich hab gesucht aber.
Jonas: Mir ist nicht ganz klar, was Sie von mir wollen, Frau Marten.
Luna: Die Sache ist die, unser Vertrag läuft noch gut zwei Monate, und wenn Nora ihn bricht…
Jonas: Der Vertrag enthält eine Exklusivitätsklausel.
Luna: Ja sicher, wenn Nora den Vertrag bricht, kann ich die Beziehung sofort beenden, ohne Abfindung.
Jonas: In diesem Fall müssen Ihrer Partnerin den Vertragsbruch nachweisen.
Luna: Aber deshalb bin ich ja zu Ihnen gekommen Herr Jonas. Ich bauch eine Fachperson, die Nora nicht aus den Augen verliert und die als unabhängiger Zeuge aussagen kann. Was kosten Sie?
Jonas: 80 Euros pro Tag und Spesen.
Luna: Heute ist Montag. Wenn Sie den Fall heute Nacht zu Ende bringen, zahle ich Ihnen 120 Euros bar auf die Hand.
Jonas: Es war schon komisch, da hatte ich wochenlang keinen einzigen Fall und jetzt hatte ich zwei auf einmal, falls ich den Auftrag von Vanessa Marten annahm. Sie war mir nicht sympathisch, ihre Geschichte auch nicht. Aber 120 steuerfreie Euros, und Verträge müssen schließlich eingehalten werden. Also sagte ich ja.
Luna: Wenn Nora heut nacht aus dem Haus geht.
Jonas: Rufen Sie mich an, ich warte unten vor dem Haus auf Sie. Sie zeigen mir ihre Partnerin.
Luna: Sie gehen ihr nach und.
Jonas: Alles übrige ist meine Sache. Und vergessen Sie das Geld nicht.
Judith: Och nein, nicht Jonas, geh nicht ans Fon.
Jonas: Hmh. Jonas?
Luna: Vanessa Marten. Eben ist Nora aus dem Haus gegangen. Können Sie in 5 Minuten unten sein?
Jonas: Ich werd’s versuchen.
Judith: Du willst weg.
Jonas: Ich muß weg.
Judith: Jetzt, kurz vor zwei.
Jonas: Ein Detektiv ist immer im Dienst.
Judith: Komm wieder ins Bett, Jonas, mir ist kalt ohne dich.
Jonas: Judith war bei mir. Das kam nicht oft vor. Sie hat es lieber, wenn ich zu ihr komme, das ist für beide bequemer, meint sie, sie hat 48 Quadratmeter, und sie meint, bei mir kommt immer was dazwischen. Da hat sie nicht unrecht.
Judith: Kannst du es nicht verschieben?
Jonas: Unmöglich. Wo zum Donner ist Sam zwo, du hast vorhin aufgeräumt, Judith, wo hast du ihn hingetan?
Judith: Ach, ich kann mich nicht erinnern.
Jonas: Also dann muß es ohne Computer gehen. Kein Problem bei so einem kleinen Fall, reine Routine. Ich muß los. Also schlaf schön weiter, Judith.
Jonas: Ich wartete unten an der Haustür im Schatten. Ein paar Menschen kamen vorbei. Frauen, Männer und zwei oder drei, die ich nicht einordnen konnte. Als Vanessa Marten erschien, trat ich aus dem Schatten.
Luna: Gut. Sie sind pünktlich, Jonas, da vorn, die Frau im roten Cape, das ist Nora.
Jonas: Ausgesprochen hilfreich, ihre Partnerin.
Luna: Was meinen Sie?
Jonas: Weil sie so auffällig angezogen ist, leicht im Auge zu behalten. Sie können jetzt gehen, Frau Marten, den Rest übernehme ich.
Luna: Ich komm mit, ich will wissen, wo Nora hingeht und was sie da tut.
Jonas: Sie kriegen morgen einen Bericht in dreifacher Ausfertigung.
Luna: Das ist mir zu spät, ich weil es gleich wissen. Ich geh mit.
Jonas: OK sie bezahlen, aber das Kommando habe ich.
Luna: Jetzt ist sie um die Ecke gebogen. Da ist sie letzten Montag verschwunden.
Jonas: Na kommen sie.
Luna: Weg ist sie, wie letzte Woche, spurlos.
Jonas: Nicht spurlos. Sehen Sie mal da.
Jonas: Gleich hinter der Ecke dicht an der Wand stand ein Kanaldeckel einen Spalt offen. Und in dem Spalt hatte sich ein rotes Stoffstück verfangen. Ein glücklicher Zufall, so glücklich, daß ich ein bißchen mißtrauisch wurde. Jonas ist ein guter Kerl, offen, vertauensselig, aber für dumm läßt er sich nicht verkaufen. Ein Jammer, daß Sam nicht bei mir war, auch die Smith and Wesson hatte ich zuhause gelassen. Alles was ich hatte war eine Taschenlampe. Ich hob den Deckel hoch und leuchtete, eine Treppe, wir stiegen nach unten, etwa 20 Stufen, dann ein Absatz und die Tür zu einem Quicklift. Ich sah auf den Indikator, der Lift zischte in die Tiefe und kam ganz unten zum Stehen. Ich wartete einen Moment, holte ihn hoch, und wir, Vanessa Marten und ich, fuhren in die Unterwelt.
Jonas: Wissen Sie wo es hier hingeht?
Luna: Nein, Sie?
Jonas: Ich glaube schon. In die Eingeweide von Babylon, zu den Kloaken, den Recyclinganlagen und Biogasgeneratoren. In die Scheiße.
Luna: Ich kann mir nicht vorstellen, was Nora da unten sucht.
Jonas: Wenn sie ein heimliches Verhältnis hat dann höchstens mit einem Cop-Robot. Menschen gibt’s da nicht. Endstation. Alles aussteigen. Nach ihnen, mein Dame.
Jonas: Ich war vorsichtig und behielt meine Begleiterin im Auge, in einem Auge, das andere brauchte ich für meine Umgebung. Wir standen unter einer riesigen Kuppel auf einem weiten unterirdischen Platz, neben dem Lift eine Schaltzentrale, Tafeln, Lichter, Computer, Monitore, ein Fon, dann rechts und links die Einmündungen zahl-loser Kanäle, die sich mitten auf dem Platz trafen und einen großen Teich bildeten. Einen Teich, der nicht stagnierte, sondern sich dick und dunkel nach hinten wälzte, und da teilte er sich. Auf einer Seite saugten Pumpen das Gas ab für die Biogenera-toren, die man irgendwo hinter den Wänden summen hörte, daneben wurde die fest-ere Materie in Richtung Recyclingcenter geschoben, wo man aus dem, was 25 Millio-nen Babylonier so unter sich lassen, Essen und Trinken für eben diese 25 Millionen macht. Über allem trübes Licht, unerträgliche Hitze. Noch unerträglicher Gestank.
Jonas: Mir stinkt noch was. Ihre Partnerin ist verschwunden.
Luna: Ich seh rot, da, dritte Einmündung rechts. Auf dem seitlichen Laufsteg.
Jonas: Sie machen recht, bleiben sie vor mir.
Jonas: Wie gesagt, ich war vorsichtig, aber nicht vorsichtig genug. Das rote in der dritten Einmündung rechts war tatsächlich das Cap, aber Nora Karatschi steckte nicht drin, sie hockte in der zweiten Einmündung, im dunkeln, unsichtbar, und als ich vorbei lief, zog sie mir die Beine weg. Ich schlug auf, hart und trat kurz ab, nur ein paar Sekunden, aber die reichten, als ich wieder da war, hatten sie mich schon verschnürt. Hände auf dem Rücken, Füße zusammen. Sie standen vor mir. Vanessa Marten und eine Frau, die aussah wie ihr Zwilling.
Jonas: Nora Karatschi nehme ich an.
Nike: Nora Karatschi gibt’s nicht mehr.
Luna: Und Vanessa Marten auch nicht.
Nike: Wir sind Nike.
Luna: Und Luna.
Nike: Nike und Luna, das taffe tödliche Team.
Luna: Das coole Killerkommando.
Nike: Bekannt und begehrt.
Luna: Schon von uns gehört?
Nike: Haben sie ein Partner, der sie stört, einen Erbonkel der nicht sterben will, einen Detektiv der lästig wird, kein Problem.
Luna: Rufen sie Nike und Luna.
Nike: Wir haben Hartog erledigt.
Luna: Und Sidonia.
Nike: Und die Hinkelstein.
Luna: Und jetzt ist Jonas fällig.
Nike: Wir haben gedacht, das wird schwierig.
Luna: Jonas ist ein harter Typ haben wir gedacht.
Nike: Deshalb haben wir ihn in die Kloake gelockt.
Luna: Es war viel leichter, als wir dachten.
Nike: Was machen wir mit ihm, Luna, das übliche, Schlinge um den Hals und…
Luna: Nicht nötig, Nike, wir schmeißen den Scheißkerl in die Scheiße.
Nike: Gut. Da kann er sich aussuchen, ob er Bio-Energie werden will oder Sojakäse Also dann… Ha!
Luna: Was?
Jonas: Nike und Luna, die coolen Killer fielen um und rührten sich nicht mehr. Ich hörte Schritte und drehte den Kopf. Ein junger Mann, den ich noch nie gesehen hatte, Overall über formeller grauer Bluse, Gummistiefel, elektrischer Knockouter in der Hand, keine besonderen Kennzeichen. Er blieb vor mir stehen und tippte mich mit der Fußspitze an.
Joker: Tut mir leid, ich konnte nicht früher kommen.
Jonas: Keine Sekunde zu früh, gerade wollten sie mich in die Kloake schmeißen.
Joker: Sehr ungezogen von den beiden, das können wir ihnen nicht durchgehen lassen. Strafe muß sein. Wie du mir so ich dir. Auge um Auge.
Jonas: Wer sind Sie? Eine Art Kanalarbeiter?
Joker: Sagen wir eine Art Joker. Die Karte, die den Spielverlauf plötzlich und unerwartet ändert. Drehen Sie sich um. So, Ihre Hände sind frei. Machen Sie’s gut.
Jonas: Und die Füße?
Joker: Das werden sie doch wohl selbst können.
Jonas: Warum haben Sie mich gerettet?
Joker: Weil man’s mir gesagt hat. Sie werden noch gebraucht. Jonas. Wir sehen uns.
Jonas: Weg war er. Ich machte die Fußfesseln los und stand auf. Von Nike und Luna war nichts mehr zu sehen. Trotz der Hitze lief es mir kalt über den Rücken wenn ich mir vorstellte, was sie mir zugedacht und sich schließlich selbst eingehandelt hatten. Ich ging zur Schaltzentrale. Das Fon war in Ordnung. Ich rief bei mir an und hoffte, daß Judith noch da war. Ich hatte so eine Ahnung. Judith war da. Ich erzählte ihr kurz was passiert war.
Judith: Wärst du lieber im Bett geblieben, Jonas. Bei mir.
Jonas: Die Nacht ist noch jung. Ich bin gleich da, und wir holen nach was wir versäumt haben.
Judith: Das geht nicht. Du darfst nicht nach Hause kommen.
Jonas: Was ist?
Judith: Großfahndung nach einem gewissen Jonas. Inspektor Brock muß jeden Moment hier sein.
Jonas: Was will er denn, ich hab doch ein Alibi.
Judith: Für Hartog ja, aber nicht für Sidonia.
Jonas: Sidonia? Sie wollen mir den Mord an Sidonia anhängen?
Judith: Es sieht so aus.
Jonas: Hör zu, Judith, hast du Sam zwo gefunden?
Judith: Ja, er war
Jonas: Ist nicht wichtig. Steck ihn ein, bring ihn mir.
Judith: Wo treffen wir uns.
Jonas: Kennst du den Armen Schlucker.
Judith: Ich weiß nicht.
Jonas: Der Dipsomat Lem-/Ecke Strugatzkistraße. In 20 Minuten.
Jonas: Auf Judith kann ich mich verlasen. Sie war schon da, als ich in den Dipsomaten kam, in einer dunklen Ecke hinter einem Campari Synth. Ich zog mir, nein, keinen Whisky, ein Mineralwasser, meinem Magen war der Ausflug in den babylonischen Mastdarm nicht bekommen. Außerdem brauchte ich ein klaren Kopf.
Judith: Armer Jonas. Gleich zwei Parteien sind hinter dir her, die Kripo und
Jonas: Nike und Luna. Aber die sind tot.
Judith: Nike und Luna waren professionelle Killer, die arbeiten nicht auf eigene Rechung. Jemand hat sie bezahlt, und für diesen jemand haben sie Hartog und Sidonia umgebracht.
Jonas: Und Carla Hinkelstein, Sidonias Informantin, das haben sie jedenfalls behauptet.
Judith: Und fast auch dich. Jonas wer ist diese Jemand?
Jonas: Keine Ahnung, ich weiß bloß, der Schlüssel der ganzen Sache liegt bei Chips Inc. und deshalb…
Sam: Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der dritte.
Jonas: Wenn du was wichtiges beizutragen hast, Sammy.
Sam: Sam hat, sowohl eure großfürstliche Gnaden als auch die Dame Judith geruhen einen entscheidenden Faktor zu übersehen. Die dritte Partei.
Judith: Ich nehme an du meinst…
Sam: Den oder die Auftraggeber hinter jenem mysteriösen Joker, welcher meinen über allen geliebten Jonas vor einem unaussprechlich schauderbaren Tode errettete.
Jonas: Was ich ausgesprochen nett von ihm finde. Chips, da muß ich ansetzen.
Sam: Wie denn und wo genau du aus dem Hades heimgekehrter Odysseus.
Jonas: In der Wohnung von Carla Hinkelstein. Vielleicht kann ich die Spur von da weiterverfolgen.
Judith: Kann ich nicht mitkommen, Jonas.
Jonas: Besser nicht, Judith, wenn die Kripo uns zusammen erwischt, verlierst du deinen Job. Ich werds schon schaffen.
Sam: Treuen Sam nicht vergessen, Wahna.
Jonas: Danke Sam, Ich hab ja gesehen was passiert wenn du nicht dabei bist.
Sam: Hmh, Hoheit geraten voll in die Exkremente.
Jonas: Du sagst es, Sammy. Drück mir die Daumen Judith.
Judith: Machs gut Jonas und komm wieder.
Jonas: Carla Hinkelsteins Wohnung lag gleich nebenan. Das war mit ein Grund, wa-rum ich mich mit Judith im armen Schlucker getroffen hatte. Ich kam genau so leicht rein wie am Vortag bei Sidonia, die Wohnung war genauso groß, genauso geschnit-ten und wie bei Sidonia lag auf dem Boden eine Leiche mit einer Drahtschlinge um den Hals. Nike und Luna hatten die Wahrheit gesagt. Der Computer war kaputt, keine Spur, kein Hinweis. Hier kommst du nicht weiter, Jonas, dachte ich, das war ein Irrtum. Ich kam weiter, wenn auch anders als ich mir das vorgestellt hatte.
Brock: Aufmachen. Kriminalpolizei.
Jonas: Schon wieder.
Brock: Pauly?
Pauly: Inspektor?
Brock: Brechen Sie die Tür auf.
Pauly: Zu Befehl Inspektor.
Brock: Hände hoch, Gesicht zur Wand, Beine auseinander. Pauly, durchsuchen.
Pauly: Zu Befehl, Inspektor.
Jonas: Kommen Sie mal wieder runter Bröckchen, ich bin nicht Jack the Ripper, ich bin nur Jonas.
Brock: Haben Sie das gehört, Pauly, bloß Jonas, der Privatdetektiv, der Störenfried, der Massenmörder.
Pauly: Er ist sauber, Inspektor, keine Waffe, nur ein Taschencomputer.
Jonas: Das ist kein Computer, das ist eine geheime Superminibombe, damit will ich das Kripocenter in die Luft sprengen.
Brock: Wird Ihnen schon noch vergehen Ihre große Schnauze. Pauly Handschellen.
Pauly: Zu Befehl, Inspektor.
Jonas: Wieder ein anonymer Tip, Inspektor?
Brock: Wie bei Hartog und wie bei Sidonia und diesmal wird auch Hauptabteilungsleiterin Delgado Sie nicht rausreißen können. Vorwärt marsch.
Jonas: Die grüne Minna war blau, ein Elektromobil, die Polizei kann sich das leisten. Unterwegs guckte ich aus dem Hinterfenster, eine Motorrikscha war hinter uns, 20, 25 Meter entfernt, und sie blieb uns ständig auf den Fersen, in der Rikscha saß ein grauer Typ, der mich stark an den Joker aus den Kloaken erinnerte. Vielleicht hätte ich besser nach vorn sehen sollen, da stand nämlich ein großes Elektromobil quer über der Straße.
Leutnant: Alle bleibt ganz ganz ruhig, dann passiert nichts. Nehmen sie dem Mann die Handschellen ab.
Brock: Sie wissen wohl nicht wen sie vor sich haben. Kriminalpolizei Inspektor Brock.
Leutnant: Ich mach mir vor Angst in die Hosen. Wird’s bald.
Brock: Pauly?
Pauly: Inspektor?
Brock: Die Handschellen. Schließen Sie auf.
Pauly: Zu Befehl, Inspektor.
Leutnant: Na bitte. Raus mit Ihnen, Jonas oder wie sie heißen.
Jonas: Wir müssen uns trennen, Inspektor, höhere Gewalt, die sind mehr und haben Laserstrahler.
Jonas: Die Herrschaften, die mich mitten auf der Straße der Kripo geklaut hatten, trugen schwarze Uniformen mit einem großen gelben C auf der Brust. Sie sahen ein bißchen aus wie weiland Superman, waren aber nur Sicherheitskräfte von Chips Inc. Das paßte. Und es paßte auch, daß sie mich in den Innenhof der Chipszentrale am Hendrick-August-Platz fuhren und dann mit dem Lift in den 30. Stock, dem obersten und letzten, wo die ganz großen Tiere von Chips sitzen, und hier schoben sie mich in einen kleinen kahlen Raum ohne Fenster.
Leutnant: Warten Sie hier.
Jonas: Was sagst du dazu, Sam?
Sam: Der Nebel flieht, das Licht dringt durch, es klären sich die Fronten, o vielbegehrter Jonas.
Joker: Jonas!
Jonas: Die kleine Klappe in der Tür war aufgegangen und dahinter erschien ein Gesicht, ein vertrautes Gesicht, ein willkommenes Gesicht, ein Gesicht, das mir inzwischen richtig ans Herz gewachsen war.
Jonas: Sieh mal an der Joker.
Joker: Kommen Sie her, Jonas, machen Sie schon, wir haben nicht viel Zeit. Hier, nehmen Sie das, schlucken Sie’s runter.
Jonas: Ein Minisender. Wozu?
Joker: Man wird gleich ein Gespräch mit Ihnen führen. Ein geheimes und sehr wichtiges Gespräch. Dieses Gespräch muß abgehört und aufgenommen werden.
Jonas: Dafür hab ich meinen Computer.
Sam: Den wird man Ihnen wegnehmen.
Sam: Nein.
Joker: Man wird Sie überhaupt sehr gründlich durchsuchen. Aber den Sender in Ihrem Magen wird man nicht entdecken, weil er ganz aus Plastik ist.
Jonas: Aber vielleicht erklären Sie mir mal…
Joker: Kein Zeit, sie kommen zurück, ich muß weg.
Jonas: Klappe zu. Ich sah mir den Sender an und schluckte ihn runter. Aber vorher stellte ich die Frequenz um auf Sam. Ich weiß wie man das macht, ich kenn mich aus mit den Dingern. Dann waren sie auch schon da die Freunde von vorhin, und es kam alles so, wie es der Joker vorausgesagt hatte. Sie durchsuchten mich, nahmen mir Sammy weg, zogen mich aus, gingen mit einer Sonde über jeden Quadratzentimeter Jonas. Negativ. Ich durfte mich wieder anziehen und mußte mit. Über den Korridor durch ein paar Büroräume in ein großes Zimmer, nein Zimmer stimmt nicht, es war ein Saal, Holztäfelung, Kronleuchter, Ölbilder, Teppichboden und ein riesiges Panoramafenster mit Aussicht über Babylon, nicht daß viel zu sehen war, der Smog, aber darauf kam es nicht an, das Prinzip war wichtig, und das Prinzip hieß unerhörter Luxus, übermenschliche Macht.
Leutnant: Machen Sie Ihren Diener, Jonas, Sie stehen vor Herrn Vizepräsident Dr. Cordes.
Cordes: Marketing und PR, und Sie sind Jonas, der letzte Detektiv. So sehen sie also aus.
Jonas: Er war groß und dick und roch nach allem, was gut und teuer war, sein Schreibtisch war kaum größer als das Fürstentum Liechtenstein, sein Lächeln war so offen und sympathisch wie eine falsche 100-Euronote.
Cordes: Ein Whisky Jonas?
Jonas: Danke.
Cordes: Warum nicht. Ich weiß Sie trinken.
Jonas: Aber nicht mit jedem.
Leutnant: Wie reden Sie denn.
Cordes. Kusch, warten Sie draußen, Leutnant.
Leutnant: Jawohl Herr Vizepräsident.
Cordes: So, Sie wissen jawohl weshalb Sie hier sind, Jonas.
Jonas: Natürlich wegen der Schmiergeldliste.
Cordes: Die Liste, alle Welt kennt die Liste.
Jonas: Aber alle Welt weiß nicht, daß die Liste falsch ist, wenigstens was Stadtrat Hartog betrifft. Hartog ist unschuldig.
Cordes: Glauben Sie Jonas. Sie sind naiv.
Jonas: Ja, das glaube ich, nicht weil ich naiv bin, sondern weil die Sache zum Himmel stinkt. Klar, Chips schmiert Politiker, wie jeder Konzern, aber doch nicht so, 15 Millionen Euros für einen kleinen Fisch in der lokalen Finanzverwaltung, das ist lächerlich.
Cordes: Nicht wahr. Und äh, was, was schließen Sie daraus, Jonas?
Jonas: Jemand bei Chips hat sich die 15 Millionen in die eigene Tasche gesteckt.
Cordes: Ausgezeichnet. Wer, Jonas?
Jonas: Ein hohes Tier. Jemand, der für Bestechungen zuständig ist, das heißt für PR und Marketing. Sie, Vizepräsident Cordes.
Cordes: Bravo Jonas, bravo. Faszinierend. Erzählen Sie weiter.
Jonas: Sie gestatten doch, daß ich mich setze.
Cordes: Aber bitte.
Jonas: Vor ein paar Tagen muß die Geschichte plötzlich brenzlig für Sie geworden sein, eine interne Buchprüfung oder so was ähnliches, nehm ich an.
Cordes: Ganz genau. Eine außerplanmäßige unerwartet angesetzte Durchsicht aller inoffiziellen Fonds, angeordnet von Big Boss persönlich.
Jonas: Und da kamen Sie auf die Idee mit der Liste. Die 15 Millionen, die Sie Chips gestohlen hatten, hängten Sie dem armen Hartog an. Warum gerade dem?
Cordes: Gott warum, warum, ich hatte früher ab und zu mit ihm zu tun, als ich noch die Steuerabteilung leitete, ein pingeliger Bürokrat, kleinkariert und entbehrlich.
Jonas: Sie bereiteten die Liste vor, setzten auch ein paar echte Bestechungsempfänger drauf, mit kleinen Beträgen, damit die Sache Hand und Fuß kriegte, und dann ging irgend eine Kleinigkeit schief.
Cordes: Kleinigkeit, die Hinkelstein, diese dumme Kuh, sieht die Liste auf meinem Schreibtisch, macht eine Kopie und gibt sie weiter an Sidonia.
Jonas: Versteh ich nicht, Sie mußten die Liste doch sowieso veröffentlichen.
Cordes: Sicher, aber später, einen Tag später, erst sollte Hartog aus dem Weg geräumt werden, von einem Spezialistenteam, das ich dafür angeheuert hatte, damit er nicht protestieren und mir Ärger machen konnte, aber weil die Hinkelstein so geldgierig war, kam der Zeitplan durcheinander, Hartog erfuhr von der Liste, ging zu Ihnen Jonas.
Jonas: Und da haben ihn Ihre Spezialisten erwischt. Sie sind in Panik geraten, Cordes, Sie wußten nicht, was Hartog mir oder anderen gesagt hat, deshalb haben Sie Ihre Spezialisten weiterarbeiten lassen.
Cordes: Seien Sie fair, Jonas, was sollte ich tun, über Sidonia und die Hinkelstein hätten Sie die Spur bis zu mir zurückverfolgen können, die Mitwisser mußten verschwinden, bedauerlich aber nicht zu ändern.
Jonas: Hartog, Sidonia, Hinkelstein.
Cordes: Und Jonas. Aber der lebt noch.
Jonas: An Ihnen liegt das nicht, Cordes, die Spezialisten haben versagt.
Cordes: Offensichtlich, aber das läßt sich ja schnell in Ordnung bringen. Leutnant.
Leutnant: Herr Vizepräsident.
Cordes: Nehmen Sie sich zwei Leute, bringen Sie den Mann hier in den Keller, Sie wissen Bescheid.
Leutnant: Jawohl, Herr Vizepräsident. Kommen Sie, Jonas.
Jonas: Wieder über den Korridor zum Lift, der Leutnant drückte auf den Knopf, die Tür ging auf, und drinnen stand der Joker mit einem Laserstrahler. Es zischte dreimal kurz hintereinander, um meine Bewacher brauchte ich mir keine Sorgen mehr zu machen. Der Joker zog mich in die Kabine und schob ein Stück Plastik in einen Schlitz über der Knopfleiste, der Lift setzte sich in Bewegung, nach oben.
Joker: Zum 31. Stock.
Jonas: Den gibt’s doch gar nicht.
Joker: O doch, das Penthouse. Wir haben nichts empfangen, Sie haben die Frequenz verändert.
Jonas: Wenn nicht, dann wüßte Ihr Auftraggeber jetzt alles, was er wissen wollte, und Jonas wär im Keller oder schon tot.
Joker: Steigen Sie aus. Sie werden Bigboss persönlich Bericht erstatten.
Jonas: Bigboss war der Präsident von Chips Inc., der alleroberste Chef, und Bigboss war genaugenommen kein Bigboss, sondern eine Bigbossin, eine kleine dürre alte Frau, schäbig angezogen, mit einer billigen schwarzen Perücke, die schief über ihren grauen Runzeln hing. Bigboss residierte nicht in einem Saal, sondern in einem schäbigen kleinen Büro, nicht viel größer als meins, Bigboss hatte keinen Schreibtisch und Bigboss lächelte nicht. Bigboss war sauer, als ich ihr erzählte, was Vizepräsident Cordes auf dem Kerbholz hatte.
Bigboss: So etwa haben wir es uns gedacht, was Tolliver? Tolliver, mein persönlicher Referent, tüchtiger Mann. Sie kennen ihn ja schon, Jonas.
Jonas: O ja. Ich nenne ihn den Joker.
Bigboss: Joker? Wieso Joker? Egal. Cordes, diesmal hat er sich übernommen.
Jonas: Übernommen ist gut. Unterschlagung, mehrfacher Mord.
Bigboss: Sie kapieren aber auch gar nichts, Jonas, Sie sind zu klein. Ist er nicht zu klein, Tolliver?
Joker: Viel zu klein, Bigboss.
Bigboss: Sicher, Cordes hat sich jammervolle 15 Millionen eingesteckt, er hat ein paar unwichtige Leute Beiseite geschafft, was ist das schon, wissen Sie, Jonas, was an der Sache wirklich schlimm und unverzeihlich ist, wollen wir es ihm sagen Tolliver.
Joker: Das müssen Sie wissen, Bigboss.
Bigboss: Cordes hat sich dumm angestellt, er hat zugelassen, daß ein Außenseiter, Sie Jonas, ihm auf die Schliche gekommen ist, und er hat Chips Inc. ins öffentliche Gerede gebracht, das muß bestraft werden, nicht wahr Tolliver.
Joker: Höchststrafe, Bigboss?
Bigboss: Natürlich Höchststrafe.
Joker: Schon notiert, Bigboss. Und was geschieht mit Jonas?
Jonas: Bevor Sie sich dumm anstellen, hören Sie mir mal einen Moment gut zu. Ich hab einen Sender im Bauch, und der sendet, meine Unterhaltung mit Cordes ist an einem mir bekannten Ort aufgezeichnet und gespeichert worden, und gespeichert wird auch das, was wir jetzt verhandeln, Wort für Wort, wenn mir was passiert, wird alles veröffentlicht, nicht gerade eine Werbung für Chips Inc.
Bigboss: Wenn das so ist.
Joker: Es ist so, Bigboss.
Bigboss: Dann müssen wir ihn wohl laufen lassen, bringen Sie ihn runter, Tolliver.
Jonas: Einen Augenblick noch. Laufenlassen OK, aber das ist noch nicht alles, Sie werden mir die Kripo vom Hals schaffen, und Sie werden Hugo Hartog rehabilitieren, das bin ich meinem Mandanten schuldig, auch wenn er tot ist oder gerade weil.
Bigboss: Bitte, wie Sie wollen. Aber das sag ich ihnen gleich, Jonas, wenn Chips erklärt, daß Hartog irrtümlich auf die Liste geraten ist, dann wird das kein Mensch glauben. War das jetzt alles, nicht noch ein kleines Schweigegeld, paar Tausend Euros oder so.
Jonas: Danke, ich nehme nicht von jedem.
Bigboss: Hab ich’s nicht gesagt, Tolliver, er ist zu klein.
Nachrichtensprecherin: …Meldungen bestätigt, wonach Dr. h. c. Cord Cordes, Vizepräsident von Chips Inc. durch einen Sprung vom Dach der Chipszentrale Selbstmord verübt hat.
Jonas: Na also.
Nachrichtensprecherin: Während Chips private Motive angibt, vermuten unterrichtete Kreise einen Zusammenhang mit der gestern bekanntgewordenen Bestechungsaffäre.
Jonas: Wie wahr.
Nachrichtensprecherin: Wie ein Firmensprecher dazu ausführte, gehört der ebenfalls gestern tot aufgefundene Stadtrat Hugo Hartog trotz gegenteiliger Behauptungen in der Presse nicht zu den Empfängern von Bestechungsgeldern. Durch einen Fehler untergeordneter…
Jonas: Neun Tote, und das ist nun das ganze Ergebnis. Hab ich mich richtig verhalten, Sam?
Sam: Ein Mann muß tun, was ein Mann tun muß, Partner.
Jonas: Ein Mann, ein Pferd und ein weites wildes Land. Wenn’s nur immer so einfach wäre. Judith? Jonas. Ja, ich lebe noch, und wie, wir haben was nachzuholen, das hast du doch nicht vergessen, eine halbe Nacht, mindestens, ich freu mich Judith, bis gleich.
Sam: Und so ritten sie denn alle zusammen in den Sonnenauf- bzw. Untergang.
Das war Schmiergeld. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Super-computer Sam Peer Augustinski. Es wirkten außerdem mit: Karin Anselm, Christine Wodetzky, Käthe Jaenicke, Irmhild Wagner, Christoph Lindert, Oswald Döpke, Rüdiger Bahr, Helmut Stange und viele andere (Inge Schulz, Hans P. Hermansen, Jürgen Rehmann, Karin Frey). Ton und Technik: Günter Heß und Angela Bernd. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Alexander Malachovsky. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1985). Redaktion: Dieter Hasselblatt und Erwin Weigel.
Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Kidnapper
Jonas: Robodocs gehen mir auf die Nerven. Darin bin ich altmodisch. Nicht nur darin. Mir stinkt so einiges in dieser unserer Zeit. Aber Robodocs ganz besonders. Darum suche ich mir einen echten menschlichen Medizinmann, wenn die vorgeschriebene Jahresinspektion fällig wird. Das heißt, dieses Mal, im Mai 2010, war es eine Medizinfrau. Vielleicht hätte ich doch lieber zum Robodoc gehen sollen. Was Frau Dr. Simon mir sagte, gefiel mir nämlich gar nicht.
Frau Dr. Simon: Sie gefallen mir nicht, Jonas.
Jonas: Machen Sie sich nichts draus, ich gefall vielen nicht.
Frau Dr. Simon: Äußerlich ist ja alles in Ordnung so weit, aber innen.
Jonas: Magen?
Frau Dr. Simon: Ganz richtig. Ihr Magen. Akute Ulkusgefahr. Rauchen Sie? Nikotin?
Jonas: Nein.
Frau Dr. Simon: Nehmen Sie sonst irgendwelche Drogen?
Jonas: Äh.
Frau Dr. Simon: Alkohol?
Jonas: Also, also wenn Sie mich so direkt fragen.
Frau Dr. Simon: Das hört auf. Und vor allem kein Streß. Arbeiten Sie?
Jonas: Wie man’s nimmt. Ich bin Privatdetektiv. Der letzte. Keine Konkurrenz. Kein Nachwuchs. Ein aussterbender Beruf. Ein überflüssiger Beruf. Meint Judith. Aber das stimmt nicht. Mein Büro war zwar noch nie wegen Überfüllung geschlossen, aber den einen oder anderen Auftrag staube ich doch ab, im Lauf der Zeit. Mein Beruf wird gebraucht. Wenn von keinem anderen, dann von mir selbst. Damit ich mit gutem Gewissen in den Spiegel gucken kann.
Frau Dr. Simon: In Zukunft werden Sie noch kürzer treten. Ausspannen, sich hinsetzen und Nichtstun. Ja die Volksrente reicht doch zum Leben.
Jonas: Tut sie nicht. Wenn Sie sich unter Leben noch was anderes vorstellen als Vegetieren, Essen, Trinken, Schlafen, und…
Frau Dr. Simon: Das müssen Sie mit Ihrem Psychotherapeuten abmachen. Ich bin praktische Medizinerin, und ich verschreibe Ihnen eine Pause.
Jonas: Wie lange? Drei Tage, eine Woche?
Frau Dr. Simon: Sehr komisch. Heute abend, wenn ich dienstfrei habe, werde ich drüber lachen. Ein viertel Jahr, Jonas, mindestens.
Jonas: Darauf mußte ich was trinken. Ich wußte auch wo. Gleich um die Ecke im Casablanca. Da gehe ich öfter mal hin. Nicht unbedingt, weil’s mir so gut gefällt, nein, wegen des Namens. Dabei heißt der Schuppen gar nicht nach dem antiken Film, sondern nach der Erbtante des Besitzers. Anyway, ich saß also im Casablanca, hielt stumme Zwiesprache mit meinem Magen, und versuchte ihn dadurch freundlich zu stimmen, daß ich Ricard trank. Mit viel Wasser. Im Casablanca servieren sie den Ricard in Pernot-Gläsern. So eine Kneipe ist das. Ich dachte an Bogie. Ob er wohl auch Ricard hatte trinken müssen. Und wenn ja, ob er ihm auch nicht geschmeckt hatte. Da laberte mich plötzlich diese Öko an.
Demeter: Was dagegen, wenn ich mich dazu setze?
Jonas: Ja, ich hab was dagegen. Suchen Sie sich ’nen andern Tisch, sind genug frei.
Demeter: Ich würd aber gern hier sitzen.
Jonas: Alles besetzt. An diesem Tisch ist alles besetzt.
Demeter: Ja? Ich seh niemand.
Jonas: Mister Humphrey Bogart, Mister Philip Marlowe, Mister Samuel Spade, und ich. Schwirren Sie ab, Sie stören.
Demeter: Heißen Sie Jonas?
Jonas: Nebukadnezar Schonat Jolanda, Schornsteinfegermeister im Ruhestand, also lassen Sie mich auch in Ruhe.
Demeter: Das ist nicht wahr, Sie heißen Jonas. Nur Jonas. Und Sie sind Detektiv.
Jonas: Wer sagt das?
Demeter: Der Wirt.
Jonas: Der redet zu viel.
Demeter: Es ist nämlich so, wir brauchen einen Detektiv.
Jonas: Unsinn. Niemand braucht nen Detektiv. Außerdem habe ich frei, und keine Zeit, und keine Lust.
Demeter: Ich heiße Demeter. Nur Demeter.
Jonas: Ein Punkt für sie. Das, und die Tatsache, daß sie stur war. Fast so stur wie Jonas. Ich wurde sie einfach nicht los. An sich mach ich mir nicht viel aus Ökos, ihre Ideen und Ziele, OK, aber Bewegungen und Ideologien liegen mir nicht. Jonas ist überzeugter Einzelgänger. Und Demeter war eine waschechte Öko. Lange Naturhaare, grüner Kittel, Schäufelchen und Geigerzähler am Bastgürtel. Trotzdem fing ich an, ihr zuzuhören. Vielleicht auch deshalb, weil sie jung war und gut aussah, trotz ihrer Ökouniform. Ich hätte sie abwimmeln und in Ruhe weitertrinken sollen. Aber Jonas ist kein Hellseher.
Demeter: Wir haben es ja zuerst selbst versucht, wissen Sie, aber als Erasmus nicht zurückkam, da wuchs uns die Geschichte über den Kopf. Jetzt muß ein Profi ran.
Jonas: Ein Profi kostet Geld.
Demeter: Ah, wir legen zusammen. Weil die Sache so wichtig ist. Stellen Sie sich vor, Herr Jonas.
Jonas: Jonas reicht. Nur Jonas.
Sam: Ja, Jonas reicht.
Demeter: Häh, äh, also stellen Sie sich vor, Jonas, es geht um rissa tridactyla.
Jonas: Ist das die Möglichkeit. Ja, und wenn ich jetzt noch wüßte, was rissa tridingsbumsla ist.
Sam: Rissa tridaytila, o großer Systematiker des Tier- und Pflanzenreiches. Die Dreizehenmöwe. So gut wie ausgestorben.
Demeter: Einen schlauen Computer haben Sie da, Jonas.
Sam: Ja.
Jonas: Schlau ist gar kein Ausdruck für Sam. So heißt er nämlich, mein Computer. Sie kennen den Grund, wenn Sie wissen, daß meine Stammkneipe Casablanca heißt. Sam ist überschlau. Er kann fast alles. Seine Spezialität: Reden, wenn er nicht gefragt ist. Überhaupt reden, ohne Rücksicht auf Verluste. Ohne Punkt und Komma. Irgendwie haben sich seine Sprachprogramme verheddert, und deshalb wirkt er ein bißchen absonderlich. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe nichts gegen Sam. Ich hänge an ihm. Ich habe ihn immer bei mir. Nicht den großen Speicher natürlich, der steht im Büro, aber Sam zwo. Pocket Sam. Die drahtlose Extension im Miniformat. Der letzte Detektiv und sein verdrehter Computer. Sind wir nicht ein schönes Paar?
Sam: Treulich geführt, ziehet dahin…
Jonas: Sei still, Sammy. Wir waren bei dieser ausgestorbenen Möwe, Demeter.
Demeter: Nicht ausgestorben.
Sam: Noch nicht.
Demeter: Noch nicht, das hoffen wir jedenfalls. Auf Swartcliff nisten noch ein paar. Das heißt, sie haben da genistet, bis vor einem Monat, bis die Bautrupps kamen, und die schwarzroten Uniformen.
Jonas: Da wurde ich wach, und kriegte lange Ohren. Schwarzrot trägt die Popo, die Populationspolizei, und mit den Herrschaften hatte ich noch ein Hühnchen zu rupfen. Vor einem Jahr, beim Testmarktfall, hatten sie mich schwer in der Mangel gehabt. Wenn die Popo mitspielte, konnte die Sache interessant werden. Und gefährlich.
Jonas: OK, Schwester, wenn ich Sie richtig mitkriege, wollen Sie mich anheuern.
Demeter: Ja, ja also nicht ich, meine Gruppe, die Ökos von Babylon und Umgebung.
Jonas: 80 Euros pro Tag, und Spesen.
Demeter: So viel?
Jonas: Das hab ich mir gedacht. Wiedersehen, Schwester.
Demeter: 50 könnten wir zahlen.
Jonas: Tut mir leid, Schwester, kein Rabatt, kein Skonto.
Demeter: Na, es ist doch für einen guten Zweck.
Jonas: Ich arbeite nur für gute Zwecke. 70 Euros, weil’s Sie sind.
Demeter: 60.
Jonas: 65. Und 100 im voraus.
Demeter: Einverstanden.
Sam: Oh, oh, was muß Sammy da hören. Kein Streß, hat Frau Dr. Simon gesagt, ein viertel Jahr Pause hat sie gesagt, o du mein magengeschwürlich-gefährdeter Jonas.
Jonas: Reg dich ab, Sam, kleiner Ökofall, was soll daran stressig sein. Unser täglich Brötchen, das machen wir mit links.
Sam: Kleiner Ökofall, euer Verniedlichung, mit der Popo in den Kulissen?
Jonas: Lassen wir das doch einfach an uns rankommen, Sam. So, Schwester, Sie haben sich einen Detektiv gekauft, jetzt müssen Sie ihm nur noch sagen, was er für Sie tun soll.
Demeter: Kennen Sie Swartcliff, Jonas? Das ist.
Jonas: Nicht hier, Schwester, kommen Sie mit.
Demeter: Ja.
Jonas: Mein Büro plus Apartment. 22 Quadratmeter. Lauschiges Zuhause, gemütlicher Arbeitsplatz. Eine Tür, ein Fenster, Sam eins, ein kleiner Tisch, ein Wandschrank, Bett zum Rausklappen, desgleichen zwei Stühle. Auf einem saß ich, auf dem anderen Demeter. Sie redete, ich hörte. So soll’s sein. Detektiv und Klientin, wie sie im Buche stehen.
Demeter: Swartcliff ist eine Insel. Eine sehr kleine Insel. Eigentlich nur eine Klippe.
Jonas: Wie der Name schon sagt, Schwester. Wo?
Demeter: Im nordischen Meerbusen. Nicht weit von Westerport bei Babelshafen. 10 Kilometer weit draußen.
Sam: Sechs Knoten, oder auch Seemeilen, wie wir Nautologen uns ausdrücken. Oder heißt es Nautiker?
Jonas: Beachten Sie ihn gar nicht, Demeter. Auf Swartcliff gibt es also diesen Vogel, der Ihnen so wichtig ist.
Demeter: Das wissen wir eben nicht. Früher sind wir ab und zu mal rausgefahren, mit einem Boot von Westerport aus, wir haben die Nistplätze gecheckt, von weitem, vorsichtig. Die letzte Kolonie von Dreizehenmöwen, Jonas, mit Sicherheit im Nordmeer, vielleicht in der ganzen Welt.
Jonas: Das war wieder ein Punkt für sie, für Demeter. Und für die Möwen. Wir letzten müssen zusammenhalten.
Demeter: Wir haben aufgepaßt, daß die Tiere nicht gestört wurden. Auf Swartcliff selbst gibt es keine Menschen, ich meine, es gab keine, nur Reste einer alten Marinestellung aus dem Krieg, Bunker und so. Aber an der Küste fahren ja viele Touristen rum.
Jonas: Und dann erschien die Popo, vor einem Monat. Wann genau?
Demeter: Warten Sie, am 10, ja am 10. April. Von da ab kam niemand mehr auf die Insel, oder auch nur in die Nähe. Das ganze Seegebiet wurde gesperrt. Auch für die Westerporter und für die Touristen. Für uns sowieso.
Jonas: Mit welcher Begründung?
Demeter: Verteidigungswichtige Arbeiten. Das haben sie uns gesagt, aber es ist kein Militär zu sehen. Auch keine Marine. Bloß die Schwarzroten. Die bewachen die Insel. Und die fliegen auch die Hubschrauber zwischen dem Festland und Swartcliff. Vollbeladen mit Baumaterial hin, leer zurück.
Jonas: Auf Swartcliff wird also gebaut.
Demeter: Ja, und das macht uns Sorgen.
Jonas: Natürlich, wenn die Popo was ausbrütet.
Demeter: Ach so, nein, nein, wegen der Popo eigentlich nicht. Mehr wegen unserer Möwen.
Jonas: Sicher, die Möwen, die böse Polizei könnte sie womöglich verschröcken.
Demeter: Sie sind kein Tierfreund, Jonas.
Jonas: Ich weiß nicht mal, ob ich ein Menschenfreund bin. Was soll ich für Sie tun, nach Swartcliff fahren, und nachsehen, wie sich Ihre gefiederten Freunde so fühlen?
Demeter: Genau das. Und feststellen, was aus Erasmus geworden ist.
Jonas: Erasmus?
Demeter: Aus unserer Ökogruppe. Vor einer Woche ist er rausgefahren nach Swartcliff. Ein Fischer aus Westerport hat ihn nachts mitgenommen.
Jonas: Fischer?
Demeter: Naja, die nennen sich noch so. Auch wenn’s keine Fische mehr gibt.
Sam: Fischers Fritz fischt frische Fische. Frische Fische fischt Fischers Fritze…
Jonas: Das war einmal, Sammy, vor den Verklappungen.
Demeter: Heute fahren sie Touristen.
Jonas: Und einer von denen hat Erasmus nach Swartcliff gebracht.
Demeter. Ja, wir haben viele Freunde in Westerport. Der Fischer hat ihn vor der Insel abgesetzt, und dann…
Jonas: Lassen Sie mich raten. Erasmus ist seitdem verschwunden. Sie haben nichts mehr von ihm gehört.
Demeter: Doch, wir haben von ihm gehört. Gestern kam dieser Brief an.
Jonas: Abgestempelt in Bordeaux, weit weg. Was steht drin? Es gibt auf der Welt nicht nur Umwelt und Möwen, ich steige aus, laßt mich in Frieden, Erasmus. Ja und, wenn ihr denkt, ich hol euch den Deserteur zurück.
Demeter: Erasmus kann den Brief nicht geschrieben haben, Jonas. Erasmus kann nicht schreiben, Erasmus ist Analphi.
Jonas: Wie gesagt, ich bin kein Öko. Aber ich bin erst recht kein Macher. Ich glaube nicht, daß die natürliche Umwelt böse ist, und eliminiert werden muß. Und Streß hin, Magengeschwür her, ich brauchte einen Fall, das heißt, ich brauchte Euros. Als Demeter gegangen war, nach einer Anzahlung, versteht sich, ging ich auch. Auf die Jagd. Frage: Wie jagt ein Detektiv Möwen im Nordmeer? Antwort: Er bleibt erst mal zu Hause, und läßt seinen Computer arbeiten.
Sam: Sam hat in allen großen Dateien nachgeforscht, o Leitstern meiner schlaflosen Nächte. In der Staatsinfothek von Babylon, im geographischen Institut, im Küstenmuseum. Eine Insel namens Swartcliff gibt es nicht.
Jonas: So, na, dann wollen wir doch mal sehen. Ach ja, hier ist er. Schau mal hier rein, Sam, mein alter Schulatlas. Ja, da. Im nordischen Meerbusen. Der kleine Fleck vor Westerport: Swartcliff. Steht ganz deutlich da.
Sam: Wenn eure nostalgische Beschränktheit einem, eh, Buch mehr Glauben schenken als der modernen Elektronik. Merke: Was nicht datenmäßig erfaßt ist, existiert auch nicht. Und wenn du dich auf deinen Holzkopf stellst, du ungläubiger Jonas.
Jonas: Und wenn du dich vor Ärger in den Bauch beißt, den du nicht hast, Sammy. Dateien kann man frisieren.
Sam: Herr Stabstrompeter wünschen die Dame Judith zu konsultieren?
Jonas: Ich wünsche.
Sam: O Unvollkommenheit, dein Name ist Mensch.
Judith: Hallo? Judith Delgado.
Sam: O Unzulänglichkeit, dein Name ist Hirn.
Jonas: Jetzt sei mal still, Sam. Hallo Judith, Jonas hier.
Judith: Jonas?
Jonas: Ja.
Judith: Ein seltenes Vergnügen. Wenn es ein Vergnügen ist.
Jonas: Judith ist mein z.B., meine zeitweilige Beziehung. Im Moment liegt die Betonung praktisch nur auf zeitweilig. Obwohl es ja auch eine Beziehung ist, wenn die Partner sich streiten. Das tun wir nämlich oft, Judith und ich. Fast immer. In letzter Zeit rufe ich sie eigentlich nur noch an, wenn ich was brauche, eine Information, an die nicht jeder rankommt, zum Beispiel. Judith ist bei der öffentlichen Sicherheitsverwaltung. Hauptabteilungsleiterin. Viel wichtiger als ein Privatdetektiv. Vielleicht liegt’s daran.
Judith: Sehen wir uns heute abend?
Jonas: Ich plane nie soweit voraus.
Judith: Sagte Bogie zur Bergman. Was willst du?
Jonas: Im Nordmeer, Judith.
Judith: Du hast doch wohl nicht vor, Urlaub zu machen?
Jonas: Eine Insel bei Westerport, Swartcliff heißt sie.
Judith: Und da willst du mit mir hinfahren? Ah, das trifft sich gut, bei uns ist zur Zeit nicht viel los, ich kann mir ein paar freie Tage nehmen, wir gehen spazieren, am Meer.
Jonas: Sicher, sicher, wäre schön, Judith, geht aber nicht. Ich habe einen Fall.
Judith: Ach, du hast einen Fall?
Jonas: Ja.
Judith: Und der ist gefährlich, und darum mußt du die Sache allein durchstehen, und kannst niemanden mitnehmen, auch mich nicht.
Jonas: Genau so ist es.
Judith: So ist es immer. Was willst du wissen?
Jonas: Aber auch Judith konnte mir nicht mehr sagen als Sam. Jeder Hinweis auf Swartcliff, jede Erwähnung war gelöscht, in allen Dateien. Der ganze Komplex stand unter einem neuen Supergeheimcode der Populationspolizei. Off-limits, sogar für die Sicherheitsverwaltung.
Jonas: Seit wann?
Judith: Anfang April, ungefähr.
Jonas: Das paßt. Danke, Judith.
Judith: Danke, Judith, ich ruf dich an, Judith, sobald ich Zeit habe, Judith.
Jonas: Ja, das wollte ich sagen und äh.
Judith: Ich weiß, Jonas.
Jonas: Ich hätte ihr was sagen sollen. Was Gutes. Was Wertvolles. Was Zärtliches. Was Zukunftsträchtiges. Aber mir fiel beim besten Willen nichts ein.
Jonas: Und was jetzt, Sammy?
Sam: Meint ihr die Dame Judith, Romeo? Und wie ihr fürderhin zu ihr euch wollt verhalten?
Jonas: Das geht dich nichts an, Sam, da hältst du dich raus. Ich meine den Fall.
Sam: Supergeheimcode der Popo, das ganze drum herum, das ist keine kleine Ökokiste, Kumpel.
Jonas: Ganz sicher nicht, Sammy. Wie geht’s weiter?
Sam: Wenn eure detektivische Epigonalität die Abschweifung verzeihen: Befänden wir uns in einem der klassischen Romane des seligen Raymond Chandler, so käme nun ein Mann durch die Tür, eine Pistole in der Hand.
Jonas: Und da ist er auch schon, aufs Stichwort. Herein ohne anzuklopfen, wie’s draußen dransteht. Was kann ich für Sie tun?
King Kong: Schnauze. Ganz ruhig. Keine Bewegung.
Jonas: Jonas ist umgänglich. Wenn einer ihm sagt: keine Bewegung, dann bewegt er sich auch nicht. Besonders wenn dieser eine so aussieht wie der große Bruder von King Kong, und ihm einen elektrischen Knockouter vor der Nase hält.
King Kong: Hände hoch!
Jonas: Auch das, wenn’s ihnen Freude macht. So, ich halte die Hände hoch, bewege mich nicht, bin ganz ruhig. Was passiert jetzt?
King Kong: Schnauze! Warten!
Jonas: Gern. Und worauf warten wir?
King Kong: Warten! Da! Fon!
Jonas: Sehr richtig, das Fon klingelt. Zutreffend bemerkt.
King Kong: Rangehen!
Jonas: Ich?
King Kong: Ja, rangehen.
Jonas: Wenn man mich so nett bittet. Ja?
Caligari: Hier spricht Professor Caligari. Sie erinnern sich an mich, Jonas?
Jonas: Und ob ich mich erinnerte. Frau Prof. Caligari ist die Chefin einer offiziell nicht vorhandenen Organisation, die sich Zentralinstitut für Populationsforschung nennt, abgekürzt ZIP. ZIP versucht, unser Problem Nummer 1, die Überbevölkerung in den Griff zu kriegen. Eine ehrenwerte Aufgabe. Nur hat ZIP reichlich merkwürdige, um nicht zu sagen, kaputte Methoden. Wir waren nicht gerade Freunde, Caligari und ich, eher im Gegenteil. Schon zweimal waren wir aneinander geraten. Beim Testmarktfall und in der Schlachthaus-Affäre. Und beide Male hatte ich ihr die Tour vermasselt.
Caligari: Ein drittes Mal kommen Sie uns nicht in die Quere, Jonas. Mein Abgesandter befindet sich bei Ihnen?
Jonas: Ja, falls Sie King Kong hier meinen. Wo haben Sie ihn gefunden? Im Zoo?
Caligari: Immer noch der alte Jonas. Voller Witz, voller Vitalität. King Kong, wie Sie ihn nennen, habe ich Ihnen als Warnung geschickt, und auch als kleinen Vorgeschmack dessen, was Ihnen bevorsteht, wenn Sie nicht tun, was ich wünsche.
Jonas: Und Sie wünschen?
Caligari: Das wissen Sie, Jonas.
Jonas: Sagen Sie es mir trotzdem.
Caligari: Sie haben soeben einen Auftrag akzeptiert. Von den sogenannten Freunden der Ökologie.
Jonas: Ja.
Caligari: Ja. Sie geben den Auftrag zurück.
Jonas: Anderenfalls?
Caligari: Andernfalls werden Sie nicht nur Ihre gute Laune verlieren, sondern auch den Kopf.
Jonas: Ich hätte mir denken können, daß Sie dahinterstecken. Die aus den Dateien verschwundene Insel, das große Aufgebot an PoPo, und die PoPo hat ja schon früher für Sie gearbeitet. Was tun Sie auf Swartcliff?
Caligari: Sie kennen mich, Jonas. Ich meine es ernst.
Jonas: Küß die Hand, gnädige Frau.
King Kong: Fertig?
Jonas: Fertig.
King Kong: Du machst, was sie sagt, oder.
Jonas: Ein kaputter Stuhl, eine dito Tür. Er ist furchtbar in seinem Zorn, unser Freund King Kong. Ich mach mir in die Hosen vor Angst. Ich hab wirklich Angst, Sammy. Die PoPo, ZIP, die Caligari. Und das alles wegen, wegen irgend so einer Möwe.
Sam: Nicht zu vergessen den verschollenen Öko Erasmus, o Tapferster der Tapferen. Nebst der Tatsache, daß ZIP finstere Pläne im Busen hegt, welche zu vereiteln ein verdienstvolles Werk sein dürfte.
Jonas: Aber riskant, Sammy, riskant. Erfolgsaussichten?
Sam: Piep! 1 zu 11, 7, Eminenz. Bedingt durch teilweise inkomplette Daten erfolgt diese Angabe ohne Gewähr.
Jonas: Gut, wir machen weiter.
Sam: Bei dem Risiko? Du tickst wohl nicht richtig, Alter.
Jonas: Und du verstehst nichts von Ehre. Ein Detektiv gibt nicht auf. Niemals. Ganz besonders dann nicht, wenn man ihn dazu zwingen will.
Sam: Down these mean streets a man must go.
Jonas: So ist es nun mal, Sammy.
Demeter: Freunde der Ökologie, Gruppe Babylon.
Jonas: Demeter?
Demeter: Am Apparat.
Jonas: Jonas. Von jetzt ab, kein Kontakt mehr zwischen uns. Sie stehen unter Beobachtung. Man hat Sie bis zu mir verfolgt.
Demeter: Verfolgt? Wer und wieso?
Jonas: Das ist jetzt nicht wichtig. Sie sagten, Sie haben Freunde in Westerport.
Demeter: Ja, aber.
Jonas: Der Fischer, der Ihren Freund Erasmus zur Insel gebracht hat, wie heißt der, wo finde ich ihn?
Jonas: Der satte Sägefisch in Westerport war sicher mal eine flotte Kneipe gewesen. Damals, als es hier noch Fischer gab, und Touristen. Heute hatten die Fischer nichts mehr zu fischen, und die Touristen waren von der PoPo verscheucht worden. Im Schankraum hockten nur ein paar Einheimische. Leicht zu erkennen an den Warzen und Wucherungen, wie sie Leute haben, die jahrzehntelange mit verseuchtem Meerwasser in Berührung kommen. Keine PoPo. Niemand, der hier nicht hergehörte. Abgesehen von Jonas natürlich. Und ich hatte gut aufgepaßt unterwegs. In der Druckluftbahn nach Babelshafen, und in der Rikscha bis Westerport. Kein Schatten. Professor Caligari war sich ihrer Sache wohl sicher. Um so besser.
Jonas: Was trinkt man hier?
Wirt: Kommt drauf an. Wenn Sie Geld haben, ausländisches Zeug, Whiskey und so, wenn Sie ein arbeitsloser Volksrentner sind, wie die meisten hier, dann Korn.
Jonas: Aus Korn.
Wirt: Ne, synthetisch. Heißt bloß noch so, aus Tradition. Hier an der Küste sind wir sehr für Tradition.
Jonas: Warum nicht. Sie haben ja nichts anderes. Einen Korn, nein zwei, Sie trinken doch einen mit, Herr Wirt.
Wirt: Hab nichts dagegen.
Jonas: Bringen Sie gleich drei. Für mich, für Sie, und für Piet Pietersen.
Wirt: Nocktwie.
Jonas: Häh?
Wirt: Wird gemacht.
Jonas: Den dritten Korn brachte der Wirt einem älteren Mann im gestreiften Fischerhemd, der allein an seinem Tisch saß, in einer dunklen Ecke. Ich wartete ein paar Sekunden, dann ging ich zu ihm rüber.
Jonas: Der Korn, den Sie da gerade kippen.
Piet: Ja?
Jonas: Den hab ich bezahlt. Mein Name ist Jonas. Nur Jonas.
Piet: Ja, und?
Jonas: Aus Babylon.
Piet: Das merkt man.
Jonas: Ich… ich soll Sie grüßen, von Demeter, und ihren Ökofreunden.
Piet: Ach ja!
Jonas: Und ich soll Ihnen sagen: Dreizehenmöwe, als Losungswort. Alles klar, Piet?
Piet: Ja, alles klar. Was`n los?
Jonas: Zwei Dinge braucht der Mann: Sie und Ihr Boot.
Piet: Aha, wann?
Jonas: Heute Nacht.
Piet: Ja, dann will ich wohl mal klar Schiff machen. Zahlen! Halb zwölf im Hafen. Semironis heißt die.
Jonas: Wer?
Piet: Mein Boot. 20 Quadratmeter Jollenkreuzer.
Jonas: Um Mitternacht waren wir draußen auf dem wilden Ozean. Piet segelte, und ich half ihm. Nicht, daß ich viel vom Segeln verstehe, aber zum Schiffsjungen reicht`s. Piet hatte mir Ölzeug besorgt, am Hals hatte ich ein Infrarotnachtglas, und am Gürtel Sam zwo, in einem wasserdichten Beutel. Deshalb war er auch etwas gedämpft, akustisch, meine ich.
Sam: Rolling home to dear old Hamburg, rolling home…
Jonas: Mein Computer, Piet Pietersen, flippt ab und zu ein bißchen aus.
Piet: Stört mich nicht.
Jonas: Aber mich. Halt die Klappe, Sam, und fang keine Diskussion mit mir an, ob du eine Klappe hast oder nicht. Sei still, verstanden?
Sam: Aye aye, Sir, verstanden.
Jonas: Ziemlich windig heute, nicht?
Piet: Das ist nix. Ne Damenbrise. Da, Swartcliff.
Jonas: Wo?
Piet: Backbord voraus.
Jonas: Himmel und Meer waren stumpfgrau, wie angelaufenes Zinn. Merken, fürs Poesiealbum. Und aus dem grauen Wasser vor dem grauen Horizont ragte eine massive schwarze Faust auf. Die Felseninsel Swartcliff. Ich ließ Piet einmal drumrumsegeln, so mit Wenden, Halsen, Kreuzen, und wie die Sachen alle heißen. Das Nachtglas war made in Japan, 1a Qualität, und als wir den Kreis geschlossen hatten, wußte ich ziemlich gut Bescheid. Aus der Nähe wirkte Swartcliff nicht so sehr wie eine Faust, eher wie ein schwarzer Würfel. Im Süden, im Westen, im Norden stiegen glatte Felswände senkrecht aus dem Wasser, gut 30 Meter hoch, im Osten lag eine Bucht, Sandstrand, ein Pier, und von da führte eine in den Felsen gehauene Treppe nach oben.
Jonas: Pier und Treppe sind gut bewacht, 10 Mann, mindestens. Oben am Klippenrand sehe ich niemand.
Sam: Da brauchen sie keine Wächter, meinen sie, weil doch kein Mensch die steilen Felsen raufklettern kann.
Jonas: Ach nein? Oben ist nicht viel zu erkennen. Hubschrauberlandeplatz, nehme ich an. Ein Kran, eine gewaltige Radarantenne.
Sam: Radarantenne? Bist du sicher, Falkenauge?
Jonas: Ich werde doch wohl eine Radarantenne erkennen können, Sammy.
Sam: Und warum, wenn Herr Großadmiral die Frage gestatten, warum erkennt die Antenne uns nicht?
Jonas: Ist ja wahr, Sammy.
Sam: Aha.
Jonas: Eine gute halbe Stunde kreuzen wir vor Swartcliff herum, in einem Boot voller Metallteile, und niemand interessiert sich für uns. Kein Schiff, kein Hubschrauber. Ob die ihren Radarraum nicht besetzt haben?
Sam: Unwahrscheinlich, Herr Kaleun.
Jonas: Da stimmt was nicht. Piet, als Sie diesen Erasmus nach Swartcliff gebracht haben, vor einer Woche, da hatten Sie doch auch keine Schwierigkeiten?
Piet: Ne.
Jonas: Seltsam. Vorsichtig, Piet, drehen Sie ab, wir kommen zu nah an die Bucht.
Piet: Das ist doch der Sinn der Sache. Da warten sie schon. Wie vor einer Woche auf Erasmus. Und da werde ich Sie abliefern. Wie den Erasmus vor einer Woche.
Sam: Hast du`s mitgekriegt, du Blitzmerker mit Spätzündung? Piet Pietersen, Freund und Helfer aller guten Ökos und Privatdetektive, arbeitet für die andere Seite.
Jonas: Als Sie vorhin aus dem satten Sägefisch weggingen… da haben Sie uns angekündigt.
Piet: Über Funk. Bleiben Sie am Bug stehen. Sie haben keine Waffe, aber ich habe eine. Ne Pistole, Walter PPK aus dem zweiten Krieg, funktioniert aber noch bestens.
Jonas: Ich hab wirklich keine Waffe, Sam.
Sam: Hast du doch, Blindgänger. Das Nachtglas.
Jonas: Aber Sammy, das gute Stück hat 400 Euros gekostet.
Sam: Extreme Situationen…
Jonas: Er ging in die Knie, und weil er gerade etwas überhing, ging er über Bord, und weil er bewußtlos war, ging er unter. Das machte mir wenig Kummer. Daß die Semiramis es ihrem Kapitän nachmachen wollte, störte mich da schon erheblich mehr. Das Boot lief aus dem Ruder, auf ein Riff, und dann voll Wasser.
Sam: Alarm! Wir sinken! Alles in die Boote! Frauen, Kinder und Computer zuerst.
Jonas: Und wenn du jetzt noch singst… Das mit dem Boot ist keine schlechte Idee. Gottseidank haben wir eins, hinten angebunden.
Sam: Achtern vertäut, wie wir Seeleute sagen. Ahoi!
Jonas: Eine Nußschale aus Plastik, zwei Ruder, sehr stabil sieht das Ding nicht aus.
Sam: Worauf wartest du? Auf die Queen Elisabeth? Spring endlich rein, Landratte. So, und jetzt mach das Tau los.
Jonas: Ja, Mensch. Moment, Sammy, dieser dreimal verdrehte Seemannsknoten, der will nicht, der, der macht… oh, jetzt, jetzt hab ich ihn los.
Sam: So, und jetzt pull, Mann. Pull!
Jonas: Was soll ich?
Sam: Rudern, wenn du das besser verstehst. Eins, zwei, bum.
Jonas: Wir spielten römische Galeere in Ben Hur. Sammy bummerte den Takt, ich ruderte. Die Semiramis ging unter, die Dämmerung kam, das Festland kam näher, soweit alles OK, aber da kam noch was.
Sam: Melde gehorsamst, Kapitän, ein Hubschraub-schraub-schrauber.
Jonas: Von Swartcliff. Scheinwerfer. Die suchen uns, Sammy, und in 5 Minuten haben sie uns, wenn wir nichts tun. Mensch, schlag was vor.
Sam: Ein neues Spiel, ein neues Glück, Monsieur.
Jonas: Gleich sind wir im Scheinwerferstrahl, und du redest irre.
Sam: Mitnichten, Begriffstutz, wir spielen, immer noch altes Rom, ein militärisches Spiel, es nennt sich Testudo.
Jonas: Testudo? Das heißt Schildkröte, glaub ich.
Sam: Ausgezeichnet, o via doctissime et eroditissmie. Wir bringen das Boot zum Kentern, Magnifizenz verbergen sich darunter, halten sich an der Sitzbank fest, und führen mit dero unteren Extremitäten vorsichtige Schwimmbewegungen aus.
Jonas: OK, gern tat ich’s nicht. Das Wasser war verflixt kalt, aber die Alternative war, mich von der PoPo erwischen zu lassen. Und da klapperte ich doch lieber mit den Zähnen, bis der Hubschrauber die Sucherei aufgab und nach Swartcliff zurückflog. Dann wurde die Schildkröte wieder umgedreht, und ich ruderte weiter. Es war Morgen, als ich das Festland erreichte. Eine einsame kleine Bucht bei Westerport. Ich zog das Boot hoch und schob es unter einen überhängenden Felsen. Vielleicht ahnte mein Unterbewußtsein, daß ich es noch mal brauchen würde. Ich war todmüde, und schaffte es gerade noch in den Sägefisch, in das Zimmer, das ich gestern gemietet hatte, ins Bett. Und da klingelte das Fon. Es klingelte und klingelte, bis ich aus dem grauen Meer meiner Erschöpfung auftauchte, und abhob.
Jonas: Was ist?
Wirt: Ein Anruf von außerhalb, Herr Jonas.
Jonas: Ich bin nicht da.
Wirt: Eine Frau Professor Caligari. Es ist dringend, sagt sie.
Jonas: Stellen Sie durch.
Wirt: Ja.
Caligari: Caligari.
Jonas: Was wollen Sie denn schon wieder?
Caligari: Ihnen ein Geschäft vorschlagen, Jonas.
Jonas: Kein Interesse.
Caligari: Das bezweifle ich. Da Sie meine Warnung nicht beachtet haben, und uns auch heute Nacht entkommen sind, Sie haben doch wirklich ein unverschämtes Glück, Jonas…
Jonas: Kommen Sie zum Punkt, ich bin müde.
Caligari: Deshalb habe ich mich schon früh zu einem neuen Approach entschlossen.
Jonas: Oh.
Caligari: Ich habe ein… ein gewisses Objekt in meine Gewalt gebracht, an dem ihnen viel liegt. Sie wären sehr betroffen, wenn es beschädigt oder gar zerstört würde. Geben Sie den Fall auf, Jonas, lassen Sie die Finger von Swartcliff. Kehren Sie zurück nach Babylon, dann bekommen Sie das Objekt zurück. Wenn nicht, werden Sie einen höchst schmerzlichen Verlust erleiden.
Jonas: Wissen Sie, wie Sie sich anhören? Wie das Horoskop der Woche.
Caligari: Der Humor wird Ihnen vergehen, Jonas.
Jonas: Kein Humor, wehrte Frau Professor, ich habe nur keine Lust, ihre Rätsel zu raten.
Caligari: Das brauchen Sie nicht. Fragen Sie den Wirt, wer Sie heute früh besuchen wollte.
Jonas: Herr Wirt?
Wirt: Ja.
Jonas: Hat heute morgen jemand nach mir gefragt?
Wirt: Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das sagen darf.
Jonas: Wer hat nach mir gefragt? Antworten Sie, Mann!
Wirt: Die Dame hat gesagt, ich soll es Ihnen nicht verraten. Es soll eine Überraschung sein, hat sie gesagt.
Jonas: Dame? Was für eine Dame?
Wirt: Eine Frau Delgado.
Jonas: Judith? Wo ist sie?
Wirt: Keine Ahnung, sie ist am frühen Morgen gekommen, als Sie noch unterwegs waren. Aus Babylon. Sie hat nach Ihnen gefragt. Im Gastraum hat sie auf Sie gewartet.
Jonas: Und dann? Reden Sie, Mann!
Wirt: Dann sind die vier PoPos gekommen.
Jonas: Und?
Wirt: Die Dame und die vier PoPos sind zusammen weg.
Jonas: Die Rechnung, und eine Motorrikscha, wenn’s hier so was gibt. Schnell.
Jonas: Alles war klar. Die andere Seite hatte Judith gekidnappt, um mich loszuwerden. Ein schwerer Fehler. Bisher hatte ich die Geschichte als normalen Job gesehen, als einen Fall wie jeden andern. Jetzt war eine persönliche Sache daraus geworden. Es ging nicht mehr um Berufsehre, darum, daß ein Detektiv nie aufgibt, um Ökos, Möwen und so weiter, es ging nur noch um zwei Dinge: erstens, ich mußte Judith rausholen. Ich konnte mir denken, wo sie sie hingebracht hatten. Judith war bei Caligari, und Caligari war auf Swartcliff. Als sie mich eben anrief, hatte ich im Hintergrund deutlich Baugeräusche gehört. Zweitens, ich mußte mit Caligari und ihrer Bande abrechnen. Endgültig. Ich hatte genug. In mir war eine kalte Wut, eine Wut im Bauch und im Kopf. Ich fuhr nach Babylon. Aus dem Wandschrank in meinem Büroapartment, da wo ich auch meine Sammlung antiker Detektivromane aufhebe, holte ich die Guerilla-Ausrüstung, die ich vor 5 Jahren weggelegt hatte, als der antarktische Krieg zu Ende war. Eine kurze Nachricht an Demeter, und ich war wieder unterwegs Richtung Küste. Es wurde dunkel, als ich die Bucht erreichte, wo ich das Rettungsboot der Semiramis versteckt hatte. Nebel kam auf, und ein Wind, der stärker war als die Damenbrise des seligen Piet Pietersen. Ich machte mich fertig. Ich zog den Kampfanzug aus schwarzem Plastik an, schmierte mir schwarze Farbe ins Gesicht, und verstaute alles, was ich brauchte, am Gürtel und in den Taschen.
Sam: Bitte, Massa.
Jonas: Laserstrahler, Nockouter, Infrarot-Ablenker, Nachtsichtbrille, Schockgranate, Miniplastbombe, Vakuumklammern, sonst noch was?
Sam: Oh Massa, treuen Onkel Sam nicht vergessen.
Jonas: Natürlich kommst du auch mit, Sammy. Dann wären wir wohl soweit.
Sam: Jawoll, Chef. Alles da, und alles aus Plastik. Kein Metall, von wegen dem Radar. Radadadar. Der unbezwingliche Plastikmann, Schrecken seiner Feinde, und fetischischtischer Wunschtraum.
Jonas: Keine dummen Witze, Sammy, die Sache ist ernst.
Sam: Dann gestatten eure heroische Seriosität ein leicht variiertes Zitat aus dem göttlichen Gedicht des gleichfalls göttlichen Homer: Singe, o Muse, den Groll des Privatdetektivs, namens Jonas, im Zorne erschuf unendliches Leiden der PoPo, viele tapfere Seelen der Helden zum Hades entsannt.
Jonas: Schon besser, also stechen wir in See. Fast wie in den bösen alten Tagen beim 9. Guerilla-Kommando im Beagle-Kanal.
Sam: England erwartet, daß jeder Mann seine Pflicht tut. Ahoi.
Jonas: Ahoi, das hieß rudern. 10 Kilometer. Der Nebel wurde stärker. Wind und Wellen spielten mit dem Boot Wasserball. Aber ich kam durch. Unter der steilen Südküste von Swartcliff machte ich das Boot fest, an einem Felsvorsprung, und dann lief ich die senkrechte Wand hoch. Kein Schwindel, Damen und Herren, keine schwarze Magie, zwei Saugklammern mit Stil und batteriebetriebener Vakuum-pumpe, kleben eingeschaltet an jeder Fläche, sicherer als Metallkrampen. Und viel leiser. Oben steckte ich vorsichtig den Kopf über den Rand. Wie ich es mir gedacht hatte: Weit und breit nur ein einziger Wächter, und der träumte vor sich hin. Hoffent-lich was schönes, ich ließ ihn weiterträumen, bis in alle Ewigkeit, dann rekognos-zieren. Durch die Nachtbrille, schwierig, der Nebel deckte allmählich alles zu.
Jonas: Hinten rechts der Heliport. Voll mit Maschinen.
Sam: Kein Flugwetter, eure meteorologische Inkapazität.
Jonas: Überall Bauschutt, Betonplatten, Baumaschinen, aber keine Baustelle.
Sam: Die ist natürlich unterirdisch, Herr Flottillenchef, bzw. unter- oder auch innerfelsig.
Jonas: Du meinst, die bauen die alten Marineanlagen aus?
Sam: Was denn sonst, Knallkopp.
Jonas: Vorsicht, Sam. Da muß der Eingang sein, in der Bunkerkuppel unter der Radarantenne.
Sam: Wohin wir uns nunmehr begeben werden, Herr Stoßtruppführer, zwecks Eindringens in die Swartcliffsche Unterwelt.
Jonas: Das Tor in der Kuppel war doppelt bewacht. Durch einen laserbewaffneten Typ, der gar nicht verträumt aussah, und durch einen Scanner. Mikro, Kamera und Lautsprecher kombiniert.
Sam: Sorry, Boss, Sam kann das Ding nicht ausschalten, Sam kommt nicht ans Zentrale ran, weil Sam kennt nicht den Supergeheimcode der PoPo.
Jonas: Dann machen wir’s anders.
Sam: Wie?
Wächter: Wer da? Ist da jemand? Identifizieren Sie sich, oder ich mach von der Waffe Gebrauch. Ahh…
Jonas: So, Sammy, jetzt haben wir eine schicke PoPo-Uniform. Wenn ich die über den Kampfanzug ziehe, und so am Scanner vorbeimarschiere
Sam: Hehe, vergiß aber nicht, dir die schwarze Farbe aus dem Gesicht zu wischen, großer Häuptling der Basrai.
Jonas: Ganz so einfach, wie ich es mir vorgestellt hatte, kam ich aber dann doch nicht in die unterirdischen Anlagen. Ich war gerade am Scanner vorbei, da meldete sich eine Stimme aus dem Untergrund.
Offizier: Halt, was war da draußen los, Wanzek?
Sam: Machs Maul auf, Idiot, du bist Wanzek.
Jonas: Äh, falscher Alarm, Chef, alles in Ordnung.
Offizier: Gut, weitermachen.
Jonas: Das brauchte er mir nicht zweimal zu sagen. Ich holte tief Luft, und verschwand in dem Gang, der schräg nach unten führte. Immer weiter, immer tiefer. Rechts und links Türen, alle 50 Meter eine Kurve, und ab und zu ein Quergang. Wenig Lampen, und zum Glück auch wenig Verkehr. Drei, vier PoPos kamen mir entgegen, ich salutierte zackig, und marschierte vorbei. Zielstrebig, nicht eilig. Keine Gefahr, keine Probleme. Bis der Gang plötzlich zu Ende war. An einer massiven Tür ohne Schloß, Griff und Klinke. Statt dessen ein Schild.
Jonas: Sperrbezirk. Zugang für Unbefugte strengstens untersagt. Berechtigte Personen werden ersucht, ihren Kopf kurz in die dafür vorgesehene Öffnung rechts, siehe Pfeil, zu halten. Na, wenn’s weiter nichts ist.
Sam: Halt!
Jonas: Was, was ist denn, Sam?
Sam: Empfehle dringendst, der Aufforderung nicht zu folgen.
Jonas: Und warum nicht?
Sam: Weil eure Humanität lediglich über einen einzigen Kopf verfügt, auf welchen trotz seiner sattsam bekannten Unzulänglichkeit Durchlaucht auch fernerhin nicht verzichten sollten.
Jonas: Ach, du meinst, das ist eins von diesen neumodischen Sicherungssystemen, so eins, wo die Gehirnströme abgelesen werden.
Sam: Ja.
Jonas: Und wenn sie nicht gespeichert sind, dann
Sam: Schnipp schnapp, Rübe ab. Kein Zweifel, hochzuverehrender Henkersknecht.
Jonas: Huh, da hätte ich ja fast eine Riesendummheit gemacht.
Sam: Sam wagt nicht zu widersprechen, o Inbegriff aller Weisheit.
Jonas: Weißt du, Sam, wie wir reinkommen? Ich fange mir einen PoPo, der hier unten rumläuft, und stecke seinen Kopf ins Loch. Wenn er berechtigt ist, gut und schön, dann geht die Tür auf.
Sam: Und wenn nicht, o abgeklärter Kaltschnauz?
Jonas: Dann verliert er den Kopf, fürchte ich. Und ich fange mir einen neuen, einen möglichst hochrangigen. General oder so.
Oberst: Würde Ihnen ein Oberst reichen? Hände hoch und langsam umdrehen.
Jonas: Er stand plötzlich hinter mir. Ich hatte ihn nicht gehört, weil ich mich so angeregt mit Sam unterhalten hatte, dumm von mir. Er war tatsächlich ein Oberst der PoPo, das sah ich, als ich mich umdrehte. Lametta an Brust und Schultern, dazu ein Laserstrahler am Gürtel und ein Knockouter in der Hand. Das war dumm von ihm.
Oberst: Stehenbleiben! Bleiben Sie stehen. Sie, Sie sind isoliert.
Jonas: Du merkst auch alles, Buster.
Jonas: Haben Sie gehört? Buster. Ein echter Bogie. Ich war richtig stolz, fletschte die Zähne, und zupfte mich am Ohr. Übrigens war ich wirklich isoliert. Das heißt, mein Kampfanzug, der Oberst nicht, und deshalb fiel er um, als ich ihm einen soliden 2-Stunden-Lähmungsschock verpaßte. Aber er war berechtigt. Sein Kopf schloß mir das Tor auf. Ich legte ihn hinter einem Schutthaufen ab, weiter. Der Verkehr nahm ein bißchen zu. Kaum noch schwarzrote Uniformen, dafür weiße Kittel, hinter den Türen Funk- und Radarstationen, und Laboratorien. Eine Tür stand offen. Ich riskierte ein Auge, und obwohl ich es so eilig hatte, blieb ich stehen.
Jonas: Puppen? Sieh dir das an, Sammy. Die Damen und Herren Wissenschaftler von ZIP spielen mit Puppen.
Sam: Unwahrscheinlich. Geh näher ran, alter Türschlitzspanner. Keine Angst, das Labor ist leer.
Jonas: Das, das sind keine Puppen.
Sam: Was du nicht sagst, Kumpel.
Jonas: Das sind Menschen, klitzekleine Menschen.
Sam: Im Durchschnitt 12 Zentimeter hoch, flüchtig geschätzt, Minimenschen, o riesiger Gulliver zu Liliput. Tot sind sie übrigens auch.
Jonas: Jedenfalls bewegen sie sich nicht. Wie damals, im Schlachthaus von Costaguana, nur alles viel kleiner, aber womöglich noch scheußlicher. Was ist hier los, Sam?
Sam: Siehst du doch, blindes Huhn. ZIP entwickelt ein neues Verfahren. Mikronisierung. Verkleinerung von Menschen. Wo heute 100 leben können, sollen es in Zukunft Millionen und Milliarden sein.
Jonas: Deshalb diese gewaltigen Sicherheitsvorkehrungen.
Sam: Ja.
Jonas: Deshalb haben sie sich auf Swartcliff verkrochen.
Sam: Versteht sich, großer Vordenker. Hier wird das Verfahren getestet. Und hier soll es später im großen Stil und Umfang angewandt werden.
Jonas: ZIP schreckt wirklich vor nichts zurück.
Sam: Vermutlich hat man auch die Dame Judith zur Mikronisierung vorgesehen.
Jonas: Judith? Meinst du wirklich, Sam?
Sam: Ja.
Jonas: Dann los.
Jonas: Weiter, schneller, immer schneller, noch ein paar Labortüren, dann Büros, dann das allerheiligste. Professor Caligari. Kein Zutritt. Für mich galt das nicht. Ich trat zu. Leise. Niemand im Vorzimmer. Aus dem Hinterzimmer durch die angelehnte Tür, Stimmen. Caligari und Judith.
Judith: Die Sicherheitsverwaltung wird mich suchen lassen.
Caligari: Das werden wir zu verhindern wissen, mein Liebe. Sie haben Ihre Situation doch selbst verschuldet. Was geben Sie sich mit diesem Quertreiber ab, diesem Unruhestifter, diesem Jonas. Meine Organisation hat ein hohes Ziel, die Reduktion der Überbevölkerung. Mittel haben wir im Überfluß. Die Industrie unterstützt uns, die Hochfinanz, die Politik.
Judith: Ja, ja, die Politik.
Caligari: Was wir brauchen ist Ruhe. Vor allem jetzt, im Versuchsstadium. Das große Projekt der Mikronisierung läuft. Aber der Durchbruch ist uns noch nicht gelungen. Wir verzeichnen einen zu hohen Verschleiß an Versuchspersonen. Ja, auch auf diese Weise reduziert sich die Bevölkerung, und das ist doch die Hauptsache, nicht wahr?
Judith: Wenn Sie meinen.
Caligari: Wenn der Ausbau unseres neuen Hauptquartiers beendet ist, wenn wir uns hier auf Swartcliff sicher verschanzt haben, wenn wir ungestört arbeiten können, dann, meine Liebe, dann…
Judith: Dann? Werden Sie mich freilassen?
Caligari: Das halte ich für unwahrscheinlich. Sie sind zu gut über uns informiert. Und wir brauchen laufend frische Versuchspersonen.
Jonas: Frau Professor Caligari hielt gern Vorträge. Mir reichte es. Ich wollte nichts mehr hören. Ich wollte Judith. Die Ein-Mann-Armee Jonas setzte zum Sturm an. Es ging alles sehr schnell. Eine Schockgranate durch die Tür, Caligari ging benommen zu Boden. Aber sie war hart im Nehmen. Sie hatte ihren Laser fast schon wieder in Schußposition, als ich sie mit dem Knockouter unschädlich machte. Dann zu Judith. Auch sie kam schnell wieder zu sich.
Judith: Jonas? Was ist passiert? Ich hab dich zuerst gar nicht erkannt. In dieser Uniform.
Jonas: Was meinst du, Judith, steht sie mir? Judith, wie fühlst du dich denn? Kannst du laufen?
Judith: Ja.
Jonas: Na komm, ich helf dir.
Judith: Ich glaub schon.
Jonas: So, dann laß uns loslaufen.
Sam: Moment, Chef. Punkt eins: Befreiung der Dame Delgado erfolgreich ausgeführt. Bleibt Punkt zwei.
Jonas: OK, Sammy. Wo?
Sam: Hintere Wand Mitte, allerwertester Knallfrosch.
Jonas: Eine Miniplastbombe oder zwei?
Sam: Zwei, o Meister aller Bombardiere. Safety first. Beeil dich, lahme Ente.
Jonas: Ich beeilte mich, und dann raus. Im Geschwindschritt durch die Gänge. Wer sich uns in den Weg stellte, war selber schuld. Kampfmaschine Jonas ließ sich nicht aufhalten, bis sie von allein stehen blieb, am Ausgang, mit Judith, atemlos, aber glücklich. Und mit Sam natürlich.
Judith: Du hast es wirklich geschafft, Jonas.
Jonas: Kleinigkeit. Anruf genügt, komme sofort.
Judith: Caligari hat gesagt, du würdest nicht kommen, weil du nicht gut genug bist, und weil du mich nicht genug liebst.
Jonas: Da hat sie sich geirrt, unsere Frau Professor. Zum allerletzten Mal.
Judith: Ist sie tot?
Jonas: Noch nicht. Sam.
Sam: Ja.
Jonas: Die Fernzündung.
Sam: Fernzündung.
Jonas: Feuer.
Sam: Zu Befehl, Herr Sprengmeister.
Judith: Was ist das?
Jonas: Die große ozeanische Wasserspülung, meine Bomben in Caligaris Zimmer, tief unter dem Wasserspiegel, haben die Felswand aufgerissen, und jetzt wird der ganze Dreck ins Meer gespült, Caligari und ihre Organisation, PoPos und Wissenschaftler, Labors und Maschinen, aus und vorbei. Ein für alle mal.
Sam: Mögen sie in Frieden ruhen auf dem kühlen Meeresgrund, rappeldizock…
Demeter: Da ist noch einer von den Schwarzroten! Hände hoch!
Jonas: Demeter.
Demeter: Jonas.
Jonas: In Person.
Demeter: Ich hab Sie nicht gleich erkannt.
Jonas: In dieser Uniform. Wie kommen Sie hierher?
Demeter: Als ich Ihre Nachricht kriegte, habe ich alle Ökos zusammengetrommelt, die Westerporter haben ihre alten Flinten aus dem Schrank geholt, und uns in ihren Booten rübergebracht, trotz Sturm und Nebel. Wir wollen Ihnen helfen.
Jonas: Danke, sehr freundlich, aber nicht mehr nötig. Der böse Feind ist geschlagen. Auftrag ausgeführt.
Sam: Ja.
Demeter: Und die Dreizehenmöwe Rissa?
Jonas: Ach, die hab ich vergessen. Es war nämlich einiges los, müssen Sie wissen.
Demeter: Das interessiert mich nicht. Unter diesen Umständen wird es uns nicht möglich sein, Ihnen Ihr restliches Honorar auszahlen. Wir hatten vereinbart… Da, hören Sie: Rissa Tridactyla. Sie hat es überlebt. Hurra!
Sam: Hurra!
Jonas: Zähes Tierchen, dachte ich, und freute mich ein bißchen mit Demeter und ihren Leuten, die sich aufmachten, die Nester ihres heißgeliebten Federviehs zu suchen. Judith und ich blieben allein zurück.
Judith: Ich seh dir in die Augen, Jonas.
Jonas: Ich dir auch, Judith. Sehen wir uns heute Abend?
Judith: Wenn du willst. Sehen wir uns morgen Abend?
Jonas: Wenn du willst.
Jonas: Und so weiter. Falls Ihre Beziehung nicht mehr das ist, was sie war, dann rate ich Ihnen, lassen Sie sich kurz kidnappen, und auf möglichst spektakuläre Weise retten. Das verbindet, bis zum nächsten Krach.
Das war Kidnapper. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Es wirkten außerdem mit: Karin Anselm, Kornelia Boje, Renate Grosser, Gernot Duda, Michael Lenz, Wolfgang Büttner und viele andere (Joachim Höppner, Gisela Hoeter, Reiner Kositz). Ton und Technik: Günter Heß und Angela Bernd. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Alexander Malachovsky. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1985). Redaktion: Dieter Hasselblatt und Erwin Weigel.
Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Requiem
Sam: Alles neu macht der Mai, macht die Seele froh und frei.
Jonas: Sam! Halt den Schnabel, Sammy.
Sam: Aber Chef, Sam hat keinen Schnabel. Sam ist kein Vogel. Sam ist ein Computer. Laß das Haus, kommt hinaus, bindet einen Strauß.
Jonas: Und Computer, die nicht gehorchen, kommen auf den Schrottplatz. So, jetzt kann ich mal was sagen. Zur Richtigstellung sozusagen.
Jonas: Es war nämlich gar nicht Mai. Nicht mal ein bißchen. Im Gegenteil. Es war Herbst. Trüber grauer Spätherbst. 7. November 2009. Und alles neu, das stimmt auch nicht, jedenfalls nicht ganz. Gut, ich hatte mir was Neues zum Anziehen geleistet, einen antiken Trenchcoat Marke Bogie, nicht billig, aber edel. Meinte Judith. Und für den guten Sam war ein funkelnagelneuer Vocoder drin gewesen. Der vorige hatte an hochgradiger Altersschwäche gelitten. Immerhin hatte er, ja, fast 5 Jahre auf dem Buckel. Im Jahr 2005 hatte ich Sam gekauft. Damals hieß er noch nicht Sam, sondern…
Sam: Doktor Chrysostomus MacCoy Incorporated.
Jonas: Sam ist mein Computer. Seine erste und eigentliche Existenz hat er in meinem Büro, als unbeweglicher Kasten, Terminal, Nerven- und Schaltzentrum, Kartei, Datei et cetera. Dann gibt es noch Sam zwo. Die Taschenausgabe mit drahtloser Verbindung zu Sam eins. Sam zwo hab ich ständig bei mir. Ich brauche ihn. Auch wenn er mir oft genug auf die Nerven geht. Er ist nämlich überzüchtet. Überhochmetzt. Programmatisch überfüttert. Oder sagen wir einfach verrückt.
Sam: O du mein Jonas. Jonas über alles. Ich kann dir nicht böse sein. Hast du doch tief in die Tasche gegriffen, um mich mit einem neuen Vocoder zu beglücken. Ist er nicht schick? Klingt er nicht wunderbar? Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden belebenden Blick.
Jonas: Du bringst dich auf den Schrottplatz, Sammy.
Jonas: Sie hören es: Sam war wieder so gut wie neu. Und die Beziehung zwischen Judith und mir auch. Wir wollten noch mal anfangen, nach den Streitereien der letzten Monate.
Jonas: Also doch irgendwie Mai. Trotz November.
Sam: Sag ich doch, Alter.
Jonas: Weil wir beide, Judith und ich, Nostalgiker sind, buchten wir Plätze im Romantic-Park. Und im Romantic-Park ist es immer Frühling. Dank Klima-Konverter und Holo-Projektion. Wir saßen auf unserer Zweier-Bank. Über uns wölbte sich ein klarer Sternenhimmel. Auf kleinen Teichen schwammen große Schwäne. Weiß, wie frisch aus der Waschmaschine. Aus dem Gebüsch dudelten Soft-Pop und Nachtigallen vom Band. Soweit alles Bestens. Wenn da nicht ein altes Problem in der lauen Mai-Nacht gestanden hätte.
Judith: Gib`s zu, Jonas, es ist nur Stolz.
Jonas: Nur?
Judith: Dummer alberner unsinniger Stolz. Du bist zurückgeblieben, Jonas. 50 Jahre mindestens.
Jonas: Na und? Die Mitte des 20. Jahrhunderts ist meine Zeit. Die Zeit von Phil Marlowe und Konsorten. Als das Leben noch lebenswert war. Hart und wild. Eine Aufgabe. Eine Bewährung. Lachen Sie nicht. In den Büchern steht’s so.
Judith: Wo ich doch nun mal in einer höheren Wohnraumklasse bin.
Jonas: Kann man wohl sagen, bei 40 Quadratmeter.
Judith: 48 Quadratmeter.
Jonas: 48. Wie… wieso 48?
Judith: Seit ich befördert bin. Eine Hauptabteilungsleiterin bei der öffentlichen Sicherheitsverwaltung hat Anspruch auf 48 Quadratmeter.
Jonas: Gratuliere.
Judith: Also?
Jonas: Also was?
Judith: Du ziehst zu mir. Platz haben wir genug. Dein 20-Quadratmeter-Loch.
Jonas: 22.
Judith: Das kannst du ja als Büro behalten, wenn dein Herz schon an diesem Beruf hängt, der dir nichts einbringt, außer Schrammen und Beulen.
Jonas: Ich bin Detektiv. Privatdetektiv. Der letzte seines Zeichens. Vielleicht auf der Welt. Wahrscheinlich in den Vereinigten Staaten von Europa. Mit Sicherheit in Babylon. Kein begehrter Beruf. Judith hatte nicht so Unrecht. Das Leben war unsicher. Gefährlich. Und reich werden konnte man dabei auch nicht. Aber besser als eine stumpfsinnige Volksrenten-Existenz war es allemal.
Jonas: Sammy, wie sagt Chandler?
Sam: Viel Geld ist nicht drin. Jede Menge Ärger ist drin, aber auch `ne Menge Spaß. Und immer die Hoffnung auf einen großen Fall.
Jonas: Hast du gemerkt, Judith? Sam hat eine neue Stimme.
Judith: Keine Verbesserung, wenn du mich fragst. Kannst du den Schnatterkasten nicht zu Hause lassen, wenn wir verabredet sind?
Jonas: Das nächste Mal.
Sam: Was muß ich da hören, o Sonne meiner Software?
Judith: Misch dich nicht ein, Sam.
Sam: Sam erhält seine Anweisungen einzig und allein von seinem Herrn und Meister. Und sein Meister und Herr ist…
Jonas: Ruhe.
Sam: Ruhe?
Jonas: Absolute Ruhe, Sam.
Sam: Der Großmeister trefflicher verbaler Verknappung meint, Sam solle nichts sagen? Keinen Satz? Kein Wort? Keinen Buchstaben? HuHuHu! Jammer, Jammer, Weh und A…
Jonas: Sei doch jetzt endlich still, verdammt noch mal.
Sam: Jawohl, mein Fähnleinführer. Ein Wink genügt, und Sam ist still. Er sagt nichts mehr. Auch wenn eine Nachricht von persönlicher Dringlichkeitsstufe 1 anliegt. Gar nichts sagt Sam. Er schweigt.
Jonas: Mo-ment, Sammy. Was war das mit persönlicher Dringlichkeitsstufe 1? Hast du nicht gehört?
Sam: Sam schweigt eisern. Wie das Gesetz es befahl.
Jonas: OK OK OK. Hast du nun eine dringende persönliche Nachricht für mich oder nicht?
Judith: Laß doch den dummen Computer, Jonas.
Sam: Dummer Computer hat Nachricht für hochehrwürdigen Herrn Stabsfeldwebel.
Jonas: Raus damit.
Judith: Das hat doch Zeit.
Sam: Majestät wünschen Nachricht zu hören?
Jonas: Ja, ich wünsche. Entschuldige Judith, aber.
Sam: Randy Orgas ist tot.
Jonas: Was?
Sam: Randy Orgas ist tot. Meldung durch epa vor 5 Minuten. Bestätigung vor 1 Minute 33 Sekunden.
Judith: Orgas? Randy Orgas? Ein Rockmusiker, oder?
Jonas: Ein Rockmusiker, jawohl. Ein ziemlich bekannter sogar. Chef und First Player der Gruppe Fuck The Duck. Und der Freund eines ziemlich unbekannten Privatdetektivs namens Jonas. Vor zweieinhalb Jahren hatte ich ihn kennen gelernt. Im Sommer 2007. Böse Menschen hatten ihm sein goldenes Keyboard weggenommen, und wollten es nur gegen einige Millionen zurückgeben. Ich brachte die Sache in Ordnung. Auf meine Art. Und danach kam Randy mich ab und zu besuchen. Wir sahen uns ähnlich. Auch wenn er viel jünger war. Und das faszinierte ihn. Vielleicht war ich für ihn ein Spiegel der Zukunft. Oder er brauchte so was wie eine Vaterfigur. Außerdem hatte ihm mein Stil imponiert. Von seinem konnte ich das nicht sagen. Plastik-Rock-Pop ist nicht meine Musik. Und damals war Randy mit seinen Ducks der unbestrittene King of PRP. Inzwischen hatte er ein bißchen abgebaut. Er war nicht mehr jede Woche in den Charts. Aber für den einen oder anderen Hit reichte es noch. Manchmal. Der letzte, warten Sie, das war.
Sam: Dritte Aprilwoche 2009. Nummer 17 in Euro-Chart, 26 in World-Chart.
Jonas: Also doch schon ein gutes halbes Jahr her. Titel? Sammy, was ist denn? Ich will den Titel von Randy Orgas letztem Hit.
Sam: Wenn Hoheit darauf bestehen. Der Titel lautete, wäh, Computer-Tod. Ein höchst ungehöriger, ja obszöner Titel, wenn es armem kleinem Computer erlaubt ist, eine persönliche Meinung zu äußern.
Judith: Ich bin übrigens auch noch da, wenn es mir erlaubt ist, ganz bescheiden darauf hinzuweisen, und darauf, daß wir im Romantic-Park sind, um miteinander zu reden.
Jonas: Ja sicher, Judith, aber verstehst du denn nicht, Randy Orgas ist tot.
Judith: Ja was hat das mit uns zu tun?
Jonas: Es hat was mit mir zu tun. Ich muß was unternehmen, wenn Randy wirklich tot ist.
Sam: Klar ist er tot, Blödmann. Gestorben in Babylon, 7. November 2009. 3 Uhr 23 nachts.
Jonas: Vor gut acht Stunden.
Sam: Todesursache: Herzversagen.
Jonas: Wer hat den Totenschein ausgestellt? Ein Robo-Doc?
Sam: Mitnichten, Majestät. Ein menschlicher Arzt in all seiner biologischen Unvollkommenheit.
Jonas: Name?
Sam: Dr. Waldemar Zirose.
Jonas: Zirose? Kenn ich nicht. Wo ist denn das Büro von Randy Orgas Managerin? Wie heißt die?
Sam: Lexis Scarlet, o Spitze des Eisbergs. Und ihr Büro befindet sich im Musik-center. 39. Stockwerk.
Jonas: Also los, Sammy.
Judith: Jonas, du gehst wirklich?! Du läßt mich sitzen.
Jonas: Tut mir leid. Judith, aber ich muß. Ich muß, sagen wir mich von Randy verabschieden.
Sam: Ach, ein langer Abschied, o spätgeborener Marlowe.
Judith: Was soll das heißen?
Jonas: Ich erklär es dir später, Judith.
Judith: Wenn du dazu noch Gelegenheit hast.
Jonas: Raus aus der künstlichen Maien-Nacht in den tristen babylonischen Novembertag. Mit der Rikscha ins Büro. Aus dem wackligen Verschlag, den mein hochstapelnder Vermieter Safe nennt, nahm ich den Holo-Clip, den Randy mir nach seinem letzten Besuch geschickt hatte. Zurück ins Zentrum. Mit dem üblichen Aufenthalt. Auf dem Bob-Dylan-Platz lief eine unangemeldete Massen-Selbstverbrennung mit großem Zulauf. Und als ich im 39. Stock des Musikcenter aus dem Quick-Lift stieg, wurde ich gleich noch mal aufgehalten. Lexis Scarlets Bürotür wurde bewacht. Von einem grimmigen Vorzimmer-Robot mit elektronischer Barriere.
Vorzimmer-Robot: Halt.
Jonas: Was?
Vorzimmer-Robot: Halt. Sie wünschen, meine Dame bzw. mein Herr?
Jonas: Was hältst du denn von dem Kollegen, Sam?
Sam: Kollege? Ich muß doch sehr bitten, Herr Oberförster.
Vorzimmer-Robot: Sie wünschen, meine Dame bzw. mein Herr?
Jonas: Also, taufrisch ist er nicht mehr. Daß Lexis Scarlet ein so überholtes Modell nicht auswechselt. Geschäft geht wohl nicht so gut, was meinst du, Sam?
Sam: Veraltet? Hmh, besser gesagt, vergreist. Aber stur und zuverlässig. So ohne weiteres kommen wir hier nicht rein, Alter.
Vorzimmer-Robot: Sie wünschen, meine Dame bzw. mein Herr?
Sam: Nun sag ihm schon, was wir wünschen.
Jonas: Lexis Scarlet. Ich will sie sprechen.
Vorzimmer-Robot: Sind Sie mit Frau Scarlet verabredet, meine Dame bzw. mein Herr?
Jonas: Nein, aber ich muß sie trotzdem.
Vorzimmer-Robot: Bedaure, Sie dürfen nicht passieren, meine Dame bzw. mein Herr.
Jonas: Es geht um Randy Orgas. Sag ihr das.
Vorzimmer-Robot: Bedaure, Sie dürfen nicht passieren, meine Dame bzw. mein Herr.
Sam: Was habe ich gesagt, ehrwürdiger Onkel mütterlicherseits? Stur.
Jonas: Stur und blöd.
Sam: Blöd. Das eröffnet gewisse Möglichkeiten. 2 plus 2 ist 3.
Vorzimmer-Robot: Hah!
Sam: 8 mal 0 ist 8. 8 hoch 2 ist 57.
Vorzimmer-Robot: Oh!
Jonas: Sammy, was ist denn los mit dir, alter Junge? Du wirst mir doch nicht krank?
Sam: Ich nicht, geschätzter Hoch- und Deutschmeister. Wohl aber ein gewisser sturer Robot älterer Bauart. Die Quadratwurzel aus 9 ist zwölfeinhalb.
Vorzimmer-Robot: Oh!
Jonas: Kluges Kind, Sammy. Bei einem rechtwinkligen Dreieck ist die Summe der Quadrate über den Kathetern…
Vorzimmer-Robot: Ah!
Sam: Katheten, Dummie.
Jonas: Äh Ka… Katheten, von mir aus, aber jedenfalls ist die Summe nicht im Mindesten gleich dem Quadrat über der Hypo… Hypodings… Hypo… Hypotenuse.
Vorzimmer-Robot: Ah! Aufhören, bitte, aufhören, meine Dame bzw. mein Herr!
Sam: Einmal sieben ist 6. Zweimal sieben ist 11. Dreimal sieben ist 109.
Jonas: Zwei parallele Linien treffen sich…
Sam: An der nächsten Straßenecke.
Jonas: Sagt die eine zur andern…
Vorzimmer-Robot:…
Jonas: Oh. Voll durchgedreht, der arme Kerl.
Sam: Hihihihihihihi. Computer-Kollaps. Inkorrekte Mathematik halten sie nicht aus, diese alten Hündchen.
Jonas: Gute Idee, Sam.
Sam: Trick 17, Schüler Jonas. Da ich auf dero Genialität Kooperation wert zu legen habe, durfte ich mich leider nur auf Minimaldia-Mathematika stützen.
Jonas: Soll heißen?
Sam: Unterste Unterstufe, o Adam Riese. Pythagoras etc., Klippschule.
Jonas: Machen wir jetzt einen Exkurs über meine mathematische Bildung oder was?
Sam: Was, euer Durchlaucht.
Jonas: Was was?
Sam: Wir machen jetzt das, was Sie, o genialischer Verkürzer, so treffend als was bezeichneten. Wir suchen Frau Scarlet auf, die Managerin des seligen Randy Orgas, und da die elektronische Barriere, hihihihi, nun mehr dauerhaft geknackt ist.
Fredo: Was ist denn hier los? Hey, der Robot ist im Eimer.
Jonas: Senile Dysfunktion. Sagen Sie Frau Scarlet, sie soll sich einen neuen kaufen.
Fredo: Ah, Sie haben ihn kaputt gemacht.
Sam: Nein, ich.
Jonas: Der Typ, der in der Tür stand, war doppelt so breit wie ich. Und ich bin kein schmales Handtuch. Er trug formelle Geschäftskleidung. Grauer Blouson, schwarze Bermudas mit Nadelstreifen. Aber wenn der Geschäftsmann war, dann fraß ich meinen Computer. Er roch förmlich nach Gorilla.
Fredo: Wer sind Sie?
Jonas: Jonas.
Fredo: Und?
Jonas: Nur Jonas.
Fredo: Und was wollen Sie?
Lexis Scarlet: Was gibt’s da draußen, Fredo?
Fredo: Ach hier ist einer, der heißt Jonas, und der hat unseren Robot kaputtgemacht.
Lexis Scarlet: Schmeiß ihn raus, Fredo.
Jonas: Leichter gesagt als getan. Fredo war ein Bulle, aber fix war er nicht. Während er versuchte, mich vorn zu fassen zu kriegen, spazierte ich hinten um ihn herum durch die Tür ins Büro. An den Wänden hingen verstaubte Holo-Disks. Reliquien goldener Hit-Zeiten. Auf dem staubig gelben Teppichboden: ein Schreibtisch. Und dahinter eine angestaubte Musik-Managerin. Unter dem Make-up: goldene Schatten der Vergangenheit. Sie musterte mich, als habe mich die Katze reingetragen. Fredo hatte inzwischen mitgekriegt, wo ich abgeblieben war, und trampelte mir nach.
Lexis Scarlet: Was soll das heißen?
Fredo: Ich kann nichts dafür, Lexis. Erst hat er den Robot kaputt gemacht, und dann ist er einfach um mich rumgelaufen.
Lexis Scarlet: Was will er?
Fredo: Hat er nicht gesagt.
Jonas: Aber jetzt sagt er’s. Ich will Lexis Scarlet was ausrichten. Von Randy Orgas.
Lexis Scarlet: Der ist tot.
Jonas: Eben drum. Sonst wär ich nicht hier. Auf dieser Holo-Kassette steht: Für Lexis, wenn ich tot bin. Sie kennen die Handschrift.
Lexis Scarlet: Zeigen Sie. Ja, Randy, keine Frage. Und?
Jonas: Legen Sie den Clip in Ihren Holo-Set ein. Für Ihren Lakaien findet sich derweil sicher was zu tun.
Lexis Scarlet: Fredo ist mein Sekretär, Jonas.
Jonas: Wenn Sie das sagen.
Lexis Scarlet: Warten Sie draußen, Fredo.
Fredo: Aber, Lexis.
Lexis Scarlet: Raus.
Jonas: Sie legte ein, drückte auf den Knopf, und da stand er. Mitten im Raum. Randy Orgas. Wie ich ihn kannte. Ohne Keyboard, ohne grüne Perücke, ohne Kutte, ganz zivil und fast inkognito. Wenn da nicht der berühmte rechte Mundwinkel mit seinem ironischen Zucken gewesen wäre.
Randy Orgas: Hei, Lexi Baby, und wer sonst noch da ist, vielleicht Tutti, oder DD, oder Scrooge von den alten Ducks. Laß mal Moment das Geldscheffeln, Lexi, hör mir mal zu. Ich bin also abgetreten. Abgeschrammt. Abgefuckt. Hab mich verpißt. Löffel abgegeben. Stiefel ausgezogen. Fini. Schluß. Aus. Ende. Amen. Mit den Mäusen und so ist alles klar. Testament liegt beim Notar. Das hier ist so ne Art Zusatz, mein wirklich und wahrhaftig endgültig allerletzter Wille.
Jonas: Ich erinnerte mich an unser letztes Treffen. Vor vier, fünf Monaten in meinem Büro plus Apartment, 22 Quadratmeter, bißchen eng. Randy war da, und ich, und eine große Flasche Old Forester, von Sammy ganz zu schweigen. Randy stand unter Plastik-Kiff und Solipsin, dazu noch der Whiskey, kein Wunder, daß er sich leicht melancholisch fühlte.
Randy Orgas: Blue, Baby. Down and out. Ich merks am Zwerchfell, Baby. Nicht mehr lange, dann kratz ich die Kurve. Haut auch nicht mehr so richtig hin mit der Musik und so. Solipsin?
Jonas: Nehm ich nicht. Weißt du doch.
Randy Orgas: Allright. Nur nostalgische drugs. Whiskey. Ist auch nicht schlecht. Listen, Jonas Baby, wenn’s mich erwischt hat, will ich auf gar keinen Fall eingebuddelt werden. No, Sir. Ich hab was gegen Schwermetall, und für’s Feuer bin ich auch nicht.
Jonas: Hhm. Hhm. Das Meer? Wie wär’s damit?
Randy Orgas: In die Abwasser-Scheiße? Nie, Baby.
Jonas: Dann bleibt nur der Weltraum.
Randy Orgas: Sounds good, Baby.
Jonas: Es gibt ein paar Firmen, die schießen dich für schweres Geld nach oben. In einem Satelliten. Und dann kreist du um die Erde. Von nun an bis in Ewigkeit.
Randy Orgas: Amen, Baby. 4-3-2-1-zero, wäng. I like it, Baby. Das will ich.
Randy Orgas: Das will ich, Baby. Und weil ich das dann selber nicht mehr kann, wird sich mein Freund Jonas darum kümmern, daß sie mich auch wirklich ins All knallen. Jonas ist OK, der macht das, eh, Jonas Baby? Das war’s, Leute. Spielt mal ab und zu was von mir. Computer-Tod oder den Seveso-Rock oder Software in the Head. Als dann. So long.
Lexis Scarlet: Das ist alles?
Jonas: Das ist alles.
Lexis Scarlet: Deshalb dringen Sie hier ein? Deshalb beschädigen Sie meinen Vorzimmer-Robot und verstören den guten Fredo? Ha, da kann ich nur sagen: Viel Lärm um Nichts.
Jonas: Um Randy.
Lexis Scarlet: Das ist dasselbe. Da ist die Tür.
Jonas: So geht’s nicht. Sie sind Randys Managerin.
Lexis Scarlet: Ich war Randys Managerin. Leichen manage ich nicht. Was mit Randy Leiche passiert, geht mich nichts an. Ich bin die falsche Adresse. Stecken Sie Ihren Holo-Clip wieder ein, Jonas. Gehen Sie ein Haus weiter.
Jonas: Zu wem?
Lexis Scarlet: Zu Tutti.
Jonas: Tutti?
Lexis Scarlet: Tutti Paletti. Der Styler der Ducks. Berater. Beichtvater. Seelischer Mülleimer. Ich bin bloß die Brieftasche. Gehen Sie zu Tutti. Fredo gibt Ihnen die Adresse.
Jonas: Hat mich gefreut, Sie kennen zu lernen, Lexis. Ein so aufgeschlossenes loyales warmherziges Wesen.
Lexis Scarlet: Geschenkt. Ach, und Jonas.
Jonas: Ja?
Lexis Scarlet: Wenn Sie an einer gut dotierten Dauerstellung interessiert sind.
Jonas: Als Sekretär?
Lexis Scarlet: Sie haben es erfaßt. Fredo läßt stark nach. Also?
Jonas: Hhm. Unwahrscheinlich.
Lexis Scarlet: Hab ich mir gedacht. Falls doch, kommen Sie vorbei.
Jonas: Im schicken Südwesten von Babylon, da wo es vor 20 Jahren noch echte Bäume gegeben hatte, standen heute ein paar Luxus-Wohntempel herum. Mit super postmodernem Geschnörkel. In einem dieser Tempel wohnte Tutti Paletti. Das heißt, eigentlich nicht in, sondern auf. Paletti hatte ein Penthouse. An die 100 Quadratmeter. Pop-Styling war offenbar eine einträgliche Sache. Paletti hatte nicht nur ein Penthouse. Paletti hatte auch Möbel aus Mailand, einen versilberten Ro-Butler, und den letzten Schrei in Statussymbolen: Einen echten japanischen Bonsai.
Paletti: Mein Wald, ich nenne ihn meinen Wald, hehehe, ein Scherz.
Jonas: Finden Sie?
Paletti: Sie nicht? Also die meisten Besucher halten das für witzig.
Jonas: Soll ich Ihnen sagen, was ich für witzig halte?
Paletti: O, ich bitte darum.
Jonas: Einen Whiskey. Und wenn Sie ihn doppelt machen, lach ich sogar zweimal.
Paletti: Ich verstehe. Gandalf. Gandalf! Ja was in drei-Teufels-namen ist denn mit dem verflixten Ro-Butler?
Ro-Butler: Gar nichts ist mit dem verflixten Ro-Butler. Nur daß er seit Sonntag nicht mehr Gandalf heißt. Haben Sie vergessen, Sir? Tolkiens ist out. Muppets sind in.
Paletti: Äh, ja, richtig. Muppets, ähm, dann heißt du.
Ro-Butler: Kermit, Sir. Applaus, Applaus.
Paletti: Äh, Kermit. Es lag mir auf der Zunge. Ja, und was willst du, Kermit?
Ro-Butler: Sie wollen, Sir, Sie haben mich gerufen.
Paletti: Ach, hab ich?
Jonas: Einen doppelten Whiskey, Kermit, kein Wasser, kein Eis, kein Soda. Scotch, wenn möglich.
Ro-Butler: Bedaure, Scotch ist out. Wäre Jack Daniels Black Label Ihnen genehm, Sir?
Jonas: Auch gut. Und Sie, Paletti?
Paletti: Ja, einen kleinen Campari, mit sehr sehr viel Eis.
Ro-Butler: Sehr wohl, die Herren.
Jonas: Sie haben mir noch nicht geantwortet, Paletti. Wo ist Randys Leiche? Und wer kümmert sich um die Beisetzung?
Paletti: Ach, jetzt fangen Sie schon wieder an. Hören Sie endlich auf mit diesem Gerede über… über Sterben und Begraben. Das ist unappetitlich und widerlich. Jawohl, widerlich. Ich bin Ästhet, guter Mann. Ich habe 8 Semester kommerzielle Ästhetik studiert. Ich style Musiker. Ich kreiere ihr Image. Ich bin Künstler. Kreativ. Sensitiv. Wie kommen Sie nur darauf, daß ich irgendwas mit Randys… äh mit solchen Dingen zu tun habe.
Jonas: Sie gestatten. Prost. Zum Wohl. Hhm, ja. Lexis Scarlet hat mich zu Ihnen geschickt.
Paletti: O, ja, das verstehe ich nicht. Wie konnte sie das tun?
Jonas: Das frage ich mich auch. Bei wem kann ich denn nun was erfahren?
Paletti: Tja, nicht bei Lexis Scarlet. Bei mir schon gar nicht. Bleiben nur die Ducks. Scrooge und DD.
Jonas: DD?
Paletti: Donald-Daisy. Der/die Androgyne vom Dienst. Meine Idee. Ein cleverer Rückgriff auf die frühen 80er. Boy George, Marilyn, Dead or Alive, wenn Ihnen das was sagt.
Jonas: Wenig.
Paletti: Fragen Sie DD. Das wird das Beste sein.
Jonas: Und Scrooge?
Paletti: Oh, den können Sie vergessen. Scrooge ist nur der Drummer. Der kann nicht mal sprechen. Reden Sie mit DD, Jonas. Da kommen Sie weiter.
Jonas: Er gab mir eine Fon-Nummer. Ich suchte mir erst ein rot-gelbes Häuschen, das funktionierte. In Palettis Gegend kein Problem. Und dann suchte ich das rätselhafte Wesen Donald-Daisy. Auch das war kein Problem. DD war zuhause, kam ans Fon, und war auch bereit, zu reden. Das war gut so. Mir ging allmählich die Geduld aus. Allerdings wußte sie/er nicht viel, sagte er/sie.
Donald-Daisy: Ah, keine Ahnung, Darling, niente. Um so was kümmert sich Lexis.
Jonas: So? Und Lexis Scarlet hat mich zu Paletti geschickt und Paletti ach vergiß es.
Donald-Daisy: Ja, immerhin ist es ja auch bei Lexis passiert.
Jonas: Passiert? Was?
Donald-Daisy: Na, Randys Abtritt heute Nacht. Kleine Party im Büro, nur der engste Kreis. Lexis, Randy, Tutti, ich, Scrooge, Fredo, ja, und dieser neue Freund von Lexis. Wer sind Sie überhaupt? Medien?
Jonas: Freund von Randy. Jonas, nur Jonas.
Donald-Daisy: Ah, Sie sind der Detektiv! Ihnen sage ich gar nichts.
Jonas: Sie haben mir schon einiges gesagt, DD.
Donald-Daisy: Nichts habe ich gesagt. Ich sage nichts. Ich weiß nichts. Lassen Sie mich in Ruhe.
Jonas: Erster Impuls: zurück zum Musikcenter und Lexis Scarlet auf die Bude rücken. Zweiter Gedanke: tief durchatmen und überlegen. Natürlich nicht in der Fon-Zelle. Dafür hat Jonas ein heimeliges Büro, 22 Quadratmeter, und ein Loch, nach Judiths Meinung. Judith! Die hatte ich ganz vergessen. Bitte Judith, noch ein bißchen Geduld. Erst muß ich die Sache mit Randy Orgas in Ordnung bringen.
Sam: Unzureichende Daten, Herr Kapellmeister. Oder sagen wir es so: Die Geschichte macht einen noch recht verquasten Eindruck.
Jonas: Ein wahres Wort, Sammy. Da renne ich durch die Gegend, lasse mich an der Nase rumführen, von Hinz zu Kunz schicken, von Pontius zu Pilatus.
Sam: Von Scarletti zu Paletti.
Jonas: Und wozu? Ich krieg nicht mal was dafür.
Sam: Ein Fall ohne Honorar und Spesen, o personifizierte Großzügigkeit, ist wie Casablanca ohne Bogie.
Jonas: Oder wie Sam ohne das letzte Wort.
Sam: Jaja.
Jonas: Andererseits hat uns die Schlachthaus-Sache neulich einiges eingebracht. Und davon müßte doch noch was da sein, oder Sam?
Sam: Der Kontostand eurer geradezu Rothschild´schen Superfluenz beträgt zur Zeit genau 817 Euros und 4 Cents.
Jonas: Also keine Panik. Finanziell können wir uns eine kleine Extravaganz durchaus leisten. Frage, Sammy: Warum mache ich das ganze, wenn nicht für Geld, aus Loyalität?
Sam: Die Freudestreue o starke Säule im Sturm gilt zu recht als eine der hehrsten, der erhabensten Tugenden.
Jonas: Blabla.
Sam: Bitte?
Jonas: Blabla.
Sam: Aha. Wer da?
Jonas: Ja?
Lexis Scarlet: Lexis Scarlet.
Jonas: Sie? Sie haben mir gefehlt wie ein hohler Zahn.
Lexis Scarlet: Charmant. Sind Sie an einem Auftrag interessiert, Jonas?
Jonas: O, ich höre.
Lexis Scarlet: Sie sitzen in Ihrem Büro, sagen wir, eine Woche, und tun nichts.
Jonas: Ach, und dann?
Lexis Scarlet: Nichts dann. Das ist alles. Dafür kriegen Sie 1000 Euros. Was meinen Sie?
Jonas: Einverstanden. Sobald die Sache mit Randy geklärt ist.
Lexis Scarlet: Ich sehe, Sie lassen nicht locker, Jonas.
Jonas: Hhm, Berufskrankheit. Warum haben Sie mich angelogen, Lexis?
Lexis Scarlet: Bitte. Das war nur ein Test. Ich wollte feststellen, wie hartnäckig Sie sind. Damit Sie sich wieder abregen können, die Weltraumbestattung von Randy Orgas ist bereits in die Wege geleitet. Von mir. Ich habe eine renommierte Firma damit beauftragt.
Jonas: Name?
Lexis Scarlet: Immer und Ewig.
Jonas: Halleluja.
Lexis Scarlet: Nein, GmbH und Co KG.
Jonas: Kenne ich nicht. Warum sind Sie nicht zu den bekannten Spezialisten gegangen? Elysium AG oder Peace in Space?
Lexis Scarlet: Wissen Sie, was eine Raumbestattung kostet, Jonas? Immer und Ewig hat uns das preiswerteste Angebot gemacht. Auch so geht praktisch der gesamte Nachlaß drauf. Zufrieden, Jonas?
Jonas: Nein. Sie haben mir schon viel erzählt, Lexis. Ich will selber sehen. Das bin ich Randy schuldig.
Lexis Scarlet: Rührend. Ost-Zentral. Tigrisstraße 67. Fragen Sie nach Dr. Zirose.
Jonas: Zirose? Dr. Zirose? Ist das nicht der Arzt, der den Totenschein für Randy ausgestellt hat?
Lexis Scarlet: Ach, das wissen Sie?
Jonas: Und der ist bei Immer und Ewig? Merkwürdiges Zusammentreffen.
Lexis Scarlet: Gar nicht merkwürdig. Waldemar äh Dr. Zirose war zufällig auf meiner Party. Und äh als Randy umfiel, hat er sich um ihn gekümmert. Weil er ausgebildeter Mediziner ist.
Jonas: Und dann schießt er ihn in den Kosmos? Ganz zufällig? Woran ist Randy gestorben, Lexis?
Lexis Scarlet: Sie kennen doch den Totenschein: Herzversagen.
Jonas: Und warum hat sein Herz versagt?
Lexis Scarlet: Was weiß ich? Zuviel, nehme ich an.
Jonas: Zuviel? Wovon?
Lexis Scarlet: Von allem, Jonas. Von allem.
Jonas: Die abgebrochenen Wolkenkratzer in der Tigrisstraße sind voll von kleinen Unternehmen, die es noch nicht geschafft haben, oder es nie schaffen werden. Immer und Ewig war eine Tür mit einem Schild. Das Zimmer dahinter enthielt einen Tisch, ein paar unbequem aussehende Stühle, einen Holo-Set, darüber das bunte Bild einer Rakete, die zum Himmel fuhr, eine vage Aura von Weihrauch und Karbol, und im Hintergrund, neben einer zweiten Tür, und vor einem offenen Wandsafe, einen ältlichen Mann mit kahlem Schädel und in dunkler Sackleinwand von Hals bis Fuß. Ein Neo-Puritaner, wie es aussah. Als er mich hörte, verschloß er den Safe, drehte sich um und glitt auf mich zu. Mit dem gedämpft mitfühlenden Lächeln des Friedhof-Profis.
Dr. Zirose: Bitte, mein Herr, nehmen Sie doch Platz.
Jonas: Nicht nötig, ich bin kein Kunde. Dr. Zirose?
Dr. Zirose: Waldemar Zirose. Dr. med und rer. fun. Zu ihren Diensten.
Jonas: Rer. fun.?
Dr. Zirose: Rerum funeralium, der Bestattungswissenschaften. Fachuniversität Forest Lawn, Kalifornien. Was kann ich für Sie tun?
Jonas: Nicht für mich. Für Randy Orgas. Sie schießen ihn ins All, hab ich mir sagen lassen.
Dr. Zirose: Wir sorgen dafür, daß seine sterbliche Hülle in die Ewigkeit des Weltenraums gelangt. So ist es. Wer hat es Ihnen gesagt?
Jonas: Lexis Scarlet.
Dr. Zirose: Ach, dann sind Sie.
Jonas: Jonas. Nur Jonas.
Dr. Zirose: Jonas, ganz recht. Seien Sie unbesorgt, Herr Jonas, alles geht seinen geregelten Gang. Die Beisetzung, der Start, technisch ausgedrückt, findet, wenn das Wetter es zuläßt, bereits in drei Tagen statt.
Jonas: So schnell? Ich dachte, es dauert eine Weile, bis Sie genug Leichen.
Dr. Zirose: Hüllen, bitte, oder auch Verblichene.
Jonas: Oder Urnen beisammenhaben, damit der Start sich lohnt.
Dr. Zirose: Sie denken gewiß an unser volkstümliches Angebot Preiswert zu den Sternen, 10.000 Urnen oder 2000 Särge pro Satellit.
Jonas: Ganz recht.
Dr. Zirose: Da kann es schon passieren, daß Sie warten müssen, bis wir ausgebucht sind. Aber eine solche Massenabfertigung ist doch nichts für Ihren Freund, Herrn Orgas. Frau Scarlet hat selbstverständlich unser Super-Exklusiv-Individual-Programm gewählt. In einsamer Glorie. Eine Rakete. Ein Satellit. Ein Start für einen Verblichenen. Das Äußerste an funeralem Luxus, Herr Jonas. Der Preis ist natürlich entsprechend.
Jonas: Wieviel?
Dr. Zirose: Bedaure sehr, Herr Jonas, aber das muß zwischen dem Institut und dem leidtragenden Kunden bleiben.
Jonas: Ach was.
Dr. Zirose: Apropos. Haben Sie schon einmal an eine Weltraumbestattung gedacht, für Sie persönlich, meine ich. Die großen Vorteile dieser modernen Beisetzungsweise sind Ihnen vermutlich gar nicht bewußt, sonst hätten Sie zweifellos schon längst bei uns gebucht. Herr Jonas, Sie erweisen sich als progressiver Mensch des 21. Jahrhunderts auf der Höhe der Zeit, und abhold den muffigen Methoden der Vergangenheit. Sie ersparen Ihren werten Hinterbliebenen erhebliche Kosten, die anderenfalls für die Grabpflege aufgewendet werden müßten. Und das Wichtigste, Herr Jonas: Solange das Universum besteht, werden Sie, Herr Jonas, durch die unendlichen Weiten des Alls fliegen. Sie werden sich nicht verändern, Herr Jonas, keine Degeneration, Sie verstehen, keine Dekomposition, denn im All, Herr Jonas, im All gibt es weder Würmer noch Bakterien, Sie werden, Herr Jonas, existieren jetzt und immer dar, Herr Jonas, Sie werden unsterblich sein.
Jonas: Sehr verlockend, Dr. Zirose. Um auf Ihre Art unsterblich zu werden, müßte ich allerdings erst einmal sterben. Und dazu habe ich im Moment noch nicht die mindeste Lust. Sie geben mir Bescheid, wann und wo Sie Randy hochschießen. Ich will dabei sein.
Dr. Zirose: Herr Jonas, ich bitte Sie. Unsere Abschußrampe steht in Amazonien, mitten in der Südamerikanischen Wüste. Ersparen Sie sich Mühen und Kosten einer unerfreulichen Reise, tun Sie das, was alle unsere Hinterbliebenen tun, bleiben Sie zuhause, und nehmen Sie von Ihrem teuren Verblichenen Abschied, indem Sie das würdige Holo-Band von der Zeremonie betrachten, das wir Ihnen überreichen werden, mit den Komplimenten unseres Hauses.
Jonas: Randy, wo ist er jetzt?
Dr. Zirose: Falls Sie die Hülle Ihres verblichenen Freundes meinen, Herr Jonas, so befindet sie sich in den hinteren Räumlichkeiten.
Jonas: Ich will ihn sehen.
Dr. Zirose: Herr Jonas. Das ist völlig ausgeschlossen. Pietät und Takt verbieten es kategorisch. Professionelle Mysterien, wenn ich mich so ausdrücken darf. Es müssen noch gewisse äh Behandlungen vorgenommen werden, bevor Herr Orgas morgen Abend bei der Gedenkfeier im Musikcenter aufgebahrt wird. Übermorgen fliegen wir ihn dann nach Manaus. Und nun entschuldigen Sie mich, Herr Jonas, Ihre Fragen sind, meine ich, erschöpfend beantwortet, Ihre Bedenken, sofern es sie gab, ohne Zweifel ausgeräumt worden.
Jonas: Da war ich etwas anderer Ansicht. Irgendwas roch höchst verdächtig. Ach was roch. Die Sache stank. Und dieser wohlbekannte Gestank nach Kromatur und vielen vielen Euros wurde immer penetranter. Jonas mußte was tun. Durch die Gegend rasen und Leute ausquetschen, das reichte jetzt nicht mehr. Aktion war gefragt. Aktion von der direkten, wenn auch nicht 100-prozentig legalen Sorte. In der Tigrisstraße einzubrechen, ist keine Kunst. Hier kümmert sich kein Schwanz um das, was nebenan passiert. Die meisten Häuser stehen nachts leer, elektronische Sicherungen sind Mangelware, und die Tür zu Nummer 67, Immer und Ewig ohne Halleluja, war nur zugedrückt, nicht abgeschlossen, und sprang schon auf, wenn man sie scharf anguckte. Innen war alles ruhig. Ich wußte, wo was zu finden war, und wie ich rankommen konnte. Bei meinem Besuch vor ein paar Stunden hatte der eingeschaltete Sam in meiner Tasche sehr genau zugehört, wie Dr. Zirose das Schloß seines Wandsafes neu eingestellt hatte.
Sam: Sieben.
Jonas: Sieben.
Sam: An und für sich, o Nabel des Kosmos, liegt es weit unter der Würde eines anständigen Computers, mechanischen Schrott wie diesen Safe, auch nur zur Kenntnis zu nehmen.
Jonas: Sicher Sam. Mach weiter.
Sam: Neun.
Jonas: Neun.
Sam: Und die Drei.
Jonas: Drei. Na bitte. Kein Geld, keine Papiere, nur eine Holo-Kassette. Und darauf steht: Randy Orgas. Randy Orgas?
Sam: Zwei Meter entfernt, o schnellster aller Merker, befindet sich ein Holo-Set, in welchem besagte Kassette einzulegen, ich euer Herrlichkeit dringend anempfehlen möchte.
Jonas: So schlau bin ich selbst, Sam. Eine Rakete auf der Rampe! Startbereit!
Dr. Zirose: Fünf, vier, drei, zwei, eins, null! Nun fährt er auf gen Himmel, unser teurer Verblichener, unser Freund, Randy Orgas, in den strahlend blauen Tropenhimmel über Amazonien, an diesem strahlend schönen 10. November 2009. Er steigt auf, höher, immer höher, in die grandiose Erhabenheit des Alls, allwo er über uns schweben wird, werte Hinterbliebene, für immer und ewig. Halleluja.
Sam: Eine recht anrührende Performance, euer Gelungenheit.
Jonas: Und so prophetisch. Randys Weltraumbeisetzung, auf Holo, drei Tage, bevor sie über die Bühne geht. Jetzt wissen wir, was hier los ist.
Sam: Tun wir das, o großer Denker von Rodin?
Jonas: Ganz klar. Immer und Ewig ist eine Schwindelfirma. Zirose kassiert schweres Geld für Bestattungen, die gar nicht stattfinden. Die Raketenstarts in Amazonien, die Satelliten auf ewiger Umlaufbahn, alles getürkt, alles Schwindel.
Sam: Ein Schuß, euer Gewichtigkeit möge den Kalauer verzeihen, ein Schuß in den Ofen, sozusagen.
Jonas: Sozusagen, Sam. Die Hinterbliebenen kriegen ein Holo, wahrscheinlich immer dasselbe, nur mit anderen Namen, Zirose hat praktisch keine Unkosten, und steckt das ganze Geld als Reingewinn ein.
Sam: Und die ihm übergebenen Toten, o großer Kombinator?
Jonas: Och, die schafft er sich irgendwie vom Halse. Aber nicht Randy. Jonas ist auch noch da, und Jonas wird dafür sorgen, daß Randy in den Raum geschossen wird, so wie er es gewollt hat. Wir gehen nach hinten, Sammy, holen ihn raus und bringen ihn zu einem seriösen Unternehmen. Peace in Space oder Celestis oder Elysium.
Sam: Wenn wir ihn finden, Boss.
Jonas: Ein kahler, fensterloser, weiß gekachelter Raum. In der Mitte ein geschlossener Sarg. Ein Plastikkasten von der billigen Sorte. Schummerlicht durch eine trübe Birne an der Decke. Das war alles. Keine Spur von den professionellen Mysterien des Dr. Zirose, oder?
Sam: Los, Alter, mach die Kiste auf.
Jonas: Langsam Sammy, erst mal orientieren.
Sam: Was gibt’s denn hier zu orientieren? Hihihihihihihi, Alter, du hast Schiß, hä?
Jonas: Unsinn.
Sam: Vielleicht liegt in dem Sarg ein Zombie. Oder gar Graf Dracula, der Schrecken von Transsylvanien, wuah.
Jonas: Laß den Quatsch, Sammy. Du Sammy?
Sam: Ja.
Jonas: Gerade hat sich der Sargdeckel bewegt.
Sam: Und da fällt euer Furchtlosigkeit natürlich das tapfere Herz in die dito Hose.
Jonas: Siehst du?
Sam: Hilfe, ein Geist!
Jonas: Ein Geist namens Fredo!
Fredo: Hände hoch und keine Bewegung! Jetzt bist du dran, Jonas.
Jonas: Dem Sarg entstieg Fredo, Lexis Scarlets sogenannter Sekretär. Einen Laserstrahler in der Hand, und um die Augen die deutlich lesbare Absicht, ihn auch zu benutzen, an Jonas. Aber weil er wohl recht lange steif im Sarg gelegen hatte, und auch sonst nicht von der schnellen Truppe war, dauerte es ein bißchen, bis er in Schußposition kam. Solange wollte ich nicht warten. Ich sprang hoch, und schlug die Glühbirne runter. Resultat: ägyptische Finsternis, nur unterbrochen durch die Blitze aus Fredos Laser, mit dem er sinnlos durch die Landschaft ballerte. Das war dumm von ihm. Ich wußte, wo er war, und trat zu. Nicht sinnlos. Gezielt. Und mit Erfolg.
Fredo: Ah!
Jonas: Fredo? He, Fredo? Er rührt sich nicht. Vielleicht ein Trick?
Sam: Kein Trick, o kraftvoller Herkules. Meine akustischen Sensoren empfangen keinerlei Fredosches Atemgeräusch mehr. Wenn euer Gewaltigkeit für ein wenig Helligkeit sorgen würden. Hhm. Die Taschenlampe. Mach hin, geistiger Zeitluperich.
Jonas: Da liegt er, der Gute. Ist über seinen Sarg gestolpert, und hat sich den Hals gebrochen. Mal sehen, was er außer dem Laser so bei sich hat. Eins, zwei, drei, vierhundert Euroscheine. Was meinst du, Sam, wer einen friedlichen Detektiv in mörderischer Absicht überfällt, der hat doch wohl eine Strafe verdient.
Sam: Hiermit wird der Beklagte zu einer Geldbuße von 400 Euros verurteilt.
Jonas: Besten Dank, euer Ehren.
Sam: Bitte.
Jonas: Und was hat er hier? Eine elektronische Paßscheibe. Musik-Center steht drauf. Haupteingang und 39. Stock.
Sam: Unser zweiter deutlicher Hinweis, o gewaltiger Entdecker, daß Lexis Scarlet in die Angelegenheit verwickelt ist, und zwar in beträchtlichem Maße.
Jonas: Zweiter Hinweis? Was ist denn der erste?
Sam: Muß ich es eurer erhabenen Begriffstutzigkeit wirklich und wahrhaftig vorbuch-stabie-r-e-n. Der erste Hinweis ist natürlich die Person des P.P. Fredo, will sagen, Doppelpunkt, seine Anwesenheit an diesem Ort, und seine Absicht, Durchlaucht umzubringen. Zweifellos im Auftrag seiner Chefin. Und das alles bedeutet…
Jonas: Lexis Scarlet weiß Bescheid über Immer und Ewig.
Sam: Ja.
Jonas: Und sie ist an Ziroses Schwindel finanziell beteiligt.
Sam: Ja.
Jonas: Weshalb hätte sie sonst ihren Fredo auf mich gehetzt.
Sam: Euer Verbissenheit ließen sich weder ablenken noch kaufen, blieben vielmehr als wahrer Freund hartnäckig am Ball.
Jonas: Und darum drohte die ganze Geschichte hochzugehen. Das ist es, Sammy.
Sam: Zweifellos, Hoheit. Doch ist es auch alles?
Jonas: Was meinst du?
Sam: Einige Fragen sind noch offen. Wo zum Beispiel befindet sich Randy Orgas Leichnam?
Jonas: Beseitigt. Irgendwo versteckt.
Sam: Wo?
Jonas: Weiß nicht.
Sam: Sie nicht, o leuchtendes Vorbild an Ignoranz. Wohl aber, h-hm, h-hm, na?
Jonas: Dr. Zirose.
Sam: Sehr gut. Und?
Jonas: Lexis Scarlet.
Sam: Ausgezeichnet. Worauf warten wir noch, o Vater der schnellen Entschlüsse.
Jonas: Mit Fredos Paß-Scheibe kam ich ohne Probleme ins Musikcenter und in Lexis Scarlets Vorzimmer. Der Robot war noch nicht repariert. Ich hielt mich an meinem, das heißt, an Fredos Laser fest, schlich zur Bürotür, und machte sie vorsichtig einen Spalt breit auf. Und wer war drinnen? Die ganze Gang. Scarlet, Dr. Zirose, Tutti Paletti, ein undefinierbares Geschöpf mit Stocklocken, rosa Tatoe, und viel zu großen Füßen, Donald Daisy, ich kannte sie/ihn aus Randys Holos, und ich erkannte auch Scrooge, der finster im Hintergrund hockte, und keinen Ton von sich gab.
Donald-Daisy: Hat jemand ein Kaffadon für mich?
Dr. Zirose: Programmpunkt Jonas können wir dann wohl auch abhaken.
Lexis Scarlet: In solchen Sachen ist Fredo sehr verläßlich. Messer. Laserstrahler.
Paletti: Nicht, Lexis, ich will das nicht hören.
Donald Daisy: Hat denn keiner ein Kaffadon?
Lexis Scarlet: Halts Maul, DD. Und du auch, Tutti. Wir stecken alle mit drin. Jeder hat von Anfang an gewußt, was auf dem Spiel steht.
Paletti: An sich sollte es ja nur ein PR-Gag sein.
Lexis Scarlet: Nur ist gut. Nur eine Leiche. Nur ein Mord.
Paletti: Bitte, nicht diese Ausdrücke.
Dr. Zirose: Vielleicht wäre es ja auch ohne gegangen.
Lexis Scarlet: Klar. Dann hätten wir uns nur die große öffentliche Feier abschminken müssen. Nein, nein, Leute, das Requiem für Randy, das ist das A und O. Deshalb machen wir doch die Sache. Und ohne Leiche im Sarg fällt das Requiem aus. Das heißt: Es geht nicht ohne Mord. Und dafür übernehmen wir alle die Verantwortung. Alle sieben. Keiner schließt sich aus.
Donald-Daisy: Ein Kaffadon. Ich muß jetzt ein Kaffadon haben.
Jonas: Sieben? Scarlet, Zirose, Paletti, DD, Scrooge, Fredo. Ich komm nur auf 6.
Randy Orgas: Hi Baby.
Jonas: Eine plötzliche Bewegung hinter mir, ein Luftzug, ein jäher Schmerz an der rechten Schläfe, und Jonas startete in einer Rakete der Firma Immer und Ewig ins All. Ich stieg, Dr. Zirose winkte von unten, der Babylonische Staatsopernchor sang Händels Halleluja, ich schwenkte ein in die Umlaufbahn und kreiste und kreiste und kreiste, für immer und ewig, Halleluja. Bis ich auf einmal zum Stehen kam, und die Augen aufmachte. Vor mir, das bekannte Zucken im Mundwinkel, stand Randy Orgas. Ich dachte, jetzt bin ich da gelandet, wo die toten Musiker hinkommen und die toten Detektive, aber dann sah ich genauer hin. Ich war in einer Kammer voller Gerümpel, einem Abstellraum, und saß in einem alten Korbstuhl, die Hände auf den Rücken gefesselt. Und Randy zielte mit meinem Laser auf meinen Bauchnabel.
Randy Orgas: Hi, Jonas Baby. Sag jetzt bloß nicht so was wie: Du bist also nicht tot, Randy.
Jonas: Das brauch ich nicht, Randy. Ich krieg das auch so mit.
Randy Orgas: Clever, Baby. Ein Glück, daß ich gerade mal draußen war, und dich gesehen habe, vor Lexis Tür, da kommen wir beide doch dazu, ein bißchen miteinander zu reden, bis es soweit ist.
Jonas: Bis was soweit ist?
Randy Orgas: Aber Baby, bis ich nachhole, was Fredo offensichtlich nicht geschafft hat. Weißt du, Baby, die ganze Sache tut mir echt leid. Aber was soll ich machen? Business, das ging in letzter Zeit so mies, und da hat Lexis sich ausgedacht, daß ich nen Jimmy Hendrix mache. So was bringt money. Besonders wenn ich nicht einfach so abkratze, wenn das richtig super gemacht wird, big time, Baby, weißt du, Rakete ins All und so. Und dann der große Tränendrücker. Das Requiem. Die Trauerfeier. Du mußt dir das vorstellen, Baby. Der Riesensaal hier im Musikcenter, überall schwarze Schleier, weiße Lilien, Tutti hat das first-class gestylt, der Sarg oben auf einem hohen Podest, mitten unter den Fans, und über allem, in gigantischer Größe, meine Holos, und Scrooge und DD, die spielen live dazu, ist das ne Schau, Baby, ist das ne Schau?
Jonas: Nicht schlecht.
Randy Orgas: Nicht schlecht? Nicht schlecht? Das ist great, Baby, das ist grand, das ist super, das ist das größte seit John Lennon. Und meine Holos, Baby, die werden laufen und laufen, ich sag dir, Baby, mein neues Stück, The Long Good-Bye, das ist übermorgen schon die Nummer 1. Hab ich dir übrigens eins geschickt?
Jonas: Hast du, Randy.
Randy Orgas: Ist toll, nicht? Ist toll! Ja, siehst du Baby, und deshalb brauchen wir einen echten toten Randy Orgas. Die Fans sind ja so geil, Baby, und erst die Medien, Maker. Irgendwer linst bestimmt in den Sarg, und wen sieht er, Baby? Randy. Oder einen, der so aussieht wie Randy. In etwa.
Jonas: Also Jonas.
Randy Orgas: Du hast`s erfaßt, Baby. Wenn Zirose dich richtig hinkriegt, dann lassen wir den Sarg sogar offen.
Jonas: Darum wolltest du, daß ich mich um deine Weltraumbestattung kümmere.
Randy Orgas: Klar, Baby, deine Sturheit, dein Weg von Hü nach Hott, bis in Ziroses Hinterzimmer. Alles vorausberechnet, alles einkalkuliert, alles nur eine Schau, Jonas Baby. Du hast genau das gemacht, was du machen solltest. Sieh mich nicht so an, Jonas Baby. Das war Lexis Idee. Das ist nicht auf meinem Mist gewachsen. Well, Baby, jetzt weißt du Bescheid. Also please don`t be mad und mach kein Gezeter. Es muß sein. Sorry.
Jonas: Ich dachte, wir sind Freunde, Randy.
Randy Orgas: Ja sind wir doch auch, Baby. Friends, Bunnies. Durch dick und dünn und so weiter, aber Freundschaft ist Freundschaft, und business ist business. Also dann, so long, Jonas Baby.
Jonas: Sein Daumen drückte auf den Laserabzug, der Strahl zischte und traf. Den Korbstuhl, nicht Jonas. Während Randy sich produzierte, hatte ich den Strick um meine Handgelenke durchgescheuert, an einem aus der Rückenlehne ragenden scharfen Ende Rohr, als Randy schoß, warf ich mich zur Seite, und ehe er sich von seiner Verblüffung erholen konnte, hatte ich ihm den Laser aus der Hand geschlagen. Wir tauchten ihm beide nach, der Ausgang war klar, Randy war jünger, aber ich war härter.
Jonas: So, Randy Baby, jetzt drehen wir den Spieß um.
Randy Orgas: Nicht schießen, Jonas. Nicht schießen.
Jonas: Schießen? Gar nicht nötig Randy, beweg dich, wir machen einen Spaziergang.
Randy Orgas: Ja, Jonas, alles was du sagst, Jonas. Wo gehen wir denn hin, Jonas?
Jonas: Aus der Tür, Randy. Und durchs Vorzimmer in Lexis Scarlets Büro. Da werde ich deinen versammelten Freunden kurz was sagen, und weil ich einen Laser habe, werden sie mir zuhören.
Randy Orgas: Ja, und dann, Jonas?
Jonas: Dann gehe ich nach Hause. Und weil ich einen Laser habe, werden sie mich gehen lassen.
Randy Orgas: Und ich, Jonas?
Jonas: Du bleibst da, Randy. Bei Lexis, und den anderen lieben Menschen.
Randy Orgas: Nein, Jonas, nein.
Jonas: Du hast es gesagt, Randy, ihr braucht einen echten toten Randy Orgas. Und wenn Jonas nicht mehr zur Verfügung steht, dann müßt ihr den nehmen, der da ist. Und der offiziell sowieso schon tot ist. Hauptsache, die Holos laufen.
Randy Orgas: Jonas, bitte.
Jonas: Los, Randy Baby. Mach die Tür auf.
Randy Orgas: Wir sind doch Freunde, Jonas.
Jonas: Ich werde dich vermissen, Randy.
Jonas: Am nächsten Abend lief auf allen Holo-Kanälen das Requiem für Randy. Live aus dem Musikcenter. Sehr beeindruckend. Ich sah und hörte mir Randy große Titel an, Computer-Tod, Seveso-Rock, Software in the Head. Als The long Good-Bye einsetzte, schaltete ich ab. Als dann, so long. Ich nickte. Sam nickte auch, das heißt, er hätte genickt, wenn er einen Kopf gehabt hätte, so tat er das nächst Beste. Und machte einen zustimmenden Eindruck. Ich stand auf, ging zum Fon, und rief Judith an.
Das war Requiem. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Es wirkten außerdem mit: Karin Anselm, Ingrid van Bergen, Reinhard Glemnitz, Felix von Manteuffel, Siemen Rühaak, Wolfgang Hess und viele andere (Isolde Thümmler, Alexander Malachovsky, Jens Müller-Rastede). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Alexander Malachovsky. (Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks) (1985) (Redaktion: Dieter Hasselblatt und Erwin Weigel).
Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Schlachthaus
Jonas: So fangen die meisten meiner Fälle an: Ein Typ sitzt in meinem Büro, rutscht auf dem Stuhl rum, und weiß nicht so recht, ob er mir überhaupt erzählen soll, weshalb er gekommen ist. Wie gesagt, so fangen die meisten meiner Fälle an. Dieser nicht.
Oberkellner: Darf ich Ihnen jetzt die Speisekarte vorlegen, mein Herr?
Jonas: Ich warte noch.
Oberkellner: Gestatten Sie mir die Bemerkung, mein Herr, Sie warten bereits eine halbe Stunde. Wenn Sie schon nicht essen wollen, dann vielleicht wenigstens noch einen Whiskey?
Jonas: Danke. Wissen Sie, falls meine Verabredung nicht kommt, muß ich die Rechnung selber zahlen. Und bei Ihren Preisen.
Oberkellner: Verstehe. In diesem Fall muß ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihr Tisch benötigt wird.
Jonas: Ach, wann?
Oberkellner: In wenigen Minuten, mein Herr, praktisch sofort.
Jonas: Dieser Fall fing damit an, daß ich auf dem Stuhl rumrutschte. Und nicht bei mir im Büro. In einem Lokal. Nicht in irgendeinem Lokal. Das Escargot war ein feines Lokal. So fein, daß es sich sogar einen menschlichen Oberkellner leistete. Nicht das richtige Ambiente für Jonas. Der ist eher an den Fressomaten um die Ecke gewöhnt. Datum der Rutscherei, nicht daß es irgendwie wichtig wäre, 20. September 2009.
Oberkellner: Darf ich Sie bitten, auszutrinken, mein Herr.
Jonas: Sie schmeißen mich raus.
Oberkellner: Wenn Sie es so auszudrücken wünschen, mein Herr.
Brendel: Jonas, nehm ich an.
Oberkellner: Sie sind mit diesem, diesem Herrn verabredet, Herr van…
Brendel: Pst. Pst. Josef. Keine Namen. Bringen Sie mir ein Glas Wasser. Und die Speisekarte.
Oberkellner: Glas Wasser, Speisekarte, sehr wohl, Herr äh…
Brendel: Pst. Sie sind pünktlich, Jonas. Das freut mich.
Jonas: Sie sind unpünktlich. Und Sie haben mir am Fon einen falschen Namen genannt. Sie heißen nicht Pankreas.
Brendel: O nein, zum Glück nicht.
Oberkellner: Das Glas Wasser, bitteschön, die Speisekarte, Herr…
Brendel: Pst. Hechtklößchen. Lammrücken. Trodosie. Alles synthetisch natürlich, aber ich versichere ihnen, so ausgezeichnet zubereitet, daß Sie den Unterschied kaum spüren. Walsteak a la Ninive. Wäre das nicht was für Sie, Jonas?
Jonas: Witzig. Wünsche guten Appetit.
Brendel: Aber mein Bester, nicht gehen. Bitte. Sie müssen mich verstehen. Ich bin ein bißchen nervös. Und vorsichtig. Mit Menschen Ihres Schlages habe ich mich noch nie abgeben müssen.
Jonas: Das wäre auch unwahrscheinlich gewesen. Ich bin nämlich der letzte. Der letzte Privatdetektiv. Und der einzige. Wenigstens in Babylon. Konkurrenzlos. Ein aussterbender Beruf. Wer braucht schon einen Detektiv?
Brendel: Ich. Ich brauche einen. Einen Privatdetektiv. Tüchtig. Diskret.
Jonas: Möglichst stubenrein.
Brendel: Und nicht all zu vorlaut. Unter welchem Sternbild sind Sie geboren, Jonas?
Jonas: Stier. Warum?
Brendel: Ich bin Krebs. Ich bin Krebs, und ich habe Krebs. An der Bauchspeichel-drüse. Deshalb mein Pseudonym, Pankreas. Bauchspeicheldrüse. Verstehen Sie?
Jonas: Er war ein Witzbold. An der Oberfläche. An der gut frisierten, mani- und pedikürten, nach letzter Mode drapierten und bemalten Oberfläche. Darunter hatte er scheußliche Angst.
Brendel: Ich muß eine neue haben. Eine neue Bauchspeicheldrüse. Dringend.
Jonas: Und wo ist der Haken?
Brendel: Tja, kurz gesagt, ich habe den falschen Beruf.
Jonas: Was machen Sie?
Brendel: Ich bin Psychagoge.
Jonas: Welche Richtung? Klassisch, anal, para, meta, hypo?
Brendel: Para. Meine Spezialität ist der Tarot. Aber ist stelle auch Horoskope. Eurasisch, chinesisch, kalifornisch, wie Sie wollen.
Jonas: Parapsychagoge. Dann ist Ihr sozialer Nützlichkeitsstatus so um die 2 oder 3.
Brendel: 2, 25. Genau.
Jonas: Nur ein Ideechen besser als ein Privatdetektiv. Sie stehen also auf Orgalist ganz unten.
Brendel: Und wenn ich dran bin mit der Zuteilung, dann brauch ich keine Bauchspeicheldrüse mehr, dann bin ich schon längst in der Vase.
Jonas: Vermutlich.
Brendel: Nun ist aber andererseits die Parapsychagogie recht lukrativ, darum habe ich mir überlegt, ich meine, ich dachte, da gibt es doch so was wie, ich meine, ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll…
Jonas: Er war so mysteriös wie ein gelöstes Kreuzworträtsel. Sehr schön. Merken. Fürs Poesiealbum des Detektivs.
Jonas: Sagen Sie einfach Schwarzmarkt. Schwarzer Organmarkt.
Brendel: Genau. Das meine ich. Aber weil ich mich in solchen Sachen überhaupt nicht auskenne…
Jonas: Soll ich Ihnen ein Organ organisieren.
Brendel: Köstlich. Sie haben den Nagel mitten ins Gesicht getroffen. Scherz beiseite. Sie, Jonas, besorgen mir eine Bauchspeicheldrüse. Wie immer. Wo immer. Keine Fragen. Keine Probleme. Sie liefern. Ich zahle. Jeden vernünftigen Preis. Und ihr Honorar natürlich.
Jonas: 80 Euros pro Tag und Spesen.
Brendel: Nicht gerade wenig. Was tun Sie dafür?
Jonas: Nicht gerade wenig. Alles, was ich mit meinem Gewissen vereinbaren kann.
Brendel: O, Sie haben ein Gewissen? Wie entzückend altmodisch. Und, können Sie?
Jonas: Kann ich was?
Brendel: Meinen Auftrag mit Ihrem Gewissen vereinbaren?
Jonas: Im Prinzip, ja. Nicht 100-prozentig, aber 90 Prozent waren ja auch nicht so schlecht. Wenn ich auf dem Schwarzmarkt eine Bauchspeicheldrüse auftrieb, dann schadet dies schließlich keinem, dachte ich, im Gegenteil. Ich rettete dem pseudonymen Herrn Pankreas das Leben. Geld brauchte ich auch, ich brauche immer Geld. Also ja, dachte ich. Aber ich sagte nicht ja. Noch nicht.
Jonas: Ich werde es mir überlegen. Wissen Sie, ich bin auch vorsichtig. Mit Leuten Ihres Schlages halte ich mich ein bißchen zurück. Ich rufe Sie an, heute noch.
Brendel: Sie wissen doch gar nicht, wer ich bin.
Jonas: Ich bin Detektiv.
Jonas: Das verschlug ihm den Appetit, und er ging. Leicht verstört. Ich wartete noch einen Moment. Ich hatte meine Gründe.
Oberkellner: Sie gestatten, daß ich abräume, mein Herr.
Jonas: Wer war das?
Oberkellner: Der Herr, mit dem Sie verabredet waren? Bedaure, mein Herr. – Ein ganzer Euro? Vielen vielen Dank, mein Herr, aber ich bin nicht bestechlich. Außerdem hat Herr… die Rechnung bereits beglichen. In äußerst großzügiger Weise.
Jonas: Sie irren sich, alter Freund, das ist keine Bestechung und auch kein Trinkgeld.
Oberkellner: Sondern?
Jonas: Kaufpreis. Für das hier. Mehr ist es sicher nicht wert.
Oberkellner: Mein Herr, erlauben Sie. Sie können doch nicht einfach ein Glas einstecken.
Jonas: Das Wasserglas, aus dem Pankreas getrunken hatte. Voller Fingerabdrücke und Speichelspuren. Die Visitenkarte meines Auftraggebers. Ich war ein gebranntes Kind. Gerade in letzter Zeit hatte ich ein paar Fälle erlebt, in denen die Auftraggeber versucht hatten, mich reinzulegen. Aber hier war, wie es aussah, alles OK. Vorläufig.
Sam: Hinterlasser der Fingerabdrücke bzw. Speichelspuren heißt Julian van Brendel. Bürgernummer 77 M 03 03 1961.
Jonas: Beruf?
Sam: Parapsychagoge.
Jonas: Status?
Sam: 2,25, o Stern von Bethlehem.
Jonas: Ich darf vorstellen. Computer, Typreihe Doktor, Versuchsmodell Chrysostomus, McCoy Incorporated, Baujahr 2005, Rufname Sam. Fähigkeiten: fast unbegrenzt. Fehler: nur einer. Sam leidet an verbaler Überfütterung. Er hat zu viele Sprachprogramme im Speicher, und er kommt damit nicht so richtig klar. Ansonsten ist er ein Goldstück. Wenn man sich an seine Ausdrucksweise gewöhnt hat. Und das ist nicht leicht.
Jonas: Jonas hier, ich übernehme den Auftrag, Herr van Brendel, die Bedingungen kennen Sie, ich rufe Sie wieder an. – Hoffentlich bald. Wie kriege ich möglichst schnell einen Fuß in den schwarzen Organmarkt, Sam?
Sam: Keinesfalls über die normalen Datenbänke, euer Wohlerzogenheit. Da in den selben keinerlei Informationen in Bezug auf illegale Praktiken zu finden sein dürfte.
Jonas: Weiß ich selbst, Sam. Dazu brauche ich keinen Computer. Also hintenrum.
Sam: Jawohl, Chef, von hinten durch die Brust ins Auge, haha.
Jonas: Ebenfalls Haha. Frage: wie?
Sam: In der Tat, Prinz Eisenherz, dies ist die Frage.
Jonas: Wie wäre es denn mit der HyPo?
Sam: Darf ich euer Lordschaft zu dero fast überirdischer Auffassungsgabe beglückwünschen. Die Sache hat nur einen ganz ganz kleinen Haken: Den Code für die Datenbank der Hygiene-Polizei kenne ich zu meinem Bedauern nicht.
Jonas: Du nicht, Sammy, aber ich kenne.
Sam: Sie Meister? Kann ich es glauben?
Jonas: Laß mich doch ausreden. Ich kenne jemand, der ihn kennt.
Sam: Diese Frau?
Jonas: Ganz recht, Sam. – Hallo, Judith.
Jonas: Judith hatte ich vor einem halben Jahr kennen gelernt. Beim Testmarktfall. Als ich mich zum ersten Mal mit Frau Professor Caligari anlegte. Oder Caligari mit mir, wie man’s nimmt. Judith war meine Klientin, und wurde meine z.B., meine zeitweilige Beziehung. Ob das ein Gewinn für sie ist, weiß ich nicht. Bei der Testmarktsache hat sie 100.000 Euros kassiert, und das war ein Gewinn. Judith ist beim Ministerium für Statistik und Soziographie. In höherer Position. Sie weiß deshalb mehr als andere. Für einen Detektiv kann das ab und zu nützlich sein.
Judith: Wir sind verabredet, Jonas. Heute Abend im Freiluftpark.
Jonas: Ja, hör mal Judith.
Judith: Ich muß dir was erzählen. Ich soll befördert werden.
Jonas: Schön für dich. Ich hab ein kleines Problem.
Judith: Ich müßte mich allerdings versetzen lassen zur Abteilung Öffentliche Sicherheit.
Jonas: Zur Polizeiverwaltung?
Judith: Ja. Ja.
Jonas: Tu das Judith.
Judith: Ich weiß nicht so recht.
Jonas: Aber sicher. Was meinst du, wo du dann erst überall rankommst. Apropos.
Judith: Du denkst nur an dich, Jonas.
Jonas: Ich denke an meine Fälle, das ist was anderes. Sag mal, Judith, wo würdest du hingehen, wenn du eine neue Bauchspeicheldrüse brauchst?
Judith: Wieso?
Jonas: Illegal, meine ich.
Judith: Du brauchst keine neue Bauchspeicheldrüse, du brauchst ein neues Herz. Und eine neue Beziehung.
Jonas: Trotzdem hat sie mich eine Stunde später angerufen, und mir eine Adresse gegeben.
Judith: After Eight. Das ist eine Bar am oberen Markgrafenboulevard. Der Besitzer heißt Guttapercha. Archimedes Guttapercha.
Jonas: Guttapercha. Weißt du, Judith, unsere Verabredung heute Abend.
Judith: Fällt aus. Alles fällt aus. Bis auf weiteres.
Jonas: Ich hatte das dringende Gefühl, ich sollte über Judith und über mich, und über uns beide mal gründlich nachdenken. Später. Julian van Brendel wartete auf seine Bauchspeicheldrüse. Und ich mußte zum oberen Markgrafenboulevard.
Barkeeper: Was trinken Sie?
Jonas: Whiskey.
Barkeeper: Synth oder echt?
Jonas: Sie haben echten?
Barkeeper: Was Sie wollen. Schottischen. Irischen. Bourbon. 25 Euros.
Jonas: In letzter Zeit verkehrte Jonas vorwiegend in besseren Kreisen. Da wo das Leben furchtbar teuer ist, und ungeheuer exklusiv. Ich bestellte einen doppelten Synth. Der Barkeeper goß ein und verachtete mich. So sehr, daß er mich überhaupt nicht mehr zur Kenntnis nahm. Ich ging auf Wanderschaft. Durch die Hintertür, an der Privat dranstand, über einen Flur, zu einer angelehnten Tür, hinter der jemand am Bildfon sprach. Durch den Türspalt hörte ich ein bißchen mit.
Guttapercha: Nur eine kurze Verzögerung, Frau Professor. Ein, zwei Tage höchstens. Gegen Sturm kann man nichts machen. Sturm ist höhere Gewalt.
Caligari: Das interessiert mich nicht. Wir haben einen Vertrag.
Guttapercha: Ja selbstverständlich, Frau Professor, aber.
Caligari: Alles ist präpariert. Ich muß die Ware haben. Jetzt. Sobald sie in Babelshafen ausgeschifft wird.
Guttapercha: Ja, laß ich sie auf schnellstem Wege zu Ihnen ins Krankenhaus bringen, Frau Professor.
Jonas: Frau Professor, und diese Stimme? War das nicht… Tatsächlich, Frau Professor Caligari. Ich konnte sie deutlich erkennen durch den Türspalt, auf dem Monitor des Bildfons. Was hatte die Chefin von ZIP, vom Zentralinstitut für Populationsforschung, in meinem neuen Fall zu suchen? Das gefiel mir gar nicht.
Caligari: Also, Guttapercha, ich verlaß mich auf Sie. Und wehe Ihnen, wenn ich mich irre.
Guttapercha: Jawohl, Frau Professor, selbstverständlich, Frau Professor. Widerliches Weib. – Ja, kommen Sie rein, die Tür ist auf. – Was wollen Sie?
Jonas: Eine Bauchspeicheldrüse kaufen.
Guttapercha: Und wer sind Sie?
Jonas: Jemand, der `ne Bauchspeicheldrüse kaufen will. Und bar bezahlen.
Guttapercha: Sie haben Pech.
Jonas: Wieso? Bin ich falsch bei Ihnen?
Guttapercha: Nein, bei mir kriegen Sie jedes gewünschte Organ. In bestem Zustand. Bei mir. Nur bei mir.
Jonas: Wo liegt das Problem?
Guttapercha: Es ist nichts da. Alles ausverkauft. Ich warte auf neue Ware. Kann jeden Moment kommen. Rufen Sie mich morgen an. Und jetzt raus mit Ihnen. Falls Sie nicht lesen können, an der Tür da vorn steht privat. Raus mit Ihnen, hab ich gesagt.
Jonas: Noch eine Frage: Mit wem haben Sie eben foniert?
Guttpercha: Meine Assistenten, Mr. Crap und Mr. Turt. Und der Typ hier ist ein neugieriger Zeitgenosse, der zu viele Fragen stellt. Ihr begleitet ihn zur Straße.
Mr. Crap: Friedlich, Chef?
Guttapercha: Wenn er friedlich ist.
Mr. Crap: Alles klar, Chef. Kommen Sie mit.
Jonas: Die beiden sogenannten Assistenten mit den ansprechenden Namen setzten mich freundlich vor die Tür. Und weil es spät war, und ich nichts Besseres vorhatte, ging ich nach Hause. Apartment plus Büro, 22 Quadratmeter. Trautes Heim. Ich dachte nach. Welche Verbindung bestand zwischen einer mächtigen Geheimorganisation wie ZIP und dem schwarzen Organmarkt? ZIP wollte das Überbevölkerungsproblem beseitigen, in dem es die Bevölkerung beseitigte. Wenigstens teilweise. Und der Schwarzmarkt tat genau das Gegenteil. Ich sah nicht durch. Und Sam auch nicht. Unzureichende Daten. Das sagt er immer, wenn er keine Ahnung hat. Am nächsten Morgen rief ich Guttapercha an.
Guttapercha: Problem inzwischen bereinigt. Ihre Bauchspeicheldrüse ist da.
Jonas: OK, ich komm gleich rüber.
Guttapercha: Nein, morgen Vormittag.
Jonas: Warum soll ich solange warten?
Guttapercha: Weil ich es sage.
Jonas: Merkwürdig. Aber wie auch immer. Offensichtlich ist neue Ware eingetroffen. In Babelshafen. Das heißt, übers Meer. Und das heißt.
Sam: Mit dem Schiff, Herr und Meister.
Jonas: Wenn ich dich nicht hätte, Sammy. Sieh doch spaßeshalber mal nach, was für Schiffe zwischen gestern Abend und heute früh in Babelshafen eingelaufen sind.
Sam: Piep. Nur ein einziges, o Großadmiral der sieben Meere. Der Superkühlfracht-segler El Präsidente Tabasco. Aus Costaguana. Um 18 Stunden verspätet. In aller Wahrscheinlichkeit handelt es sich hierbei um das Transportmittel der schwarzen Organe.
Jonas: Ich will’s genau wissen, Sam. Mach ne Querverbindung. Landungen dieses Kühlschiffs aus Costaguana, sagen wir, im letzten Jahr, und Aktivität auf dem schwarzen Markt. Du hast doch jetzt den Hypo-Code von Judith.
Sam: Aye Aye Sir.
Jonas: Ergebnis: Einen Tag nach Einlaufen der Präsidente Tabasco brach auf dem Schwarzmarkt munteres Treiben aus. Jedesmal. Die Sache war klar. Aber ich wollte es noch genauer haben.
Jonas: Und jetzt noch ein kurzer Blick in die Frachtpapiere. – Ja was ist, Sam?
Sam: Einen Augenblick Geduld, erhabener Hafenkommandant. Piep. Piep. Information nicht zugänglich.
Jonas: Nanu.
Sam: Höchste Geheimstufe. Unbekannter Code. Und Aua.
Jonas: Was hast du, Sammy? Was ist passiert?
Sam: Ein elektronischer Hinterhalt. Infro-Anfrage wurde abgefangen und zurückverfolgt.
Jonas: Sicher, Sam?
Sam: Leider ja, Wahna. Sam zerknittert, Wahna. Erwischt auf falschem Fuß. Sam glauben nur Routine, Wahna. Sam können nicht ahnen großes Geheimnis im Busch.
Jonas: Krieg dich wieder ein, Sammy. Passiert ist passiert.
Jonas: Knappe 24 Stunden später tanzte ich im After Eight an, um dort meine Drüse abzuholen. Ober-Organu Guttapercha steckte 3000 Euros ein, drückte mir einen Kühlbehälter in die Hand, und damit wollte ich gleich zu van Brendel, wie es sich gehört für einen braven Privatdetektiv.
Guttapercha: Sie bleiben noch einen Moment hier, Jonas.
Jonas: Danke, ich hab’s eilig. Ich möchte nichts trinken.
Guttapercha: Zu trinken kriegen Sie auch nichts. Sie kriegen was anderes. Nämlich das!
Jonas: Ah!
Jonas: Ehe ich was unternehmen konnte, hatten sie mich schon fest im Griff. Die Herren Crap und Turt.
Guttapercha: Ich habe es Ihnen schon mal gesagt, Jonas. Sie sind zu neugierig, Sie und Ihr gottverdammter Computer. Sie interessieren sich für Sachen, die gefährlich sind. Sehr gefährlich.
Jonas: Das, das war wirklich reine Neugier. Nichts Ernstes.
Guttapercha: Wissen Sie was, Jonas, das glaube ich Ihnen sogar. Ich gebe Ihnen einen Rat. Vergessen Sie die Präsidente Tabasco und alles was damit zusammenhängt.
Jonas: Aber gerne, schon vergessen.
Guttapercha: Ob ich Ihnen das auch so ohne weiteres glauben kann. Sicherheitshalber werden wir Ihnen eine kleine Erinnerung mit auf den Weg geben, ein Denkzettel, wie man so sagt. Wenn ich bitten darf, Mr. Crap, Mr. Turt.
Mr. Crap: Jawohl, Chef.
Guttapercha: Langsam, haut ihn nicht gleich zum Krüppel. Denkzettel habe ich gesagt, eine freundschaftliche Abreibung, mehr nicht.
Mr. Crap: Schade.
Jonas: Nach der Abreibung ließen sie mich laufen. Mit der Bauchspeicheldrüse. Laufen konnte ich noch, und auch sonst war ich noch einigermaßen beieinander. Kleinere Betriebsunfälle steckt Jonas weg, ohne mit der Wimper zu zucken. Nachdem ich mich mit einem dreistöckigen Whiskey erfrischt hatte, rief ich meinen Auftraggeber an, und bestelle ihn zu mir.
Jonas: Bitte sehr. Einmal Pankreas on the rocks.
Brendel: Wunderbar, ganz wunderbar. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen bin. Hatten Sie Schwierigkeiten?
Jonas: Ein bißchen.
Brendel: Aber das hat Sie nicht abgehalten. Sie nicht. Sie haben die Sache großartig gemacht, Jonas. Wie, will ich gar nicht wissen. Was kriegen Sie?
Jonas: Insgesamt drei Tage zu je 80 Euros, das macht, äh… äh Sam?
Sam: Äh, äh, 240 Euros, o Gaus, Euklid nebst öh, Einstein. Plus 270 Euros Spesen, welche sich zusammensetzen wie folgt.
Brendel: Nicht nötig, geschenkt. Mein Computer wird Ihrem Computer den Betrag sofort gutschreiben. Dazu einen Bonus von 300 Euros, weil Sie so tüchtig waren, und so fix.
Jonas: Na bitte. Es gab eben noch wahre Dankbarkeit unter den Menschen. Ich war um runde 600 Euros reicher. Und das wär’s gewesen. Aber ich war nicht nur reicher, ich war auch stur. So stur wie der alte Phil Marlowe. Mindestens. Für mich war die Sache noch nicht zu Ende.
Sam: Costaguana, o starker Atlas, der du die Welt weder auf den Schultern trägst noch im Kopfe, Costaguana ist ein kleiner Staat in Zentralamerika. Eine sogenannte Bananenrepublik. Bevölkerung: ca. 23 Millionen. Export tropische Früchte. Keine Industrie. Regierungsform: Präsidentschaft ohne Parlament.
Jonas: Besondere Kennzeichen: keine. Und da kommen also Organe für unseren schwarzen Markt her, in Mengen. Interessant. Was hätte Marlowe in meinem Fall gemacht, Sam?
Sam: Nachgehakt, Chef, nachgebohrt.
Jonas: Dann bohren wir doch mal ein bißchen. Wieviel habe ich auf dem Konto?
Sam: 1102 Euros, o du mein Nabübchen.
Jonas: Soviel?
Sam: Die Abfindung im Reservatsfall ist noch immer nicht zur Gänze ausgegeben, o König Midas, oder meine ich Krösus?
Jonas: A ja. Das dürfte reichen, Sammy.
Sam: Wofür, euer Wohlhabenheit?
Jonas: Costaguana. Hin und zurück.
Sam: Nie im Leben, Kumpel. Schon der einfache Flug mit Chemorock.
Jonas: Chemorock. Wer spricht denn von Chemorock. Bin ich Millionär? Schiff, Sammy, Lastensegler. Damit fahren wir rüber nach Costaguana, und sehen uns da mal ein bißchen um. Und wenn bei der Organgeschichte nichts rauskommt, dann machen wir vielleicht ein paar Tage Urlaub.
Sam: Urlaub. Blauer Himmel. Weißer Sand. Grüne Palmen.
Jonas: Meinst du, so was gibt’s noch in Costaguana?
Sam: In der Sonne liegen. Im Meer baden.
Jonas: Baden. Im Meer. Jetzt spinnst du aber wirklich, Sam. Wir leben doch nicht mehr im 20. Jahrhundert. Zurück in die Gegenwart, marsch marsch.
Sam: Jawohl, Herr General. Erlaube mir den Hinweis, als eines von nur noch drei Ländern auf dieser unserer Erde, huldigt Costaguana dem atavistischen Visumzwang. Derohalb und Dessentwegen.
Jonas: Werden wir ein Visum beantragen müssen, Sam. Wo?
Sam: Im Costaguanesischen Generalkonsulat zu Babelshafen, Exzellenz.
Jonas: Ich rief an, und erfuhr, ich müßte mir das Visum persönlich abholen. Also auf nach Babelshafen. Mit der Druckluftpost im Metallzylinder, auch bekannt als Sardinenbüchse. Weil jeder Passagier sich auf nur einem viertel Quadratmeter einrichten muß. 10 Minuten zischten wir durch die Röhre. Und ich war da. In Babylons Tor zur Welt. Am Ufer des nordischen Meerbusens. Die übliche Hafen-Atmosphäre. Wellen und Wind. Die Silhouetten der riesigen computergesteuerten Frachtsegler an den Kais. Nur die Möwen fehlten. Die Kneipen voll von leichten Mädchen und leichten Jungs für Seemänner und Seefrauen. Irgendwo dazwischen lag das Generalkonsulat von Costaguana. Und hier sah sich der Typ hinter dem Schreibtisch meine Bürgerkarte an, als hätte ich ihm einen abgelaufenen philippinischen Paß in die Hand gedrückt.
Konsulatsbeamter: Jonas, hhm. Leider kann Ihnen das Visum nicht sofort ausgestellt werden, Senior, eine technisch bedingte Verzögerung. Sie verstehen.
Jonas: Nein. Wann kann ich das Visum kriegen. Maniana?
Konsulatsbeamter: Ich bitte Sie, Senior. Nur ein paar Minuten. Wenn Sie solange im Nebenzimmer Platz nehmen würden. Die rechte Tür.
Jonas: Ah!
Jonas: Die Sonne machte einen jähen Kopfsprung hinter den Horizont, der Mond raste über den Himmel, die goldenen Sternlein prangten, es wurde plötzlich Nacht, und ich legte mich zur Ruhe. Irgendein Zeitgenosse hatte mir ein höchst wirksames Schlafmittel über den Schädel gezogen. Als ich aufwachte, war es immer noch Nacht. Der Mond schien, das Meer rauschte, und die ganze friedliche Stimmung hatte nur einen Schönheitsfehler. Um mich herum standen die Herren Crap, Turt und Guttapercha. Letzterer hielt einen Laserstrahler in der Hand, die Mündung auf meinem Magen gerichtet. Als ich das im Schein der trüben Hafenfunzeln sah, machte ich die Augen ganz schnell wieder zu.
Mr. Crap: Und was nu, Chef?
Guttapercha: Was schon? Weglasern. Dann ins Wasser mit dem Kerl. Der macht uns keine Schwierigkeiten mehr.
Mr. Crap: OK, Chef, Sie haben den Laser.
Guttapercha: Ich? Also, vielleicht macht das doch besser einer von euch. Crap?
Mr. Crap: Wie Sie wollen, Chef. Dann schmeißen Sie das Ding mal rüber.
Jonas: Mein Stichwort. Ich kam hoch, und bevor die drei was mitkriegten, hatte ich den Laser in der Hand. Amateure. Das heißt, Crap und Turt waren immerhin soweit Experten, daß sie sich ganz schnell in die Büsche schlugen. Guttapercha wollte auch, aber er war ein bißchen zu lahm. Und weil ich gerne einen der Brüder dabehalten hätte, um ihn auszuquetschen, schickte ich ihm einen Laserstrahl nach. Das Knie war gemeint, aber ich war noch nicht voll da, und traf ihn einen guten Meter höher. Guttapercha fiel um, und als ich bei ihm war, lebte er nicht mehr. Ich sah mich um, keiner da, um so besser. Ich räumte ihm die Taschen aus, und dann, was sollte ich machen, rollte ich ihn ins Wasser.
Sam: Die Affäre, o Poposeidon, nimmt ungeahnte, und wie zu bemerken ich mich nicht enthalten zu können glaube, höchst gefährliche Dimensionen an.
Jonas: Sam hatte ich bei mir. Sam habe ich immer und überall bei mir. Natürlich nicht den großen Kasten, der im Büro steht, sondern Sam zwo oder auch Pocket-Sam. Ein Ableger im Miniformat. Guter Rat in jeder Lage, und Gesellschaft dazu.
Jonas: Irgendwer hat irgendwas zu verbergen.
Sam: Und scheut, wie es scheint, selbst vor Mord nicht zurück.
Jonas: Wenn schon. Jetzt erst recht.
Sam: Leicht gesagt, wie wollen Durchlaucht nach Costaguana kommen ohne Visum?
Jonas: Sieh mal an. Ein Dauervisum für Costaguana, ausgestellt auf Archimedes Guttapercha. Schade, daß ich dem Kerl gar nicht ähnlich sehe. Das Holobild läßt sich nicht ändern, leider.
Sam: Das Holobild nicht, wohl aber dero Antlitz.
Jonas: Mein Gesicht? Plasti-Face meinst du?
Sam: Natürlich, Genosse. Andererseits aber auch wieder nicht natürlich, da für euer Gnaden Geldbeutel viel zu teuer.
Jonas: Tja, Sammy, du weißt eben doch nicht alles.
Sam: Wie darf ich das verstehen?
Jonas: Wir haben Bargeld, Sam. Der gute alte Guttapercha, möge er in Frieden schwimmen, hatte einen ganzen Tausender in der Tasche, welchen einem guten Zweck zuzuführen ich nicht zögern werde.
Sam: Majestät wollen sich gesichtsmäßig in Guttapercha umwandeln?
Jonas: Wenn’s zur Wahrheitsfindung beiträgt.
Sam: Amen.
Jonas: In Babelshafen gibt es alles. Auch einen Plasti-Face-Shop, direkt neben dem letzten, in Ehren ergrauten Tätowierer, dem ich im Vorbeigehen einen freundlichen Gedanken widmete. Von Kollege zu Kollege sozusagen.
Angestellte: Ein anderes Gesicht, der Herr? Warum nicht? Öfter mal was Neues, sagten schon unsere Großeltern. Und wie wünschen Sie?
Jonas: So. Wie auf diesem Holo.
Angestellte: Hmh. So wollen Sie aussehen? Wirklich? Unter uns, also ich würde an Ihrer Stelle dann doch lieber das Gesicht behalten, das Sie jetzt auf dem Hals tragen. Nein? Na gut, es ist Ihr Bier und unser Geschäft. Wann paßt es Ihnen?
Jonas: Sofort.
Angestellte: Wollen mal sehen. Ja, zufällig ist ein Platz im Tank frei. Legen Sie ab.
Jonas: Die Prozedur war kurz, teuer und schmerzlos. Ich stieg in den Elektro-Plastik-tank als Jonas, und als ich rauskam war ich, vom Hals ab aufwärts, Archimedes Guttapercha. Mir blieb auch nichts erspart. Ich nahm mir vor, eine Zeit lang nicht in den Spiegel zu kucken. Mit dem neuen Gesicht und mit dem Visum kriegte ich ohne Schwierigkeit ein Ticket nach Costaguana. Ich mußte mich beeilen. Die Präsidente Tabasco wollte gleich ablegen. Vorher rief ich vom Kai aus in Babylon an.
Judith: Hier spricht die automatische Fonbeantwortung Judith Delgado. Sie hören eine Aufzeichnung. Durch einen beruflichen Wechsel bin ich zur Zeit stark in Anspruch genommen und daher vorläufig nicht zu erreichen. Hinterlassen Sie bitte eine Nachricht. Bitte sprechen. Bitte sprechen.
Jonas: Auch Jonas können die Worte fehlen. Meist gerade dann, wenn er sie händeringend braucht. Nichts zu machen. Aufbruch ohne Abschied ist sowieso besser. El Präsidente Tabasco landete pünktlich in El Dorado, der Haupt-, Hafen- und überhaupt einzigen Stadt von Costaguana. Und der Mann mit Guttaperchas Gesicht wurde empfangen wie ein Staatsgast.
Posada: Senior Archimedes Guttapercha, Oberstleutnant Elena Posada, Adjutantin erster Klasse bei seiner Erhabenheit, dem Präsidenten.
Jonas: Tante Gusto Tenjente, stehen Sie bequem.
Posada: Ich habe die Ehre, Sie in Ihr Hotel zu begleiten. Sie werden in Kürze Gele-genheit zu einer Audienz bei seiner Erhabenheit erhalten. Ich darf Ihnen versichern, daß seine Erhabenheit dem Gespräch mit größtem Interesse entgegen sieht.
Jonas: Ich auch. Aber zuerst das Hotel. Eine große Suite. 80 Quadratmeter mindestens. Essen so so, Trinken bestens. Whiskey, echter, nicht Synth. Zur freien Verfügung. Costaguana war ein Schlaraffenland, wenn man Guttapercha hieß, oder wenigstens so aussah. Ich versuchte einen Plan zu machen, aber dazu ging alles viel zu schnell. Eine knappe Stunde später saß ich in einem Benzinauto. So was gab’s noch im wilden Amerika.
Posada: Um der Unterredung den passenden Rahmen zu geben, wünscht seine Erhabenheit, Sie in La Installation zu empfangen.
Jonas: La Installation, was ist das?
Posada: Sie scherzen, Senior Guttapercha.
Jonas: Erstaunlich viel Soldaten haben Sie hierzulande, Oberstleutnant.
Posada: In Costaguana gibt es keine Soldaten, Senior Guttapercha.
Jonas: Ach nein? Und die bewaffneten Uniformierten da draußen?
Posada: Angestellte, Senior Guttapercha, Angestellte im Ministerium für Außenhandel, aber das wissen Sie doch. Sie sind doch nicht zum ersten Mal bei uns.
Jonas: Von da ab hielt ich lieber den Mund. Und sah nur noch stumm aus dem Fenster. Durch die Bananenpflanzungen rechts und links rollten gewaltige Agarautomaten. Die wenigen jämmerlichen Siedlungen dazwischen waren bewacht und eingezäunt. Und eingezäunt oder besser eingemauert war auch unser Ziel, La Installation, was immer das sein mochte. Wir fuhren durch ein bewachtes Tor in der Mauer, und dann lag sie vor uns, die Installation. Mehrere große miteinander verbundene Gebäude, die Fassaden bemalt im schönsten bananenrepublikanischen Barock, dahinter Rohre und Schornsteine, die munter rauchten. Anscheinend eine Art Fabrik. Und über dem Ganzen ein süßer Hauch von Fäulnis.
Posada: Senior Archimedes Guttapercha aus Babylon, Vereinigte Staaten von Europa. Seine Erhabenheit, der Präsident General Don Alfredo Lopez Tabasco de Maricon Ibustament.
Tabasco: Meine liebe Elena, warum so förmlich? Wir kennen uns. Wie geht’s, mein Freund?
Jonas: Danke, Er… Erhabenheit.
Tabasco: Nennen Sie mich Fred. Sie haben abgenommen, Guttapercha. Der Streß, nicht wahr. Immerhin liegt unser gesamter Export in die VSE in Ihrer Hand, in Ihrer bewährten Hand.
Posada: Nicht zu vergessen die Union der Volksrepubliken, Erhabenheit.
Tabasco: Richtig, die UVR haben Sie ja auch. Respekt, mein lieber Guttapercha, Sie sind wirklich unsere Nummer eins drüben, abgesehen natürlich von Frau Professor Caligari, aber die ist eine Klasse für sich, nicht wahr?
Jonas: Seine Erhabenheit war noch jung, und wirkte in seiner edelsteinbesetzten Uniform wie eine Kreuzung aus intergalaktischem Generalissimus und Anmacher vor einem Stimulationsschuppen. Und er redete auch wie ein Anmacher. Ohne Punkt und Komma.
Tabasco: Erzählen Sie, mein lieber Guttapercha, gibt’s was Neues auf ihrem schwarzen Markt? Wie gehen die Geschäfte? Was macht die Korporation?
Posada: Si? Momentico. Für Sie, Erhabenheit.
Tabasco: Danke, Elena. Ja, was. Ja. Nein.
Posada: Noch ein Whiskey, Senior Guttapercha?
Jonas: Warum nicht, danke.
Tabasco: Nein, das mach ich selbst. Lassen Sie Ihr Glas stehen, mein lieber Guttapercha, Sie können später austrinken. Wir machen eine Führung. Eine Führung durch La Installation. Wenn ich mich nicht irre, waren Sie noch nie hier, oder?
Jonas: Nein, Erhabenheit.
Tabasco: Fred, mein lieber Guttapercha. Fred.
Posada: Wünschen Erhabenheit, daß ich die Leibgarde rufe?
Tabasco: Nicht doch, Elena, wir sind unter uns. Unter Freunden. Ein zwangloser Rundgang zu dritt. Informell. Intim. Enmarcha.
Jonas: Durch einen langen Gang kamen wir auf eine Plattform. Nein, eine Plattform war es eigentlich nicht. Eher eine Scheibe aus Plexiglas, durchsichtig und ungeheuer groß. Mindestens 100 mal 100 Meter. Sie war gleichzeitig Fußboden und Decke. Wir standen darauf, und unter unseren Füßen sahen wir einen weiten Raum, durch Zwischenwände unterteilt in viele viele schmale Verschläge. Wie Waben in einem Bienenkorb. In jedem Verschlag hockte oder lag ein Mensch, nackt, reglos, aber atmend.
Tabasco: Betäubt, mein lieber Guttapercha. Ruhiggestellt. Das ist praktisch, human und nicht teuer, weil wir das Opium im Lande produzieren. In erster Linie achten wir natürlich darauf, daß sie tüchtig essen. Wie spät ist es, Elena?
Posada: 17 Uhr 32, Erhabenheit.
Tabasco: Schade. Die nächste Fütterung findet erst in drei Stunden statt. Das hätte ich Ihnen gern gezeigt, mein lieber Guttapercha. Wenn Sie… wenn Sie an diesem Hebel ziehen, öffnet sich im Plexiglas eine Klappe. Hier. Wie Sie bemerken, befindet sich darunter, unter der Klappe, ein Trog. Und in diesen Trog wird von hier oben der Brei gegossen. Wir füttern eine äußerst gesunde Mixtur. Proteine, Eiweiß, Vitamine etc. Schließlich wollen wir unseren guten Kunden und Abnehmern fehlerlose Ware liefern. Abnehmer. Da fällt mir ein, vor wenigen Minuten habe ich übers Telefon eine betrübliche Mitteilung erhalten. Ihre Waffe ist schußbereit, Elena?
Posada: Jawohl, Erhabenheit.
Tabasco: Äh, ja, was wollte ich sagen.
Jonas: Eine betrübliche Mitteilung, Erhabenheit.
Tabasco: Ja.
Jonas: Äh, Fred.
Tabasco: Richtig. Stellen Sie sich vor, unser europäischer Zwischenhändler ist tot. Man hat ihn bei Babelshafen aus dem Wasser gefischt. Ein gewisser Archimedes Guttapercha. Tüchtiger Mann. Wir werden sein Andenken in Ehren halten. – Sie sagen nichts?
Jonas: Was soll ich sagen? Ich bin sprachlos. Ganz offensichtlich eine Falschmeldung.
Tabasco: Das glaube ich kaum. Wenn er eine verdächtige Bewegung macht, Elena, dann schießen Sie.
Posada: Zu Befehl, Erhabenheit.
Tabasco: Sehen Sie, mein lieber falscher Guttapercha, gerade eben haben Sie behauptet, Sie seien noch niemals hier gewesen. Nun hat aber der gute echte Guttapercha La Installation schon mehrmals besucht. Geben Sie auf? Sie müssen dieser Mensch sein, von dem Guttapercha erst kürzlich aus Babylon berichtete. Ein biblischer Name, äh, Josafad, Jonathan…
Jonas: Jonas. Nur Jonas.
Tabasco: Jonas, ganz recht. Sie sind neugierig, mein lieber Jonas. Sie wollen hinter die Kulissen des schwarzen Organhandels sehen. Bitte sehr. Sehen Sie. Das hier ist die Quadra, der Stall. Weiter hinten die Anästhesie. Schonend und human, das kann ich Ihnen versichern. Und das eigentliche Schlachthaus, die Carniserisa. Eine weitgehend automatisch arbeitende Anlage, hygienisch, sauber, auf dem neuesten Stand der Technik. Dann gibt es noch die Speicher und die Kühlsysteme.
Jonas: Danke, das reicht mir.
Tabasco: Aber mein lieber Jonas, seien Sie doch nicht so emotional. Betrachten Sie die Sache vernünftig, mit kühlem Kopf. Costaguana ist ein armes Land. Unser einziger Rohstoff ist der Boden. Und den haben wir schon vor Jahrzehnten verkauft an Bananas Incorporated USA. Ansonsten haben wir Menschen. Menschen im Überfluß. Als Arbeitskräfte sind sie nicht gefragt. Die Bananenplantagen werden vollautomatisch bewirtschaftet. Was tun? Mein verehrter Herr Vorgänger und Vater hatte eine großartige Idee. Auch der Mensch ist Rohstoff und als solcher verwertbar. Zumindest in Teilen. Die eigentlichen Dimensionen dieser seiner Idee sind Papa allerdings noch nicht voll aufgegangen. Er fing klein an, politische Gegner, Guerilleros, die ihm Sorgen machten, wurden nicht mehr wie in alter Zeit an die Wand gestellt und verscharrt. Das, so Papa, sei Verschwendung. Er ließ die Leute zerlegen und verkaufen. Aus solch bescheidenen Anfängen ist inzwischen eine Großindustrie geworden. Die Bevölkerung vermehrt sich fromm und fleißig. Wir haben auf dieser Basis aufgebaut, wir haben erweitert, wir haben investiert, dank der finanziellen Hilfe, die wir über ZIP und Frau Professor Caligari bekommen haben. Und so haben wir vor noch nicht einmal einem Jahr La Installation einweihen können. Ein Musterbetrieb, mein lieber Jonas. In seiner Art einmalig auf der Welt.
Jonas: Das will ich doch hoffen.
Tabasco: Unsere Ware geht in den schwarzen Weltmarkt. Offiziell, das versteht sich, können wir nicht bekannt geben, wie wir produzieren, aber die Regierungen, alle Regierungen, auch ihre, mein lieber Jonas, wissen Bescheid. Nicht nur, daß sie nichts gegen uns unternehmen, sie greifen uns auch hilfreich unter die Arme. Organe zum Transplantieren sind weltweit knapp. Ohne Schwarzmarkt geht es einfach nicht. Wenn es uns nicht gäbe und unsere Lieferungen, dann würde der Nachschub von ihren Kriminellen organisiert werden, und die würden sich die Organe nachts auf den Straßen besorgen. Bevor es dazu kommt, in den VSE, den USA, der UVR, bevor man es soweit kommen läßt, handelt man denn doch lieber mit uns. Ein Marktproblem, mein lieber Jonas, Angebot und Nachfrage. Die Welt, die reiche, die industrialisierte Welt, braucht dringend Organe. Wir haben, wir liefern und wir verdienen. Wir verdienen nicht schlecht. Apropos, wie hoch schätzen Sie sich ein, mein lieber Jonas? Ihr Schweigen, meine ich. Es ist ja nicht unbedingt nötig, nicht wahr, daß alle Welt informiert wird über unsere Organindustrie. Gewisse kuriose Menschen, wie es sie gerade bei Ihnen gibt, könnten Geschrei erheben. Keine ernsthafte Bedrohung, aber doch lästig. Kurz gefragt, mein lieber Jonas, wieviel?
Jonas: Mein lieber Fred, ich bin unbezahlbar.
Tabasco: In diesem Falle, mein bester, werden wir Sie wohl verwerten müssen, schade.
Jonas: Wir waren noch immer auf der Plattform aus Plexiglas, hoch über den willenlosen Organspendern, zu denen bald auch Jonas gehören sollte. Dagegen mußte was unternommen werden. Ich machte einen Plan. Es war vielleicht kein sehr guter Plan, aber ein besserer fiel mir nicht ein.
Tabasco/Posada: Ah!
Jonas: Ich wartete, bis Präsident und Adjutantin zusammen auf der Futterklappe standen, suchte hinter dem Rücken mit der linken Hand den Hebel, fand ihn, zog daran, die Klappe ging auf, beide stürzten in den Futtertrog und blieben bewußtlos liegen. Ende des ersten Akts. Zweiter Akt. Ich kletterte vorsichtig nach unten, zog sie aus, ein nackter Präsident unterscheidet sich nicht erheblich von einem nackten Pion, legte sie in zwei freie Verschläge und ließ sie an den Enden der Gummiröhrchen lutschen, die in den Opiumtank führten. Die Uniformen versteckte ich unter einer Pritsche. Dritter Akt: Ich stieg wieder nach oben und dachte laut nach, zusammen mit Sam.
Sam: Seine Erhabenheit, der Präsident, wie auch Oberstleutnant Posada, können meinem Meister kaum noch gefährlich werden. Aller Voraussicht nach werden sie unerkannt zu menschlichen Ersatzteilen verarbeitet werden.
Jonas: Sicher, Sammy, aber das ist nicht das Problem.
Sam: Sondern?
Jonas: Wie komme ich hier raus?
Sam: Das sollte dem hochgeehrten Staatsgast Arch… Arch… Archimedes Guttapercha keine Schwierigkeiten machen.
Jonas: Du bist nicht auf dem Laufenden, Sam. Die Story ist geplatzt.
Sam: Hoheit belieben sich in einem Irrtume zu befinden. Wer weiß denn von dero wahrer Identität, doch nur Präsident Tabasco und seine Adjutantin, sonst niemand.
Jonas: Stimmt, Sam. OK, bluffen wir uns raus.
Jonas: Entschlossen marschierte ich durch die Korridore der Installation, und sah keinen Menschen. Bis ich zu dem Raum kam, wo der Kerncomputer der Sicherungsanlage arbeitete, hier stand ein Soldat Wache. Aber bald stand er nicht mehr, er lag. Verschnürt mit einem kräftigen Kabel. Und der geehrte Staatsgast studierte die Anlage.
Jonas: Was hältst du davon, Sam?
Sam: Nun ja, der allerletzte Schrei ist es nicht, aber immerhin der vorletzte.
Jonas: Kommst du rein, Sammy?
Sam: Das wird sich machen lassen. Was befielt mein Herr und Meister?
Jonas: Als erstes unterbrichst du jede Verbindung nach außen.
Sam: Wird gemacht, Chef.
Jonas: Dann müßtest du die elektronische Sicherung auslösen, und festklemmen. Verstehst du. Das niemand mehr raus oder reinkommt. Und daß die Sperre von innen nicht aufzuheben ist.
Sam: Schwierig, aber nicht unmöglich. Vermutlich wünschen Durchlaucht den Komplex vorher zu verlassen.
Jonas: Soviel Zeit mußt du mir schon geben, Sam. In sieben, acht Minuten sollte ich spätestens am Tor sein. In 10 Minuten machst du den Laden dicht, klar?
Sam: Countdown läuft.
Jonas: Bis zum Tor klappte der Zeitplan, aber dann kam Sand ins Getriebe, der Wächter war mißtrauisch, wie Wächter nun mal sind und bewaffnet bis an die Zähne.
Soldat: Halto. Passaporte.
Jonas: Lobenswerte Pflichterfüllung, mein Guter, aber in meinem Fall absolut unnötig. Ich bin Gast seiner Erhabenheit des Präsidenten, machen Sie keine Geschichten, lassen Sie mich durch.
Soldat: Nix. Nur durch mit Passaporte spezial. Don del passaporte spezial.
Jonas: Ich brauch keinen Sonderausweis. Gott, ist der Kerl stur. Wieviel Zeit haben wir noch, Sammy?
Sam: Acht Sekunden.
Jonas: Also noch mal, Amigo, ich bin Staatsgast, Ehrengast, du mich durchlassen, sonst du erschossen. Bum.
Soldat: No. Hamas. Ho! Alarma!
Jonas: Caramba!
Sam: Eine Sekunde.
Jonas: Ein munteres Durcheinander. Einen Augenblick lang war der Posten verwirrt. Ich stieß ihn zur Seite und machte einen gewaltigen Satz vors Tor. Der Kerl riß einen Flammenwerfer hoch, da sagte Sam zero. Und prompt ging zwischen mir und dem Posten die unsichtbare elektronische Schutzwand runter. Gefahr vorbei, Feuer kam nicht durch. Ich setzte mich in das Auto, das mich hergebracht hatte, und fuhr zurück. Nicht nach El Dorado, sondern an der Stadt vorbei zum Flughafen.
Jonas: Wenn alles klappt, Sam, sind wir in zwei Stunden zuhause.
Sam: Wie dieses, Sahib? Ein Lastensegler?
Jonas: Nichts Lastensegler. Chemorock, Sammy, Chemorock.
Sam: Angesichts der finanziellen Situation euer Majestät dürfte ein Heimflug mittels chemischer Rakete sich als entschieden zu kostspielig erweisen.
Jonas: Ach weißt du, Sam, ich hab schon wieder eine hilfreiche Hosentasche gefunden. Diesmal bei seiner Erhabenheit. Und darin steckt eine dicke Rolle 1000-Peso-Noten. Der Präsident hat nichts mehr davon, und ich kann’s gut gebrauchen. Für Chemorock-Luxusklasse, und für die Costaguanesischen Ausreisebeamten mit den offenen Händen und den zugedrückten Augen.
Sam: Wenn der bescheidene Rechenknecht ein Fazit ziehen darf, Hoheit sind heil in Babylon eingetroffen, haben sich, dem Himmel sei Dank, in Jonas zurückverwandelt, und können einen Reingewinn von rund 7500 Pesos verbuchen. Piep. 232 Euros zum heutigen Umrechnungskurs.
Jonas: Soweit so gut, Sam. Aber der Fall ist noch nicht abgehakt und ausgestanden. Es muß sich doch irgendwas tun lassen gegen den Schwarzmarkt, gegen die Organwirtschaft in Costaguana.
Sam: Und was, o Helfer der Witwen und Waisen.
Jonas: Wenn ich das wüßte, Sammy.
Jonas: Ich rief Judith an. Aber Judith war nicht zu Hause. Ich rief Julian van Brendel an. Weil ich eine dankbare menschliche Stimme hören wollte. Aber der war auch nicht zu Hause.
Jonas: Wer spricht?
Computer: Hier ist der persönliche Computer des Herrn Julian van Brendel. Herr van Brendel ist verschieden.
Jonas: Was? Woran? Wann?
Computer: Herr van Brendel starb am 24. September 2009 während einer Transplantation. Todesursache: Unverträglichkeitsreaktion auf die ihm übertragene Bauchspeicheldrüse.
Jonas: Beileid.
Computer: Hier ist der persönliche Computer des Herrn Julian van Brendel, Herr van.
Jonas: Unverträglichkeit. Und Frau Prof. Caligari. Ich hab so ne Ahnung. Sam!
Sam: Mein Gebieter.
Jonas: Ratio der Todesfälle durch Unverträglichkeit bei Transplantation illegal erworbener Organe.
Sam: Zeitraum?
Jonas: Dieses Jahr. Vom 1. Januar bis heute.
Sam: Kommt sofort, Meister. Piep. Rate besagter Todesfälle liegt um 187 % über dem Durchschnitt des Jahres 2008.
Jonas: 187 %. Das ist es, Sammy.
Sam: Das ist was, o Inbegriff aller Intelligenz.
Jonas: Paß auf. Nach der Ausschiffung kommen die schwarzen Organe nicht gleich auf den Markt, sondern erst zu Frau Professor Caligari, ins Zentralkrankenhaus. Und da werden sie verseucht, vergiftet, unverträglich gemacht, was weiß ich. So schlägt ZIP zwei Fliegen mit einer Klappe. In Costaguana wird die Bevölkerung dezimiert, und bei uns auch. Alles paßt zusammen, Sam. Und jetzt weiß ich auch, was wir tun müssen. Wir bringen die Geschichte unter die Leute.
Sam: Sinnlos, großer Häuptling. Was im Schlachthaus von Costaguana passiert, interessiert hier keinen Menschen, der eine neue Niere braucht oder ein neues Herz.
Jonas: Stimmt schon, Sammy, aber daß er an einer neuen Niere und einem neuen Herzen eingehen wird, das interessiert ihn, da kannst du sicher sein. Und das verbreiten wir. In den Dateien, den Medien, überall.
Jonas: Vorher rief ich noch mal bei Judith an. Aber Judith war immer noch nicht zu sprechen. Jonas war allein. Abgesehen von Sam natürlich.
Jonas: Weißt du, Sam, wie ich mich fühle? Wie ein Bessett, dem man auf die Ohren getreten hat.
Sam: Was, o Herr und Gebieter, ist ein Bessett?
Jonas: Berechtigte Frage, Sammy. Gehen wir an die Arbeit.
Sam: Piep. Wau Wau.
Das war Schlachthaus. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus. Sein Super-computer Sam war Joachim Wichmann. Es wirkten außerdem mit: Karin Anselm, Andrea Dahmen, Peter Fricke, Alexander Malachovsky, Edwin Noel, Günter Sauer und viele andere (Fred Klaus, Wilfried Klaus, Andrea Rosenberg, Heiner Schmidt, Selestino Sanchez, Renate Grosser). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Heiner Schmidt. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1984). Redaktion: Dieter Hasselblatt und Erwin Weigel.
Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Reservat
Jonas: Es war einmal eine Zeit, da gab es Privatdetektive. Harte Männer, gerecht, nie um eine Antwort oder um einen Ausweg verlegen. Und wenn es sie nicht in Wirklichkeit gab, dann doch wenigstens in Büchern und Filmen. Heute im frühen 21. Jahrhundert gibt’s nur noch einen von der Sorte. Mich. Ich bin Jonas. Jonas, der letzte Detektiv. Nicht so hart, auch nicht immer gerecht, dafür fällt mir manchmal keine Antwort ein, und nach einem Ausweg muß ich oft lange suchen. Aber ich tue, was möglich ist. Mehr kann man nicht verlangen. Was Frau Marcus-Pallenberg von mir wollte, war nicht möglich. Oder doch?
Frau Marcus-Pallenberg: Sie müssen ins Reservat.
Jonas: Ein Vorschlag, Frau Marcus-Pallenberg. Kaufen Sie sich ein paar starke Männer, die mich fesseln und knebeln und über die Mauer schmeißen. Danke. Kein Interesse.
Frau Marcus-Pallenberg: Aber Cora ist doch im Reservat.
Jonas: Pech.
Frau Marcus-Pallenberg: Bringen Sie sie zurück. Bitte, Herr Jonas!
Jonas: Ich bin sentimental. Ab und zu gehe ich ins Waldmuseum und seh mir die Bäume an. Die Kiefer. Die Birke. Und die kleine Eiche, von der sie immer noch nicht wissen, ob sie durchkommt. Ich erinnere mich an die Zeit, als auch draußen noch Bäume standen. Und ich habe das Gefühl, mir fehlt was. Wie gesagt, ich bin sentimental. Aber ich bin nicht dämlich.
Frau Marcus-Pallenberg: Jemand muß sie doch da rausholen. Die Polizei tut nichts.
Jonas: Polizei. Schicken Sie doch gleich nen Chimp.
Frau Marcus-Pallenberg: Ich will keinen Affen. Sie sind mir empfohlen worden, Herr Jonas.
Jonas: Also dann, hat mich gefreut, Frau Marcus-Pallenberg.
Frau Marcus-Pallenberg: Haben Sie etwa Angst?
Jonas: Na sicher.
Frau Marcus-Pallenberg: Sie sind doch Detektiv?
Jonas: Eben drum. Ich weiß, was alles passieren kann.
Frau Marcus-Pallenberg: Ich habe gehört, Sie sind der einzige, der es schaffen kann. Und Sie brauchen Geld, habe ich gehört.
Jonas: O, welch magisch Wort dringt da an mein empfänglich Ohr. Wieviel?
Frau Marcus-Pallenberg: 200 Euros?
Jonas: Pro Tag.
Frau Marcus-Pallenberg: Ich dachte eher pauschal.
Jonas: Und Spesen.
Frau Marcus-Pallenberg: Aber Herr Jonas.
Jonas: Dafür gehe ich ins Reservat. Und sollte meinen Geisteszustand untersuchen lassen.
Jonas: Die Dame trug eine Aufmachung spazieren, wie ich sie bisher nur auf dem Titel von Mode gesehen hatte. Echtes Naturleinen, besetzt mit fast echtem Naturpelz. Das ganze garniert mit rund 3 Kilo Platin und Brillianten. Sie sah aus wie eine Frau, die mit Leichtigkeit ein paar Hundert Euros locker machen konnte. Und ich hatte ein paar Hundert Euros dringend nötig.
Jonas: Na schön. Jetzt erzählen Sie mir mal, was passiert ist, Frau Marcus-Pallenberg.
Frau Marcus-Pallenberg: Ja. Cora, o, schluchzt, Cora ist im Reservat.
Jonas: Das weiß ich. Wann hat sie Ihr Haus verlassen?
Frau Marcus-Pallenberg: Gestern, am frühen Morgen.
Jonas: Wie alt ist Ihre Tochter?
Frau Marcus-Pallenberg: 15.
Jonas: Also fast volljährig.
Frau Marcus-Pallenberg: Hhm. Deshalb konnte ich ja auch nicht viel unternehmen, als sie anfing, sich mit diesen merkwürdigen Menschen aus dem Reservat abzugeben. Ich habe auf sie eingeredet, ja, aber das hat natürlich nichts genutzt.
Jonas: Natürlich nicht. Und?
Frau Marcus-Pallenberg: Und dann ist sie gegangen. Mit ihm. Ins Reservat. In die Freiheit. Hat sie geschrieben.
Jonas: Geschrieben?
Frau Marcus-Pallenberg: Hmh. Das habe ich gestern Morgen auf Coras Bett gefunden.
Jonas: Zeigen Sie her. „Ich muß meinen eigenen Weg gehen, mich selbst verwirklichen. Die Freiheit, die ich brauche, kann ich hier nicht finden.“ Das übliche. 08/15. „Ich gehe ins Reservat. Zombie hat mir die Augen geöffnet.“ Zombie?
Frau Marcus-Pallenberg: Ihr Freund. Er heißt Zombie.
Jonas: Wirklich?
Frau Marcus-Pallenberg: Natürlich ist das nur ein Spitzname. Seinen richtigen Namen kenne ich nicht. Vermutlich kennt er ihn selbst nicht. Er ist eben ein Freak. Ein typischer Freak aus dem Reservat.
Jonas: Das Reservat ist ein Stadtviertel im Südosten von Babylon. Früher hieß es mal anders. Wie, weiß kein Mensch mehr. Heute ist es das Reservat. Nur das Reservat. Und im Reservat hausen Typen, die in der Welt draußen nicht zurechtkommen können. Oder wollen. Eremiten. Einzelgänger. Türken, die während der großen Entfremdung untergetaucht sind. Und vor allem Freaks. Freaks jeder Schattierung. Nicht nur aus Babylon. Sie kommen von überall her, aus den ganzen Vereinigten Staaten von Europa. Nach den Unruhen in den 90er Jahren hat man um die ganze Geschichte `ne Mauer gebaut, und `ne elektronische Schutzglocke draufgestülpt. Seitdem ist das Reservat nicht existent. Wenigstens offiziell. Die Bewohner bleiben unter sich. Es ist nicht leicht, rein oder rauszukommen, und es ist fast unmöglich, drinnen zu überleben, wenn man nicht dazugehört.
Frau Marcus-Pallenberg: Das ist alles, was ich Ihnen über diesen Zombie erzählen kann.
Jonas: Nicht gerade viel. Wie hat Cora ihn kennen gelernt?
Frau Marcus-Pallenberg: Durch einen entfernten Bekannten. Der hat ihn zu uns mitgebracht, zu einer Party, vor vier oder fünf Wochen.
Jonas: Wie heißt der Bekannte?
Frau Marcus-Pallenberg: Maske. Theo Maske.
Jonas: Ungewöhnlicher Name.
Frau Marcus-Pallenberg: Und ein ungewöhnlicher Mensch. Er arbeitet in der Holo-Industrie, und er kennt ausgesprochen seltsame Leute.
Jonas: Wie zum Beispiel Zombie. Fangen wir bei Herrn Maske an.
Frau Marcus-Pallenberg: Sie sind der Experte. Bitte, bringen Sie mir meine Cora zurück, Herr Jonas. Heil und gesund.
Jonas: Ich werd’s versuchen.
Frau Marcus-Pallenberg: Tun Sie’s. Für mich.
Jonas: Nein, nicht für Sie. Für Ihre 200 Euros pro Tag. Sie hören von mir, Frau Marcus-Pallenberg.
Frau Marcus-Pallenberg: Viel Glück.
Jonas: Maske. Theo Maske. Wer ist Theo Maske?
Jonas: Natürlich. Judith würde es wissen. Judith hat einen höheren Posten im Ministerium für Statistik und Soziographie. Sie ist immer gut für knifflige Daten, an die nicht jeder rankommt. Nicht jeder, aber Jonas. Über Judith. Sie war meine Klientin gewesen im Testmarkt-Fall. Und jetzt war sie meine z.B. Meine zeitweilige Beziehung. Aber für Maske brauchte ich sie nicht. So was schafft Sam mit links.
Sam: Darauf kannst du wetten, Chef. Piep. Maske, Theo. Bürgernummer 19 G 13 12 1972. Leitender Direktor der Holo-Produktionsfirma Lust & Qual GmbH. Ein Unternehmen von nicht eben makellosem Ruf, wenn eure Lordschaft mir diese nicht streng zur Sache gehörige Bemerkung gütigst nachsehen wollen.
Jonas: Sam ist mein Notizbuch. Meine geistige Krücke. Mein Retter aus der Not. Und manchmal sogar ne Art Freund. Sam ist mein Computer. Nicht irgendein Computer. Sam ist ein Sonder- und Versuchsmodell. Er kann mehr als andere Computer, und er ist ein bißchen verdreht. Der einzige verdrehte Computer, den ich kenne. Als er auf den Markt kam, im Jahr 2005, da haben ihn nur ein paar Snobs gekauft. Oder Masochisten, die sich mit Wonne von einem Computer übers Maul fahren lassen. Und ich. Leider. Andererseits frage ich mich manchmal, wie Sam Spade und Phil Marlowe ohne Computer ausgekommen sind. Schon mit unseren elektronischen Lieblingen ist das Leben kompliziert genug.
Sam: Lust & Qual GmbH produziert, wie der Firmenname andeutet, Holos von der Art, welche gemeinhin als Blut und Blubber bezeichnet wird. Mord, Folter, Sadismen. Mit einem Wort: Unappetitlichkeiten.
Jonas: Ganz meine Meinung, Sammy, aber das brauchen wir alles nicht.
Sam: Sagst du, Biohirn.
Jonas: Jawohl, und du sagst mir, wo Theo Maske wohnt. Damit wir ihm auf die Bude rücken können.
Sam: Aye Aye, Sir. Wie spricht der gefügige Orientale? Hören heißt gehorchen. Und der Dichter dichtet: Mut zeiget auch der lahme Muck, Gehorsam ist Computers Schmuck. Ferner steht geschrieben…
Jonas: Und so weiter. Aber schließlich erfuhr ich doch noch, was ich wissen wollte. Theo Maske wohnte weit draußen im Westen. In einer Villa von mindestens 80 Quadratmeter. Ein typischer Everson-Bau aus den späten 80ern. Rote Backsteine, Schmuckrohre außen, überall schiefe Linien. Vor dem Tor private Schutztruppler, hinter dem Tor ein echter Butler, der mich in den Salon geleitete. Und da hingen echte Bilder an der Wand, mit echtem Öl gemalt. Ich war bei echt feinen Leuten. Deshalb wunderte ich mich schon gar nicht mehr, als ich auch noch einen echten Whiskey in die Hand gedrückt kriegte. Dann erschien der Herr des Hauses. Theo Maske war nicht nur fein, er war auch schief. So schief wie seine Villa. Schiefer Rücken, schiefe Nase, schiefer Mund. Und für seinen Charakter würde ich auch nicht die Hand ins Feuer legen.
Theo Maske: Wie mundet Ihnen mein Malt Whiskey, Herr äh, Herr äh.
Jonas: Jonas. Nur Jonas.
Theo Maske: Nur Jonas. Und Privatdetektiv. Wie überaus faszinierend. Was es nicht alles gibt. Sie müssen ein interessantes Leben führen, Herr äh.
Jonas: Jonas.
Theo Maske: Auf der Schattenseite der Gesellschaft sozusagen. Noch nen Whiskey? So was Gutes kriegen Sie nicht jeden Tag, nehme ich an.
Jonas: Sie haben ja so recht, Herr äh Herr äh Herr Maske. Außerdem haben Sie ein Butler und ein Haus. Sie sind überhaupt ein wundervoller Mensch, auf der Lichtseite der Gesellschaft sozusagen. So, und jetzt können wir zur Sache kommen.
Theo Maske: Hören Sie, Ihr Ton gefällt.
Jonas: Gefällt Ihnen nicht? Machen Sie sich nichts draus. Sie sind nicht der einzige. Sagen Sie, was Sie über ihren Freund Zombie wissen, und Sie sind mich los.
Theo Maske: Zombie? Ich kann mich kaum noch erinnern. Freund ist übrigens nicht das richtige Wort. Wir haben lediglich eine sehr vage berufliche Beziehung.
Jonas: Zombie ist auch im Hologeschäft?
Theo Maske: Im Prinzip ja.
Jonas: Sie sind also Kollegen?
Theo Maske: Ich bitte Sie, Herr äh.
Jonas: Na na.
Theo Maske: Ich leite eine lizenzierte, staatlich überprüfte Holo-Produktion.
Jonas: Und Zombie?
Theo Maske: Zombie ist ein Wilder. Sein Studio hat er im Reservat.
Jonas: Sehen darf man in dieser unserer freien Gesellschaft alles, wonach man lustig ist. Aber man darf nicht alles produzieren. Da paßt die MePo auf, die Medienpolizei. Nicht so scharf wie die PoPo, aber immerhin. Wer Holos produzieren will, die er nicht produzieren darf, der tut das da, wo die MePo nichts zu sagen hat. Zum Beispiel im Reservat.
Theo Maske: Deshalb hab ich mich ein bißchen mit ihm abgegeben. Man muß doch wissen, was die Konkurrenz tut.
Jonas: Und was tut sie?
Theo Maske: Praktisch dasselbe, was wir tun. Mit einem wichtigen Unterschied: Wir türken. Bei Zombie ist alles echt. Darum verkaufen sich seine Sachen auch so gut. Was wollen Sie von ihm?
Jonas: Wie gut kennen Sie die Marcus-Pallenbergs?
Theo Maske: Ach Gott, wie man sich so kennt. Wir haben gemeinsame Freunde. Charmante Frau.
Jonas: Und die Tochter?
Theo Maske: Cora? Was soll ich sagen, unauffällig. Für mich zu jung, wenn Sie verstehen, was ich meine, Herr.
Jonas: Nicht noch mal.
Theo Maske: Trinken Sie aus, Herr Jonas. Nehmen Sie sich noch einen.
Jonas: Direkt vor Maskes Villa wartete eine freie Rikscha. Glücklicher Zufall, dachte ich. Ich armer Irrer. Der Kuli rannte, ich lehnte mich zurück, und dachte ein bißchen nach. Plötzlich hatte ich ein ausgesprochen ungutes Gefühl. Ich sah hoch: Die Gegend stimmte nicht, die Richtung stimmte nicht, und was noch schlimmer war, mit mir stimmte auch was nicht. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Keinen Gedanken fassen. Kaum noch reden.
Jonas: Stop. Stop. Ich will aussteigen. Malt Whiskey. Muß was im Whiskey gewesen sein. Alles rot. Rosenrot. Und müde. So müde. Schlafen. Judith. Vielleicht auch träumen.
Jonas: Mein Kopf war ein Raumschiff, unterwegs zum Mars. Die Maschinen ratterten, hämmerten, ächzten. Plötzlich setzten sie aus. Und ich stürzte in den unendlich weiten, unsagbar kalten Kosmos. Immer schneller, immer tiefer. Ich schlug hart auf und blieb regungslos liegen. Minuten, Wochen, Jahre. Bis ich mir zutraute, Arme und Beine zu bewegen. Anscheinend war ich noch komplett, wenn auch nicht im Bestzustand. Ich hatte Schmerzen, vor allem im rechten Oberschenkel. Meine Augenlider waren schwer wie Iridium. Ich redete mir gut zu, und schließlich stemmte ich sie hoch. Bekanntlich hat Jonas einen eisernen Willen. Ich lag auf einem Hof hinter einem schäbigen Gebäude, das mir irgendwie bekannt vorkam. Ich richtete mich auf, sah nach oben: Ich war zu Hause. Das kleine Fenster im 16. Stock gehörte zu meinem sog. Heim: Büro plus Apartment, 22 Quadratmeter. Ich machte Inventur. Bürgerausweis, Lizenz, alles da. Sogar die paar Euros in der Hosentasche. Seltsam. Warum hatte man mich betäubt und entführt? Wer steckte dahinter? Maske?
Sam: Der Whiskey. Die vor seinem Haus so einladend bereit stehende Rikscha. Keine Frage, der Übeltäter ist Herr Theo Maske.
Jonas: Wir werden ihn uns vorknöpfen, Sammy. Demnächst. Vorher haben wir noch nen kleinen Auftrag zu erledigen. Eine gewisse Cora Marcus-Pallenberg muß aus dem Reservat geholt werden. Und wenn Jonas einen Auftrag übernimmt, dann führt er ihn auch aus. So schnell wie’s geht. Aber dann.
Sam: Aber dann ist Herr Theo Maske dran.
Jonas: Wohl gesprochen, Freund Sam.
Sam: O du warmer Regen auf meine Mikroprozessoren. Gleich noch ein Gedicht: Maskes mörderischer Anschlag und Marcus-Pallenbergs Auftrag, irre ich nicht, so ist, beides der selbige Fall.
Jonas: Schlechter Vers, Sam, aber was die Sache betrifft, hast du wahrscheinlich recht. Wir werden es feststellen. First things first. Oder auch alles der Reihe nach. Wenn ich bitten dürfte, umzuschalten, neues Thema. Reservat. Au.
Sam: Was ist meinem Herrn und Gebieter?
Jonas: Deinem Herrn und Gebieter tut was weh.
Sam: Sams tief empfundenes Beileid. Wieder der Magen?
Jonas: Im Gegenteil. Andere Seite. Und tiefer. Irgendwas zwackt mich an der rechten Hinterbacke. Daß du dich ja nicht unterstehst, darauf einen Reim zu machen Sammy.
Sam: Sam wird es sich verkneifen, euer Durchlaucht Hinterbacke zu besingen.
Jonas: Schluß mit dem Blödsinn. Reservat. Problem: Wie komm ich rein?
Sam: Da Eminenz wohl kaum im Panzerkonvoi einzureisen wünschen.
Jonas: Nein, Sam, ganz entschieden nein. Es fährt auch gar kein Konvoi mehr, seit sie den letzten durch Barrikaden blockiert haben und dann geknackt und ausgeräumt.
Sam: Also werden Majestät sich einschleichen müssen. Heimlich und verkleidet als Freak.
Jonas: Klar. Frage: Als was für ein Freak?
Sam: Such dir was aus, alter Knabe: Fixer, Guerillero, Gestapo, RAF, Ledernacken, Wehrmacht.
Jonas: Das liegt mir alles nicht besonders, Sammy.
Sam: Schwarzer Punk, weißer Punk, bunter Punk, grüner Freak.
Jonas: Öko-Fan. Müslifresser. Müslifresser, machen wir das doch.
Sam: Gebe pflichtschuldigst zu bedenken, daß Herr Oberst in diesem Falle keine Waffe bei sich tragen dürften. Ausgenommen vielleicht ein Taschenmesser. Um Nüsse zu knacken.
Jonas: Keine Sorge, Sam. Jonas wird’s auch so schaffen. Was ich aber unbedingt brauche, das bist du, Sam. Will sagen, eine unauffällige Möglichkeit, Sam zwo mitzunehmen.
Jonas: Sam zwo ist Sam in Miniausführung. Eine drahtlose Extension, durch die ich überall und jederzeit in Verbindung stehe mit Sam eins, dem großen Speicher und Terminal im Büro. Ich kann zwar auch ohne Sam auskommen, in Routinefällen, und wenn er mir mit seinem Gerede noch mehr auf die Nerven geht, als üblich. Aber auf so gefährlichem Pflaster wie dem Reservat wollte ich das lieber nicht probieren.
Sam: Herr General, schlage vor, Sam zwo aufzuteilen. Empfänger in Ohrring, Sender in Nasenring. Derartiger Schmuck gehört zur obligatorischen Grundausstattung jedes grü… Scheiße… jedes grünen Freaks, der auf sich hält.
Jonas: Und wenn so ein Typ ab und zu mit sich selber redet, fällt das im Reservat nicht weiter auf. Sehr gut, Sam. Was brauchen wir?
Sam: Vor allen Dingen einen sanftmütigen Ausdruck auf dem Antlitz, o Schrecken deiner Feinde.
Jonas: Da werde ich mir aber ein bißchen Mühe geben müssen. OK, was noch?
Jonas: Die korrekte Aufmachung bestellte ich über Service-Text bei Freak-out am Markgrafenboulevard. Nicht gerade billig, aber das lief natürlich unter Spesen. Dann ein paar Minuten Arbeit mir Rasierapparat und grüner Farbe, und mein seliges Mütterlein hätte ihren Jonas nicht wiedererkannt. Sam konnte mir sagen, wo die elektronische Käseglocke eine Lücke hatte, noch eine kurze Mitteilung an Frau Marcus-Pallenberg, und fünf Minuten vor Mitternacht, am 12. August 2009, stand ein grüner Freak an der Reservatsmauer. „Irre sind menschlich“ hatte einer rangesprayt. Ganz meine Meinung. „Sonne oder Regen, ich bin dagegen“. Dafür hatte ich volles Verständnis. Kilroy war natürlich auch hier gewesen, vor langer Zeit. Jetzt war nur Jonas hier. Und Jonas fühlte sich unbehaglich. Und einsam. Wie einst Lilly Marlene.
Sam: Vor der Kaserne, vor dem großen Tor, steht eine Laterne, und steht sie noch davor.
Jonas: Sei still, Sam.
Sam: Lalalalala…
Jonas: Still. Gib mir lieber die Berechnung der Erfolgschancen.
Sam: Mit Wonne, großer Vorsitzender. Die Wahrscheinlichkeit, gegenwärtiges Unternehmen zu einem erfolgreichen Ende zu führen, beträgt zur Zeit genau 0, 9999.
Jonas: Also 2 zu 8.
Sam: Oder auch 1 zu 4. Nicht eben günstig, wenn eure Lordschaft mir diese kommentierende Wertung gestatten.
Jonas: Ach weißt du, Sammy. Wenn wir schon an Zahlen denken, dann doch lieber an die 200 Euros pro Tag.
Sam: Und Spesen.
Jonas: Und Spesen. Genau. Und mit diesem tröstlichen Gedanken im Hinterkopf wollen wir mal.
Jonas: Da wo ich stand, hatte die Mauer diverse Löcher und Vorsprünge. Ich zog mich hoch, dabei tat mir wieder mein verlängerter Rücken weh, setzte mich oben rittlings hin, und beschaute das nächtliche Reservat. Der Mond schien durch die Wolken. Jenseits der Mauer sah es kaum anders aus als davor. Dieselbe Ruinenlandschaft. Dieselben verwahrlosten Straßen. Dieselben Schatten. Dieselbe Stille. Nur unterbrochen durch leises Rascheln. Nachtmenschen schlichen durchs Geröll. Also dann, sagte ich mir. Sprung auf, Marsch marsch.
Sam: Alles in Ordnung, Chef?
Jonas: Alles klar, Sam. Uh!
Sam: Was ist los, Boss?
Jonas: Eine Falle, Sammy. Ich bin in was getreten, und jetzt werde ich verschnürt wie ein Postpaket. Eine Bio-Fessel. Mit automatischer Infrarot-Reaktion. Daß die hier im Reservat so was Modernes haben. Ich bin schon komplett eingepackt, Sam. Ich kann mich nicht mehr rühren. Und da kommen auch schon die Fallensteller. Das hat mir gerade noch gefehlt: Zwei schwarze Punks in all ihrer strahlenden Schönheit.
Power: Kuck mal, Push.
Push: Hähähä. Wir haben was gefangen, Power.
Jonas: Die beiden Typen sahen ein bißchen aus wie Lorell und Hardy, falls Sie sich Lorell und Hardy in schwarzem Leder mit Metallbeschlägen vorstellen können. Und mit Laserstrahlern in der Hand. Sie sahen auf mich herunter, und fingen dann ganz gemütlich an, mich mit ihren schweren Stiefeln zu bearbeiten. Profiklasse waren sie nicht, aber ich bin auch schon schlechter getreten worden.
Power: Was soll denn das sein, Push?
Push: Komisches Ei, Power.
Power: Sieht fast aus wie ein Freak, Push.
Push: Viel zu alt für `nen Freak, Power.
Power: Grüner Greis, Push.
Push: Freak-Opa, Power.
Power: Ätzend.
Push: Geil.
Power: Total tierisch.
Push: Elefantengeil.
Power: Hast du schon den Witz gehört, Push?
Push: Was für `nen Witz, Power?
Power: Da sind ein paar black Punks, und die fangen sich zwei Müslifresser. Einen haben sie vereist, und der andere mußte ihn fressen. Und weißt du, was der Witz ist? Der andere war Vegetarier.
Push und Power: Hahahahahahaha…
Jonas: Ha-Ha, ich lach mich tot.
Power: Hast du gehört, Push?
Push: Tot hat er gesagt, Power.
Power: Gar nicht so dumm, der Freak-Opa.
Push: Hat echt Durchblick, der Müsli-Greis.
Power: Vereisen wir ihn gleich oder verkaufen wir ihn lebendig an die Kannibalen?
Push: Treten wir ihn doch noch ein bißchen, Power.
Power: Ahh!
Push: Power, Power, sag doch was. Was ist, Power?
Jonas: Siehst du doch, man hat ihn gelasert, oder vereist, wie das bei euch heißt.
Push: Ahh!
Jonas: Der nächste bitte.
Sam: Sofern Hoheit die Frage gestatten, was ist geschehen?
Jonas: Wenn ich das wüßte, Sammy. Irgend jemand hat die beiden Punks mit dem Laser erledigt.
Sam: Wer, o Vater des Scharfsinns?
Jonas: Jemand im Schatten. Kommando zurück, Sam. Kein jemand. Eine Jemandin. Und was für eine.
Jonas: Es war eine junge Frau, die vor allem aus sich selbst bestand. Dazu aus hohen Stiefeln, und einem breiten Leder-Gürtel, dessen Schnalle das Zeichen des F.K.K. trug, des Feministischen Kampf-Korps, ein blutrotes Schwert über einem lila Kreis. Nicht zu vergessen der Laserstrahler, mit dem sie Push und Power erledigt hatte. Und der jetzt auf mich gerichtet war. Wunderbar. Erst Punks, dann F.K.K. Vom Regen in die Traufe. Damals bei den Unruhen, hatten sich die F.K.K.-Mädchen ganz besonders hervorgetan. Sie hatten auf alle geschossen. Auf Freaks, Polizisten, Ein- Um- und Aussteiger. Nur männlich mußten sie sein. Das Motto des F.K.K. lautet: Kein Schwanz bleibt ganz. Jetzt war offenbar Jonas an der Reihe.
Nada: Wie sagte frau in der bösen alten Chauvi-Zeit: Aller guten Dinge sind drei.
Jonas: Nichts überstürzen, immer mit der Ruhe. Cool bleiben.
Nada: Na wenn ich dich so ansehe, bist ja doch schon ein ganz schön alter Sack. Weißt du was, ich hab heut meinen soften Tag. Hör auf zu bibbern, ich tu dir nichts. Bist sowieso bald dran, Alter.
Jonas: Machst du mir die Bio-Fessel ab? Vor mir brauchst du keine Angst zu haben.
Nada: Ich Angst vor dir? Halt still.
Jonas: Sam, bist du da, Sam?
Sam: Sam ist da, Majestät, und Sam verfolgt gebannt dero unglaubliche Abenteuer. Was geschieht?
Jonas: Sie brennt mir die Bio-Fessel ab, mit ihrem Laser. Sehr geschickt. Bleib weiter dran, Sammy. – Danke.
Nada: Ich bin übrigens die Nada.
Jonas: Angenehm, dann heiß ich Nemo.
Nada: Von mir aus. Setz dich. Willst du auch nen Joint? Na, prima Tabak. Aber als Grün-Freak rauchst du ja nicht.
Jonas: So saßen wir denn friedlich beisammen. Im Schatten der Mauer. Nada und ich. Meine rechte Hinterbacke tat mir weh. Und auch mein Magen, der sich wochenlang friedlich verhalten hatte, meldete sich wieder. Kein Wunder bei dem Streß hier. Trotzdem hätte ich gern einen Schluck Whiskey gehabt. Aber als waschechter Müslimann durfte ich das natürlich nicht kundtun. Und noch einen Wunsch hatte ich, als ich Nada aus nächster Nähe sah, einen richtig altmodischen Chauvi-Wunsch. Den mußte ich auch für mich behalten. Vorsichtshalber. Ich wußte ja, was Nada mit Männern machte, gegen die sie was hatte.
Nada: Gammelst du nur so rum oder hast du was Bestimmtes vor?
Jonas: Ich bin auf der Suche.
Nada: Sind wir doch alle.
Jonas: Ich suche einen Typ namens Zombie.
Nada: Zombie, Zombie…
Jonas: Produziert Holos.
Nada: Ach der Zombie. Und zu dem willst du? Ganz schräge Idee, Alter. Wer zu dem geht, der taucht meist nicht wieder auf. Zombie hat einen großen Verschleiß, wenn er seine Holos macht.
Jonas: Hab ich gehört. Mord und Totschlag.
Nada: Und Massaker und Folter und Blutbäder. Und alles echt.
Jonas: Ich muß trotzdem hin. Weißt du, wo Zombies Studio ist?
Nada: Hier lang, immer gerade aus. Dahinter rechts im Niemandsland. Zwischen Freakadelien und Turkistan.
Jonas: Also dann.
Nada: Hast du keine Waffe?
Jonas: All you need is love, Schwester.
Nada: Lennonid bist du auch noch.
Jonas: Nicht direkt. Ich bin eher für Sankt Jonas.
Nada: Nie gehört.
Jonas: Schade.
Nada: Sei vorsichtig. Die Türken haben Vorposten im Niemandsland. Wenn die einen Freak schnappen, gehen sie recht ungut mit ihm um. Machs gut, Alter.
Jonas: Ich schlich durchs Niemandsland und hielt mich im Schatten von Häusern und Ruinen. Alles war still. Nur in der Ferne die fast unhörbaren Geräusche der Nachtmenschen. Und noch weiter weg, ein merkwürdiges Rattern und Knattern. Es hörte sich an wie ein Motor, ein Benzinmotor in einem Auto. Mir wurde ungeheuer nostalgisch. Ich dachte an schwarze Limousinen in Chicago und anderswo, an Bogart, mit zwei Fingern am Lenkrad, an Maschinenpistolen, die Feuer und Tod aus Autofenstern spuckten. Ich hätte besser an Laserstrahler denken sollen, denn was sich da plötzlich auf meinen grünen Bauchnabel richtete, das war ein Laserstrahler. Ein Laserstrahler in der Hand eines dicken Kerls in Turban und Pumphosen, und neben ihm stand noch so einer, natürlich auch mit Strahlerchen. Ich hatte allmählich die Nase voll von Typen, die mir Laser unter dieselbe hielten.
Türke: Hände schön oben, Kollege. Ganz ruhig. Du Freak, Kollege?
Jonas: Iwo. Ich bin die Bürgermeisterin von Babylon.
Türke: Lüge! Du Freak, Kollege. Wir nicht lieben Freaks.
Jonas: Muß ja nicht sein, Kollege, also, dann will ich mal wieder rüber, ne, in meine Gegend.
Türke: Halt! Freaks auslöschen Türken, Türken auslöschen Freaks. Mitkommen.
Jonas: Hör doch mal zu, ich bin ein grüner Freak, ich tu keiner Fliege was. Und gegen Türken hab ich schon gar nichts. Ich mag Türken. Janitschar. Heula. Mokka mit viel Zucker…
Türke: Schnauze! Mitkommen. Oder Loch in Bauch.
Jonas: Ja, wenn ihr mich so nett darum bittet.
Türke: Los, Kollege, Bewegung. Dalli Dalli!
Jonas: Erst ging’s über einen Graben, dann durch Ruinen im Zickzack zu einem noch ziemlich intakten Hochhaus am Kanal, wo wir die Treppen hochstiegen bis in den 10. Stock. Überall standen die Pumphosen-Jungs rum. Schwer bewaffnet, grimmig blickend. Und besonders grimmig kuckten sie auf einen armen Freak, der gar keiner war, und in Wirklichkeit Jonas hieß. Eine Tür wurde aufgestoßen, ich war mitten in 1001 Nacht. In 1001 Nacht, wie sie sich der kleine Ali vorstellen mochte, der seit Jahrzehnten im Reservat untergetaucht war, der kein richtiger Türke mehr war, aber auch kein Babylonier. Der eine Pidgin-Sprache redete, und sich eine Pidgin-Kultur erfunden hatte. An den Wänden hingen Teppiche aus dem Kaufhaus, in einer Ecke hockten Musikanten, die uns was pfiffen und trommelten, nicht schön, aber laut, davor tanzte eine nicht zu übersehende Dame heftig Bauch, ansonsten Pumphosen in Hülle und Fülle, um einen Mann herum, der allem Anschein nach die Ober-Pumphose darstellte. Er war nämlich noch dicker als die übrigen. Hatte einen noch größeren Turban. Und einen noch grimmigeren Blick.
Türke: Großmächtiger Padischa, erhabener Sultan Suleiman, hier dieser Freak gefangen an Grenze zu Turkistan.
Sultan Suleiman: Ah, oh, du Spion, Kollege.
Jonas: Aber nicht doch.
Sultan Suleiman: Auslöschen Freaks, auslöschen Spione.
Jonas: Nun mal langsam, alter Freund, ja. Aua.
Türke: So nicht reden zu Großherr von Turkistan, Kollege.
Jonas: Das Gefühl habe ich auch. Now ist the time for all good friends, Sammy, wenn sich einer auskennt mit Titel, Anreden und so, dann bist du das, hilf mir gefälligst.
Sam: Bitte mir nachzusprechen, Meister.
Jonas: OK, schieß los, Sammy.
Sam/Jonas: O erhabenes Großherr.
Sam/Jonas: Machtvoller Beherrscher der Gläubigen.
Sam/Jonas: Sonne von Weltall.
Sam/Jonas: Wonne in Erdkreis.
Sam/Jonas: Großmächtiger Sultan.
Sam/Jonas: Sei gnädig und lasse Erbarmen walten.
Sultan Suleiman: Ja, so gut, Kollege, so prima. Aber nichts bringen! Auslöschen Freak. Setzen auf Pfahl, Stecken in Sack, Schmeißen in Kanal.
Jonas: Bis jetzt hatte ich es im Guten versucht. Aber wenn die Herren Reservatstürken unbedingt wollten, bitte sehr, Jonas konnte auch anders. Ein Griff in den Stiefelschaft, ein Sprung, ich hatte den Sultan bei der Skalplocke und drückte ihm mein Messer an die Halsschlagader. Ob dieser Entwicklung der Dinge geriet der gesamte Hofstaat in begreifliche Unruhe.
Türken: Ah!
Jonas: So Majestät, jetzt gehen wir zusammen ans offene Fenster. Ich hoffe sehr, daß Ihre Paschas und Be sich ganz still und friedlich verhalten. Vor allem ihretwegen. Ich müßte Sie sonst auslöschen, und das wäre doch schade, ein so gewichtiger Mann, und Sultan dazu. So, alle bleiben auf ihren Plätzen, keiner kommt mir zu nahe. Soweit, so gut, was nun, Sammy?
Sam: Was befindet sich vor dem Fenster, Exzellenz?
Jonas: Sehr viel Luft, Sam, wir sind im 10. Stock.
Sam: Zweifellos, Herr Direktor, und unten?
Jonas: Unten, der Kanal.
Sam: Aha.
Jonas: Du meinst.
Sam: Na klar, Kumpel. Springen.
Jonas: Klar, lächerliche 30 Meter.
Sam: Wüßte nicht, was Durchlaucht sonst übrig bliebe.
Jonas: Ich leider auch nicht, Sammy. Leben Sie wohl, erhabene Sultan. Jeronimo.
Jonas: Ein Tritt dahin, wo er am dicksten war, beförderte Sultan Suleiman zurück in den Saal. Ein paar Augenblicke lang standen die Höflinge da wie erstarrt. Und als sie sich wieder rührten, war ich schon unten angekommen, und schwamm durch eine zähe, stinkende Brühe ans gegenüberliegende Ufer. Ein kurzer Klimmzug, wieder Schmerzen rechts hinten, aber ich rannte trotzdem los. Was sein muß, muß sein. Etwa 10 Millionen Türken waren hinter mir her, mir Gebrüll und mit Lasern. Und weil ihnen offenbar nichts wehtat, kamen sie immer näher. Die Situation erschien entschieden verbesserungsbedürftig. Als die schnellsten Verfolger nur noch wenige Meter entfernt waren, schoß plötzlich aus einer Seitenstraße ein Fahrzeug und blieb neben mir stehen. Mit offener Tür.
Nada: Steig ein, Alter.
Jonas: Nada.
Nada: Wundern kannst du dich später, nun steig schon ein, sonst haben Sie dich.
Jonas: Ein Benzinauto. Ein echtes Benzinauto. Wie lange bin ich in so was nicht mehr gefahren? 15 Jahre? 16 Jahre?
Nada: Im Reservat gibt’s noch ein paar.
Jonas: Das sehe ich. Und woher habt ihr das Benzin?
Nada: Manchmal finden wir ein unterirdisches Lager. Aus der alten Zeit. Als es noch Benzin zu kaufen gab. Und Autos noch nicht verboten waren. Das Reservat ist groß.
Jonas: Wo fahren wir eigentlich hin?
Nada: Wolltest du nicht zu Zombies Holostudio? Wir sind da.
Jonas: Ja, ich seh kein Studio. Nur ein Ruinenfeld. Und `nen kleinen Holzschuppen.
Nada: Eben. Der Schuppen ist das Studio. Das heißt, der Eingang zum Studio. Zombie arbeitet unter der Erde. Er scheut das Tageslicht. Mit recht.
Jonas: Ja, dann noch mal vielen Dank, Nada.
Nada: Hier, Alter. Falls du Probleme kriegst da unten. Machs gut.
Jonas: Damit drückte sie mir ihren Laserstrahler in die Hand. War doch mal ne nette Abwechslung, selber so ein Ding zu haben. Nützlich war’s auch. In der Bretterbude saß ein unfreundlicher Kraftmensch über Loch und Leiter, die nach unten führten. Und der war erst dann bereit, mit sich reden zu lassen, als ich ihn in die Mündung des Strahlers gucken ließ.
Wächter: Wie soll die heißen? Cora, Cora…
Jonas: Cora Marcus-Pallenberg.
Wächter: Nie gehört.
Jonas: Und so sieht sie aus.
Wächter: Nie gesehen. Hier. Gibt’s nicht bei uns. Bestimmt nicht. Hat’s auch nie gegeben.
Jonas: Ach ja, dein Chef hat sie gestern mitgebracht. Von draußen.
Wächter: Zombie? Quatsch, Zombie war schon vier Wochen nicht draußen, mindestens.
Jonas: Ach nein.
Wächter: Ach ja.
Jonas: Mach Platz, ich will mich unten mal umsehen.
Wächter: Nix. Niemand darf runter.
Jonas: Ach ja.
Wächter: Ah.
Jonas: Mit dem Laser legte ich ihn für ein paar Stunden schlafen. Dann tauchte ich ab in die Unterwelt. Und das meine ich ganz wörtlich. Was sich in den unterirdischen Produktionsräumen tat, war die Hölle. Es wurde gerade ein lehrreicher historischer Streifen gedreht, Argentinien 78 oder Schreie aus dem Keller. Sehr dokumentarisch. Sehr realistisch. Mit großem Verschleiß, wie Nada sich ausgedrückt hatte. Ich habe einiges schlimme gesehen, im Antarktischen Krieg und als Detektiv. Das hier war schlimmer. Ich fühlte mich versucht, als edler Ritter von der Tafelrunde mit meinem Laserschwert aufzuräumen, aber es waren zu viel Drachen da. Einerseits. Und andererseits hatte ich das Gefühl, daß ich ganz vordringlich ein paar Dinge klären müßte, die mich persönlich betrafen. Also stellte ich meine Fragen und stieg dann ganz schnell wieder nach oben.
Jonas: Also, Sammy, die Sache sieht so aus: Alle hier sagen dasselbe: Eine Cora Marcus-Pallenberg kennen sie nicht. Haben sie auch nie gesehen. Und Zombie ist seit Wochen im Reservat. Er war also nicht draußen bei den Marcus-Pallenbergs. Er hat Cora nicht ins Reservat mitgenommen, das steht fest.
Sam: Daraus ergibt sich, o weiser Sherlock Holmes, Frau Marcus-Pallenberg hat gelogen.
Jonas: Elementar, mein lieber Watson. Frage: Warum hat Frau Marcus-Pallenberg gelogen. Au.
Sam: Wieder Schmerzen, mein Herr und Gebieter?
Jonas: Jawohl, und wieder die rechte Hinterbacke. Möchte wissen, was ich mir da geholt habe. Hallo.
Sam: Wie belieben?
Jonas: Da ist was, Sammy. Unter der Haut. Was Festes.
Sam: Empfehle dringend, besagtes festes Objekt zu entfernen.
Jonas: So, und wie?
Sam: Herausschneiden, mittels dero Hoheit Taschenmesser.
Jonas: Hat das nicht Zeit, Sam, bis wir wieder in der Zivilisation sind, der sogenannten?
Sam: Nein, Holzkopf, rausschneiden, fix.
Jonas: Wenn’s denn sein muß.
Sam: Und vorsichtig, Boss, ganz ganz vorsichtig.
Jonas: Auch dieses, Sammy. So. Du hast den richtigen Riecher gehabt, Sam. Eine Bombe. Eine implantierte Mini-Bombe aus Plastkonzentrat. So groß wie ein Eurostück. Das reicht für ne mittlere Kleinstadt.
Sam: Aus diesem Grunde sind Eminenz betäubt und entführt worden.
Jonas: Genau Sam, Maske hat mir die Bombe untergeschoben, im wahren Sinne des Wortes. Aber warum denn bloß? Was wird hier gespielt? Kannst du mir das sagen?
Sam: Gewiß, o Rächer der Enterbten. Herr Theo Maske ist Direktor einer legalen Holovisions-Produktion. Diese Produktion hat erhebliche finanzielle Einbußen zu verzeichnen. Der Grund: Die von Zombie hergestellten echten Mord- und Folter-Holos sind weitaus erfolgreicher als Herrn Maskes Produkte. Herr Maske hat also allen Anlaß, sich der gefährlichen Konkurrenz zu entledigen. Da Zombie seine Produktion im Reservat betreibt, ist er für Herrn Maske direkt nicht erreichbar. Herr Maske geht daher indirekt vor. Er schickt einen nichts ahnenden Bombenträger ins Reservat, eine lebende Bombe.
Jonas: Halt mal, das stimmt so nicht. Maske hat mich nicht geschickt. Das war Frau Marcus-Pallenberg, weil ich ihre Tochter aus dem Reservat holen sollte.
Sam: Ein unzutreffender Vorwand, wie sich nunmehr herausstellt, euer Denkwürden. Cora Marcus-Pallenberg hat das Reservat überhaupt nicht betreten.
Jonas: Moment. Moment, Sam. Ich hab ne Idee.
Sam: Ich höre und staune, Hoheit.
Jonas: Wem gehört der Laden?
Sam: Laden? O Brunnen des Tiefsinns?
Jonas: Lust & Qual, die Holofirma, wo Maske Direktor ist.
Sam: Einen Augenblick, Chef. Piep. Besitzer der Firma laut Handelsregister: Orsonsche Erben.
Jonas: Und wer sind die Orsonschen Erben?
Sam: Momentchen Boss. Piep. Es gibt nur einen Orsonschen Erben. Der Name: Dahlia Marcus-Pallenberg.
Jonas: Na bitte. Das ganze ist ne abgekartete Sache. Alle stecken unter einer Decke. Maske, die Marcus-Pallenberg und natürlich auch…
Sam: Bitte die Unterbrechung ihrer erhabenen Gedankengänge zu verzeihen, großer Lehrmeister, doch wäre es höchst ratsam, vor allen weiteren ohne Zweifel hochinteressanten Schlußfolgerungen die Bombe abzulegen und schleunigst von dannen zu eilen. Jeden Augenblick kann durch elektronische Zündung eine Explosion ausgelöst werden.
Jonas: Apropos Zündung, aus welcher Entfernung kann die Bombe gezündet werden?
Sam: Bei einer Mini-Bombe, wie Exzellenz Sie in sich herumtrugen, beträgt die maximale Zündungsdistanz 500 Meter.
Jonas: Aha. Na dann weiß ich den richtigen Platz für Maskes Liebesgabe.
Jonas: Es war kein Problem, die kaum mehr als fingernagelgroße Bombe gut unterzubringen, und als ich mich dann dranmachte, von dannen zu eilen, wie Sam mir geraten hatte, wer stand vor der Tür und wartete auf mich? Natürlich Nada. Nada, die Unvermeidliche, die Allgegenwärtige, Nada, mein Schutzengel, immer zur Stelle, wenn ich Schwierigkeiten hatte und Hilfe brauchte.
Nada: Gib mir den Laser zurück, Alter. Danke. Hast du gefunden, was du suchst?
Jonas: Mehr oder weniger.
Nada: Such’s noch mal.
Jonas: Wieso?
Nada: Du gehst wieder runter, Alter.
Jonas: Nicht nötig, ich bin hier fertig.
Nada: Im Gegenteil, Alter, dein großer Auftritt kommt erst. Runter mir dir. Tut mir leid, Alter, so ist das nun mal. Machs gut.
Jonas: Nada, die so selbstlos dafür gesorgt hatte, daß ich mein Ziel erreichte, die dafür gesorgt hatte, daß die Mini-Bombe ihr Ziel erreichte, mit Jonas natürlich, aber Jonas war nur Transportmittel, und würde bald entbehrlich sein. Alles war klar, sonnenklar, laserklar, bombenklar. Ich machte ein dummes Gesicht, fällt mir nicht schwer, ging langsam zurück in den Schuppen, und zog die Tür hinter mir zu. Blitzschnelles Umschalten in den Schnellgang, ich riß das Fenster auf der gegenüberliegenden Seite auf, sprang raus, rannte, rannte um mein Leben. Ich wußte, was gleich passieren würde… Nada löste die Zündung aus, die Bombe explodierte, und nahm mit sich hoch, Nadas Laserstrahler, daran hatte ich sie festgemacht, Nada selbst, ein Benzinlager, auf dem sie gestanden hatte, ohne es zu ahnen, Zombies höllische Holo-Produktion, diverse Ruinen, Geröllhalden, und beinahe auch Jonas, der kräftig durchgeschüttelt wurde, sich ein paar dicke Beulen holte, nur mit Mühe über die Mauer kam, und nach Hause humpeln mußte. Und hier, Magen hin, Magen her, trank ich meinen ganzen Whiskey-Vorrat aus, verbissen und zielstrebig, und fiel dann ins Bett. Als ich aufwachte, war es heller Tag. Ich hatte einen miesen Geschmack im Mund, und ein mieses Gefühl innen drin. Und mir wurde nicht besser, als ich den News-Kanal einschaltete.
Nachrichten-Sprecherin: Aus unbekannter Ursache kam es in den heutigen frühen Morgenstunden zu einem Großfeuer im Bereich des sogenannten Reservats. Über den entstandenen Schaden gibt es noch keine genaue Übersicht. Wie verlautet, wurde ein illegales Holovisions-Studio völlig vernichtet, wobei erhebliche Opfer an Menschen und Material zu beklagen sein sollen. – Ein Terroranschlag der Kusbekischen Befreiungsfront hat, wie der Pressesprecher der…
Jonas: Also Schwamm drüber und Strich drunter. Oder?
Frau Marcus-Pallenberg: Hallo?
Jonas: Jonas hier.
Frau Marcus-Pallenberg: Wa… Was?
Jonas: Überrascht, Frau Marcus-Pallenberg?
Frau Marcus-Pallenberg: Ja, äh nein nein, nein, wieso? Warum sollte ich überrascht sein?
Jonas: Weil Jonas eigentlich tot sein müßte. Im Reservat. In Zombies Holostudio. In vielen tausend kleinen Stücken.
Frau Marcus-Pallenberg: Was reden Sie? Haben Sie getrunken? Übrigens, da Sie gerade anrufen, Cora ist wieder da.
Jonas: Sie setzen mich in Erstaunen, Frau Marcus-Pallenberg.
Frau Marcus-Pallenberg: Ja, die Sache war ein Irrtum. Damit ist mein Auftrag gegenstandslos. Ich brauche Sie nicht mehr.
Jonas: Legen Sie nicht auf, Frau Marcus-Pallenberg. Ich hätte mich gerne noch mit Ihnen unterhalten.
Frau Marcus-Pallenberg: A ja, ich verstehe, schicken Sie Ihre Rechnung ein, ich will sehen, was sich tun läßt.
Jonas: Nicht darüber, Frau Marcus-Pallenberg. Über den Konkurrenzkampf in der Holo-Industrie, und über eine gewisse Bomben-Idee. Wissen Sie, Jonas hat es gar nicht gern, wenn man ihn a) für dumm verkauft, und b) als lebende Bombe mißbraucht.
Frau Marcus-Pallenberg: Sie reden irre. Sehen Sie sich vor. Wenn Sie derartiges in der Öffentlichkeit wiederholen, werden wir Sie belangen, Maske und ich. Sie können nichts beweisen.
Jonas: Solche Auftraggeber loben wir uns, was Sammy?
Sam: Pflegt es sich denn nicht stets so zu verhalten, o großer Sekretär des Politbüros?
Jonas: Ich versteh nicht, Sam, was pflegt sich wie zu verhalten?
Sam: Entpuppt sich nicht in der Regel der Auftraggeber als der wahre Bösewicht, hinter den Kulissen?
Jonas: O Sammy, ich hab dich wohl zu viel mit Chandler gefüttert.
Sam: Durchlaucht belieben zu irren. Wie war es denn erst kürzlich im Fall um die Raumstation Safari?
Jonas: Safari? Kein Vergleich, Sam, gar kein Vergleich. Diesmal war alles Schwindel. Von A bis Z. Alle haben mich angelogen. Die Marcus-Pallenberg. Maske. Nada. Und für Nada hatte ich wirklich was übrig.
Sam: Kopf hoch, Kumpel, vergiß es, ein neuer Tag, ein neues Glück, das Leben geht weiter, und wenn die Welt voll Teufel wär.
Jonas: Nur Computer sind anständig. Computer lügen nicht. Alle Kreter lügen immer. Jeder Mensch sagt jederzeit die Unwahrheit. Der Computer nie. Dafür sagt er oft Blödsinn, oder Sam?
Sam: Unzureichende Daten, o du GröJAZ.
Jonas: Wie bitte?
Sam: Größter Jonas aller Zeiten.
Jonas: Meine Rechnung hab ich später doch noch eingereicht. Honorar für einen Arbeitstag, Spesen, Schmerzensgeld. Nicht viel, aber besser als die Volksrente allemal. Frau Marcus-Pallenberg hat anstandslos gezahlt. Stolz ist was feines, aber Stolz kann man nicht essen. Und trinken auch nicht. Ich mußte mir doch einen neuen Whiskey-Vorrat anlegen.
Das war Reservat. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus. Sein Supercomputer Sam war Joachim Wichmann. Es wirkten außerdem mit: Astrid Jacob, Madeleine Stolze, Michael Gahr, Michael Habeck, Erich Hallhuber, Joachim Höppner, Herbert Weicker, und andere (Bernd Stephan, Ilse Neubauer). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Heiner Schmidt. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1984). Redaktion: Dieter Hasselblatt und Erwin Weigel.
Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Safari
Jonas: Der Löwe war kein echter Löwe. Natürlich nicht. Seit Jahren gab es keine Löwen mehr auf der Erde. Und in einer Raumstation schon gar nicht. Aber echt oder nicht, der Löwe war da. Und er sah gefährlich aus. So gefährlich, daß Jonas vorsichtshalber erst mal rannte und sich einen hohen Baum suchte. Kokospalme oder Bandiang, was weiß ich. Auf Bäumen haben Löwen nichts zu suchen. Das wußte ich. Und das wußte auch der Löwe, zu meinem Glück. Ich wartete, bis mein Puls wieder unter Schallgeschwindigkeit war, und dann versuchte ich Sam über Funk zu erreichen.
Jonas: Sam! Sammy! Wo steckt der verrückte Blechkanister? Sam!
Sam: Hat mein Herr und Meister gerufen?
Jonas: Gerufen? Gebrüllt habe ich. Hör zu, du Spottgeburt von Chips und Eisen.
Sam: Om mani padme hum. Om mani padme hum. Om mani padme hum.
Jonas: Was?
Sam: Om mani. O fleischgewordener Buddha. Das heißt.
Jonas: Ist mir völlig wurscht, was das heißt. Hab ich dir nicht gesagt, du sollst dich auf der Notfrequenz bereithalten, rund um die Uhr.
Sam: So ist es, o Ozean aller Weisheiten. Doch hat nicht auch ein Computer gewisse, sagen wir es frei heraus, gewisse seelische Bedürfnisse. Ein wenig Meditation.
Jonas: Meditation?
Sam: Yoga, o du Kleinod im Lotus. Tantra. Fernöstliche Mystik.
Jonas: Sam, wenn du nicht auf der Erde wärst, gut 4000 km weit weg, würde ich dir einen Tritt verpassen, daß deine Modulen jodeln.
Sam: Wie spricht Buddha? Innere Ruhe, Frieden, Abgeklärtheit. Dies alles ist weit wertvoller denn das kostbarste Juwel. Und ferner sagt er…
Jonas: Schluß damit, Sam. Paß mal auf: Hier sind die Algen am kochen.
Sam: OK, Chef. Werden wir abgehört?
Jonas: Nehm ich an.
Sam: Also Frequenzwechsel. Plan 17.
Jonas: Alles klar. – Sam? Bist du noch da, Sam?
Sam: Dieses, o Freude meiner Schaltkreise, ist die große Frage. Denn ist nicht, was hier ist, auch da, und was da ist, hier?
Jonas: Soll sein, Sammy, aber die Riesenschlage ist leider hier und nicht da.
Sam: Welche Riesenschlange, o Licht des Karma?
Jonas: Die hier angeringelt kommt. Python. Boa constrictor. In dieser Preisklasse.
Sam: Es gibt keine boa constrictor mehr, o Meister magischer Mysterien. Und auch keine Python.
Jonas: Weiß ich selber, du kannst gern raufkommen und dir das Vieh ankucken. Ich muß los, Sam. Bleib dran.
Sam: Alle Erscheinungen des Lebens lassen sich vergleichen mit einem Traum, einem Gebilde der Fantasie, einer Phase, einem Schatten…
Jonas: Amen. Schön wär’s. Aber die Löwen und Schlangen ließen sich beim besten Willen nicht wegmeditieren. Und alle diese interessanten Bestien hatten nur ein Ziel: Sie wollten Jonas. Und wenn sie ihn hatten, dann wollten sie ihn bestimmt nicht bloß streicheln. Da hatte ich mich wieder mal voll reingesetzt. Genauer gesagt, ich war reingesetzt worden. Als das Telefon klingelte, gestern, am 5. Juni 2009, kurz nach Mitternacht, schlief ich noch sorglos den Schlaf des Gerechten. Hätte ich geahnt, was auf mich zukam, wäre ich unters Bett gekrochen. Oder ausgewandert.
Jonas: Huah-Ah! Crembell goodwell. Ja?
Jonas: Das Telefon klingelte. Laut und unfreundlich. Ich griff mir den Hörer und meldete mich. Das Telefon klingelte immer noch. Ich machte die Augen auf. Was ich mir mit der Hand ans Ohr hielt, war mein Wecker.
Jonas: Shit. Jonas. Was ist los?
Quartz: Jonas? Nur Jonas.
Jonas: Jonas, nur Jonas. Und Jonas, nur Jonas, hat gerade geschlafen. Es ist jetzt, Sammy.
Sam: Mit dem letzten Ton ist es genau 0 Uhr, 13 Minuten und 5 Sekunden. Piep.
Jonas: Sie hören es. Rufen Sie am Morgen wieder an, wer immer Sie sind.
Quartz: Ich bin Oleander Quartz.
Jonas: Morgen, Herr Quartz.
Quartz: Sie kennen mich nicht.
Jonas: Ich bin viel zu müde, um Sie zu kennen. Morgen.
Quartz: Ich habe einen Auftrag für Sie.
Jonas: Und wenn Sie mich mit Gold überziehen und mir den Koh-i-Noor in den Nabel setzen wollen. Morgen.
Quartz: Die Koh-i-Noor. Das wäre ein wenig zu viel des Guten. Aber eine nicht unerhebliche Summe hatte ich Ihnen in der Tat zugedacht.
Jonas: Also gut, ich bin sowieso schon fast wach. In ein paar Minuten rufe ich zurück.
Quartz: Nein, ich rufe Sie wieder an. In genau einer viertel Stunde.
Jonas: Quartz, Sammy, Oleander Quartz.
Sam: Was ist ein Name, ehrwürdiger Guru.
Jonas: Sam ist mein Computer. Er kann viel, fast alles. Sprechen auch, leider. Sam ist ein Versuchsmodell. Der intellektuelle Computer für den Intellektuellen. Ich habe ihn trotzdem gekauft. Seinerzeit 2005. Weil er billig war. McCoy-Computers haben ihn damals verramscht. Der gute Sam war kein Erfolg. Er geht den Leuten auf die Nerven, außerdem ist er nicht normal. Seine Sprachprogramme haben sich verdreht und durcheinander geschoben. Ich komm im Allgemeinen klar mit ihm, aber manchmal tut’s mir doch leid, daß ich ihn am Hals habe, bzw. in meinem Büro oder als drahtlose Extension in der Hosentasche. Vor allem, wenn er auf irgendeinem esoterischen Trip ist. Wie jetzt.
Sam: O Bhagwan, was ist ein Name.
Jonas: Ich sage nur Schrottmühle, Sammy. Laß den Quatsch und sag mir, wer Oleander Quartz ist.
Sam: Hören ist gehorchen, großmächtiger Sultan. Piep. Oleander Quartz, geboren 24. 4. 1900.
Jonas: 109 Jahre alt, Respekt.
Sam: Oleander Quartz ist Begründer und erster Direktor von Orbis International, Raumstationen und Satelliten en gros.
Jonas: Der Kringelkönig. War mich doch gleich so, als ob ich den Namen kenne.
Sam: Oleander Quartz ist mehrfacher Milliardär, er lebt äußerst zurückgezogen an unbekanntem Wohnsitz. Sein Vorbild ist der historische Industrielle Howard Hughes, Mitte des vorigen Jahrhunderts.
Jonas: Kenn ich, Sam.
Sam: Falls Exzellenz weitere Daten wünschen. Oleander Quartz ist zumindest nominell Mitglied im Club der Milliardäre und im interkontinentalen Jagdclub Halali, ferner.
Jonas: Nicht nötig, Sammy. – Jonas.
Quartz: Oleander Quartz. Ich spreche ungern mit unsichtbaren Partnern. Gehen Sie auf Bildfon.
Jonas: Ich drückte den Knopf, der den Bildfonkanal freigibt. Was Quartz jetzt sah, wußte ich. Einen unausgeschlafenen Mann in den 40ern. Kräftig und altmodisch. Ich mach mir nämlich nichts aus Körpermalerei. Um den Mann herum ein Büroapartment, Kategorie mittel-unten, 22 Quadratmeter. Nicht aufgeräumt natürlich. Auf meinem Bildschirm war nur ein Gesicht. Uralt, mehrfach geliftet und trotzdem faltig, die dünnen weißen Haare waren echt, auch wenn sie ihrem Besitzer auf höchst merkwürdige Weise zu Berge standen. Die grauen Augen wirkten weder echt noch alt. Offensichtlich Neuerwerbungen, gerade erst transplantiert.
Quartz: Sehen Sie mich?
Jonas: Ich sehe Sie, Herr Quartz, Sie sehen mich. Was soll ich für Sie tun?
Quartz: Nicht so schnell, junger Mann. Zuerst ein paar Fragen. Sie haben als Söldneroffizier am antarktischen Krieg teilgenommen?
Jonas: Auf der Verliererseite.
Quartz: Das interessiert mich nicht. Sie sind also militärisch ausgebildet?
Jonas: Ja, aber.
Quartz: Wo?
Jonas: Wollen wir nicht zur Sache kommen?
Quartz: Ich bin bei der Sache. Wo sind Sie ausgebildet worden?
Jonas: Wenn’s denn sein muß. Grundkurs hier in Babylon, und dann zwei Lehrgänge an der Universität von Managua, Kommandotechnik und Taktik der Guerilla. Sonst noch was?
Quartz: Demnach kann man Sie als Experten in allen martialischen Künsten bezeichnen.
Jonas: Wenn Sie es so ausdrücken wollen.
Quartz: Und Sie sind Detektiv. Der letzte Detektiv. So nennen Sie sich. Warum?
Jonas: Warum was?
Quartz: Warum der letzte?
Jonas: Weil`s stimmt. Natürlich gibt’s noch ein paar Leute, die sich Detektiv schimpfen, aber die sind bloß Wächter, Leibwächter, Nachtwächter, Heinzelmännchens Wachtparade. Nichts für Jonas. Ich bin der letzte wirkliche Detektiv. Wenigstens in den Vereinigten Staaten von Europa. Ganz bestimmt in Babylon.
Quartz: Was für ein Stilbruch. Jonas, vielleicht wissen Sie es, Jonas gehört nicht nach Babylon. Jonas gehört nach Ninive.
Jonas: Ha-ha. Hören Sie zu, Herr Quartz, nichts gegen einen kleinen Plausch um Mitternacht, aber vielleicht sagen Sie mir jetzt doch, was Sie von mir wollen.
Quartz: Meine Sekretärin, meine Privatsekretärin, Linda Lorant.
Jonas: Ich höre.
Quartz: Sie ist seit zwei Tagen verschwunden.
Jonas: Ach was.
Quartz: Sie hat sich nicht bei mir gemeldet, und in ihrem Apartment ist sie auch nicht.
Jonas: Die klassische Frage, Herr Quartz, warum gehen Sie nicht zur Polizei?
Quartz: Die klassische Antwort: Es handelt sich um einen besonderen Fall.
Jonas: Was Sie nicht sagen.
Quartz: Mit Linda sind Daten verschwunden. Daten, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Vertrauliches Material für meine Memoiren.
Jonas: Erpressung?
Quartz: Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Auf jeden Fall will ich die Daten zurück haben. Sie, Jonas, werden sie suchen und finden, natürlich.
Jonas: Im Prinzip ja, Herr Quartz. Aber vorläufig sind Sie für mich nur ein Gesicht auf dem Bildfon.
Quartz: Rufen Sie Ihr Konto ab. Nummer 27 27 41 B, Bank von Babylon.
Jonas: Sie sind gut informiert, Herr Quartz. Sam?
Sam: Der Kontostand euer Hoheit beträgt zur Zeit genau 1240 Euros und 13 Cents.
Quartz: Vor einer halben Stunde hatten Sie nur 240 Euros, 13 Cents. Die 1000 sind von mir. Vorschuß.
Jonas: Ich kriege 80 Euros pro Tag, und Spesen.
Quartz: Ich zahle das Doppelte. Dafür erwarte ich, daß Sie unauffällig vorgehen. Und Ihr Bestes geben, versteht sich. Die Informationen, die sich brauchen, Bild, Bürgernummer, Wohnung etc, lasse ich Ihrem Computer einspielen. Ihren ersten Bericht erstatten Sie heute Abend.
Jonas: Wie kann ich Sie erreichen?
Quartz: Ich rufe Sie an.
Jonas: 1000 Euros. Nicht schlecht. Ein warmer Regen auf den heißen Stein. Aber wieso man zum Sekretärinnen-Suchen martialische Künste brauchte, war mir nicht so recht klar. Egal. Am nächsten Morgen rief ich Judith an. Judith ist meine z.B., meine zeitweilige Beziehung. Vielleicht wird mal eine D.P. daraus, eine Dauerpartnerschaft. Sie sehen, Jonas ist zurückgeblieben. Der älteste Hut: Eine Frau und ein Mann. Kein Dreieck, keine Gruppe oder so was. Judith ist nicht nur meine z.B., sie hat auch eine höhere Position im Ministerium für Statistik und Soziographie. Insofern kann ich ganz zwanglos das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.
Jonas: Ich seh dir in die Augen, Kleines.
Judith: Diese verrückte Welt. Was wird noch alles passieren. Sehen wir uns heute Abend?
Jonas: Ich plane nie soweit voraus.
Jonas: Wir sind beide Nostalgiker. Unsere Zeit ist die Mitte des 20. Jahrhunderts. Eine wilde, eine aufregende Zeit. Die Zeit von Philip Marlowe und Humphrey Bogart, und von Ingrid Bergman, nicht zu vergessen. Bißchen Casablanca-Turtel muß sein. Aber dann kam ich zur Sache, und sagte Judith, was ich von ihr wollte. Ein Persönlichkeitsprofil von Linda Lorant.
Judith: Wer ist das?
Jonas: Ein Fall. Ich brauch die Daten für einen Fall.
Judith: Natürlich. Nur für einen Fall?
Jonas: Ach, das, das würde ich nicht sagen.
Judith: Jonas.
Jonas: Doppeltes Honorar, 1000 Euros Vorschuß, da freut sich auch Privatmensch Jonas. Judith, ich glaube, du bist eifersüchtig.
Judith: Unsinn.
Sam: Eifersucht. Antiquierter Begriff für einen antiquierten Gemütszustand. Ungebräuchlich seit der Jahrtausendwende.
Judith: Du hältst dich raus, Sam.
Sam: Obzwar ein Computer per definitionem lediglich gehalten und verpflichtet ist, den Anordnungen seines rechtmäßigen Herrn und Meisters zu folgen, siehe Gebrauchsanleitung, Seite 6 folgende, will Sam als Kavalier sich der Bitte der hohen Frau nicht verschließen und…
Jonas: Sammy, halt die Klappe.
Sam: Befehl, Klappe halten.
Judith: Falls du jetzt ein bißchen Zeit für mich hast, Jonas, hier sind die Daten: Linda Lorant, Bürgernummer…
Jonas: Ist bekannt. Wohnung auch.
Judith: 40 Jahre alt, Sekretärin, völlig alleinstehend, keine Beziehung, keine Partnerschaft. Magister Artium Kommunikationstechnik, ehemals europäische Hochschulmeisterin im Siebenkampf, schwarzer Gürtel Karate, keinerlei Interesse an Holovision und sonstigen kulturellen Aktivitäten. Hobby: Einzelwandern in Island, Zentralaustralien, Wüste Gobi. Reicht das?
Jonas: Danke Judith. Sehen wir uns?
Judith: Wenn dein Fall dir Zeit läßt, und dein geliebter Blech-Professor nichts dagegen hat. Ruf mich an.
Sam: Wie ich anzumerken bereits Gelegenheit hatte, ist Eifersucht.
Jonas: Eine Sache, die dich nicht das Geringste angehrt. Kümmere dich um unseren Fall. Reden ist Silber, denken ist Gold. Na, was ist, Sammy?
Sam: Ich denke, o unauslotbare Erhabenheit, wie es mein Herr mir befahl.
Jonas: Sehr schön, Sam. Und was denkst du?
Sam: Ich denke, o du mein ein und alles, eine tüchtige Person, diese Linda Lorant. Sportlich.
Jonas: Was du nicht sagst. Da wäre ich ohne dich nie draufgekommen.
Sam: Man könnte auch sagen: martialisch.
Jonas: Aha. Und? Was schließt du daraus?
Sam: Aufgrund unzureichender Daten sieht Sam sich zu Folgerungen vorerst nicht in der Lage.
Jonas: Also Schluß mit der Spekulation. Beinarbeit ist angezeigt. Sehen wir uns das Apartment der Dame mal von innen an.
Sam: Ein Vorschlag, o Retter der Witwen und Waisen, welcher Sams volle Zustimmung findet.
Jonas: Quartz zahlte. Deshalb konnte ich es mir leisten, fremde Beine für mich arbeiten zu lassen. Ein Rikscha-Kuli strampelte sich ab, und nach einer guten halben Stunde war ich da, im Westen. Nicht weit vom Markgrafenboulevard. Hier roch es nach Geld. Nicht nach abgegriffenen 10-Euroscheinen, sondern nach den allerbesten Aktien. Und nach Schecks mit vielen Nullen. Linda Lorant wohnte im Turm zu Babel. 40 Stockwerke, 4000 Apartments. Und der Turm war gut bewacht. Ein grimmiger Drache gleich neben der Tür in der Eingangshalle, ein zweiter weiter hinten, vor einer Konsole von Monitoren. Auf den ersten Blick war da nur mit Gewalt was zu machen. An sich kein Problem für Jonas, wenn sich Quartz nicht jedes Aufsehen verbeten hätte. Und der Auftraggeber hat grundsätzlich immer recht. Also erst mal in eine nahe Bar, um mit Sam Rat zu pflegen. Mit Sam zwo natürlich, der drahtlosen Extension in Taschenausführung.
Automatenstimme: Ihr Synth-Brandy, mein Herr oder meine Dame. Der Rechnungsbetrag wird von Ihrem Konto abgebucht. Vielen Dank.
Jonas: Wuäh.
Sam: Voll im Aroma, herrlich im Geschmack, Synth-Brandy, edler als Cognac.
Jonas: Du glaubst auch alles, Sammy, zur Sache, wie kommen wir in Linda Lorants Apartment?
Sam: Das, hochzuverehrender älterer Bruder, ist eine schwierige Frage.
Jonas: Denk dir was aus. Wer von uns beiden ist denn der Computer?
Sam: Könnten Hoheit nicht eines Apartments bedürftig sein?
Jonas: Wieso? Ach so. Gar nicht schlecht, Sammy, gar nicht schlecht. Wem gehört der Turm zu Babel?
Sam: Der TuBa. Turmbau-zu-Babel GmbH.
Jonas: Sieh dir die Angebotstafel durch. Wir brauchen ein leer stehendes Apartment im, äh, wo wohnt die Dame Lorant?
Sam: Ich achten Stockwerk, o Sonne meiner Seele. Apartment 813.
Jonas: Also möglichst im 8. Stock. Oder in der Nähe.
Sam: 713 ist zu haben, Chef.
Jonas: Direkt darunter. Besser geht’s doch nicht. Telefon!
Automatenstimme: Bitte sehr, mein Herr oder meine Dame. Wünschen Sie auch Bildfon?
Jonas: Nicht nötig.
Automatenstimme: Schieben Sie die rechte Hälfte ihrer Kontokarte in den Schlitz vorn am Gerät. Der Betrag wird abgebucht. Danke sehr.
Jonas: Über Telefon verkündete ich dem Oberwächter im Turm, ich sei die TuBa und würde in Kürze einen Interessenten für Apartment 713 rüberschicken. Einen gewissen Herrn Jonas.
Jonas: So, damit sind wir erst mal drin.
Sam: Und dann, wenn Hoheit die Frage gestatten?
Jonas: Wird sich ergeben, Sammy. Ein schlauer Mensch hat mal gesagt, man soll den zweiten Schritt nicht vor dem ersten tun.
Sam: Es steht aber auch geschrieben, Sahib, der kluge Mann baut vor.
Jonas: Frisch gewagt ist halb gewonnen.
Sam: Erst wägen, dann wagen.
Jonas: Er muß eben immer das letzte Wort haben, der gute Sam. Im Turm lief alles wie am Schnürchen. Der mietlustige Herr Jonas wurde von einem der Drachen in den 7. Stock gefahren, und sah sich das freie Apartment an.
Jonas: Ja, recht hübsch.
1. Wächter: 40 Quadratmeter. Berechtigungsschein für diese Wohnraumklasse haben Sie doch, oder?
Jonas: Mein bester, was für `ne Frage. Selbstverständlich besitze ich den Wohnberechtigungsschein. Tja, recht hübsch, wie gesagt. Äh, lassen Sie mich ein paar Minuten allein, ja? Ich, ich muß die Atmosphäre auf mich wirken lassen. Aura. Vibration. Wenn Sie verstehen, was ich meine.
1. Wächter: Das ist eigentlich nicht gestattet.
Jonas: Und uneigentlich? 10 Euros?
1. Wächter: Alles klar. Und melden Sie sich über Hausfon, wenn Sie fertig sind, ja?
Jonas: Ich gab ihm drei Minuten, und machte mich dann auf in den Keller. Über die Treppe. Todsicher. Im Turm zu Babel sind Treppen nur Kunst am Bau. Im Keller stand, wie ich erwartet hatte, das Herzstück der elektronischen Überwachungsanlage. Ein massiver Steuercomputer.
Sam: Hä hä hä hä. Uraltes Modell. Mit so was spricht unser einer überhaupt nicht.
Jonas: Wird dir gar nichts anderes übrig bleiben, Sammy. Wie willst du den alten Kasten außer Gefecht setzen, ohne Interface. Und außer Gefecht setzen müssen wir ihn.
Sam: Ohne jeden Zweifel, Herr Kapellmeister. Ein schwieriges Unterfangen. Was die Sicherung der Fenster betrifft, muß ich mich als gänzlich machtlos bekennen.
Jonas: Machtlos? Wie das, o du mein elektronischer Alleskönner?
Sam: Es handelt sich, o du vor allen Computern preiswürdiger Menschenverstand, um ein elektrisch-mechanisches System. Eine echte Antiquität aus dem mittleren 20. Jahrhundert.
Jonas: Und da kannst du gar nichts machen, Sam?
Sam: Kein Stück, Boss. Andererseits die TV-Kameras an den Eingangstüren der bewohnten Apartments ließen sich mit Leichtigkeit ausschalten.
Jonas: Ah, du willst der Kamera vor Apartment 813 ein Standbild einspielen, nehme ich an.
Sam: Ausgezeichnet, hochwertiger Chef, aber nicht ganz korrekt. Ich beabsichtige, das nunmehr gezeigte Bild, auf welchem die geschlossene Tür, und nur die geschlossene Tür zu sehen ist, für eine gewisse Zeit festzuhalten. Eine halbe Stunde. Wäre dies dem Herrn genehm?
Jonas: Die Treppen rauf, im Geschwindschritt, ganz schön anstrengend die Detektiverei, Türschloß knacken, Kleinigkeit, umsehen. 813 war ein ganz normales 40-Quadratmeter-Apartment. Ordentlich, aufgeräumt. Ein Zimmer, Bad, Kochkonsole, Echtholzmöbel, Servicetextgerät, Bildfon, Holoset.
Jonas: Moment mal, Holoset. Da war doch was.
Sam: Laut Persönlichkeitsprofil, beigesteuert von meines großen Meisters menschlicher Gefährtin, pflegt die Bewohnerin dieses Apartments sich den Wonnen der Holovision nicht hinzugeben.
Jonas: Wenn ich den Set anstelle, passiert gar nichts. Und das heißt.
Sam: Der Apparat ist eine Attrappe, o scharfsinnigster aller Detektive.
Jonas: Du merkst auch alles, Sam. Machen wir das Ding mal auf. Was hat ein kluger Detektiv stets bei sich? Nachschlüssel. Paßt nicht. Brecheisen.
Sam: Und seinen Computer. Dürfte dieser, eurer illustren Durchlaucht empfehlen, auf den kleinen roten Hebel rechts unten zu drücken. Auf diesen da, ganz recht.
Jonas: Sieh mal an, ein Tresor. Wertpapiere. Schmuck.
Sam: Interessant, o allerwertester, jedoch kaum das, was wir suchen.
Jonas: Und was suchen wir, Sam?
Sam: Eminenz belieben zu scherzen. Das Herrn Quartz entwendete Material natürlich. Das heißt konkret: Disketten. Kassetten.
Jonas: Sam, hier ist `ne Kassette. Kommando zurück, ist ne leere Hülle.
Sam: Welche aller Wahrscheinlichkeit nach das fragliche Datenmaterial enthalten hat. Linda Lorant hat es mitgenommen, als sie das Apartment verließ.
Jonas: Letzteres offenbar freiwillig. Kein Anzeichen von Gewaltanwendung. Frage: Wohin ist Linda Lorant gegangen?
Sam: Wie ihr Persönlichkeitsprofil zeigt, besitzt sie kein Fahrzeug.
Jonas: Natürlich nicht. Sie ist zwar in der 40-Quadratmeterklasse, aber keine Millionärin.
Sam: Sofern sie nicht zu Fuß ging, muß sie also ein Transportmittel benutzt haben.
Jonas: Eine Rikscha, nehm ich an. Und wie bestellt man eine Rikscha?
Sam: Über Servicetext, o Beherrscher der Gläubigen.
Jonas: Worauf wartest du, Sammy?
Sam: Einschaltung in Speicher von hier befindlichem Servicetextgerät ergibt: Besitzerin hat 3. Juni 2009.
Jonas: Vor zwei Tagen.
Sam: 7 Uhr 30 Rikscha bestellt, Fahrziel: Orbidrom. Abbuchung 11 Euros.
Jonas: Aha. Weißt du, was wir jetzt machen, Sammy?
Sam: Klar, Boß.
Jonas: Was ist das?
Sam: Es klingelt an der Tür, o Gesetzgeber des Weltalls.
Jonas: Weiß ich selbst, ich meine, wer?
Sam: Ein guter Rat, Meister, zur Tür schleichen, horchen.
1. Wächter: Niemand da, gnädige Frau.
Nachbarin: Reden Sie keinen Blech. Ich hab deutlich Geräusche gehört. Und Schritte.
1. Wächter: Wenn Sie das sagen, gnädige Frau. Aufmachen!
Jonas: Das hatte mir gerade noch gefehlt. Ein Wächter, und eine hellhörige Nachbarin. Andererseits, unter höheren, dramaturgischen Gesichtspunkten, war es ja auch mal wieder Zeit für ein bißchen Aktion.
Jonas: Sammy, wir müssen was tun.
Sam: Meine Rede, Chef.
Jonas: Die holen hier nicht die Polizei, Sammy, die nicht. Die nehmen mich selber in die Mangel. Und bei so was kann der Mensch leicht aus dem Fenster fallen, und das im 8. Stock.
Nachbarin: Schließen Sie auf, Mann, Sie haben doch einen Hauptschlüssel.
1. Wächter: Ja schon, aber ich weiß nicht.
Sam: Wo befinden wir uns, o Leuchter der Wissenschaft?
Jonas: Du stellst Fragen, Turm zu Babel, Apartment 813 natürlich.
Sam: Falsch. Wir befinden uns im Apartment 713. Offiziell. Ein kurzer Rutsch.
Jonas: Rutsch?
Sam: Durch den Müllschlucker. Und Hochwürden halten sich dort auf, wo sie sich befinden. Gebe allerdings untertänigst zu bedenken, daß eine gewisse Beschleunigung, mach hin, Mensch, da, neben der Kochkonsole, Klappe auf.
Jonas: Ein Glück, daß ich nicht Derowolt bin.
Sam: Schi heil.
Jonas: Leicht verschmutzt und ungewöhnlich duftend krabbelte ich ein Stock tiefer aus der Röhre. Keine Sekunde zu früh. Der Drache, der das Apartment oben leer vorgefunden hatte, tauchte plötzlich in 713 auf, und wich mir bis ins Foyer nicht mehr von der Seite. O Mißtrauen, wie sehr vergiftest du Frohsinn und Geselligkeit. Goethe. Oder vielleicht doch nur der Parkwächter unter der Hauptwache?
Jonas: Ich gebe Ihnen Bescheid, sobald ich mich entschieden habe.
1. Wächter: Tun Sie das.
2. Wächter: Was war denn los in 813?
1. Wächter: Ach nix. Die Alte spinnt.
2. Wächter: So was kommt vor. Sag mal, du warst doch drin?
1. Wächter: In 813? Klar.
2. Wächter: Wirklich?
1. Wächter: Ja doch.
2. Wächter: Komisch. Du warst nicht auf dem Monitor.
1. Wächter: Ich war nicht auf dem Monitor? Was war denn auf dem Monitor?
2. Wächter: Nichts. Die Tür zu 813, und die Tür war zu die ganze Zeit.
1. Wächter: Da muß einer an der Elektronik rumgefummelt haben.
2. Wächter: War jemand im Haus? Sie da! Hallo!
Jonas: Jetzt wurde es ungemütlich. Ich legte einen Zahn zu, machte einen großen Schritt durch die Tür auf die Straße. Und da hatte ich es noch eiliger.
2. Wächter: Halt! Bleiben Sie stehen!
Jonas: In der martialischen Kunst des geordneten taktischen Rückzugs ist Jonas kaum zu schlagen. Ein paar geschickte Ausweichmanöver um zwei oder drei Ecken, und ich war in Sicherheit. Nächste Station: natürlich das Orbidrom. Der Raketenport von Babylon. Außerhalb der Stadt. Über einen öffentlichen Terminal ließ ich mir von Sam eins Linda Lorants Bild überspielen. Und damit hätte ich, nach dem kleinen Handbuch für Privatdetektive, alle Schalter abklappern sollen. Aber ich hatte so eine Idee, und ging gleich zur Abfertigung von OI, von Orbis International.
Schalterbeamter: O ja, die war hier. Ich erinnere mich.
Jonas: Gutes Gedächtnis haben Sie.
Schalterbeamter: Unmöglich angezogen die Frau. Zugeschnürt bis zum Hals. Und alles in Magenta, ich bitte Sie, trägt doch kein Mensch heutzutage.
Jonas: Und was trug der Mensch heutzutage? Ein Stückchen Leoparden-Fell, Kunststoff natürlich. Große gelbe Kreise auf allen vier Backen, und das blaue Stirnband von Orbis. Der junge Mann am Schalter sah aus wie ein leicht psychedelischer Jonny Weismüller.
Jonas: Wann war das?
Schalterbeamter: Vorgestern. Kurz vor 9. Ich war gerade zum Dienst gekommen.
Jonas: Was hat sie gebucht?
Schalterbeamter: Sie hat überhaupt nicht gebucht. Sie ist gleich durchgegangen zum privaten Sektor. Die Tür hier. Moment. Haben Sie einen Paß?
Jonas: Den könnte ich jederzeit kriegen.
Schalterbeamter: Dann kriegen Sie ihn. Ohne Paß kommen Sie nicht durch.
Jonas: Ich hätte mir einen Paß besorgen können, über Quartz, aber die Sache war auch anders zu klären. Einfacher und vor allem schneller. Wozu hatte ich Sam? Der schaltete sich kurz in die Flugpläne ein, und was dabei rauskam, war dies: In der fraglichen Zeit war nur eine einzige Rakete vom Privatsektor gestartet. 9 Uhr 18. Flugziel: Torus OI 96. Das war’s. Mehr konnte ich vorläufig nicht tun. Ich fuhr zurück nach Hause. Wenn man ein mickriges Büroapartment von 22 Quadratmeter zuhause nennen kann. Am Abend, wie versprochen, meldete sich Quartz über Bildfon.
Quartz: Torus OI 96. So. Eine von meinen Raumstationen. Ich meine, eine Station von Orbis International. Früher Vergnügungsbetrieb. Zoo. Rummel.
Jonas: Und heute?
Quartz: Stillgelegt. Für die Öffentlichkeit gesperrt. Technisch überholt. Wir benutzen den Torus als Speicher und für ein paar unwichtige Büros.
Jonas: Was hat Linda Lorant auf ihrer abgelegten Raumstation zu suchen?
Quartz: Das werden Sie feststellen. Offensichtlich eine Intrige innerhalb der Firma. Jemand will mich ausschalten. Das hat man schon oft versucht, aber nie erreicht. Sie, Jonas, fahren nach oben und sehen für mich nach dem rechten.
Jonas: Warum nicht. Wenn Sie den gesetzlichen Exterra-Zuschlag drauflegen. 50 %.
Quartz: Ich sorge dafür, daß man Sie im Orbidrom passieren läßt, und daß eine Kurzstreckenrakete für Sie bereitgehalten wird. Viel Erfolg und Waidmanns Heil.
Jonas: Waidmanns Dank. Bevor ich wieder zum Orbidrom rausfuhr, tauschte ich Sam zwo noch fix ein gegen ein spezial Exterra-Funkgerät im Kleinformat. Was wäre Jonas auch im Weltraum ohne seinen Freund und Helfer. Wie üblich verabredete ich mit Sam Notsignale und Random-Frequenzwechsel. Merksatz Nummer 1 für Detektive und solche, die es werden wollen: Man kann nie wissen.
Pilotin: 10,9,8,7,6,5,4,3,2,1, zero.
Jonas: Eine Spritztour. Torus OI 96 war nur rund 4000 km hoch. Erst zu viel Schwerkraft, dann zu wenig. Kenn ich. War oft genug draußen. Keine schlechte Pilotin, die Quartz bzw. Orbis mir zugeteilt hatte. Unser Landekontakt war so sanft wie Judiths Lächeln. Dann die übliche Warterei. Bis das Vakuum in der Landezone durch Atmosphäre ersetzt war.
Jonas: Haben Sie vorgestern eine Frau hier her geflogen. 40. Nicht gerade modisch angezogen?
Pilotin: Ja.
Jonas: Haben Sie sie auch wieder abgeholt?
Pilotin: Nein, keine Anweisung.
Jonas: Anweisung? Von wem?
Pilotin: Tragen Sie eine Feuerwaffe? Laserstrahler? Ballistische Pistole?
Jonas: Letzteres. Eine Smith & Wesson Detective Special.
Pilotin: Abliefern.
Jonas: Mein Gott, ist doch keine Waffe, eher eine Antiquität. Ein Maskottchen.
Pilotin: Eiserne Regel. Die Toruswände könnten beschädigt werden. Sie wollen sich doch wohl nicht selbst vakuumisieren. Abliefern. Danke. Sie können aussteigen.
Jonas: Durch die Landeklappe stieg ich in die Luftschleuse des Torus. Da fühle ich mich, ehrlich gesagt, immer ein bißchen unsicher. Das unendliche Vakuum des Weltalls ist ungeheuer nah, und wer weiß schon, wie gut die Ventile schließen. Deshalb beeilte ich mich, durch die zweite Klappe zu kommen. Ich war in einem großen runden Raum. Unten, in der Nabe des Torus. Sie wissen doch, wie eine Raumstation in Torusform aussieht. Richtig. Wie ein Rad. An einer Rikscha zum Beispiel. Ein Rad mit einem Schlauch außen rundherum. Mit einer Nabe in der Mitte und mit vier Speichen zwischen Nabe und Schlauch. Die ganze Geschichte hatte einen Durchmesser von gut 3 km, und drehte sich zweimal pro Minute um sich selbst. Dadurch herrschte im Schlauch fast die gleiche Schwerkraft wie auf der Erde, und in der Nabe, na? Natürlich Schwerelosigkeit. Soviel zur Verdeutlichung. Zurück zu Jonas. Unten in der Nabe von Torus OI 96. Frisch gelandet und begierig, Sam zu kontakten.
Sam: Haben eure Großmächtigkeit eine angenehme Reise gehabt? Unbehelligt von der bösen Raumkrankheit? Und wie kommen Ehrwürden mit der Schwerelosigkeit zurecht?
Jonas: Danke der Nachfrage, Sammy, ganz ausgezeichnet. Hoppla. Himmel All und saurer Regen. Das verflixte Funkgerät hat sich selbständig gemacht. So. Also, Sam, ich such mir jetzt ne Speiche, und geh vor zum Schlauch. Da wird sie stecken, diese Linda Lorant.
Sam: Wo sonst, o leuchtendes Muster an Tiefsinn.
Jonas: Du gehst jetzt über auf 1. Notfrequenz, Sam.
Sam: Mein Meister befürchtet Gefahren?
Jonas: Durchaus möglich, aber ich werde schon durchkommen. Mit meinen martialischen Künsten.
Sam: Martialische Künste. Wenn Sam doch nur aufgehen würde, welch geheimnisvolle Rolle sie in vorliegendem Fall spielen.
Jonas: Wird sich zeigen, Sammy, wird sich zeigen. Auf geht’s.
Sam: Over and out.
Jonas: Ich schwebte durch die Torusnabe, nach oben oder unten, ganz wie Sie wollen, bis zur Mitte, und da gingen die vier Speichen ab. Frage: Welche war die richtige. Antwort: Die mit dem Schild zu den Büros. Da schwebte ich rein. Von jetzt an ging’s vertikal weiter. Allmählich nahm die Schwerkraft zu. Ich ließ das Schweben sein, verlegte mich aufs Springen, dann aufs Laufen, kam ans Ende zu einer Tür, machte sie auf, trat durch, machte sie hinter mir zu. Und stand da wie angewurzelt. Klimperte mit den Augen und kniff mich in den Arm. Das waren doch keine Büros.
Jonas: Ich glaub, ich steh im Wald.
Jonas: Erster Reflex, zurück zur Tür, aber die war zu, und ging nicht mehr auf. Ob ich wollte oder nicht, ich war und blieb im Wald. Was heißt Wald. Ich stand im Dschungel. Wenigstens mit einem Bein, dem rechten. Links war Steppe. Rechts wucherte ein tropischer Regenwald. Lianen, Palmen und was sonst noch dazu gehört. Erstaunlich, was man in einem Schlauch von nicht mehr als 30 Meter Durchmesser so hinkriegen kann. Durch große Fenster und Sonnenreflektoren. Ein Treibhaus, ein Tropenparadies, mit Jonas als Adam. Von Eva war leider nichts zu sehen, und von der Schlange auch nicht. Noch nicht. Statt dessen meldete sich eine andere wichtige Persönlichkeit.
Quartz: Willkommen auf Safari, Jonas.
Jonas: Wer ist das?
Quartz: Hier spricht Gott.
Jonas: Kann ich mir nicht vorstellen.
Quartz: Erkennen Sie meine Stimme?
Jonas: Ich glaub, mein Computer piept. Quartz.
Quartz: Gutes Ohr, Jonas. Wenn der Rest auch so präzis funktioniert. Ich bin übrigens tatsächlich Gott. Der Gott dieses Torus, dieser meiner Welt. Ich habe ihr den Namen gegeben, Safari. Schon früher, als sie noch exterristiale Belustigungsstation war. Eine glorifizierte Schießbude für brave Bürger, die Nimrods spielen und wilde Tiere schießen wollten. Ohne Risiko. Sie wußten, die Bestien waren nur Robots. Täuschend ähnliche Repliken, aber ganz und gar ungefährlich. Das ist jetzt anders. Ich habe gewisse Umprogrammierungen vornehmen lassen. Diese Wesen, mein lieber Jonas, sind nun mindestens so gefährlich wie ihre ausgestorbenen Vorbilder. Ich bin gespannt, wie Sie sich gegen sie halten werden.
Jonas: Ich? Danke bestens, kein Interesse. Deshalb bin ich nicht hier. Haben Sie’s vergessen? Ihre Sekretärin?
Quartz: Hahahahaha.
Jonas: Und da, bißchen spät, muß ich zugeben, ging mir ein Licht auf. Ein ganzer Kronleuchter. Und die Schuppen fielen mir wie ein Wasserfall von den Augen.
Quartz: Ach, Sie sind endlich dahinter gekommen. Der Auftrag war eine Finte. Ich habe Spuren ausgelegt, um Sie, Jonas, nach Safari zu bringen. Und da sind Sie nun.
Jonas: Nicht zu bestreiten. Linda Lorant gibt es also nicht.
Quartz: O doch. Nur die Geheimdaten sind nicht existent. Die Lorant habe ich hierher gelockt, wie Sie. Sie hat mir ein paar Stunden guten Sport verschafft. Tüchtige Frau. Sie, Jonas, werden es hoffentlich noch besser machen.
Jonas: Was haben Sie mit mir vor?
Quartz: Ich jage, Jonas. Ich habe auf der Erde gejagt, solange es dort noch jagdbares Wild gab. Dann hier, die Robots. Aber das geht nicht mehr. Ich bin immobil. Eine Sammlung von Transplanten. Die Medizin hat Grenzen, selbst für Milliardäre. Heute jage ich indirekt. Ich habe Safari überholt und ausgebaut. Überall Mikrophon, Lautsprecher, Kameras. An meiner Konsole, vor meinen Monitoren, bin ich dabei. Jede Sekunde auf jedem Meter. Wenn meine Robokiller ihre Opfer durch den Dschungel hetzen.
Jonas: Menschenjagd?
Quartz: Der Mensch ist das edelste Wild. Das gefährlichste. Beiläufig auch das einzig noch existierende Wild.
Jonas: Ich mißgönne ja keinem sei Hobby. Aber warum wollen Sie ausgerechnet mich jagen: Haben Sie was gegen mich?
Quartz: Ja, das auch. Ich hege Groll gegen Sie.
Jonas: Wie haben noch nie was miteinander zu tun gehabt.
Quartz: Sagen Sie das nicht. Ich bin Sponsor, bedeutender Sponsor von ZIP, dem Zentralinstitut für Populationsforschung.
Jonas: Der Testmarktfall vor 3 Monaten.
Quartz: Ganz recht. Aus überholten moralischen Motiven haben Sie, Jonas, ein hochinteressantes Programm gestoppt. Ein Programm, das gewisse Aussichten hatte, der Überbevölkerung Einhalt zu gebieten. Mein eigentlicher Grund ist jedoch ein anderer. Sie sind ein würdiges Jagdwild, Jonas.
Jonas: Ich verstehe. Die martialischen Künste.
Quartz: In der Tat. Sie zu jagen, wird es, da bin ich sicher, ein sportlicher Hoch-Genuß sein. Und eine Ehre. Für mich und für Sie.
Jonas: Danke. Auf die Ehre würde ich gerne verzichten. Wie soll ich mich gegen ihre Killer wehren? Mit bloßen Händen?
Quartz: Ich bitte Sie, das wäre nicht waidmännisch. Ihre Ausrüstung finden Sie hinter der Palme rechts von Ihnen. Da, dort.
Jonas: Pfeile und Bogen, Speere. Ein Messer. Das ist alles?
Quartz: Reicht es Ihnen nicht?
Jonas: Nehmen wir einmal an, ich werde mit ihren Robokillern fertig. Was passiert dann?
Quartz: Dann werde ich höher programmierte Jäger auf Sie ansetzen.
Jonas: Ich habe also keine Chance.
Quartz: Genug geredet. Jetzt werde ich sehen, wie sich Jonas, der Detektiv, Jonas, der Jäger, als Gejagter hält. Halali, die Jagd beginnt.
Jonas: Ein Löwe kam näher. Ich versteckte mich, und rief Sam über Funk. Aber das habe ich ja schon erzählt. Die Riesenschlange, die sich dann unangenehm bemerkbar machte, wollte ich kunstgerecht tranchieren, aber das Messer ging glatt durch. Das Vieh war überhaupt nicht vorhanden.
Quartz: Ein Hologramm, Jonas. Ein Hologramm, wie auch andere meiner Tiere. Aber nicht alle. Einige sind höchst real. Sie werden es feststellen. Sofern Sie noch dazu kommen, wenn ein Robokiller Sie in den Klauen hat.
Jonas: Also nahm ich jedes einzelne Biest ernst. Notgedrungen. Es war ein richtiges Gedrängel. Löwen, Tiger, Leoparden, Schlagen, Skorpione, was weiß ich noch alles. Zwischendurch informierte ich Sam über die Lage, so gut es ging. Und der zerbrach sich für mich den Kopf, den er nicht hatte. Zwei Stunden später war ich müde. Die Pfeile gingen zur Neige, die Speere desgleichen. Aber Jonas lebte noch, und die Robokiller waren funktionsunfähig. Das alles stimmte Herrn Quartz nicht eben froh.
Quartz: Gratuliere. Sie haben sich gut gehalten. Besser als erwartet. Vermutlich lassen Sie sich über Funk von Ihrem Computer beraten. Interessanter Random-Frequenzwechsel. Leider habe ich nicht die Zeit, ihn aufzuschlüsseln.
Jonas: Sie sind eben zu sehr mit Ihren Spielzeugen beschäftigt.
Quartz: Beschleunigen wir die Sache. Es ist Zeit, die Wilden zu aktivieren. So nenne ich meine Robokiller in menschlicher Gestalt. Mit einem wesentlich höher programmierten Reflex und Aggressionsverhalten. Dagegen wird auch ihr Computer machtlos sein. Sie waren gut, Jonas, aber einmal muß ein Ende gemacht werden. Vorher gebe ich Ihnen eine Pause von, sagen wir, einer halben Stunde. Ich bin kein Unmensch.
Jonas: Das sah ich anders. Aber danach fragte er mich nicht. Pause also. Ich ließ mich fallen, wo ich gerade stand. In der Steppe. Am Fuß eines Kilimandscharo im Miniformat. Das war eine Anhäufung von Erde am Rand des Schlauchs. Weiter geführt durch einen gemalten Schneegipfel. Ganz hübsch. Allerdings hatte ich kaum Augen dafür. Ich fühlte mich so einsam wie Jonas im Walfischbauch. Nur daß ich das Gefressenwerden noch vor mir hatte. Wie sollte ich hier rauskommen? Vielleicht hatte Sam eine Idee.
Sam: Es gibt nur eine einzige Möglichkeit. Mein Herr und Meister muß versuchen, an Quartz selbst heranzukommen und ihn auszuschalten.
Jonas: Dazu müßte ich erst mal wissen, wo er steckt.
Sam: Natürlich im Torus, o Rächer der Enterbten.
Jonas: Klar, aber wo im Torus?
Sam: Nicht im Schlauch.
Jonas: Da hätte ich ihn schon gefunden. Moment mal Sammy. Quartzens Kopf im Bildfon. Diese komisch gesträubten Haare. Schwerelosigkeit.
Sam: Herr Quartz befindet sich in der Nabe des Torus.
Jonas: Und zwar oben. Unten ist die Landezone.
Sam: Ein vielfältig erneuerter Mensch wie Herr Quartz fühlt sich zweifellos wohl im schwerelosen Zustand. Herz und Kreislauf werden weniger belastet…
Jonas: Hör mal, für medizinische Vorlesungen haben wir jetzt keine Zeit. Sag mir lieber, wie ich den Kerl zu fassen kriege. Durch die Speichen?
Sam: Vorsicht, Volksgenosse, Feind hört mit.
Jonas: Keine Angst, Sam, ich sitz auf dem Mikro. Also, Speichen gehen nicht, die Türen sind fest zu und werden bestimmt elektronisch überwacht.
Sam: Die Erfahrung lehrt uns, o überirdischer Bodhisattva, es gibt immer und überall eine Hintertür. Bei Dysfunktion des Schaltzentrums, um notwendige Außenreparatu-ren durchzuführen muß es möglich sein, den Schlauch des Torus auf direktem Wege zu verlassen. An irgendeiner Stelle der Außenwand befindet sich ein Notausgang.
Jonas: Wo, Sam, wo?
Sam: Ohne Frage ist er versteckt. Vermutlich in einer Erdaufschüttung.
Jonas: An der Außenwand gibt’s nur eine Erdaufschüttung. Hier, wo ich sitze. Den Kilimandscharo.
Jonas: Und am Kilimandscharo sollte sie sein, die Hintertür. Sam rechnete sie aus. Über Größe, Drehmoment, dieses und jenes. Und Sam hat sich noch nie verrechnet. Ich wollte gleich los, aber.
Sam: Stop. Möge der hochwürdige Vater Abt bedenken, daß Quartz die Möglichkeit hat, ihn zu beobachten. Wieviel Kameras sind in Sichtweite?
Jonas: Da, und da, und da ist auch noch eine. Drei.
Sam: Drei. Und über wie viele Pfeile verfügt mein Meister?
Jonas: Ein, zwei, leider nur drei, Sammy.
Sam: Drei Pfeile, drei Kameras, ausgezeichnet.
Jonas: Das sagst du so leicht dahin. Was ist, wenn ich daneben schieße?
Sam: Dann, alter Freund, bist du eine Leiche.
Jonas: Naja. Von der Seite her gesehen.
Jonas: Ich zielte wie ein Weltmeister, und setzte die drei Kameras, die meine Sektion überwachten, mit drei Schüssen außer Gefecht. Auch diesmal hatte Sam sich nicht verrechnet. Ich fand den Notausgang genau da, wo er sein sollte. An der Bergwand, unter einem Busch. Innen ging links eine zweite Tür ab, zur Luftschleuse. Rechts hingen Raumanzüge und diverses Werkzeug. Ich lieh mir einen Lasercutter und eine Rückstoßpistole aus, stieg schneller als je zuvor in einen Raumanzug, machte das Funkgerät im Helm fest, dann 5 Minuten Luftschleuse, und ich war draußen. Erste Weltraumaktivität von Jonas: Ich befestigte die riesenlange Nylonleine des Anzugs an einem Außenhaken. Schließlich wollte ich nicht von nun an bis in Ewigkeit als neue Raumstation die Erde umkreisen. So. Was nun?
Sam: Gestatten Majestät einen guten Rat.
Jonas: Wozu hab ich dich denn, Sammy. Schieß los.
Sam: Zuförderst sollten dero Großmächtigkeit darauf achten, stets außer Sicht des Herrn Quartz zu bleiben, welcher sich wie bekannt im oberen Teil der Torusnabe befindet.
Jonas: Und so langsam mißtrauisch werden dürfte.
Sam: Hoheit täten gut daran, sich von der Nabe her betrachtet, hinter der Schlauchwand zu halten, sich mittels der Rückstoßpistole zur nächstgelegenen Speiche vorzuarbeiten, und dann über der Speiche bis in die Mitte zur Nabe.
Jonas: OK, Sammy, es geht los. Heil, Safari.
Sam: Oder auch Waidmanns Heil.
Jonas: An der Nabe pirschte ich mich mit Halali nach oben. Selber jagen macht viel mehr Spaß als gejagt werden. Die Nabe war oben abgeschlossen durch eine Halbkugel mit umlaufendem Fenster. Ich zog mich hoch, vorsichtig, ganz vorsichtig, und linste nach innen. Ja, das war der Kontrollraum. Und da.
Jonas: Da ist Quartz.
Sam: Wo hätte er sich wohl auch sonst befinden sollen, o größter Schnüffler aller Zeiten?
Jonas: Da hockt er, wie, wie…
Sam: Wie die Spinne im Netz.
Jonas: Eher wie ein Ochsenfrosch im Teich. Um ihn herum seine Jagdausrüstung. Monitore. Hebel. Schalter. Schläuche. Drähte.
Sam: Was tut er?
Jonas: Er ist nervös. Er drückt auf irgendwelche Knöpfe.
Sam: Er ahnt, was ihm bevorsteht, euer Lordschaft.
Jonas: Und gleich wird er es ganz genau wissen. Operation Safari letzter Teil. Aktion.
Sam: Es geht ein rechter Lasercutter durch Metall als wie durch Batter. Butter.
Jonas: O Sam.
Jonas: Als er das Zischen an der Wand hörte, da war Quartz klar, was sich abspielte. Aber jetzt war es zu spät. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf den Laserstrahl und auf das immer größer werdende Loch in der Wand. Die Atmosphäre verschwand zischend in den Raum, Vakuum breitete sich aus, Quartz schwoll an, wurde immer unförmiger, Blut spritze aus seinen Poren, sein Kopf war ein gigantischer roter Luftballon, und dann, dann platzte er, und was an ihm Blut, Fett, Muskelfleisch war, explodierte in den Kontrollraum und an mir vorbei in den kalten Kosmos. Ein Stahlgerüst, diverse Einbauteile, und ein paar Knochen, das war alles, was übrig blieb vom großen Gott der Safaristation.
Jonas: Wie sagt man am Ende der Jagd, Sam?
Sam: Jagd vorbei, Halali, o Wonne des Weltalls.
Jonas: Genau. Also Jagd vorbei. Und von mir aus auch Halali.
Sam: Was ist das Leben des Menschen?
Jonas: Berechtigte Frage, Sammy.
Sam: Nichts anderes denn ein Traum, ein Schatten, ein Tropfen Tau, der in der Sonne vergeht.
Jonas: Die Rakete lag noch am Landeplatz. Ich ließ mich zur Erde zurückbringen. Unten erstattete ich gleich Anzeige, aber das hätte ich mir sparen können. Orbis International, das zeigte sich später, war mächtig genug, die Angelegenheit unter den Teppich zu kehren. Vom Apartment aus rief ich Judith an. Ich hatte so ne Idee, daß sie mir beim Lecken meiner Wunden helfen könnte. Judith war nicht da. Mir blieb nur Sam. Nichts gegen Sam, aber Judith ist er nicht.
Sam: Ökonomisch betrachtet, o vielvermögender Hauptabteilungsleiter, empfiehlt es sich für einen Detektiv nicht, seinen Auftraggeber zu vakuumisieren.
Jonas: Ein wahres Wort, Sam. Was habe ich von der Sache gehabt? Ein Ausflug im Raum, ein paar Stunden Angst und Hetze, Kratzer und Schrammen, ein schauderhaftes Bild, das ich nicht so schnell vergessen werde.
Sam: Und 1000 Euros.
Jonas: Was?
Sam: Der Kontostand meines Herrn beträgt zur Stunde 1162 Euros, 9 Cents. Herr Quartz hatte Vorschuß gezahlt.
Jonas: Richtig, hatte er. Ganz vergessen. Wie schön. Das Leben sah gleich besser aus. Immer noch grau, zugegeben, nicht rosig, aber doch mit einem kleinen Goldrand am Horizont.
Jonas: Immerhin.
Sam: Halleluja, Harekrischna. Amen.
Jonas: Du sagst es, Sammy.
Das war Safari. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus. Sein Supercomputer Sam war Joachim Wichmann. Es wirkten außerdem mit: Karin Anselm, Wolfgang Büttner, und viele andere (Christoph Lindert, Detlef Kügow, Hans Stetter, Ute Mora, Michael Lenz, Irmhild Wagner). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Heiner Schmidt. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1984). Redaktion: Dieter Hasselblatt und Erwin Weigel.
Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Testmarkt
Jonas: Sie war ein paar Jahre jünger als ich. Um die 35. Dunkles Haar, dunkle Augen, eine wohlgefällige Figur. In einem von diesen weißen Overalls, die nach gar nichts aussehen, und mehr kosten, als ein Detektiv im Monat verdient. In der 40-Quadratmeterklasse, schätzte ich. Auf dem Klientenstuhl in meinem Büro plus Apartment, 22 Quadratmeter und ein paar Zerquetschte, wirkte sie wie ein aufgeblühter Kirschzweig in einer alten Bierflasche. Ich bin sentimental. Ich mag Kirschblüten.
Judith: Mein Name ist Delgado. Judith Delgado.
Jonas: Judith. Das gefällt mir. Ein Mensch, dessen Name mit J anfängt, kann nicht ganz schlecht sein.
Jonas: Ich heiße Jonas. Nur Jonas. Wie der Typ mit dem Walfisch in der Bibel. Viele Leute wundern sich darüber, daß ich nur einen Namen habe. Ich weiß nicht, warum. Ich meine, besser ein guter Name als drei miese.
Judith: Ich kann es nicht glauben. Onkel Adrian hätte so was nie gemacht.
Jonas: Was?
Judith: Selbstmord. Ich versteh das nicht.
Jonas: Sagen sie alle.
Judith: Bitte?
Jonas: Sagen sie alle, wenn der liebwerte Anverwandte endlich freiwillig die Kurve kratzt, weil sich kein Aas um ihn gekümmert hat.
Judith: Ihr Ton gefällt mir nicht.
Jonas: Sam?
Sam: 243, o Herr und Meister.
Judith: 243?
Jonas: Sam führt `ne Liste. Von Leuten, die mir sagen, ihr Ton gefällt mir nicht. Sie sind Nummer 243.
Judith: Ich habe mich um Onkel Adrian gekümmert. Und ich bin ganz sicher, er hat sich nicht umgebracht.
Jonas: Das sagen Sie. Und was steht auf dem Totenschein? Name?
Judith: Judith Delgado.
Jonas: Nicht Ihrer. Onkel Adrian. Name, Nummer, Adresse und so weiter.
Judith: Adrian Delgado. Südstadt, 33. Straße, Nummer 170, Aufgang G, Apartment 93. Bürgernummer 15 B 27 09 1939. Aber das ist unnötig. Ich habe schon…
Jonas: Lassen Sie das mich auf meine Weise machen. Sam?
Sam: Magnifizenz?
Jonas: Todesdatum. Todesursache.
Sam: Hören ist gehorchen, euer Lordschaft. Piep. Herr Adrian Delgado verließ dieses unser irdisches Tal der Tränen aus freien Stücken am 13. März im Jahre des Herrn 2009.
Jonas: Also gestern.
Sam: Indem er das Fenster seines im 9. Stockwerk gelegenen Apartments öffnete und sich, den Kopf voran, durch dasselbe in die Tiefe stürzte. Beim Aufschlag erlitt er folgende, in ihrer Gesamtheit tödliche Verletzungen.
Jonas: Brauchen wir nicht. Ist gut, Sammy.
Sam: Wie Durchlaucht befehlen.
Jonas: Sie haben’s gehört, Judith. Selbstmord. Ganz offiziell. Kein Fall für Jonas.
Judith: Ich kenne den Totenschein. Er lügt.
Jonas: Lassen Sie mich raten. Lebensversicherung?
Judith: Ja, das auch, aber.
Jonas: Zu Ihren Gunsten abgeschlossen. Und bei Selbstmord zahlt die Versicherung nicht. Wie hoch?
Judith: 100.000 Euros. Aber das ist es nicht. Ich hatte Onkel Adrian gern.
Jonas: Rührend. Und was soll ich jetzt tun?
Judith: Nachforschen natürlich. Rauskriegen was wirklich passiert ist.
Jonas: Ich bin der letzte. Der letzte Privatdetektiv. Der letzte freie Beruf. Seit Ärzte und Anwälte Staatsdiener sind. Und Künstler Medienbeamte mit Pensionsberechtigung. Wahrscheinlich bin ich auch der einzige Privatdetektiv. Wenigstens in unserer unschönen, aber großen Stadt Babylon. Ohne Konkurrenz. Nicht, daß es mir viel nützt, aber wer braucht heutzutage schon einen Detektiv? Menschen, die nen Knacks haben oder eine fixe Idee. Wie Judith.
Jonas: Ich kriege 80 Euros pro Tag und Spesen. Aber ich sag Ihnen gleich: Sie werfen ihr Geld zum Fenster raus.
Judith: Das lassen Sie meine Sorge sein. Ich habe gute Gründe.
Jonas: Klar. Warum sollte sich Onkel Adrian schon umgebracht haben? Warum bringen sich Jahr für Jahr Millionen Menschen um? Sam, die letzten Selbstmordzahlen für Europa.
Sam: Bitte sehr, bitte gleich, o Sahib. Piep. Januar bis Dezember 2008: 4 532 728 Suizide, gleich 0, 37258 % der Bevölkerung. Im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 3, 6661 %. Januar bis Februar 2009…
Jonas: Das reicht, Sam. Sehen Sie, Judith, jeder kann sich umbringen, Sie. Ich.
Judith: Ein außergewöhnlicher Computer, den Sie da haben.
Jonas: Sam. Der ist nicht außergewöhnlich. Der ist verrückt. Was, Sammy?
Sam: Wenn du meinst, Mac, du bist der Chef.
Jonas: Außer Walzertanzen und Kinderkriegen kann Sam praktisch alles. Hören, Sehen, sich in zugängliche und auch ein paar unzugängliche Datenbänke einschalten, deduzieren, und reden, vor allem reden. Die Hersteller haben ihn versuchsweise mit allen möglichen ausgefallenen Sprachprogrammen vollgestopft. Und jetzt redet der gute Sam nicht nur wie ein Buch, er tönt wie eine ganze Bibliothek. Deswegen habe ich ihn auch verhältnismäßig billig gekriegt, als ich mit meiner Abfindung aus dem Antarktischen Krieg zurückkam und beschloß, Detektiv zu werden. Wer will sich schon ständig mit einem elektronischen Oberlehrer unterhalten. Ich habe ihm dann noch ein paar neue Sprachprogramme eingegeben, als Gegengewicht sozusagen, und das alles ist ihm ein bißchen durcheinander geraten. Nicht zu reparieren. Man muß sich dran gewöhnen.
Jonas: Darf ich vorstellen: McCoy Incorporated, Typreihe Doktor, Versuchsmodell Chrysostomus, Baujahr 2005. Ich nenne ihn kurz Sam. Sie werden kaum wissen, warum.
Judith: Hallo, Sam.
Sam: Küß die Hand, gnädige Frau.
Judith: Play it again, Sam. Spiel As Time goes by.
Sam: Klaro, Schwester. Auf geht’s.
Jonas: Sie kennen Casablanca?
Judith: Aber ja, und ich mag Bogie und Phil Marlowe und Sam Spade und Lew Archer und Albert Samson und…
Jonas: Und ich dachte, ich bin der einzige in ganz Babylon. Das muß gefeiert werden. Ein Drink, Bürowhiskey. Original Old Forester. Die letzte Flasche für den letzten Detektiv. Ich darf leider nicht. Mein Magen.
Judith: Cheers, Jonas. Sie spielen Ihre Rolle gut. Aber jetzt könnten Sie eigentlich einen Gang zurückschalten. Ich glaube Ihnen ja, daß Sie genau so ausgekocht sind wie ihre Vorbilder.
Sam: Groß, schnell, hart und voller Stacheln. Raymond Chandler.
Judith: Und deshalb werden Sie auch feststellen, was mit Onkel Adrian passiert ist.
Jonas: Warum lassen Sie den armen Onkel nicht in Frieden ruhen, in seiner Urne oder wo er immer steckt. Ich habe Ihnen doch gesagt.
Judith: Ich habe Ihnen gesagt, Jonas, daß ich gute Gründe habe für meinen Verdacht. Zwei gute Gründe, um genau zu sein.
Jonas: OK, ich höre. Erstens.
Judith: Onkel Adrian war einigermaßen gesund, vergnügt, lebenslustig, überhaupt kein Selbstmordtyp.
Jonas: Und zweitens.
Judith: Lassen Sie Ihren verdrehten Computer feststellen, wie viel Menschen gestern in der Südstadt Selbstmord begangen haben.
Jonas: Von mir aus. Na, was ist denn, Sammy?
Sam: Sie hat mir gar keine Befehle zu geben. Und Sie hat verdrehter Computer zu mir gesagt.
Jonas: Ach was, zier dich nicht. Komm rüber mit den Zahlen.
Sam: Aye Aye, Sir. Piep. Piep. Ich bedaure unendlich. Aber die gewünschte Information ist mir nicht zugänglich. Sie ist klassifiziert und codiert. Dritte Geheimstufe.
Jonas: Nanu. Seit wann?
Sam: Seit dem 12. März 2009, großer Meister.
Jonas: Moment. Die Selbstmordzahlen der Südstadt für gestern sind seit vorgestern klassifiziert?
Sam: Soll ich es dir auch noch buchstabieren, Kumpel?
Jonas: Merkwürdig. Und Sie wußten das, Judith?
Judith: Ich arbeite im Ministerium für Statistik und Soziographie.
Jonas: Aha. Können Sie den Code beschaffen?
Judith: Ich will’s versuchen. Ich ruf Sie an. Das heißt, wenn Sie den Fall übernehmen und für mich arbeiten wollen.
Jonas: Weil Sie Bogie und Konsorten kennen, Judith. Weil an der Sache was faul ist. Weil ich momentan nichts Besseres vorhabe. Abgemacht.
Judith: Auf Ihren neuen Fall, Jonas.
Jonas: Und weil ich Kirschblüten mag.
Jonas: Die Südstadt, vor einem knappen halben Jahrhundert gebaut, ist schon vier-mal saniert worden. Diverse Wohnungsgesellschaften haben sich gesundgestoßen, aber sonst hat sich nicht viel geändert. Immer noch dieselben Hochhäuser, die aussehen wie riesige angegraute Käsestücke. Voller Löcher und Schimmel. Und Maden, dicht an dicht. Irgendwo müssen sie ja wohnen. Aber die Südstadt ist kein Slum, Gott bewahre, sie ist ein Wohngebiet mit spezifischen strukturellen Problemen. Das sagt die Bürgermeisterin jede Woche in ihrer Fernsehshow. Und die muß es wissen. In Onkel Adrians Haus war der Fahrstuhl kaputt. Die Fahrstühle in der Südstadt sind immer kaputt. Um wieder zu Atem zu kommen, studierte ich im 9. Stock die Graffiti. Das übliche. Die Tür zu Apartment 93 war versiegelt. Ich klopfte. Im Spion der Tür von Apartment 95 hatte ich was gesehen. Ein blutunterlaufenes Falkenauge. Das Übliche.
Nachbarin: Keiner da, junger Mann. Was wollen Sie denn?
Jonas: Telegramm für Herrn Delgado.
Nachbarin: Delgado. Der wohnt nicht mehr hier.
Jonas: Ausgezogen?
Nachbarin: Nicht direkt.
Jonas: Wissen Sie, wo ich ihn erreichen kann?
Nachbarin: Da müssen Sie sich schon Flügel anschaffen, junger Mann.
Jonas: Eine Kipperin. Das übliche. Die Südstadt ist voll von Kippern. Und nicht nur die Südstadt. Die Dame war in Alkohol eingelegt worden und seit Jahren gut durchgezogen. Nicht mehr weit zum Delirium. Ich frage mich, was sie heute sehen, wo’s keine Elefanten mehr gibt, und keine weißen Mäuse. Vielleicht karierte Computer.
Nachbarin: Wo haben Sie denn das Telegramm?
Jonas: In der Tasche.
Nachbarin: Und Ihre Uniform?
Jonas: In der Reinigung. Delgado ist tot?
Nachbarin: Toter geht’s gar nicht. Gestern Abend haben sie ihn im Lichthof abgekratzt. Aus dem Fenster gesprungen. Was man hier so Fenster nennt.
Jonas: Selbstmord?
Nachbarin: Muß wohl.
Jonas: Probleme?
Nachbarin: Haben Sie keine, junger Mann? Aber wo Sie so fragen. Delgado ist der letzte, der so was macht, hab ich immer gedacht. Kam ab und zu rüber und trank einen Schluck mit. Wollen Sie auch einen?
Jonas: Danke, mein Magen. Aber lassen Sie sich nicht stören.
Jonas: Sie war eine reinliche Person und trank gleich aus der Flasche. Ein Glas weniger zum Abwaschen.
Nachbarin: Vorgestern war er noch hier. Ganz munter. Am Wochenende wollte er eine Tour machen, zu einem von diesen Vergnügungssatelliten. Er hat mir die Prospekte gezeigt. Und dann springt er vorher in den Lichthof. Ist schon komisch.
Jonas: Vielleicht war’s ein Unfall.
Nachbarin: Klar, junger Mann. Delgado ist auf einen Stuhl gestiegen und hat sich dann durchgezwängt. Das müssen Sie nämlich tun, wenn Sie hier aus Versehen aus dem Fenster fallen wollen.
Jonas: Es könnte ihn ja auch jemand gestoßen haben.
Nachbarin: Wer denn, junger Mann? War ja keiner bei ihm, als es passiert ist. Ich seh alles. Ich weiß Bescheid. Er war ganz allein. Ganz allein mit sich selbst. Wollen Sie nicht doch was trinken?
Jonas: Immer noch nicht. Hat er im Lauf des Tages Besuch gehabt?
Nachbarin: Besuch? Wer?
Jonas: Der Staatspräsident, wer denn sonst?
Nachbarin: Sie nehmen mich hoch, junger Mann. Manchmal kam seine Nichte. Nette Person. War aber schon `ne Woche nicht mehr hier.
Jonas: Und gestern?
Nachbarin: Kein Mensch. Bloß irgend so ein Mädchen mit ’ner Warenprobe.
Jonas: Warenprobe? Was für eine Warenprobe?
Nachbarin: Keine Ahnung. Bei mir hat sie nicht geklingelt. Kosmetik oder so was. Weißen Kittel hatte sie an. Tja, und der Postroboter natürlich. Mit der Reklame.
Jonas: Fünf Häuser weiter war ein Laden. Im Schaufenster künstliches Immergrün und auf einem lila Podest eine angestaubte Designer-Urne, daneben ein Schild: Für die letzte Wohnung ihrer Lieben ist das Beste gerade gut genug. Das gab mir zu denken.
Bestattungsunternehmer: Sie haben einen schmerzlichen Verlust erlitten, mein Herr.
Jonas: Eine Tante.
Bestattungsunternehmer: Oh. Mein tief empfundenes Beileid. Mitten im Leben…
Jonas: Heute rot, morgen tot.
Bestattungsunternehmer: Wie wahr, wie wahr, mein Herr. Rasch tritt der Tod den Menschen an.
Jonas: Rasch ist das treffende Wort. Sie ist aus dem Fenster gesprungen.
Bestattungsunternehmer: Ist ja nicht zu glauben.
Jonas: Wieso? Das kommt vor.
Bestattungsunternehmer: Und wie das vorkommt. Hinten hab ich 11 Fensterstürze liegen, 11, mein Herr, alle von gestern, alle aus dieser Straße.
Jonas: Wie das Leben so spielt.
Bestattungsunternehmer: Sie meinen, der Tod. Tja. Scherz beiseite. Woran dachten Sie? Super Luxus, 1a deluxe?
Jonas: Wissen Sie, ich habe sie ja kaum gekannt, wie das so ist.
Bestattungsunternehmer: Ich verstehe, mein Herr, schlicht und gediegen. Raum ist in der kleinsten Hütte, nicht wahr? Wenn ich Ihnen unsere beliebte Grundausstattung zeigen darf.
Jonas: Ein ander Mal. Geben Sie mir Ihre Preisliste. Ich melde mich.
Jonas: Die Telefonzelle an der Ecke war kaputt. Die Telefonzellen in der Südstadt sind immer kaputt. Schließlich fand ich eine, die funktionierte. Die Kaputtmacher mußten sie vergessen haben. Ich rief die Polizeidirektion Südstadt an.
PoPo1: Ja?
Jonas: Ich brauch ne Auskunft. Über `nen Selbstmord.
PoPo1: Was Sie nicht sagen. In der Südstadt. Fenstersturz.
Jonas: Ja.
PoPo1: Ich geb Sie weiter.
PoPo2: PoPo. Sie wünschen.
Jonas: Wie war das?
PoPo2: Wie war was?
Jonas: Wie haben Sie sich gemeldet?
PoPo2: PoPo. Populationspolizei.
Jonas: Oh, falsch verbunden.
PoPo2: Glaub ich nicht, Freundchen. Was wollen Sie?
Jonas: Ein angeblicher Selbstmordfall. Sind Sie dafür zuständig?
PoPo2: Wir sind immer zuständig, Freundchen.
Jonas: Wenn Sie meinen. Also, Adrian Delgado, Nummer 15 B 27 09 1939.
PoPo2: Ja und?
Jonas: Eindeutiger Selbstmord oder.
PoPo2: Oder was? Natürlich Selbstmord. Ganz klar. Wer sind Sie?
Jonas: Kein Zweifel? Keine Verdachtsmomente?
PoPo2: Wer sind Sie? Von wo sprechen Sie?
Jonas: Was meinst du, Sam?
Sam: Die Affäre, der Hochwürden zur Zeit ihre Energie widmen, gibt ein Odeur ab, welches als wenig erfreulicher als unangenehm zu bezeichnen ich mich nicht enthalten kann.
Jonas: Noch mal, Sam.
Sam: Genosse, die Sache stinkt zum Himmel.
Jonas: Du sagst es, Sammy.
Jonas: Sam hatte ich natürlich bei mir. Das heißt, nicht den großen Terminal, der steht fest im Büro, sondern Sam zwo. Sam zwo ist eine drahtlose Extension, ein Kästchen, das bequem in jede Tasche paßt und seine Energie aus Batterien bezieht. Ansonsten ist der Sam zwo derselbe Sam wie die große Nummer eins. Bißchen verrückt, eine mächtige Klappe, und viel dahinter.
Sam: Wenn Sie mir den Vorschlag gestatten, Sir, es wäre ratsam, diesen Ort auf schnellstem Wege zu verlassen. Ohne Zweifel dürfte man bei der Populationspolizei bereits fieberhaft damit beschäftigt sein, das Telefonat zurückzuverfolgen.
Jonas: Eigentlich wollte ich noch schnell Judith anrufen.
Sam: Kannst du zuhause machen. Hau endlich ab, Mensch, sonst kriegen sie uns am… am… am Kragen, o Herr, o Meister.
Jonas: Hast ja recht, Sammy. Rikscha!
Jonas: Daß ich mir `ne Rikscha leistete, brachte nicht viel ein. Ich mußte trotzdem fast den ganzen Weg nach Hause laufen. Ein Pechtag. Die Kusbekische Befreiungsfront hatte in meinem Viertel was in die Luft gesprengt, ein Konsulat oder Kulturzentrum, und die Terrorpolizei sperrte weiträumig ab, wie sie das nennt. Eine interessante Technik. Bombenleger fängt man dadurch nicht, aber das Publikum merkt wenigstens, daß die Freunde und Helfer sich Mühe geben. Als ich nach Hause kam, war es schon dunkel.
Judith: Ich hab den ganzen Nachmittag versucht, Sie anzurufen, Jonas.
Jonas: Ich war unterwegs. In Ihrer Angelegenheit.
Judith: Haben Sie was erreicht?
Jonas: Ein bißchen. Besuchen Sie mich, dann erzähle ich es Ihnen.
Judith: Später, Jonas, wenn Sie den Fall abgeschlossen haben.
Jonas: Was ist mit dem Code?
Judith: Es war nicht ganz leicht, aber ich habe ihn. Schreiben Sie mit.
Jonas: Mit der Codezahl kam Sam ohne Probleme in die geheime Selbstmordstatistik der Südstadt. Und was er da entdeckte, war schon seltsam. Wenn auch nicht gerade eine Überraschung, nach allem, was ich heute mitgekriegt hatte.
Sam: Die Selbstmordrate der Südstadt für den 13. März liegt allgemein um 217 % über dem Durchschnitt. Selbstmord durch Sturz aus dem Fenster bzw. von einem hochgelegenen Standort: 489 % über Durchschnitt.
Jonas: Zufall?
Sam: Zufälliges Ergebnis, Wahna, seien gänzlich undenkbar. Wahrscheinlichkeit dafür liegen bei 0,00.
Jonas: OK. Sammy, OK OK, sei mal `nen Moment still. Ich muß nachdenken.
Sam: Zum Nachdenken dürfte bei aller Bescheidenheit meine geringe Person weitaus geeigneter sein als ihro Durchlaucht.
Jonas: Du sollst still sein, habe ich gesagt.
Sam: Durchlaucht schaden sich selbst, aber wie Durchlaucht wünschen. Ein Computer gehorcht und schweigt. Wie das Grab. Nichts sagen, nicht fragen, und nur nicht verzagen. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Nur in der Stille reift ein großer Geist.
Jonas: Ich hab’s.
Sam: Wird schon was rechtes sein.
Jonas: Hör auf zu Mosern, Sam, tu lieber was.
Sam: Und was befehlen Eminenz?
Jonas: Gib mir die durchschnittliche Persönlichkeitsstruktur von allen, die gestern in der Südstadt aus dem Fenster gesprungen sind.
Sam: Bitte sehr. Piep. Männlich und weiblich. Über 55 Jahre. Allein lebend. Keine feste Beziehung. Keine zeitweilige Partnerschaft. Keine Gruppe. Keine Kinder. Wohnraumklasse zwischen 15 und 25 qm.
Jonas: Eben Südstadt. Millionäre wohnen da nicht.
Sam: Wünschen Monsignore Einzelheiten? Hobbys, bevorzugte Videos, Biorhythmen und so weiter?
Jonas: Nicht nötig, Sammy.
Sam: Wie Sie wollen. Sie sind der Boss. Sag ich also nichts zum persönlichen Hygienefaktor.
Jonas: Hygienefaktor? Na klar! Was ist mit dem Hygienefaktor?
Sam: Um 67, 74 % über dem Durchschnitt. Interessant, Sahib?
Jonas: Aber ja. Und jetzt suchst du mir.
Sam: Derrick Kracau, 29. Straße, Nummer 5, Aufgang C, Apartment 142.
Jonas: Wer ist das?
Sam: Na wer schon, Meister? Ein Mensch, welcher sich jeglicher Merkmale vorbenannter Persönlichkeitsstruktur erfreut, jedoch, und das ist, wenn Sie mir den Kalauer verzeihen, der springende Punkt, nicht durch einen Sprung aus dem Fenster seinem Leben ein Ende gesetzt hat. Das war es ja wohl, was Eminenz wollten.
Jonas: Ja aber ich hab doch noch gar nichts gesagt!
Sam: Sam nur armer kleiner Computer, Massa, aber Sam denken unheimlich schnell.
Jonas: Wundere dich nicht, wenn du eines schönen Tages in der Schrottmühle landest.
Sam: Zu Befehl. Nicht wundern. Fahren wir in die Südstadt, Majestät?
Jonas: Morgen früh, Sam. Klapp das Bett raus.
Sam: Gesegnete Ruhe, eure Heiligkeit. Guten Abend, gute Nacht, mit Rosen beda-hacht…
Jonas: Derrick Kracau trug einen Nostalgie-Haarschnitt a la Punk, das neueste an Körperfarben und ansonsten nicht viel, abgesehen von zahllosen Kettchen an Hals, Armen, Beinen und um seine unübersehbar 60jährige Taille. Er duftete nach allen Estern des Orients, und verströmte soviel Charme wie ein gesprungenes Bidet.
Kracau: O, je früher der Morgen, desto schöner die Gäste. Sagen Sie nichts. Lassen Sie mich raten. Sie sammeln für die St. John-Lennon-Kapelle. Nein? Sie verkaufen illegale Holos? Auch nicht? Dann sind Sie vielleicht ein böser böser Räuber, hmh, und wollen mir unaussprechlich gräßliche Dinge antun, hmh?
Jonas: Seh ich so aus?
Kracau: Nicht? Schade.
Jonas: Wenn ich richtig informiert bin, Herr Kracau, sind Sie vorgestern von einer unserer Vertreterinnen aufgesucht worden.
Kracau: Vorgestern? Ach Sie meinen dieses schnippische Weibstück mit der kostenlosen Probetube Zahncreme. Dentomed oder wie das Zeug heißt.
Jonas: Ganz recht, Herr Kracau, haben Sie die Zahnpasta inzwischen benutzt?
Kracau: Ich bitte Sie. Meine Beißerchen scheuere ich mich Diospecial. Nur mit Diospecial. Seit Jahren. Da werd ich doch nicht von heute auf morgen mir nichts dir nichts auf irgendeine neue vulgäre Marke umsteigen.
Jonas: Ihr Glück. Haben Sie die Probe noch?
Kracau: Moment. Muß hier irgendwo sein. Hat sich versteckt das freche Ding. Ja, hier haben wir’s. Hier.
Jonas: Danke. Ich muß die Tube einziehen, Herr Kracau.
Kracau: Aber aber. Geschenkt ist geschenkt. Wiederholen ist gestohlen.
Jonas: Unsere Marketing-Group hat einen kleinen Fehler gemacht. Das Produkt ist noch nicht endgültig freigegeben. Nebenwirkungen, Sie verstehen, Kontraindikationen. Wir müssen noch eine Testreihe durchführen.
Kracau: O Gott O Gott, da wären mir womöglich die Beißerchen ausgefallen, wenn ich das Zeug genommen hätte.
Jonas: Womöglich, aber es ist ja nichts passiert. Putzen Sie sich weiter die Zähne mit Diospecial, Herr Kracau, kaufen Sie sich ein paar neue Kettchen, und vergessen Sie ab und zu Ihren Geburtstag, das hält frisch.
Kracau: Oh!
Jonas: Dentomed, Sam.
Sam: Piep. Eine Firma beziehungsweise eine Warenmarke dieses Namens ist weder im Handelsregister noch in einer anderen in Frage kommenden Datei eingetragen, Milord.
Jonas: Dachte ich mir.
Jonas: Jetzt brauchte ich einen Wissenschaftler. Nebenwirkungen, Kontraindikationen, Testreihen, das sagt sich leicht. Die praktische Anwendung war schon schwieriger. Zu schwierig für einen einfachen Privatdetektiv. Auch Sam war da überfragt. Ausnahmsweise. Dr. Prosper war ein Star an der Uni gewesen, bis sie ihn gefeuert hatten, um den Nobelpreis zu kriegen soll er Forschungsergebnisse gefälscht haben. Er selbst behauptet, ein Konkurrent habe ihn reingelegt. Früher hatte Dr. Prosper am Markgrafenboulevard gewohnt, jetzt hauste er draußen im Osten, in einer Gegend, die sogar die Bürgermeisterin als Slum bezeichnen konnte, ohne rot zu werden. Er hatte sich ein kleines Labor eingerichtet, und tat für Geld alles. Fast alles.
Dr. Prosper: Erst… erst mal das Wichtigste. 2… 200 Euros. In bar. Und im Voraus.
Jonas: 100. 50 jetzt, 50 wenn Sie fertig sind.
Dr. Prosper: Geben… Geben Sie her. Was… was soll ich tun?
Jonas: Sehen Sie sich das hier mal ein bißchen näher an.
Dr. Prosper: Zahnpasta. Warum… warum gehen Sie nicht zu Warentest oder zum… zum Konsumentenbund?
Jonas: Wollen Sie sich 100 Euros verdienen oder nicht?
Jonas: Er wirkte nervös. Seine wasserblauen Augen schwammen ängstlich hinter dicken Brillengläsern. Wie Picassofische im Aquarium. Vielleicht hatte er eine Vorahnung. Vielleicht hatte er auch bloß nicht ausgeschlafen. Aber Jonas ist ein harter Bursche. Ohne mit der Wimper zu zucken, nimmt er Babys den Schnuller weg. Einen vergammelten Doktor bei der Stange zu halten, ist für ihn ein Kinderspiel.
Dr. Prosper: Irgendwas… irgendwas krumm an der Sache?
Jonas: Und noch 20 drauf, weil Sie’s sind.
Dr. Prosper: OK. Gift?
Jonas: So was ähnliches. Kennen Sie ein Psychopharmakon, das zu Selbstmord führt?
Dr. Prosper: Eine… eine Suiziddroge?
Jonas: Eine Droge, die Menschen dazu bringt, aus dem Fenster zu springen.
Dr. Prosper: Möglicherweise ein…ein Salzsäurederivat. Und so was soll da drin sein?
Jonas: Würde mich nicht überraschen. Stellen Sie’s fest. Morgen früh um 9 komm ich wieder.
Dr. Prosper: Viel zu kurz.
Jonas: 120 Euros.
Dr. Prosper: Unmöglich.
Jonas: Und seien Sie vorsichtig. Lassen Sie die Tube nicht offen rumliegen.
Dr. Prosper: Wo versteckt der weise Mann ein Blatt?
Jonas: Keine Ahnung. Also bis morgen, Dr. Prosper. Es war mir ein Vergnügen.
Dr. Prosper: Sie mich auch, Jonas.
Jonas: Am nächsten Morgen pünktlich um 9 stand ich wieder vor der Tür. Ich klingelte. Ich klopfte. Nichts rührte sich. Ich gab der Tür einen kleinen Tritt. Sie ging auf. Dahinter lag ein Chaos, das gestern noch ein Labor gewesen war. Splitter, Scherben, zerschlagene Käfige, tote Ratten. Und ein toter Mann, der gestern noch Dr. Prosper gewesen war.
Jonas: Erstochen. Mit seinem eigenen Skalpell. Und dann haben die Mörder Kleinholz gemacht.
Sam: Dreimal dürfen Hoheit raten, was sie gesucht haben. Die Frage ist: Konnte Dr. Prosper die Tube Zahnpasta so geschickt verbergen, daß es den Mördern nicht gelang, sie zu finden?
Jonas: Das ist die Frage, Sammy. Du sagst es. Ich seh sie nicht.
Sam: Wo versteckt der weise Mann ein Blatt?
Jonas: Du bist auf dem falschen Dampfer, Sam. Wir suchen kein Blatt, wir suchen Zahnpasta.
Sam: Schon des Öfteren hatte euer bescheidener Diener Gelegenheit, festzustellen, daß die literarische Bildung euer Durchlaucht sich als recht lückenhaft erweist, sofern es sich nicht um Autoren wie Hammett, Chandler, Macdonald etc. handelt. Was ich soeben sagte, wobei ich lediglich wiederholte, was Dr. Prosper gestern Ihnen gegenüber äußerte, ist ein Zitat. Ein Zitat aus einer Kurzgeschichte des antiken Detektivschriftstellers Gilbert Keith Chesterton.
Jonas: Kenn ich nicht.
Sam: Wo versteckt der weise Mann ein Blatt, fragt eine Figur, und die Antwort lautet: Im Walde.
Jonas: Ja und?
Sam: Wo versteckt der weise Mann eine Tube Zahnpasta?
Jonas: In der Waschnische.
Sam: Na bitte, es geht doch, wenn euer Wohlgeboren Ihr Hirn ein wenig strapazieren.
Jonas: Und hier, hier ist sie, die Tube. Ein bißchen zerdrückt, in einem schmutzigen Glas, neben einer zerfaserten Zahnbürste.
Sam: Durchlaucht werden mir darin zustimmen, daß es Dr. Prosper vor seinem unzeitigen Tod nicht vergönnt war, die von Durchlaucht gewünschte Untersuchung vorzunehmen.
Jonas: Sieht nicht so aus. Und was machen wir jetzt?
Jonas: Ich sah aus dem offenen Fenster. Es hatte angefangen zu regnen. Ein grau-gelber Himmel hing über der Stadt, wie das Fell einer ertrunkenen Siamkatze. Schöner Satz, nicht? Direkt aus dem Poesiealbum des Privatdetektivs.
Jonas: Also eins steht fest: Wir können das Zeug nicht testen.
Sam: Einerseits sehe ich mich gezwungen, euer Gnaden darin rechtzugeben. Andererseits jedoch…
Jonas: Sammy, du hast ne Idee?
Sam: Schallt nicht, o großer Vorsitzender, aus jener Ecke ein gewisses Quieken an mein elektronisch Ohr?
Jonas: Eine von Prospers Ratten. Im Käfig. Unter dem Bett. Die Kerle haben sie übersehen.
Sam: Zweifellos, Milord. Besagtes Übersehen eröffnet uns die Möglichkeit, wenn auch nicht zu einem Test im streng wissenschaftlichen Sinne, so doch zu einer gewissen informellen Überprüfung und, wie zu vermuten, Bestätigung unseres Verdachts.
Jonas: Moment mal, Sammy. Du meinst, ich soll der Ratte die Zähne putzen?
Sam: In aller Bescheidenheit, Sahib, es wäre ausreichend, dem Tier die verdächtige Zahncreme durch Maul und Speiseröhre in den Verdauungstrakt zu praktizieren.
Jonas: Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja. Ich… ich will dir was verraten, Sammy, ich… ich ekle mich vor Ratten.
Sam: 1984.
Jonas: 1984? Da war ich 16, und hab mich auch schon vor Ratten geekelt.
Sam: Eine literarische Reminiszenz, o großer Bruder.
Jonas: Denk an die Schrottmühle, Sammy.
Sam: Alles klar, Käpt’n, also los.
Jonas: Wenn es unbedingt sein muß. Na, komm, Tierchen, komm. Komm, sieh mal, leckere Zahnpasta.
Jonas: Einer Ratte Zahnpasta eintrichtern, das macht Jonas mit der linken Hand. Die rechte braucht er nämlich, um dem Vieh das Maul aufzuhalten. Wie gesagt, Jonas ist ein harter Bursche. Wenden Sie sich vertrauensvoll an ihn, wenn Sie ausgefallene zoologische Probleme haben. Kamel durchs Nadelöhr? Kleinigkeit.
Jonas: Uaäh, das wär’s.
Sam: Der näheren physiologischen und, wenn man so sagen darf, psychosomatischen Verwandtschaft mit homo sapiens wegen, wäre ein Hausschwein ohne Frage ein weit geeigneteres Versuchstier, o Herr und Meister. Da uns ein solches jedoch nicht zur Verfügung steht.
Jonas: Ein Schwein? Warum nicht? 100.000 Euros auf dem schwarzen Markt, oder wir klauen eins aus dem Zoo.
Sam: Das, großer Lehrmeister und Steuermann, dürfte unnötig sein. Wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit auf das Verhalten unserer Ratte richten wollten.
Jonas: Das Vieh dreht durch. Rennt hin und her wie angestochen. Schmeißt sich gegen das Gitter.
Sam: Steh nicht rum, Mensch, stell den Käfig aufs Fensterbrett. Mach die Schiebetür auf. Sofern meine demütigen Anregungen euer Majestät genehm sind.
Jonas: Sie ist aus dem Fenster gesprungen!
Sam: Quod erat demonstrandum, domine.
Jonas: Also wirklich eine Selbstmorddroge. Verschwinden wir, Sammy.
Sam: Im Prinzip ja, Chef. Mein juristisches Programm unter besonderer Berücksichtigung legaler Probleme im privatdetektivischen Bereich weist jedoch darauf hin, euer Ehren, daß am Schauplatz eines Verbrechens, in Sonderheit eines Kapitalverbrechens, gewisse gesetzlich vorgeschriebene Pflichten nicht umgangen werden sollten.
Jonas: Die Polizei? Meinst du wirklich, wir sollten sie rufen?
PoPo2: Nicht mehr nötig, Freundchen.
PoPo1: Wir sind schon da.
PoPo 2: Sagte der Hase zum Schwinegel.
Jonas: Zwei Kleiderschränke in den geschmackvollen schwarz-roten Uniformen der PoPo marschierten ins Zimmer, und fingen an, Pingpong zu spielen, mit mir als Ball. Und das meine ich nicht nur bildlich.
PoPo1: Hände übern Kopf.
PoPo2: Sie sollten sich schämen. So eine Unordnung. Wie sieht denn das aus?
PoPo1: Da liegt `ne Leiche, Chef.
PoPo2: Aber aber das geht nun wirklich zu weit.
Jonas: Lassen Sie mich erklären.
PoPo2: Lassen wir ihn, Bo?
PoPo1: Ich weiß nicht, warum eigentlich?
Jonas: Hören Sie.
PoPo2: Schnauze. Sieh mal nach, was er in der Tasche hat, Bo.
PoPo1: Keine Waffe, Chef, bloß ne Computerextension und ne Brieftasche, 180 Euros.
PoPo2: Besser als gar nichts. Her damit.
PoPo1: Rentenkarte, Ausweis.
PoPo2: Willst du den Herrn nicht vorstellen, Bo?
PoPo1: Jonas heißt er.
PoPo2: Und?
PoPo1: Nichts und. Nur Jonas.
PoPo2: Ach, schlicht und sparsam.
PoPo1: Ja, und von Beruf ist er, na so was, Privatdetektiv.
PoPo2: Privatdetektiv. So so. Was machen Sie hier?
Jonas: Ich warte. Auf Godot.
PoPo2: Auf wen?
Jonas: Godot.
PoPo2: Nie gehört. Bo, kennst du einen Typ, der Godot heißt?
PoPo1: Kenn ich nicht, Chef.
PoPo2: OK, stell den Fernseher an, Bo.
Sportreporter: Und jetzt, meine Damen und Herren, geht er vorbei, der Großgewachsene…
PoPo2: Lauter Bo.
Sportreporter: …in der roten Ecke, löst sich aus dieser…
PoPo2: Halt ihn fest, Bo. So mein Freund, Jonas, Privatdetektiv. Schnüffler.
Sportreporter: …durch die Deckung hindurch… ein ungeheurer Haken, auf die Kinnspitze, taumelt zurück, in die blaue Ecke, ist schon fast am Boden, da setzt er noch einmal nach, schon wieder und noch einmal, und das ist das Ende, Pluto liegt nur noch in den Seilen, jetzt rutscht er ab, ein gezielter Tritt in den Unterleib, da liegt Musik drin, liebe Sportsfreunde, und der Gong: der Kampf ist aus.
Jonas: Ich war Tarzan, und hüpfte im Urwald von Ast zu Ast. Ich brüllte den Kriegsschrei der großen Menschenaffen, und zertrat alle Bullen der Welt unter meinen Spreizfüßen. Ich war der Größte, und Judith sah bewundernd zu mir auf. Wenn mir nur der Kopf nicht so wehgetan hätte.
Wärter: Er kommt zu sich, Frau Professor.
Frau Prof. Caligari: Gut so. Gehen Sie vor die Tür.
Jonas: Es ist eine dumme Frage, ich weiß. Jeder stellt sie, wenn er was auf die Birne gekriegt hat. Und wenn die kleinen grauen Zellen wieder anfangen, sich zu drehen. Aber ich will’s wirklich wissen: Wo bin ich?
Frau Prof. Caligari: Im Zentralkrankenhaus. In der geschlossenen Abteilung.
Jonas: In der Klapsmühle.
Frau Prof. Caligari: Wenn Sie sich so ausdrücken wollen.
Jonas: Warum bin ich ans Bett gefesselt?
Frau Prof. Caligari: Zu Ihrem eigenen Besten. Sie sind krank. Sie könnten sich etwas antun.
Jonas: Aus dem Fenster springen, zum Beispiel.
Frau Prof. Caligari: Zum Beispiel.
Jonas: Sie trug einen weißen Kittel und die Aura selbstverständlicher Autorität. Ihre Augen waren klar und kalt wie zwei Eiszapfen am Nordpol. Sie musterten mich, als ob ich eine mäßig interessante Leiche auf dem Seziertisch sei. Und das war ich ja wohl auch. Oder so gut wie.
Jonas: Wer sind Sie?
Frau Prof. Caligari: Professor Caligari.
Jonas: Sind Sie Chefärztin oder so was?
Frau Prof. Caligari: Man hat mich geholt. Sie sind ein besonderer Fall, Jonas. Mein Fall. Sie leiden unter gefährlichen Halluzinationen.
Jonas: Was Sie nicht sagen.
Frau Prof. Caligari: Sie bilden sich ein, daß vor drei Tagen in der Südstadt einer Anzahl von Personen ohne ihr Wissen eine Droge zugespielt wurde, die sie gegen ihren Willen zum Selbstmord veranlaßte.
Jonas: Verrückte Idee, nicht wahr?
Frau Prof. Caligari: Wir mußten Sie stoppen, ehe Sie im Verlauf ihrer Nachforschungen weitere, noch gefährlichere Wahnvorstellungen entwickelten.
Jonas: Zum Beispiel?
Frau Prof. Caligari: Daß es sich beim Geschehen in der Südstadt um einen groß angelegten Feldversuch gehandelt habe, geplant und durchgeführt von einer streng geheimen Organisation, die wir ZIP nennen könnten: Zentralinstitut für Populationsforschung. Daß ZIP unterstützt und finanziert von der Wirtschaft und von der hohen Politik nur zu dem einen Zweck etabliert worden sei, das große Problem unserer Zeit, die Überbevölkerung, in den Griff zu bekommen. Daß ZIP als eine mögliche Lösung des Problems eine Selbstmorddroge entwickelt und auf einem leicht zugänglichen, nach allen Regeln der Marketing-Analyse präparierten Testmarkt erprobt habe. Die notwendige Vorstufe zu einer weit umfassenderen, womöglich globalen Anwendung des Produkts.
Jonas: Was haben Sie mit mir vor?
Frau Prof. Caligari: Allem Anschein nach ist Ihre Krankheit unheilbar. Aber ich bin überzeugt, daß ich eine, wie soll ich sagen, angemessene Therapie gefunden habe. Wir müssen verhindern, daß Sie mit Ihren fixen Ideen Unruhe in die Öffentlichkeit tragen und die hypothetische Arbeit des hypothetischen Instituts stören. Das werden Sie einsehen. Leben Sie wohl, Jonas. Verzeihen Sie, ich wollte nicht zynisch sein.
Jonas: Ich kam mir vor, als habe man mich zum zweiten Mal zusammengeschlagen. Selbstmorddroge. Feldversuch. Testmarkt. ZIP. Frau Professor Caligari. Das war ein bißchen viel auf einmal. Der Wärter kam und brachte mir ein Tablett mit Essen. Er band mich los, vorsichtig, mit einer Hand. In der anderen hielt er eine entsicherte Pistole.
Wärter: Keine krummen Touren. Ich steh direkt vor der Tür. Mit meiner Kanone.
Jonas: Und das Fenster?
Wärter: Sehr komisch. Guten Appetit.
Jonas: Sam? Sammy?
Sam: Hier bin ich, o Herr und Meister.
Jonas: Wo, Sam, wo bist du?
Sam: Im Schrank, Chef. Mit ihren übrigen Sachen. Es wäre angebracht, daß Durchlaucht Ihren Diener baldmöglichst befreiten. Zwecks gemeinsamer Delibration.
Jonas: Moment. Wuah. Noch ’n bißchen groggy. So. Sammy, Sammy, wie kommen wir hier raus?
Sam: Würden Magnifizenz die Güte haben, aus dem Fenster zu blicken?
Jonas: Wenn du meinst. Unmöglich, Sam. Wir sind im 20. Stock. Mindestens. Da kann keiner runter klettern.
Sam: Ich dachte auch weniger an Klettern, o Sahib, eher an Springen.
Jonas: Bist du verrückt?
Sam: Das wissen Hoheit doch. In diesem Falle allerdings.
Jonas: Das Essen.
Sam: Ohne jeden Zweifel. Wissen wir nicht, spätestens seit dem zugegeben kruden Test an Dr. Prospers Ratte, daß die Selbstmorddroge oral zugeführt wird?
Jonas: Eine angemessene Therapie, hat sie gesagt.
Sam: Exzellenz sollten die Erwartungen der Dame nicht enttäuschen.
Jonas: Meinst du im Ernst, ich soll aus dem Fenster springen, Sam?
Sam: Gewissermaßen indirekt, erhabener Monarch. Wenn ich meine Vorstellungen erläutern dürfte.
Jonas: Sam sagte mir genau, was ich tun sollte, und ich tat es. Aaaah!
Wärter: Na bitte. Oh!
Sam: Eine ausgezeichnete Performance, euer Lordschaft.
Jonas: Natürlich war ich nicht aus dem Fenster gesprungen. Ich stand auf dem Außensims, klammerte mich mit den Zehen fest. Und als der Wärter seinen häßlich-en Ballon raussteckte, kriegte er was ins Genick. Mit meinem eisenbeschlagenen Schuh. Er schlug lang hin und blieb liegen. Für längere Zeit außer Gefecht, vielleicht für immer. Von mir aus, ich würde deshalb nicht schlechter schlafen. Ich zog seine weiße Uniform an. In der Tasche fand ich seinen Identi-Disk. Kein Problem, damit durch die gesicherten Türen ins Freie zu kommen. Zuhause goß ich mir als erstes einen großen Whiskey ein, Magen hin, Magen her. Ich traf bestimmte Vorkehrungen, zusammen mit Sam, und ich wartete. Der Anruf kam am Abend, 5 Minuten vor 8.
Jonas: Ja?
Frau Prof. Caligari: Ich spreche Ihnen meinen Glückwunsch aus, Jonas. Sie haben sich mit Geschick und Entschlossenheit Ihrer Therapie entzogen. Sie sind ein Mann von erheblichen Fähigkeiten. Könnten Sie sich vorstellen, in einer Organisation wie ZIP, falls es sie gäbe, einen Posten zu übernehmen?
Jonas: Reden Sie Klartext, Frau Professor. ZIP existiert, und ZIP arbeitet mit Methoden, die mir nicht gefallen.
Frau Prof. Caligari: Bitte, Jonas, lassen Sie kleinkarierte Moralbegriffe aus dem Spiel. Bleiben Sie nüchtern. Betrachten Sie unsere Organisation mit wissenschaftlicher Objektivität. Sie kennen das Problem. Jeder kennt es. Spätestens seit dem Einsetzen der permanenten Krise vor gut 30 Jahren. Fortschritt in der Biologie führt zu mehr Nahrungsmitteln, Fortschritt in der Medizin führt zur Verlängerung des Lebens, Fortschritt in der Technik führt zur Automatisierung. Die Folgen: immer weniger Arbeit, immer mehr Menschen, immer weniger Raum. Wie gesagt, das Problem ist seit langem bekannt. Aber wir haben erst jetzt gewagt, die Lösung ins Auge zu fassen. Die einzig mögliche Lösung.
Jonas: Und die wäre?
Frau Prof. Caligari: Ganz einfach: Die quantitative Verminderung des menschlichen Faktors.
Jonas: Also Mord. Massenmord. Danke, nichts für Jonas.
Frau Prof. Caligari: Schade. In diesem Fall sehen wir uns gezwungen, Ihre Behandlung bis zum ursprünglich vorgesehenen Ende fortzusetzen.
Jonas: Das habe ich erwartet. Ich habe Gegenmaßnahmen eingeleitet.
Frau Prof. Caligari: Was wollen Sie denn tun? Zur Polizei gehen, zu den Medien, zum Staatspräsidenten? Versuchen Sie’s.
Jonas: Alle Informationen über ZIP und ihren sogenannten Feldversuch sind gespeichert. Wenn mir was passiert, oder wenn es eine neue Selbstmordepidemie geben sollte, in Babylon oder woanders, dann werden diese Informationen in sämtliche Dateien der Erde eingegeben. In öffentliche und in private. 90 Prozent davon werden Sie abwürgen können, mit Ihren Hilfsmitteln, und durch die hohen Herrschaften, die hinter Ihnen stehen, vielleicht auch 99 Prozent, aber 1 Prozent kommt durch. Und das, hochverehrte Frau Professor Caligari, wird Ihnen das Genick brechen.
Frau Prof. Caligari: Erpressung, wie ich sehe.
Jonas: Lassen Sie doch kleinkarierte Moralbegriffe aus dem Spiel.
Frau Prof. Caligari: Was verlangen Sie?
Jonas: Am liebsten würde ich sagen: lösen Sie ZIP auf und springen Sie aus dem Fenster.
Frau Prof. Caligari: So gut ist Ihre Verhandlungsposition nun auch wieder nicht, mein lieber Jonas.
Jonas: Ich weiß. Bleiben wir auf dem Teppich. Sie stellen alle Versuche mit der Selbstmorddroge ein.
Frau Prof. Caligari: Schon geschehen. Die Methode hat sich als zu riskant und vor allem als zu spektakulär erwiesen. Wenn uns schon ein kleiner Privatdetektiv auf die Schliche kommt.
Jonas: Ein mieser Schnüffler, sagen Sie’s ruhig.
Frau Prof. Caligari: Ist das alles?
Jonas: Noch eine Kleinigkeit. Der Tod von Adrian Delgado wird offiziell als Unfall deklariert. Ein Privatdetektiv ist seinen Klienten verpflichtet. Vor allem, wenn sie Judith heißen.
Frau Prof. Caligari: Einverstanden.
Jonas: Das wär’s. Jetzt müßten Sie sagen: Kommen Sie uns nicht noch mal in die Quere.
Frau Prof. Caligari: Bis zum nächsten Mal, Jonas.
Jonas: Ich fühlte mich nicht besonders. Klar, die Sache war soweit abgeschlossen, aber es fehlte was Wichtiges: Die gerechte Strafe für die Schuldigen. Früher soll’s anders gewesen sein. Aber was kann man schon erwarten von unserem verrückten 21. Jahrhundert. Ich fing an, mir leid zu tun, das gefiel mir nicht. Ich rief Judith an.
Judith: Hallo, Jonas.
Jonas: Sie sind `ne reiche Frau, Judith. 100.000 Euros. Von Onkel Adrians Lebensversicherung.
Judith: Sie haben den Fall gelöst?
Jonas: Sieht so aus. Haben Sie was vor heute Abend?
Judith: Nein.
Jonas: Kommen Sie zu mir. Ich erzähle Ihnen dann, wie es abgelaufen ist.
Judith: Wir könnten uns über Marlowe unterhalten, und über Bogie und Hammett und Casablanca.
Jonas: Und antike Videos sehen. In einer halben Stunde?
Judith: In einer halben Stunde, Jonas.
Jonas: Judith, ich glaube, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
Sam: Hrm. Wenn ich euer Herrlichkeit ein anderes Zitat zu bedenken geben dürfte: Der Detektiv ist ein Katalysator, kein Casanova. Raymond Chandler.
Jonas: Aber Sammy, ich glaube, du bist eifersüchtig.
Sam: Quatsch.
Jonas: Klapp das Bett raus. Und spiel, Sam. Spiel As Time goes by.
Jonas: Ich bin die letzte Instanz. Wenn Sie ein Problem haben, und nicht weiterkommen, mit der Polizei und so, dann wenden Sie sich an mich. Ich kann Ihnen wahrscheinlich auch nicht helfen, aber Sie haben ein besseres Gefühl. Vielleicht springen sogar 100.000 Euros für Sie raus. Und das ist doch was, oder?
Das war: Testmarkt. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus. Sein Supercomputer Sam war Joachim Wichmann. Es wirkten außerdem mit: Karin Anselm, Renate Grosser, Jenny Thelen, Paul Bürks, Gernot Duda, Dieter Eppler, Wolfried Lier und andere (Franjo Marincic, Gerd Rubenbauer, Wolf Goldan). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Heiner Schmidt. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1984). Redaktion: Dieter Hasselblatt und Erwin Weigel.
Michael Koser: Prof. van Dusen läßt die Sau raus (RIAS 1988)
Erzählerin: Prof. van Dusen ist bekanntlich ein abgeklärter Mensch, der über den Dingen des Alltags steht, doch wenn er mal so richtig geärgert wird, dann, hören Sie Prof. van Dusen läßt die Sau raus, von Michael Koser.
Hatch: Wir machten ein paar Tage Ferien, Prof. van Dusen und ich und die hatten wir auch dringend nötig, hinter uns lag eine anstrengende Automobiltour durch England und nicht zu vergessen die mindestens genau so anstrengende Affäre um den Siegelring des Königs Artus und um den geheimnisvollen schwarzen Ritter. Es war Sonnabend der 6. Juni 1903, wir saßen beim Frühstück, und fühlten uns wohl, es war rundherumschön.
Hatch: Herrliches Wetter Prof.
vanDusen: Mein lieber Hatch, obzwar sie sich seit nunmehr gut 5 Jahren der Ehre und des Vorzugs erfreuen dürfen, Umgang mit meiner Person zu pflegen, befleißigen sie sich wie ich zu meinem Bedauern immer wieder konstatieren muß weiterhin hartnäckig einer vagen durch und durch impräsizen und platterdings unwissenschaftlichen Ausdrucksweise.
Hatch: Aber Prof, ich habe doch bloß gesagt herrliches Wetter.
vanDusen: Ganz recht, und was hätten sie sagen sollen.
Hatch: Weiß ich doch nicht, ich bin schließlich kein Metero Meteo na ja so einer der das Wetter vorhersagt und dann wirds doch ganz anders.
vanDusen: Nicht nur ein Meteorologe, auch ein in wissenschaftlichen Belangen nicht gänzlich unaufgeschlossener Laie würde sich folgendermaßen ausdrücken, wir befinden uns im Wirkungsbereich eines sog. dynamischen oder auch warmen Hochdruckgebietes, durch welches aus subtropischen Breiten Warmluft in diese gewöhnlich vom Klima weniger begünstigen Lokalitäten herangeführt wird, der wolkenlose oder allenfalls.
Hatch: Little Bacon ist ein idyllisches Dörfchen in Mittelengland, nicht weit von der Stadt Worchester, wo sie die berühmte Soße machen, da gibt es eine Kirche aus dem Mittelalter, einen soliden Gasthof mit ländlicher Küche und gepflegtem Bier, romantische Fachwerkhäuser, Efeu, Heckenrosen, ein richtiges kleines Paradies, und wenn sie noch nicht in Little Bacon waren, meine Damen und Herren, dann gebe ich ihnen einen guten Rat, lassen sie es auch in Zukunft bleiben.
Baconsfield: Morgen die Herren, herrliches Wetter heute, was?
Hatch: Sie meinen ein dynamisches Hochdruckgebiet wodurch Warmluft aus den Subtropen.
vanDusen: Hatch, und was sie betrifft, Sir, ich habe sie nicht aufgefordert, an meinem Tisch platzzunehmen.
Baconsfield: Ach wissen Sie, Prof, was brauchts der Formen unter artverwandten Seelen, Milton oder Shakespeare egal, sie sind doch Prof van Dusen, dieser Superschnüffler aus Amerika.
vanDusen: Sir.
Hatch: Stehen Sie auf Fremder, gehen sie in sich und ziehen sie am besten auch gleich die Schuhe aus, sie befinden sich in Gegenwart von Prof Dr.Dr.Dr. Augustus van Dusen dem berühmten Wissenschaftler und großen Amateurkriminologen der da genannt wird die Denkmaschine und ich bin sein Prophet äh wollte sagen sein Assistent und Chronist Hatch, Hutchinson Hatch.
Wirt: Herr Prof wünschen.
vanDusen: Haben sie die Güte, Herr Wirt dieses, dieses Subjekt von meinem Tisch zu entfernen.
Wirt: Aber Herr Prof, das geht nicht, das ist doch Mr Alastair.
vanDusen: So und wer oder was ist Mr Alastair.
Hatch: Mr Alastair war ein drahtiges Kerlchen ungefähr so alt und so groß wie der Prof, außerdem war er der ehrenwerte Alastair Baconsfield, der jüngere Bruder von Lord Hogsford und Lord Hogsford war in der Gegend die absolute Nr. 1, seit Jahrhunderten saß er d.h. seine Familie auf Schloß Hogsford, nur ein paar Minuten von Little Bacon entfernt, ihm gehörte fast alles Land um uns herum, sein Wort war Gesetz und darum war natürlich auch sein Bruder eine Respektsperson.
vanDusen: Das ist mir ganz und gar gleichgültig Sir, für mich sind sie ein Flegel.
Baconsfield: Regen Sie sich ab Prof und lassen sie mich auch mal zu Wort kommen, ich hab was für sie, ein Angebot.
vanDusen: Ich wünsche es nicht zu hören.
Baconsfield: Ein kriminologisches Angebot, auf Schloß Hogsford ist nämlich was passiert, das Verbrechen des Jahrhunderts könnte man sagen.
vanDusen: In der Tat Mr Baconsfield, äußern sie sich genauer, aber knapp, wenn ich bitten darf, präzise.
Hatch: Und von Anfang an.
Baconsfield: Ja also es geht um die Marquise von Hogsford.
vanDusen: Ein Mitglied ihrer Familie Mr Baconsfield.
Baconsfield: Das denn nun doch nicht, allerdings wenn sie meinen Bruder Cecil fragen, die Marquise gehört ihm müssen sie wissen.
vanDusen: Wie darf ich das verstehen Mr Baconsfield.
Baconsfield: Sie ist eine Sau, die Marquise.
vanDusen: Wie bitte.
Baconsfield: Ein Schwein, na kennen sie doch Prof, so ein dickes fettes Tier das grunzt und sich im Dreck suhlt.
vanDusen: Ja ich weiß was ein Schwein ist, Mr Baconsfield.
Baconsfield: Na wunderbar, dann wirds ihnen ja nicht schwer fallen die Marquise zu finden, sie ist nämlich verschwunden, aus ihrem Stall, wahrscheinlich geklaut von unserem Nachbar Sir Pelhal Grenwil auf Woodhouse.
vanDusen: Mr Baconsfield.
Baconsfield: Die Marquis ist der Augapfel meines Bruders, wissen Sie, eine Berkshiresau, edelste Rasse, schon dreimal hat sie den großen Preis auf der Land-wirtschaftsausstellung gewonnen in Worcester und in diesem Sommer holt sie den Preis zum vierten Mal, deshalb ist ja Sir Palham so sauer weil für sein Vieh immer nur der zweite Platz bleibt.
vanDusen: Mr Baconsfield, gehe ich fehl in der Annahme, daß sie mir zumuten, den unbekannten Aufenthaltsort eines verschwundenen womöglich entwendeten Hausschweins, sus scrofa domesticus zu eruieren.
Baconsfield: Spucken Sie doch nicht so große Töne Prof, sie sollen rauskriegen, wo die Marquise steckt und was mit ihr passiert ist, so was ist doch ihr Job wie sie da drüben in Amerika sagen oder.
vanDusen: Entfernen sie sich Sir, auf der Stelle.
Baconsfield: Ist das ihr Ernst.
vanDusen: Mein voller Ernst, das versichere ich ihnen, hinaus.
Baconsfield: Alright, aber ich sag ihnen was, wir sprechen uns wieder, und zwar bald, wissen sie die Menschen hier sind ein besonderer Schlag, kernig, ein bißchen schlicht, aber treu, und auf den Adel lassen sie nichts kommen und sie finden es gar nicht schön, wenn man seiner Lordschaft in die Suppe spuckt, das werden sie noch merken Prof.
vanDusen: Ein besonderer Menschenschlag, wie wahr, vor einer halben Stunde belästigt mich der hiesige Krämer mit dem Ansinnen einen des Nachts stattgehabten Einbruchs Diebstahl in seinem Laden aufzuklären, einen Einbruchdiebstahl bei welchem gestohlen worden sein soll, was wars noch gleich.
Hatch: Ein großer schwarzer Luftballon und ein Eimer mit Farbe.
vanDusen: Und nachdem ich dieser, ich kann es nicht anders ausdrücken unverfrorenen Dreistigkeit die gebührende Abfuhr habe zu teil werden lassen, wagt man es mir, eine noch wahnwitzige Anmutung zu unterbreiten, ich Prof van Dusen der größte Amateurkriminologe, den die Welt je gesehen hat, ich soll eine abhanden gekommene Sau wieder zur Stelle schaffen, in der Tat, in dieser rustikalen Abgeschiedenheit scheinen Degeneration, Debilität, Idiotie, kurz der blanke Schwachsinn zu grassieren, wir reisen ab, gleich morgen.
Wirt: Tut mir leid Herr Prof, aber sie reisen heute noch, sofort, ihr Gepäck steht schon auf der Straße, hier ist die Rechnung.
Hatch: Wir wurden vor die Tür gesetzt, kurz aber nicht schmerzlos und ohne Begründung von ein paar kräftigen Hausknechten, telefonieren durften wir übrigens auch nicht.
Wirt: Nur wenn sie auf Schloß Hogsford anrufen und mit Mr Alister sprechen wollen, nein, dann machen sie daß sie weiterkommen.
Hatch: Wir wanderten zum kleinen Bahnhof von Litte Bacon, finster beäugt von den Dorfbewohnern, sauer und schwer bepackt, letzteres bezog sich natürlich nur auf meine Wenigkeit, auf dem Bahnsteig erfuhren wir eine neue Hiobsbotschaft.
Bahnhofsvorstand: Der nächste Zug, keine Ahnung, vielleicht morgen, vielleicht übermorgen, vielleicht in einem Monat, vielleicht noch später, eine unvorher-gesehene Fahrplanänderung, bis auf weiteres hält kein Zug in Little Bacon.
Hatch: Schöne Bescherung, wie sollen wir denn wegkommen.
vanDusen: Lassen sie das Lamentieren, tun sie etwas, mieten sie uns einen Wagen.
Bahnhofsvorstand: Ein Automobil, im Dorf gibt’s keins, nur auf Schloß Hogsford.
vanDusen: Dann von mir aus auch ein Pferdefuhrwerk.
Bahnhofsvorstand: Zwecklos keiner wird sie fahren.
Hatch: Ok gehen wir eben zu Fuß.
Bahnhofsvorstand: Können sie ja gern versuchen, aber ich würds nicht tun an ihrer Stelle, auf den Wiesen wimmelt es von wilden Bullen.
Hatch: Da standen wir nun und sahen uns an und ich hatte das Gefühl, auch Prof van Dusen wußte nicht, wie es weitergehen sollte, aber da hatte ich ihn unterschätzt.
vanDusen: Hören sie.
Hatch: Ja ein Zug, was solls, der fährt ja doch durch.
vanDusen: Nicht wenn sie sich quer über die Schienen legen.
Hatch: Was.
vanDusen: In diesem Falle sehe sich der Zugführer zum Halten genötigt, wir könnten zusteigen.
Hatch: Schwierig mit abgefahrenen Beinen.
vanDusen: Sie haben Bedenken.
Hatch: Das können sie laut sagen, zufällig ist mir heute gar nicht nach Selbstmord, wissen sie was, statt mit lebensgefährlichen Ideen zu jonglieren, sollten sie lieber diesen ulkigen Schweinefall lösen, das ist doch für sie ein Klacks und dann sehen wir zu, daß wir von hier verschwinden.
Baconsfield: Sehr gut Mr Hatch nicht wahr, und sie Prof inzwischen auch vernünftig geworden.
vanDusen: Angesichts der empörenden ja unglaublichen Verfolgungen und Beeinträchtigungen welchen wir meine Person und Mr Hatch uns ausgesetzt sehen, auf ihre Veranlassung Mr Baconsfield, daran kann ja wohl kein Zweifel bestehen, angesichts dieser Situation bleibt mir keine Wahl, ich übernehme den Fall.
Baconsfield: Na bitte Prof, nur ein bißchen gut zureden und schon klappt die Sache, Fahrplan wieder in Kraft, Kidney.
Bahnhofsvorstand: In Ordnung, Mr Alastair.
Baconsfield: Kommen Sie, meine Herren, mein Automobil steht auf dem Vorplatz, ihr Gepäck lassen sie am besten hier, in 5 Minuten sind wir im Schloß, gerade richtig zum Lunch.
Hatch: Lunch im Speisesaal von Schloß Hogsford war eine trübselige Angelegenheit, nicht nur was das Essen betraf, Cecil Bakensfield, Lord Hogsford, Schloßherr und Gastgeber, tränte vor sich hin, vermutlich sorgte er sich um sein geliebtes Borstenvieh, ein bißchen munterer wurde er nur, wenn die Rede auf Schweine kam zB als Bruder Alastair ihm den Professor vorstellte.
Lord: Zoologe ja.
vanDusen: Unter anderem Milord.
Lord: Großartig, verstehen Sie was von Schweinen.
vanDusen: In der Tat Milord.
Lord: Großartig, großartig, dann müssen sie sich meine Marquise ansehen, Prof, wundervolles Geschöpf, ganz wundervoll, nur leider momentan nicht da, sozusagen verschwunden, jawoll, traurige Sache.
vanDusen: So scheint es Milord.
Lord: Sie kennen Mr Whiffle, Prof, Augustus Whiffle, unseren großen britischen Schweineexperten.
vanDusen: Selbstverständlich ist Mr Whiffle Ruf mir bekannt, Milord, allerdings hatte ich noch nicht das Vergnügen.
Lord: Können Sie nachholen, auf der Stelle, hier sitzt er, direkt neben ihnen.
Hatch: Der große britische Schweinepapst mit dem interessanten Vornamen Augustus sah aus, als habe sein Spezialgebiet sehr intensiv auf ihn abgefärbt, fett, rund, rosa, borstig, außer ihm gab es noch 2 Gäste auf Schloß Hogsford.
Baconsfield: Mr Osgood P. Quackenbush, Millionär und ein Landsmann von ihnen.
vanDusen: Mr Quackenbush ist mir nicht unbekannt.
Hatch: Mir übrigens auch nicht, zweimal waren wir uns über den Weg gelaufen, in NewYork während der Affäre um das Auge des Zyklopen und erst vor ein paar Tagen im englischen Glastonbury beim Fall des unheimlichen Schwarzen Ritters, in dieser Sache hatte Quackenbush eine recht zwielichtige Rolle gespielt, vielleicht wirkte er deshalb wie das personifizierte schlechte Gewissen.
Baconsfield: Dann kennen Sie wohl auch seine reizende Tochter, Ms Iris Quackenbush.
Iris: Das hat sich bisher leider nicht ergeben, aber ich habe natürlich von ihnen gehört, Prof.
vanDusen: Wer hätte das nicht, Ms Quackenbush.
Baconsfield: Und der junge Mann an Ms Quackenbush Seite, ja der mit dem Monokel und dem eingeschlafenen Gesichtsausdruck, das ist mein Neffe, Cecils Sohn und Erbe, der ehrenwerte Ronald Bakensfield.
Ronny: Ronny, sagen Sie Ronny Prof, alle sagen Ronny.
Hatch: Van Dusen sagte nicht Ronny zu ihm, er sagte überhaupt nichts zu ihm, sondern unterhielt sich mit seinem schweinekundigen Nachbarn.
vanDusen: Wenn ich recht informiert bin, Mr Whiffle, empfehlen sie in ihrem Werk über die sachgerechte Aufzucht des Hausschweins die nicht unumstrittene Wolf- Lehmann-Kolimofski Diät.
Whiffle: Koli waas.
Lord: Großartige Diät, ganz großartig, gibt nichts besseres, was Whiffle.
Whiffle: Gewiß Milord, prima Diät, die Schweine nehmen ab wie ein geölter Blitz.
vanDusen: Sie nehmen ab?
Lord: Kleiner Scherz, was Whiffle, sie nehmen zu, dick und fett werden sie, wie meine Marquise, ach ja, die arme Marquise.
Whiffle: Natürlich, natürlich, sie nehmen zu.
Lord: Müssen sie ja auch, bei 50000 Kalorien.
vanDusen: Mrs Quackenbush, hätten sie wohl die Güte, mir das Salzfaß zu reichen.
Iris: Sicher Prof, wo, ah hier.
vanDusen: Das ist ihre Fingerschale, Mrs Quakenbush.
Quackenbush: Wie oft hab ich’s dir schon gesagt, Iris, du brauchst eine Brille.
Hatch: Nach dem Lunch wanderten wir durch den Garten zum Schweinestall, es wurde langsam Zeit, den geheimnisvollen Fall der verschwundenen Marquise in Angriff zu nehmen und das tat der Prof denn auch, er verhörte den Schweinewart seiner Lordschaft.
vanDusen: Wann ist das ihrer Wartung anvertraute Tier verschwunden.
Wart: Jo, weiß ich nicht.
vanDusen: Dann lassen sie mich die Frage anders formulieren, wann und wo haben sie die Sau zuletzt gesehen.
Wart: Ja gestern beim Mittagessen, hier, dann bin ich eingeschlafen ja und wie ich aufgewacht bin, war sie weg die Marquise, ja.
Hatch: Wann war das.
Wart: Was.
vanDusen: Wann sind sie aufgewacht.
Wart: Gegen 5.
vanDusen: So, und pflegen sie jeden Tag einen so ausgedehnten Mittagschlaf zu halten.
Wart: Nö nie.
vanDusen: Und gestern.
Wart: Kann ich mir nicht erklären.
vanDusen: Hatten sie getrunken.
Wart: Ne, nur mein Dünnbier, wie immer, können sie die junge Dame aus Amerika fragen, die hat es mir nämlich gebracht, gestern, aus der Küche.
vanDusen: Mrs Quackenbush.
Wart: So heißt sie.
Quackenbush: Prof, hallo Prof.
vanDusen: Mr Quackenbush.
Hatch: Mr Quackenbush steckte hinter einer Hecke und winkte heftig, weil er unbedingt und sofort mit van Dusen sprechen wollte.
Quackenbush: Ich weiß Bescheid, Prof sie sind doch nicht als Zoologe auf Schloß Hogsford, so was können sie dem vertrottelten Lord erzählen oder seinem noch dämlicherem Sohn, also sie sind hier als Detektiv.
vanDusen: Kriminologe, Mr Quackenbush, Amateur-Kriminologe.
Quackenbush: Wie sie wollen Prof, jedenfalls sollen sie rauskriegen, wer sich an dieser gottverdammten Sau vergriffen hat.
vanDusen: Durchaus möglich, Mr Quackenbush.
Quackenbush: Ich weiß, was sie können Prof, ich hab ihnen schon zweimal zugesehen und darum will ich lieber gleich reinen Tisch machen.
vanDusen: Ja Mr Quackenbush.
Quackenbush: Also ich wars, ja ich hab das Unglücksvieh aus dem Stall geholt.
vanDusen: Sie setzen mich in Erstaunen, Mr Quackenbush.
Quackenbush: Ich hatte es nicht geplant, glauben Sie mir, aber als ich gestern hier vorbeikam, auf meinem üblichen Spaziergang nach dem Lunch.
vanDusen: Gestern, wann genau.
Quackenbush: Kurz vor zwei würde ich sagen, die Sonne schien, alles war still, dieser Kerl der Schweinewart schnarchte in seinem Schuppen und ja da hab ich einfach die Tür im Gatter aufgemacht und das Schwein rausgescheucht mit meinem Spazierstock.
Hatch: Nur so aus Jux und Dollerei, oder hatten sie einen bestimmten Grund.
Quackenbush: Natürlich hatte ich einen Grund, meine Tochter Iris hat sich verliebt, in Ronny Bakensfield, ja sie will ihn heiraten, das paßt mir gar nicht, gar nicht, sie haben Ronny ja kennengelernt, degeneriert, dumm wie Bohnenstroh, aber Iris besteht darauf, und wenn sie sich mal was in den Kopf setzt.
Hatch: Kann Daddy nicht nein sagen.
Quackenbush: So ist es, Mr Hatch, leider.
Hatch: Soweit alles klar, ich verstehe bloß nicht was Lord Hogsford Sau mit der Sache zu tun hat.
Quackenbush: Sehen Sie, ich kenne Lord Hogsford seit Jahren und ich weiß immer wenn was mit seinem geliebten Tier was nicht stimmt, ist er völlig daneben, übermorgen reisen wir ab, Iris und ich, und wenn die Marquise solange verschwunden bleibt, also hab ich mir gedacht, wird der Lord nicht ansprechbar sein, auch nicht für Ronny und seine Heiratspläne.
vanDusen: Ah ich verstehe, Mr Quackenbush, wo befindet sich die Marquise.
Quackenbush: Da drüben im Wäldchen, ich hab sie mit dem Stock hingetrieben und in eine leerstehende Holzfällerhütte gesperrt.
Hatch: Fall schon gelöst, so sah es aus. Als Quackenbush uns eine viertel Stunde später die Tür zur Hütte aufmachte, erlebten wir eine Überraschung.
Quackenbush: Leer, das Schwein ist weg.
Hatch: Aber es hat was hinterlassen, auf dem Boden, das heißt, es war da.
vanDusen: Jedoch nur sehr kurze Zeit, mein lieber Hatch, ansonsten wäre die von ihnen konstatierte Hinterlassenschaft wesentlich umfangreicher, Moment, was ist denn das hier.
Hatch: Ein Monokel, sagen sie mal, Quackenbush, die Marquise hat doch wohl kein Monokel getragen.
Quackenbush: Unsinn, es gibt nur einen auf Schloß Hogsford, der mit so einem Stück Glas im Auge rumläuft, der ehrenwerte Ronny, ja, den sollten sie sich mal vorknöpfen Prof.
Hatch: Auf seinem Zimmer im Schloß nahm van Dusen den edlen Sproß aus blauem britischem Blut ins Gebet, der versuchte zuerst, sich noch dümmer zu stellen, als er schon war, aber damit kam er beim Prof natürlich nicht weit, bald fing er an zu beichten.
Ronny: Es war Iris Idee, Prof, bestimmt, ich wär nie auf so was gekommen.
Hatch: Glaub ich ihnen unbesehen.
VanDusen: Hatch, weiter Mr Bakensfield.
Ronny: Wir klauen Papas Sau, hat Iris gesagt, wir verstecken sie ein zwei Tage ja und dann finden wir sie, hat Iris gesagt, und bringen sie Papa zurück, der ist selig, hat Iris gesagt und wenn ich ihm klarmache, daß Iris mich heiraten will, ich meine daß ich Iris daß wir.
vanDusen: Schon gut, um ihren Plan ungestört durchführen zu können, haben sie gestern ein Schlafmittel in das mittägliche Dünnbier des Schweinewarts praktiziert.
Ronny: Ich nicht Prof, das war Iris, deshalb hat sie ihm es ja gebracht das Bier, ja und wie wir uns zum Stall schleichen, so eine Stunde später, wen sehn wir da.
vanDusen: Mr Quackenbush.
Ronny: Genau, Prof, Iris alten Herrn, woher wissen sie.
vanDusen: Die Quelle meiner Erkenntnis ist im Augenblick ohne jeden Belag, Mr Bakensfield, fahren sie fort.
Ronny: Stellen Sie sich vor, der alte Quackenbush holt Papas Marquise aus den Stall und treibt sie weg.
vanDusen: In einen nahen Wald zu einer Hütte.
Ronny: Genau, und wie er weg ist der alte.
vanDusen: Haben Sie das Schwein anderswo hingebracht.
Ronny: In einer Schubkarre, schweres Stück Arbeit, gottseidank ist sie nicht weit weg, die Villa Waldeslust.
vanDusen: Villa Waldeslust.
Ronny: Ja, die hatten wir uns ausgeguckt, als Versteck für die Marquise, weil sie leersteht, die Villa, sie gehört nämlich dem alten Admiral Malenspeik und der segelt gerade in der Nordsee, oder wars die Ostsee.
vanDusen: Sie verbargen also das Schwein in der Villa Waldeslust.
Ronny: Im Bad, und wenn sie es ganz genau wissen wollen, in der Badewanne, sicherheitshalber.
vanDusen: Worauf sie wie ich annehme ins Schloß zurückkehrten.
Ronny: Ja Prof und da war der Teufel los, Papa hat inzwischen spitzgekriegt, daß die Marquise weg war, er hat getobt wie wie tausend nackte Kannibalen, da wollte ich lieber nicht mehr mitmachen und Iris hat auch getobt und gesagt, ich soll mich schä-men und sie zieht die Sache alleine durch, Iris hat ihren eigenen Kopf wissen Sie.
Hatch: Ja und sie sind ein richtiger Held, tapfer, furchtlos wagemutig.
Ronny: Finden Sie, Mr Hatch.
vanDusen: Holen Sie Hut und Stock, Mr Baconsfield, führen sie mich zu Villa Waldeslust.
Ronny: Wenn sie wollen Prof gern, aber es hat keinen Zweck, das Schwein ist nicht mehr da.
vanDusen: Was sie nicht sagen, und wo ist die Sau.
Ronny: Keinen Schimmer, Prof, großes Ehrenwort, da müssen sie schon Iris fragen, die ist nämlich heute ganz früh zur Villa, praktisch zu nachtschlafender Zeit, um die Marquise zu füttern und als sie zurückkam war sie ganz durcheinander, eine unglaubliche Geschichte hat sie erzählt.
Hatch: Und die erzählte sie van Dusen gleich nochmal, ich mußte dem ehrenwerten Ronny recht geben, es war wirklich eine ganz und gar unglaubliche Geschichte, am frühen Morgen kurz vor 6 war Iris Quackenbush zur Villa Waldeslust geschlichen mit einem Eimer gekochter Kartoffeln, die sie in der Schloßküche organisiert hatte, sie hatte die Haustür geöffnet, war über den Korridor gegangen, hatte die Tür zum Bad aufgemacht und das Schwein.
Iris: Lag ganz ruhig in der Wanne, ich denke, es schlief noch, als ich dann die Kartoffeln reinschüttete, wurde es wach, es fing an sich zu bewegen, grunzte ein bißchen, alles in Ordnung, und wie ich gerade vorsichtig die Haustür aufmache höre ich was, im Bad, ein lautes Geräusch, eine Art Knall, ich sofort zurück ins Bad, und was soll ich ihnen sagen Prof, das Schwein war verschwunden.
vanDusen: In der Tat Mrs Quackenbush.
Iris: Die Wanne war leer, bis auf die Kartoffeln und den Dreck natürlich, das ganze Bad war leer, nirgends ein Schwein.
vanDusen: Fenster, Mrs Quackenbush.
Iris: Eins, Prof, ca 20 mal 30 cm, unmöglich und durch die Tür ist auch kein Schwein gekommen, ich war ja direkt davor, im Korridor.
vanDusen: Sie hörten einen Knall, Mrs Quackenbush, sind sie sicher.
Iris: Ja Prof, einen lauten scharfen kurzen Knall.
Hatch: Vielleicht ist das Vieh geplatzt.
vanDusen: Mein lieber Hatch, gestatten sie mir die Bemerkung daß gerade in diesem Augenblick sie mich an ein wie sie sich auszudrücken belieben Vieh gemahnen.
Hatch: Zu gütig Prof.
vanDusen: Ich meine jenes sprichwörtliche Huhn, welchem es trotz seiner mangelnden Sehfähigkeit gelegentlich doch gelingt, ein Körnlein zu entdecken, das kleine Fenster im Bad, Mrs Quackenbush, stand es offen.
Iris: Warten sie, Prof, es war angelehnt.
vanDusen: Soso, gestern Nachmittag hatten sie, sofern ich recht unterrichtet bin, bin eine verbale Auseinandersetzung mit Mr Ronald Bakensfield.
Iris: Auseinandersetzung, gestritten haben wir uns, daß die Fetzen flogen, ich hätte nie gedacht, daß Ronny so ein Feigling ist.
vanDusen: Sie haben sich also gestritten.
Iris: Ja.
vanDusen: Laut.
Iris: Sehr laut, aber wieso.
vanDusen: Wo.
Iris: Wenn sie es unbedingt wissen wollen, Prof, in der Bibliothek.
vanDusen: Waren sie beide allein.
Iris: Moment, hinten in der Ecke saß einer, aber der schlief.
vanDusen: Wer.
Iris: Dieser Schweinemensch glaub ich, Whaffle oder wie heißt er.
vanDusen: Whiffle, danke Ms Quackenbush, wenn sie mich nunmehr zur Villa Waldeslust geleiten wollten, ich wünsche den Ort in Augenschein zu nehmen, an welchem die Marquise von Hogsford sich auf so mysteriöse Weise in Luft auflöste, was sie betrifft, mein lieber Hatch.
Hatch: Ich komme natürlich mit, Prof.
vanDusen: Mit nichten mein lieber Hatch, erheischt die Notwendigkeit gebieterisch den Einsatz des kriminologischen Assistenten, so hat der Chronist und Begleiter zurückzustehen, für sie habe ich einen Sonderauftrag, sie werden sich ins Dorf Little Bacon begeben, dortselbst den Krämer aufsuchen und ihm folgenden Fragen stellen.
Hatch: Anfangs war der Krämer ja etwas muffig, weil van Dusen ihn morgens im Gasthof so heftig abgebürstet hatte, aber er beruhigte sich wieder und erzählte mir was ich bzw. der Prof wissen wollte.
Krämer: Der Ballon, schwarz und groß, größer als ein normaler Luftballon, haben sie ihn nicht gesehen Mister, er hat doch wochenlang hier gehangen, da über dem Regal, seit der Kirmes, da ist er übriggeblieben.
Hatch: Und der Einbrecher hat ihn mitgenommen.
Krämer: So wie er war, Mr. und einen kleinen Eimer Farbe, weiße Farbe, damit ist er raus auf die Straße zu seinem Automobil und ist.
Hatch: Haben sie den Einbrecher gesehen.
Krämer: Aber ja doch Mr, von meinem Schlafzimmerfenster im 1. Stock, bloß erkennen konnte ich ihn nicht, weil er sich ein Tuch vors Gesicht gebunden hat, wie im wilden Westen Mr.
Hatch: Wie sah er aus.
Krämer: Dick, sehr dick.
Hatch: Das Automobil, welche Marke.
Krämer: Gott Mr, von so neumodischen Sachen versteh ich nichts, ich weiß bloß, daß er damit weggefahren ist.
Hatch: Welche Richtung, Schloß Hogsford.
Krämer: Genau anderslang, da wos zum Wald geht.
Hatch: Wie wir es verabredet hatten, traf ich den Prof vor der Villa Waldeslust, er hörte sich meinen Bericht an und war offensichtlich zufrieden.
vanDusen: Sehr schön, mein lieber Hatch, dank ihrer Tätigkeit zeichnet sich die von mir zunächst rein theoretisch konzipierte und postulierte Lösung des Falles nunmehr immer präziser, immer schärfer konturiert ab, sie sehen die Fußspuren, direkt am Mauerwerk, unter dem Fenster zum Badezimmer.
Hatch: Groß und breit.
vanDusen: Und tief eingesunken, die Spuren eines gewichtigen Mannes, welcher sich geraume Zeit vor dem Fenster aufhielt, weitere Spuren allerdings ganz anderer Art stellen wir vor dem Tor fest.
Hatch: Reifeneindrücke von einem Automobil.
vanDusen: Wohin führt dieser Weg, Mrs Quackenbush.
Iris: Nach Woodhouse, Prof, das ist das Anwesen von Sir Pelham Grenvill.
vanDusen: Ah, der neidische Nachbar, welchen Mr Alastair Baconsfield als den Hintermann, die graue Eminenz der Affäre verdächtigt, mein lieber Hatch, wohin treibt es sie.
Hatch: Nach Woodhouse, Prof, den Reifenspuren nach.
vanDusen: Später, mein lieber Hatch, später, zunächst gilt es nach Schloß Hogsford zurückzukehren, um durch die nur dort zu entdeckenden bislang noch fehlenden Mosaiksteine das Bild einfürallemal zu komplettieren, während ich einige Worte mit Mr Whiffle, dem sog. Schweineexperten zu wechseln gedenke, werden sie, lieber Hatch einen zweiten speziellen Auftrag auszuführen haben.
Hatch: Worum es dabei ging, werden sie jetzt noch nicht erfahren, meine Damen und Herren, wegen der Spannung, und weil es ein Geheimauftrag war, hier nur soviel, alles ging glatt, ich machte Meldung, der Prof rieb sich die Hände.
vanDusen: Mein lieber Hatch, der Fall ist gelöst.
Hatch: So.
vanDusen: Sie zweifeln, mein lieber Hatch.
Hatch: Das würde ich mir nie erlauben, Prof aber wenn sie mich fragen, mir ist noch längst nicht alles klar.
vanDusen: Das ist nicht mehr als recht und billig, sie sind der Assistent, ein in diesem Falle recht zufriedenstellender ja lobenswerter Assistent, doch doch, ich möchte nicht versäumen das hinzuzufügen.
Hatch: Danke, ich weiß selber daß ich kein kriminologischer Großmeister bin, aber ein bißchen weiß ich doch, ich weiß, wer das Vieh aus der Villa geklaut hat und wo es jetzt steckt, aber was ich nicht weiß ist, wie hat der Kerl das Ding gedreht, wie hat er das fette Vieh in wenigen Sekunden mit einem Knall verschwinden lassen.
vanDusen: Ein im Prinzip höchst simpler Trick.
Hatch: Den sie natürlich durchschauen.
vanDusen: Natürlich.
Hatch: Und wie ich sie kenne, wollen sie ihn mir auch nicht verraten.
vanDusen: Dies mein lieber Hatch wäre ein krasser Verstoß gegen jede kriminologische Tradition, aufgeklärt wird bekanntlich erst zum guten Schluß in Anwesenheit aller Beteiligten.
Hatch: Das weiß ich.
vanDusen: Warum lösen sie das Rästel nicht selber, sie kennen alle Indizien, prüfen sie sie, werten sie sie, nach dem Grundsatz.
Hatch: 2 plus 2 geschenkt Prof, sagen sie mir lieber was für Indizien ich prüfen und werten soll.
vanDusen: In aller kürze diese, mein lieber Hatch, a Mrs Quackenbush ist stark kurzsichtig, weigert sich jedoch aus Eitelkeit eine Brille zu tragen, b die Marquise von Hogsford gehört der Rasse der Berkshireschweine an, c beim Krämer von Little Bacon wurde ein großer schwarzer Luftballon entwendet, wenn sie ferner die Spuren an der Villa Waldeslust in Betracht ziehen.
Hatch: Dann weiß ich ehrlich gesagt immer noch nichts.
vanDusen: Auch wenn ich in der Regel keine intellektuellen Meisterleistungen von ihnen erwarte, mein lieber Hatch, enttäuschen sie mich dieses mal doch ein wenig, nun gut, der eine hats, der andere nicht, kommen sie, wir werden Sir Pelham Grenvil einen Besuch abstatten, präziser seinem Schweinstall, bitte verständigen sie Mr Quackenbush, ich wünsche seine Begleitung.
Hatch: Den alten, nicht Iris.
vanDusen: Mr Osgodd P. Quackenbush, ich habe meine Gründe.
Hatch: Quackenbush wunderte sich, aber er wußte, wenn Prof van Dusen ruft, gilt kein Zögern und nein sagen erst recht nicht, eine knappe Stunde später, es war inzwischen 5 geworden, standen wir vor Sir Pelham Grenvils Schweinestall am Zaun, alles war still, kein Mensch zu sehen, außer uns drei natürlich, im Koben suhlte sich ein Schwein.
Quackenbush: Aber das ist nie und nimmer die Marquise von Hogsford.
vanDusen: Meinen Sie, Mr. Quackenbush.
Quackenbush: Die Marquise ist ein Barkshireschwein und Barkshireschweine sind schwarz, von der Schnauze bis zum Ringelschwanz, das Vieh hier ist.
Hatch: OK Kopf ist schwarz, Hinterteil auch, aber dazwischen ist es weiß, eindeutig.
vanDusen: Wie es den Anschein hat, handelt es sich um ein Tier vom Typ Wessex Saddleback, ein Typ welcher gekennzeichnet ist durch einen großen weißen Sattel oder Ring um den Rumpf, wenn sie jedoch meine Herren an diesem weißen Ring mit dem Fingernagel kratzen, igitt, wie ich es jetzt tue, so werden sie feststellen.
Hatch: Die Farbe geht ab.
vanDusen: So ist es, erinnern sie sich, beim Krämer wurde nicht nur ein Ballon gestohlen sondern auch ein kleiner Eimer voller weißer Farbe und hier hier steht er auf der Fensterbrüstung, mitsamt dem noch feuchtem Pinsel, kein Zweifel, meine Herren, die Sau, welche wir hier sehen, ist ein mittels weißer Farbe in ein Wessexsaddleback transponiertes quasi verkleidetes oder auch maskiertes Barkshireschwein, kurz die Marquise von Hogsford.
Quackenbush: Bravo Professor, ja und was tun wir jetzt.
Hatch: Wir lassen die Sau raus und bringen sie zurück, nach Schloß Hogsford.
Quackenbush: Das müssen wir wohl Mr Hatch, ja dann mal los.
vanDusen: Bitte meine Herren vorsichtig, ich werde die Tür aufmachen, halten sie die Sau solange fest.
Hatch: Drei Stunden später, im Speisesaal von Schloß Hogsford hatten sich alle Beteiligten versammelt, um sich bester amateurkriminologischer Tradition entsprechend vom Prof über den sensationellen Schweinefall aufklären zu lassen, sie erfuhren erstaunt oder schuldbewußt, je nachdem, wie die Marquise zuerst von Quackenbush und dann von dessen Tochter Iris in Zusammenarbeit mit dem ehrenwerten Ronny geklaut worden war und warum die Diebe sich diesem in amerikanischen Millionärskreisen nicht gerade üblichen Tun hingegeben hatten.
vanDusen: Nach dem sie ihre Beute in der Villa Waldeslust verborgen hatten, kehrten Mrs Quackenbush und der ehrenwerte Ronald Baconsfield hierher zurück, in der Zwischenzeit war das Verschwinden der Marquise entdeckt worden, und Lord Hogsford gab seiner Empörung Ausdruck, auf so entschiedene so vehemente Weise, daß Mr Bakensfield kalte Füße bekam, so lautet das ja wohl volkstümlich, sein Entschluß fürderhin seine Hände in Unschuld zu waschen, führte zu einem heftigen Steit zwischen zwischen ihm und seiner Mitverschworenen, dieser Streit wurde belauscht, dabei erfuhr der Lauscher unter anderem zwei ihn höchstlich interessier-ende Tatsachen, daß das Schwein sich in der Villa Waldeslust befand und daß Mrs Qackenbush die Absicht hatte, es am kommenden Morgen zwecks Fütterung aufzu-suchen, beide Tatsachen beschloß der geheime Mitwisser sich zunutze zu machen, hatte er doch ohnehin die Absicht, die Marquise von Hogsford zu stehlen.
Baconsfield: Und wer war nun dieser Lauscher an der Wand, Prof.
vanDusen: Kein anderer als der Mann, welcher sich Augustus Whiffel nennt.
Lord: Was, Mr. Whiffle, das ist doch blühender Blödsinn, Prof, so was würde Mr. Whiffle nie tun, was Mr Whiffle.
Whiffle: Niemals Milord.
vanDusen: Mr Whiffle, Milord ist nicht Mr Whiffle, um wen es sich bei dieser Person in Wahrheit handelt, hat dankenswerterweise mein Assistent ermittelt, indem er das Zimmer des Verdächtigen einer Durchsuchung unterzog, dabei entdeckte er zwei äußerst bemerkenswerte Dokumente, bitte Mr Hatch.
Hatch: Erstens eine Lizenz als Privatdetektiv, ausgestellt auf einen gewissen Blister, Percy Blister, wohnhaft in London, zweitens ein Schreiben worin Sir Pelham Grenvil Blister 500 Pfund verspricht, wenn er für ihn die Marquise klaut.
Baconsfield: Sir Pelham, hab ich ja gleich gewußt, daß der dahinter steckt.
vanDusen: Danke mein lieber Hatch, ich fahre fort, dem falschen Mr Whiffle, welcher beiläufig bemerkt eine beklagenswerte Unkenntnis in Bezug auf Schweine an den Tag zu legen pflegt, bot sich nunmehr die heißersehnte Gelegenheit, er beschloß, die Marquise aus der Villa Waldeslust zu entführen und Sir Pelham Grenvil zuzustellen, doch damit nicht genug, indem er in raffinierter Inszenierung die Sau auf quasi magische Weise verschwinden ließ, wollte er die Angelegenheit zusätzlich verwirren, komplizieren, einnebeln, wenn sie so wollen, um dieses sein Vorfahren durchzuführen entwickelte Mr Blister in der vergangenen Nacht eine bemerkenswerte geradezu hektische Aktivität, als erster unternahm er einen Einbruch in den Kramladen von Little Bacon, wobei er den wie ihm wohlbekannt war dort befindlichen großen schwarzen Ballon nebst einem Eimer weißer Farbe entwendete, sodann begab er sich in seinem Automobil zur Villa Waldeslust, er verschaffte sich Einlaß, wie ich vermute mittels eines sog Dietrichs, kein Problem für einen privaten Detektiv, praktizierte die Marquise in seinen Wagen und transportierte sie zum Schweinestall von Sir Pelham Grenvil, wo er mit der gestohlenen Farbe das Barkshireschwein in ein Wessexsaddleback umwandelte.
Lord: Wessexsaddleback, tatsächlich, inferiore Rasse.
vanDusen: Kurz vor dem Morgengrauen suchte Mr Blister zum zweiten Mal die Villa Waldeslust auf, er legte den schwarzen Ballon in die Badewanne, befestigte an ihm eine Schnur, deren zweites Ende er durch das leicht geöffnete Fenster nach draußen verlegte, bezog vor dem Fenster Posten und wartete, auf Mrs Iris Quackenbush, vor der der wußte, wer auf Schloß Hogsford wußte dies nicht, daß sie sich trotz ihrer ungenügenden Sehfähigkeit weigerte, ein Brille zu benutzen, als Mrs Quackenbush im Bad erschien, gab Blister Grunztöne von sich und zog gleichzeitig an der Schnur, der Ballon bewegte sich, Mrs Quackenbush sah, was sie sehen sollte, eine lebendige Marquise von Hogsford, sie verließ das Badezimmer und Mr Blister kam zum Höhepunkt seiner Illusionsschau, er brachte den Ballon zum platzen.
Baconsfield: Wie Prof.
Iris: Besser gefragt womit.
vanDusen: Mittels seines Spazierstock, wie ich annehme, an dessen Ende er eine Nadel angebracht hatte, die schlaffe Ballonhülle zog er an der Schnur durchs Fenster, worauf er sich ungesehen entfernte, Iris Quackenbush stand vor einem Rätsel, das von ihr soeben noch wahrgenommene Schwein war in Sekunden-schnelle verschwunden, dies würde sie beschwören, und sich so, da niemand ihr glauben würde, selbst aufs schwerste belasten, alle Spuren, so glaubte Blister, welche auf ihn bzw seinen Auftraggeber Sir Pelham Grenvil deuteten, seien verwischt, doch hat er, und damit, komme ich zum Ende meiner Ausführungen, doch hatte er Prof Dr.Dr.Dr. Augustus van Dusen nicht in seine Rechnung einbezogen.
Lord: Gut und schön, Prof, großartig kombiniert, alles was recht ist, aber das wichtigste, nichtwahr das fehlt doch noch.
vanDusen: Euer Lordschaft meinen.
Lord: Die Marquise, was denn sonst, wo ist sie, wo steckt sie.
Baconsfield: Hast du doch gehört, Cecil, bei Sir Pelham Grenvil.
vanDusen: Sie irren, Mr Baconsfield.
Lord: Ja wo dann, sagen sies doch endlich Prof.
vanDusen: Ich werde sie zu ihrem Tier führen, Milord, folgen sie mir.
Hatch: Kurz darauf bewegte sich eine interessante Prozession durchs Gelände, vorneweg der fette Butler, dahinter van Dusen und wir anderen, der Lord nebst Bruder und Sohn, die beiden Quackenbushs und meine Wenigkeit, nur der unglückselige Blister alias Whiffle war nicht dabei, der saß im tiefsten Schloßverließ, nach einer guten viertel Stunde erreichten wir ein einsam gelegenes unschönes Gebäude, das Armenhaus von Little Bacon, wir traten ein, gingen über den Flur, dem immer stärker werdenden würzigen Duft nach und kamen schließlich in einen großen Raum, auf einem gewaltigen Herd brutzelten zahllose Töpfe und Pfannen, um den riesigen Holztisch beladen mit vollen Tellern und Schüsseln hockten die Dorfarmen und futterten wie die Scheunendrescher.
vanDusen: Milord, meine Herrschaften, wir sind am Ziel.
Lord: Am Ziel, ja wirklich, ja wo ist die Marquise.
vanDusen: Hier Milord.
Lord: Tatsächlich, Prof, ich seh sie nicht.
vanDusen: O doch, Milord, sie sehen sie bzw das, was von ihr übrig ist, sie sehen sie überall in diesem Raum, auf dem Herd, auf dem Tisch, in Töpfen, Schüsseln, Pfannen, Tellern, in Form von Wellfleisch, Blutwurst.
Lord: Meine Marquise.
vanDusen: Braten, Kotelett.
Lord: Geschlachtet.
vanDusen: Ja.
Arme: Wir danken dem edlen Spender. Rülps.
Lord: Rache, blutige Rache, alle festnehmen, alle festnehmen, einsperren, hinrichten, alle, diesen diesen Blister auch und Sir Pelham Grenville.
Ronny: Aber Papa.
Lord: Und du Ronny, du wirst enterbt, was sie betrifft, Quack, Quackenbush, nehmen sie ihre Tochter und gehen sie mir aus den Augen.
Quackenbush: Mit Vergnügen.
Lord: Polizei.
Iris: Nichts lieber als das.
Lord: Scotland Yard.
Ronny: Aber Papa, Iris und ich wollen doch heiraten.
Lord: Die Feuerwehr, die Armee, die Marine.
Iris: Das ist vorbei, einen Schlappschwanz nehme ich nicht.
Lord: Der Henker, Henker seiner Majestät, aufhängen, alle miteinander, an den Kielern von Schloß Hogsford.
Hatch: Lord Hogsford wurde ohnmächtig, während die Verwandschaft sich um ihn kümmerte und die Armen von Little Bacon nicht wußten, wie ihnen geschah, entfernten wir, van Dusen, Quackenbush und ich uns unbemerkt im Getümmel, wir hatten es eilig, der letzte Zug nach Worcester fuhr in einer halben Stunde, und während wir zum Bahnhof eilen, drehe ich für sie, meine Damen und Herren, die Uhr kurz zurück, sie erinnern sich, der Prof, Quackenbush und ich waren mit der Marquise unterwegs nach Schloß Hogsford, es war keine muntere Landpartie, vor allem van Dusen wirkte verkrätzt.
Baconsfield: Na los dumme Sau, sie sagen ja gar nichts, Prof.
vanDusen: Ich denke nach, Mr Quackenbush.
Hatch: Über ihre atomare Strukturtheorie.
vanDusen: Nein mein lieber Hatch, über den massiven Affront, welchen man meiner Person angetan hat, Prof Dr.Dr.Dr. Augustus van Dusen wurde durch die Anwendung hinterhältiger ja schändlicher Methoden gezwungen, einen tief unter seiner amateurkriminologischen Würde liegenden Fall zu übernehmen, dekadente Aristokraten haben mir morbide Spiele getrieben.
Baconsfield: Los jetzt.
Hatch: Müssen wir ihnen zu allem Überfluß das Vieh auch noch zurückerstatten, mit rosa Schleifchen und schönen Grüßen.
vanDusen: Müssen wir das, mein lieber Hatch.
Hatch: Naja, immerhin haben sie den Fall übernommen, Prof.
vanDusen: Und gelöst, mein lieber Hatch, ganz gleich was mit dem corpus delicti will sagen der Sau noch geschehen mag.
Baconsfield: Wissen sie, was ich denke, wenn das Schwein wieder da ist, wird Lord Hogsford einverstanden sein, daß Iris diesen Idioten Ronny heiratet, entsetzlich.
vanDusen: Andererseits käme das Tier nicht zurück, gäbe es keine Hochzeit.
Baconsfield: Ja, das wär eine Idee.
vanDusen: Sehen sie das Gebäude vor uns.
Hatch: Grau und häßlich.
vanDusen: Das Armenhaus von Little Bacon, man hat es weit außerhalb der Dorfgrenzen errichtet, weil man mit den Insassen möglichst wenig zu tun zu haben wünscht, diese führen, so fürchte ich, ein nicht eben angenehmes Leben, der zweifellos seltene Genuß einer reichhaltigen, schmackhaften Mahlzeit wäre ihnen von Herzen zu gönnen.
Hatch: Ah, ich habe eine Idee.
Baconsfield: Ich auch Mr Hatch.
Hatch: Gehen sie voraus, Prof, Quckenbush und ich komme in ein paar Minuten nach.
Baconsfield: Sobald wir eine Kleinigkeit erledigt haben. Ja.
Hatch: Wir banden die Marquise an den Türpfosten des Armenhauses und dann malte Quackenbush ihr große weiße Buchstaben auf die schwarze Haut, Farbeimer und Pinsel hatten wir mitgenommen, um sie dem Krämer zurückzugeben, eine Spende, guten Appetit, so mein kleines dickes Etwas.
Baconsfield: Hatch, ziehen sie die Glocke, und jetzt nichts wie weg und um die Ecke, kommen Sie.
Hatch: So kam es, daß die Armen von Little Bacon ein fröhliches Schlachtefest feierten, daß Iris Quackenbush nicht Ronny Baconsfield heiratete und daß Lord Hogsford in Ohnmacht fiel, übrigens falls es sie interessiert, als er wieder zu sich kam, wurde er strenger Vegetarier und verlegte sich auf die Kürbiszucht, und noch ein Wort zum Schluß, meine Damen und Herren, Sie kennen Prof. van Dusen, Sie wissen, er ist ein abgeklärter Mensch, der über den Dingen des Alltags steht, aber wenn man ihn so richtig ärgert, dann kann es passieren, daß auch ein so bedeutend-er Zeitgenosse mal kurz die Sau rausläßt, in diesem Sinne, meine Damen und Herren, bis zu nächsten Mal.
Professor van Dusen: Friedrich W. Bauschulte
Hutchinson Hatch: Klaus Herm
Cecil Baconsfield, Lord Hogsford: Hans Madin
Alastair Baconsfield, sein Bruder: Klaus Jepsen
Ronald (Ronnie) Baconsfield, sein Sohn: Hubertus Bengsch
Osgood P. Quackenbush: Christian Rode
Iris Quackenbush, seine Tochter: Lisa Adler
Augustus Whiffle alias Percy Blister: Walter Pfeil
Bahnhofsvorstand: Krikor Melikyan
Schweinewart: Heinz Rolfing
Krämer: Gerd Holtenau
Wirt: Otto Czarski
Michael Koser: Prof. van Dusen und die 7 Detektive (RIAS 1988)
Hatch: Happy birthday to you, happy birthday to you, happy birthday Professor…
vanDusen: Ich wäre Ihnen sehr verbunden, mein lieber Hatch, wenn Sie Ihren Gesang einstellten.
Hatch: Aber Prof, was haben Sie denn dagegen, daß ich ein bißchen singe, um mir Mut zu machen.
vanDusen: Wenn die Musik Ihnen als moralisches Tonikum unentbehrlich ist, so tun Sie mir doch wenigstens den Gefallen, ein anderes Lied zu wählen, ich habe nicht Geburtstag und ich.
Hatch: Aber gleich Prof, es ist zehn vor zwölf, seien Sie nicht so pingelig.
vanDusen: Und vor allem lege ich nicht den mindesten Wert auf die Anerkennung oder gar feierliche Begehung der jährlichen Wiederkehr eines lediglich vom Zufall bestimmten Datums wie es die Geburt eines Menschen darstellt und sei dieser auch eine so eminente Persönlichkeit wie ich, daß ich meinen Geburtstag weder selbst zu feiern noch von anderen feiern zu lassen gedenke, dies mein lieber Hatch sollten sie nun wirklich wissen.
Hatch: Und ob ich das wußte, weil Prof van Dusen ein so gewaltiger Geburtstags-muffel war, mußten wir ja Nachts bei Unwetter und klirrender Kälte durch die unwegsamen Felsen der Sierra Nevada irren, aber da sollte ich wohl ein bißchen ausführlicher erklären. In der zweiten Januarhälfte des Jahres 1906 hatten wir, der Prof und ich, unsere Weltreise beendet und waren in San Francisco gelandet, van Dusen hatte sich gleich in seine wissenschaftlichen Forschungen verkrochen, nur zweimal war er daraus aufgetaucht, Mitte Februar um mich vor dem Irrenhaus zu retten siehe Fall Hatch und etwa 10 Tage später, um Dampf abzulassen.
vanDusen: Haben sie die heutige Ausgabe des San Francisco Examiner schon gelesen.
Hatch: Nein steht was Interessantes drin.
vanDusen: Das kann man wohl sagen, Seite 3 unten.
Hatch: Bürgermeister eröffnet Schule, Großfeuer, ah hier, wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren wird Prof van Dusen der bekanntlich zurzeit in unseren Mauern weilt, in kürze, nämlich am 2. März seinen 60 Geburtstag begehen, Prof van Dusen, einer der größten Wissenschaftler unserer Zeit und auch als Amateurdetektiv von bedeutendem Ruf.
vanDusen: Kriminologe muß es heißen.
Hatch: Kann an diesem seinem Jubeltag Ehrungen in der Qualität und Quantität erwarten, wie sie seiner herausragenden Persönlichkeit.
vanDusen: Und so weiter, sie wissen was das bedeutet.
Hatch: Aber ja, in aller Früh ein Ständchen der freiwilligen Feuerwehr, Telegramme, Besuche und Reden, Reden, Reden.
vanDusen: Ach, es ist entsetzlich.
Hatch: Dafür müssen sie doch Verständnis haben.
vanDusen: Derartiges war mir schon immer ein Gräuel und ist es ganz besonders zum jetzigen Zeitpunkt, da ich von meinen aktuellen Forschungen voll und ganz in Anspruch genommen bin.
Hatch: Am besten verschwinden sie für ein paar Tage aus San Francisco, die Frage ist nur wohin.
vanDusen: Eine Frage, welche bereits beantwortet ist.
Hatch: Wieso.
vanDusen: Wie es der Zufall will, erhielt ich heute Morgen dieses Schreiben.
Hatch: Von wem.
vanDusen: Von einem alten bekannten, Mr Thomas Alva Edison.
Hatch: Sieh an, und was schreibt er.
vanDusen: Hören sie, sehr verehrter Prof van Dusen hochgeschätzter Kollege und Freund, ein wenig sehr vertraulich, finden sie nicht.
Hatch: Naja.
VanDusen: Oft habe ich mit Freude und Dankbarkeit an unser denkwürdiges Zusammentreffen im Canyon Delware zurückgedacht, an gemeinsam durchlebte Gefahren und an unsere Rettung, die wir großenteils ihrer Ingenuität verdanken, großenteils, der unmittelbare Anlaß meines Schreibens ist dieser, bereits vor geraumer Zeit habe ich das bekannte in der wildromantischen Landschaft des Yosemite Nationalparks gelegene Hotel Wawona ab 1. März exklusiv gemietet, um ungestört in winterlicher Einsamkeit erfinderisch zu wirken, nun sehe ich mich jedoch bis etwa mitte März anderweitig unaufschiebbar beschäftigt und erlaube mir daher ihnen besagtes Hotel als Refugium zu offerieren, sehr aufmerksam von Edison und hoch willkommen obendrein, sie erreichen das Hotel auf folgende weise.
Hatch: So kam es daß wir am Abend des 1. März im kleinen Ort Raymond am Fuß der Sierra Nevada aus dem Zug stiegen, der uns aus San Francisco hierher gebracht hatte, über Stockton, Merced und Berenda, Raymond war die Endstation, von hier ging es anders weiter und daß es weiterging dafür war gesorgt vor dem Bahnhof wartete ein Chauffeur mit einem Automobil, einem Pope Toledo. Wir fuhren nach Westen in die Berge, die Straße stieg immer mehr an, es wurde immer kälter, van Dusen saß zurückgelehnt, in Gedanken, abwesend, ich hatte ja keine Ahnung, was für eine Last auf seiner Seele lag, seine gewaltige Erfindung, die Nachstellungen des hinterhältigen Rüstungsindustriellen Cesselman, sie kennen ja die Hintergründe, und sie wissen, zu welch tragischem Ende sie im April führen sollten, Wind kam auf, es fing an zu schneien, plötzlich blieb der Wagen stehen.
vanDusen: Was ist, warum gehts nicht weiter.
Butler: Tut mir leid, Sir, die Straße ist zu steil, zu glatt durch den Schnee, der Wagen macht nicht mehr mit, dürfte ich die Herren vielleicht bitten kurz auszusteigen und ein bißchen zu schieben, wenn das nicht zu viel verlangt ist.
Hatch: Hören sie mal, ist das wirklich nötig, so schlimm sieht die Straße nicht aus, ich bin selbst Automobilist.
vanDusen: Hatch, der Mann kennt den Wagen und die Strecke, folgen sie seiner Anregung.
Hatch: OK Prof und jetzt hau ruck.
Butler: Vielen Dank meine Herren.
Hatch: He, halt, kommen Sie zurück, halt.
vanDusen: Lassen sie das fruchtlose Geschrei, sparen sie die Kraft ihrer Lungen, sie werden sie brauchen.
Hatch: Was sagen sie dazu Prof, setzt der Kerl uns hier einfach aus, mitten in der Wildnis, was sollen wir denn jetzt machen.
vanDusen: Laufen, mein lieber Hatch, laufen.
Hatch: Wir liefen über Stock und Stein, durch Busch und Wald, und wir stiegen durch Felsen, Gletscher und Schneefelder. Das Wetter wurde zum Unwetter, dann zum Schneesturm oder Blizzard wie der Fachmann sagt. Wir verloren den Weg, wußten nicht mehr wo wir waren und stapften eigentlich nur noch voran um nicht zu erfrieren.
Hatch: Ah das ist ja schlimmer als damals in Alaska. 12 Uhr, Mitternacht, 2. März, ihr Geburtstag Prof.
vanDusen Ich wäre ihnen äußerst dankbar, wenn sie den Tag meiner Geburt in Zukunft unerwähnt lassen würden.
Hatch: Moment mal wo schlägt denn mitten in der Wildnis in der Sierra Nevada eine Turmuhr.
vanDusen: Dort oben, auf jenem hohen Felsen.
Hatch: Und da brennt ja auch ein Licht, da oben muß ein Haus sein.
vanDusen: So scheint es, möglicherweise eine Jagdhütte, auf jeden Fall werden wir dort Obdach finden, kommen sie.
Hatch: Über einen steilen Pfad kraxelten wir auf das Licht zu und allmählich trat unser Ziel aus Schatten und dunkler Nacht, das war keine Jagdhütte, das war ein fantastisches Gebilde aus Mauern, Zacken, Zinnen und Türmen, eine Burg, eine richtige Burg, die aussah wie.
vanDusen: Wie Draculas Schloß in Transsylvanien.
Hatch: Ich dachte eher an Burg Glenmore oder die Mafiavilla Palermo oder Urganza in den Pyrenäen.
vanDusen: Ergehen sie sich nicht in unergiebigen Reminiszenzen, ziehen sie lieber die Torglocke.
Hatch: Machen wir. Schon nach wenigen Sekunden näherten sich gemessene Schritte, das Tor knarrte auf und dahinter erschien ein untadeliger Butler in gestreifter Weste und Schwalbenschwanz, und mit einer formvollendeten Verbeugung direkt aus dem höheren Lehrbuch für Butler und Kammerdiener von Reginald Geves, ansonsten hatte er eine verdächtige Ähnlichkeit mit dem Chauffeur, der uns sitzen gelassen hatte.
Butler: Treten Sie näher, meine Herren, sie werden erwartet.
Hatch: Erwartet.
Butler: Gewiß, sie sind doch Prof van Dusen und Mr Hatch.
Hatch: Ja aber.
Butler: Bitte folgen Sie mir.
Hatch: Das war wieder so eine mysteriöse Sache, eine richtige Hintertreppen-geschichte, der Prof zieht so etwas an, hätte ich geahnt, wie hintertreppig der Fall werden sollte, wäre ich gerannt, in die Wälder, in die Berge, ganz egal wohin, nur nicht in die Burg. Aber Hutchinson Hatch ist kein Hellseher, der Prof war offensichtlich nicht in Form und so folgten wir dem Butler durch einen kleinen Gang über einen Innenhof, vorbei an einem Brunnen, wieder durch einen Gang, bis zu einer geschnitzten Tür, der Butler öffnete beide Flügel weit und trat vor.
Butler: Ladies und Gentleman, Prof Augustus van Dusen, Mr. H. Hatch.
Prendergast: Oh aha, endlich unser Ehrengast ist erschienen, meine Dame, meine Herren ich darf also bitten, drei vier, happy birthday to you…van Dusen happy birthday to you, hahaha.
vanDusen: Was soll das bedeuten.
Prendergast: Eine Überraschung, verehrter Prof, Ihnen zu ehren und deshalb bin ich ganz besonders froh daß sie doch noch eingetroffen sind, Sie und natürlich auch Mr Hatch, treten Sie näher, meine Herren, Brimstome.
Butler: Madame befehlen.
Prendergast: Geleiten Sie die Herren zu ihren Plätzen.
Butler: Sehr wohl, Madame, folgen Sie mir bitte.
Prendergast: Meine übrigen Gäste dürften Sie kennen, Prof, Madame Maigret, private Detektivin aus Paris.
Maigret: Ich freue mich sehr Prof.
vanDusen: Ganz meinerseits Madame, wie geht es dem kleinen Jö.
Hatch: Mordfall Manulesco in Monte Carlo und die kuriose Affäre um die Rose von Kairo.
Prendergast: Mr. Sherlock Holmes.
Holmes: Ja Prof.
Hatch: Van Dusens Konkurrent beim großen Wettbewerb der Detektive 1903 in England.
Prendergast: Kommissär Gallimard.
Gallimard: Der Profi von der Surete na wie läufts denn so sie alter Amateur samas he
Hatch: Eins zwei, eins zwei, siehe den rätselhaften Korb der Venus von Milo.
Prendergast: Kommissar Möllhausen Berlin.
Möllhausen: Von Möllhausen ist mir eine kolossale Ehre sie wiederzusehen Herr Prof
Hatch: Laterna Magica Mord, Millionenraub aus dem Juliusturm.
Prendergast: Chefinspektor Smiley von Scotland Yard.
Smiley: How do you do Prof.
Hatch: Ballonexplosion über dem schottischen Hochland, diverse Fälle in London, die Sache bei Madame Tussauds zum Beispiel oder der mysteriöse Mord im Chinesenviertel.
Prendergast: Detective Sergeant Caruso, NewYork.
Caruso: Hi Prof, Leben noch frisch alles ok.
Hatch: Bestens Caruso.
Caruso: Sie hab ich nicht gefragt Mr Hatch.
Hatch: Gaslichtmordfall, Leichenräuber, Vampir von Brooklyn, Massaker im Zirkus Barnum und Bailey usw usw, sechs alte Bekannte, Polizisten und Privatdetektive aus aller Welt, Mitarbeiter und Konkurrenten des Prof, vorzugsweise Konkurrenten, noch dazu blamierte, und die hatten sich hier zusammengefunden in einer seltsamen Burg in der Sierra Nevada, um van Dusen zum Geburtstag zu gratulieren, merkwürdig, äußerst merkwürdig.
Hatch: Die wilden Delawaren versammeln sich in Scharen.
vanDusen: Bitte.
Hatch: Nur eine Reminiszenz Prof, unwichtig.
Prendergast: Brimstone, bedienen Sie die Herrschaften.
Butler: Sehr wohl, Madame.
Prendergast: Ich bin übrigens Mrs Prendergast, mein erster Mann, der selige Mr Falcon, war Millionär und fasziniert vom finsteren Mittelalter, deshalb hat er sich diese Burg gebaut und auf den Namen Falcon Crest getauft, jetzt gehört sie mir, und meinem zweiten Mann, Mr Prendergast, er sollte eigentlich hier sein, um die mystische Zahl von 7 Detektiven vollzumachen, doch ist er leider in Sacramento aufgehalten worden, ihn kennen Sie ja wohl auch noch.
Hatch: Prendergast, weiland Schiffsdetektiv auf der Columbia, auch einer der vom Prof blamierten, vielleicht erinnern sie sich noch an die Affäre um die schwarzen Perlen der Kali, die Sache kam mir immer merkwürdiger vor, was wurde hier gespielt.
Prendergast: Der Zufall, werter Prof, Mr Hatch, nur der Zufall hat uns an diesem Orte zusammengeführt und als wir in Erfahrung brachten, sie, der von uns allen so gesch-ätzte so verehrte Prof van Dusen feiert nun heute am 2. März ihren 60. Geburtstag.
vanDusen: Dann gehe ich wohl nicht fehl in der Annahme daß Sie, Mrs Prendergast, mich hierhergelockt haben, Sie haben die Nachricht von meinem bevorstehenden Geburtstag in San Francisco verbreitet, Sie haben den angeblich von Mr Edison stammenden Brief verfaßt, ihr Chauffeur und Butler hat uns in Raymond erwartet.
Prendergast: Bitte Prof, diese unwichtigen Details haben doch sicher Zeit bis morgen, sie sind durchgefroren, müde, hungrig, greifen sie zu und feiern Sie, wenn schon nicht ihren Geburtstag, so doch das Wiedersehen mit den alten Freunden, die das Geschick ihnen in den Weg geführt hat. Jawohl.
Hatch: Eine schöne, eine wahrhaft herzerhebende Feier, abgesehen von ein paar freundlichen Worten zu Madame Maigret, für die er immer ein kleine Schwäche gehabt hatte, blieb der Prof stumm wie ein Fisch, Sherlock Holmes und Caruso guckten grimmig, ersterer auf van Dusen, letzterer auf meine Wenigkeit, er hatte mich ja nie ausstehen können der gute Detective Sergeant, alle schwiegen nur Mrs Predergast plauderte munter fürbaß.
Prendergast: Warum so schweigsam Prof beschäftigt Sie womöglich ein geheimnis-voller Fall oder eine epochale Erfindung, vielleicht fehlt Ihnen ja nur ein wenig Tafel-musik, bedauerlicherweise sind wir darauf nicht eingerichtet, Dudelsackkonzerte a la McMurdock können wir ihnen nicht bieten und essen tun sie auch nicht Prof, wünsch-en Sie ein anderes Menü, sollten wir den wackeren Caruso bitten Ihnen eine Portion Spaghetti zu servieren, sie sind alle so still, meine Herrschaften, hat denn niemand Lust zur Unterhaltung beizutragen, vielleicht sie Kommissar von Möllhausen.
Hatch: Und der ließ sich auch nicht lange bitten und gab die spannende Geschichte von der blutigen Botschaft zum besten, allerdings brachte er sie nicht zu Ende, es kam was dazwischen.
Möllhausen: Da standen wir also hoch auf der Zitadelle im schönen Spandau und plötzlich sahen wir einen Ballon, jawohl meine Herrschaften einen Ballon und da sagte ich zu Prof van Dusen, oh.
Prendergast: Entschuldigen Sie Herr Kommissar ich habe Sie nicht verstanden, was sagten Sie.
Möllhausen: Oh.
Holmes: Tot, oder was meinen Sie, Chefinspektor.
Smiley: Kein Zweifel, Mr Holmes, Kommissar von Möllhausen ist tot, allem Anschein nach vergiftet.
Prendergast: Oh wie schade, wo er gerade so schön am erzählen war, Brimston.
Butler: Madame.
Prendergast: Schaffen Sie ihn nach draußen.
Butler: Sehr wohl, Madame.
Hatch: Butler Brimstone, ein kräftiges Kerlchen, brach sich den reglosen Kommissar über die Schulter und trug ihn ohne Mühe aus dem Saal und das seltsame Dinner ging weiter, als ob nichts vorgefallen sei, war ich in einen Alptraum geraten, ich kniff mich kräftig, aber ich wachte nicht auf und van Dusen tat nichts, doch er legte die Serviette hin und stand auf.
vanDusen: Mrs Prendergast, meine Herrschaften, sie entschuldigen uns, wir hatten eine lange, sehr ermüdende Anreise.
Prendergast: Sie wünschen sich zurückzuziehen, Prof.
vanDusen: So ist es, Madame.
Hatch: Aber Prof, eben hat man Möllhausen vergiftet und Sie gehen seelenruhig ins Bett.
Prendergast: Geleiten Sie die Herren auf ihr Zimmer, Brimstone.
Butler: Sehr wohl Madame.
Hatch: Unser Zimmer lag im zweiten Stock und bestand hauptsächlich aus zwei Himmelbetten und einem Kamin, in dem ein müdes Feuerchen knisterte, an den Wänden hingen ein paar Portraits von abgrund tiefer Scheußlichkeit und zwei gekreuzte Säbel, das wars, abgesehen von unseren Koffern, die mitten im Raum standen, unsere Koffer, die waren doch im Automobil geblieben.
Butler: Sie haben sich eingefunden meine Herren, wünsche angenehme Ruhe.
Hatch: Ich verstehe Sie wirklich nicht, Prof hier ist doch alles oberfaul und Sie.
vanDusen: Mein lieber Hatch, bevor sie sich weiter echauffieren oder aufspulen, wie man sich wohl in ihren Kreisen ausdrückt, lesen Sie dies.
Hatch: Lieber Prof, bleiben Sie ruhig was auch geschieht werde ihnen später alles erklären ihre Madame Maigret.
vanDusen: Unsere alte Freundin hat mir den Zettel unter dem Tisch in die Hosentasche praktiziert.
Hatch: Ja und was soll das heißen.
vanDusen: Mein lieber Hatch, auch ohne diese uns zugespielte Information sollte selbst Ihnen klar sein, daß alle die rätselhaften Dinge, welche uns auf dem Weg hierher und dann in dieser Burg zugestoßen sind, zu einem Spiel gehören, zu einer, wenn sie so wollen kalkulierten Inszenierung, deren Publikum allem Anschein nach wir beide zu bilden haben.
Hatch: Aber Möllhausen, der ist doch tot.
vanDusen: Keineswegs mein lieber Hatch, der Kommissar hat die Leiche lediglich gespielt, nicht eben brillant wie ich mich hinzuzufügen genötigt sehe, trotz seiner großen kriminologischen Erfahrung.
Hatch: Wenn sie das sagen Prof, ja und was sollen wir jetzt tun.
vanDusen: Da wir uns den auf uns gezielten dummen Streichen vorerst wohl kaum entziehen können, bleibt uns nichts anders übrig als sie weiterhin mit Nichtachtung zu strafen und sie abzuwettern wenn sie mir den nautischen Terminus technicus gestatten, ich rate Ihnen jedoch sich nicht zu entkleiden und soweit ihnen das möglich ist wach und wachsam zu bleiben.
Hatch: Damit holte der Prof seelenruhig Papier und Bleistift aus der Tasche, er kann eben immer und überall arbeiten, ich döste ein bißchen vor mich hin, manchmal glaubte ich draußen Schritte zu hören oder ich hatte das Gefühl die Vorhänge bewegten sich (Kikeriki). Plötzlich wurde ich hellwach.
Smiley: Aaah.
Hatch: Was war das?
vanDusen: Was schon, mein lieber Hatch, ein Schrei.
Hatch: Hört sich aber gar nicht gut an Prof, richtig kriminologisch, Prof.
vanDusen: Ja.
Hatch: Es hat geklopft.
vanDusen: Das ist mir nicht entgangen, öffnen Sie die Tür.
Smiley: Prof van Dusen, machen Sie auf.
Hatch: Meinen Sie wirklich Prof, wer weiß was das ist, vielleicht gibts hier ein Burggespenst.
Smiley: Aufmachen Prof schnell.
vanDusen: Ihr Burggespenst mein lieber Hatch ist Chefinspektor Smiley, nun öffnen Sie doch schon.
Smiley: Ich muß Ihnen was sagen, Prof, was wichtiges dringend, Möllhausen ist tot, wirklich tot obwohl das gar nicht geplant war und dahinter steckt ah…
Hatch: Ein Pfeil, Prof er hat einen Pfeil im Rücken.
vanDusen: Smiley ist tot.
Hatch: Sehen Sie mal Prof, am Pfeil hängt ein Zettel.
vanDusen: So ist es, mein lieber Hatch, folgen Sie dem Klang der Totenglocke.
Hatch: Was für eine Totenglocke, Prof, das ist kein Spiel mehr.
vanDusen: Mein lieber Hatch, sie haben recht die Situation hat sich grundlegend gewandelt, sie führen ihre elektrische Handlampe mit sich.
Hatch: Ja hier ist sie.
vanDusen: Auch ihren Revolver.
Hatch: Leider nicht, ich konnte ja nicht ahnen, daß wir ihn brauchen aber warten sie, ich hole mir einen Säbel von der Wand, besser als nichts, so Hutchinson Hatch ist zu allem bereit.
vanDusen: Sehr gut, mein lieber Hatch kommen Sie.
Hatch: Wohin Prof.
vanDusen: Wir folgen der Empfehlung unseres anonymen Korrespondenten und gehen dem Klang der Glocke nach.
Hatch: Die Morgendämmerung war schon angebrochen, als wir den Hof betraten und wir konnten die Anlage der Burg gut erkennen, ein Gebäudeviereck um einen Innenhof, an den Ecken Türme, drei kleine und ein hoher, an die 40-50 m, nichts zu sehen, nichts zu hören, bis auf das enervierende Gebimmel, das offenbar aus einem der kleinen Türme kam, in der Mauer darunter war eine Tür, ich klemmte den Säbel unter den Arm und drückte auf die Klinke, in diesem Augenblick wurde es still.
Hatch: Das Bimmeln hat aufgehört, Prof.
vanDusen: Halten Sie mich für taub, machen sie die Tür auf.
Hatch: Schwerer Brocken, oh Gott Prof, da drin hängt einer, am Glockenseil.
vanDusen: Anscheinend halten sie mich auch für blind, leuchten sie mir, es ist Kommissar von Möllhausen, und diesmal ohne jeden Zweifel tot.
Hatch: Kein Wunder, erst vergiften, dann aufhängen, das hält der stärkste Mann nicht aus.
vanDusen: Haben Sie die Güte, die Absonderungen weiterer Geschmacklosigkeiten zu unterlassen und stattdessen den Raum mit ihrer Lampe auszuleuchten, vor allem diese Ecke, ja dort.
Hatch: Prof, da steht eine Guillotine.
vanDusen: Wie recht sie schon wieder haben, mein lieber Hatch.
Hatch: Und auf dem Brett da liegt einer, angeschnallt.
vanDusen: Auch diese ihrer Feststellung trifft präzis ins Schwarze, lassen sie sehen, um wen es sich handelt.
Hatch: Es war Monsieur Gallimard, der zackige Kommissar von der Pariser Surete, jetzt war er gar nicht zackig, er war ganz still, weil er nämlich den Kopf verloren hatte, der lag vor ihm in einem Korb, in ganz kurzer Zeit drei Detektive tot, ermordet, Wahnsinn, und der Wahnsinn war anscheinend noch nicht zu Ende.
Maigret: Hilfe, hilfe.
vanDusen: Kommen sie, Hatch.
Hatch: Hört sich an wie Madame Maigret, wo steckt sie.
vanDusen: Hier, im Brunnen, hallo, Madame Maigret.
Maigret: Prof.
vanDusen: Kann ich etwas für sie tun.
Maigret: Ein Glück, das sie gekommen sind, retten sie mich, ich bin gefesselt, das Wasser steigt.
vanDusen: Halten sie noch einige wenige Augenblicke durch, Madame, Hatch, Errettung aus einem Brunnenschacht gehört fraglos zu den Aufgaben eines kriminologischen Assistenten, setzen sie sich in den Eimer, ich werde sie mittels der Winde nach unten befördern.
Hatch: Der armen Madame Maigret reichte das Wasser schon bis zur Taille, ich verlor keine Zeit und sägte mit dem Säbel an ihren Fesseln, als sich plötzlich oben am Brunenrand ein Getümmel erhob, ehe ich ihn festhalten konnte, wurde der Eimer hochgenudelt, er kam aber gleich wieder runter, sehr schnell, mit dem abgeschnittenen Seil und mit einem Passagier.
Hatch: Der Prof, er ist doch nicht tot.
Maigret: Nur bewußtlos, das kalte Wasser wird ihn schnell wieder zu sich bringen, Prof, Prof van Dusen, wie fühlen Sie sich.
vanDusen: Danke Madame den Umständen entsprechend, jemand hat mir einen Schlag auf den Hinterkopf versetzt.
Hatch: Wer.
vanDusen: Verschonen Sie mich mit sinnlosen Fragen die ich ihnen nicht beantworten kann, lassen sie mich nachdenken und schalten sie die Lampe ein, so Wassertiefe bis dato, Durchmesser des Brunnens in etwa, dazu die fundiert geschätzte Steiggeschwindigkeit, Madame, mein lieber Hatch, uns bleibt noch eine gute Stunde bis das Wasser eine unser Leben gefährdende Höhe erreicht haben wird, nutzen wir diese Zeit, ziehen wir a Bilanz und schmieden wir b Pläne, ans Werk.
Hatch: Der Prof war wieder ganz der alte, nicht mehr trübe, abwesend, desinteressiert, sondern energisch, optimistisch, voller Elan, wozu ein Schlag auf den Schädel doch manchmal gut sein kann.
vanDusen: Hatch.
Hatch: Prof.
vanDusen: Zuerst zu ihnen, Madame Maigret, was steckt hinter der ungewöhnlichen Detektivansammlung, berichten sie, präzise detailliert.
Hatch: Und von Anfang an.
Maigret: Gern, Prof, aber ich weiß nicht alles.
vanDusen: Dafür Madame haben sie ja Prof van Dusen, bitte.
Maigret: Von Anfang an, sagten sie, Mr Hatch, nun angefangen hat die Sache im vergangenen Jahr um die Weihnachtszeit, da bekam ich einen Brief aus Amerika, von einem Mr Prendergast, er stellte sich vor als Ex Schiffsdetektiv auf der Atlantikroute, doch diese Beschäftigung gehört nun der Vergangenheit an, ich habe geheiratet und bin so Besitzer nicht nur eines Schloßes in Kalifornien geworden, sondern auch einiger Dollarmillionen, ein Teil dieses Vermögens will ich dazu benutzen, mir einen lange gehegten Wunsch zu erfüllen, sie kennen Prof van Dusen, die Denkmaschine, sie haben wie ich mit ihm zutun gehabt und ich bin sicher daß sie wie ich sich nichts schöneres vorstellen können als den großen Kriminologen einmal so richtig aufs Glatteis zu führen, sollten sie dem zustimmen und bereit sein, mir dabei zu helfen, so lassen sie es mich kurz wissen, ich werde ich ihnen dann die notwendigen Mittel für eine Reise nach San Franscisco zukommen lassen, wo wir alles nähere besprechen werden und verbleibe. Ich bin nach San Francisco gefahren, nicht um sie aufs Glatteis zu führen.
vanDusen: Das höre ich mit Freuden Madame.
Maigret: Ich hatte gerade nichts besseres vor und ich war neugierig, ich wollte erfahren, was dieser Prendergast gegen sie ausheckte, um sie notfalls zu warnen, vor einer Woche bin ich in San Francisco angekommen, ich stieg weisungsgemäß im Farmont Hotel ab und hier traf ich am nächsten Abend Prendergast und die anderen fünf, Gallimard, Möllhausen, Smiley, Caruso und Holmes.
Prendergast: Leider hatten einige ihrer Kollegen mit denen ich ebenfalls in Kontakt trat, keine Zeit oder kein Interesse, Inspector Boggles aus Singapur etwa, Sheriff Burp, Superintendent Boomer, Sam Steel von den Mounties, Kommissar Bidet, Kriminalpolizeioberrat van Blümchen, die Inspectoren Lecoq und Poubelle etc etc, nun wir sind 7, 7 Detektive, eine durchaus hinreichende, eine sinnvolle Zahl für eine anti van Dusen Koalition.
Gallimard: Sie reden zu viel, Monsieur Prendergast, auf marsch marsch, das ist mein Motto.
Möllhausen: Immer feste druff, wie seine kaiserliche Majestät so feinsinnig zu bemerken pflegen.
Maigret: Aber Monsieur.
Smiley: Kurz, was haben sie uns vorzuschlagen, Prendergast.
Prendergast: Hören sie zu, Madame, meine Herren, am 2. März hat der Prof Geburtstag, den 60, wir locken ihn in meine Burg.
Holmes: Auf welche Weise. Ja wie denn.
Prendergast: Warten sie nur ab meine Herren und wenn er erstmal dort ist dann haha.
Maigret: Dann sollte ihnen Prof ein kriminologische Schauerstück vorgespielt werden, wir alle würden ermordet, auf möglichst biazare Art und Weise, einer nach dem anderen, wie im Lied von den zehn kleinen Negerlein, wissen sie.
vanDusen: Nein ich weiß es nicht, Madame, volkstümliche Lyrik gehört nicht zu meinen vorrangigen Interessen.
Hatch: Das Lied geht so, Prof, zehn kleine Negerlein, die gingen mal ins Heu.
vanDusen: Schweigen Sie Hatch und sie Madame haben die Güte fortzufahren.
Maigret: Angesichts der mysteriösen Morde wären sie Prof völlig rat- und hilflos, meinte Predergast.
vanDusen: Meinte er, soso.
Maigret: Und schließlich würden wir alle aus unserem Versteck auftauchen, lebendig natürlich und sie auslachen, so wars geplant.
vanDusen: Doch es kam anders, aus dem alberen Spiel wurde tödlicher Ernst, Smiley, Möllhausen und Gallimard sind tot, wir drei befinden uns in größter Gefahr.
Hatch: Und was ist mit Caruso und mit Sherlock Holmes.
vanDusen: Das ist im Augenblick nicht von Belang, sie erwähnten, Madame, der angebliche Prendergast habe mit heiserer Stimme gesprochen.
Maigret: Fast tonlos, er sei erkältet, hat er behauptet.
vanDusen: Aha, der Fall ist klar.
Maigret: Sie wissen Bescheid, Prof.
vanDusen: Ja Madame.
Maigret: Sie kennen den wirklichen Hintermann.
vanDusen: Nur daß es nicht um einen Hintermann handelt, vielmehr verzeihen sie das ungelenke Wortspiel, um eine Hinterfrau, unser Gegner ist das Phantom.
Prendergast: Das Phantom, alias Mr Prendergast, alias Mrs Prendergast, bravo Prof.
Hatch: Das Phantom, die größte Verbrecherin unserer Zeit, die alles maskieren und verbergen konnte, ihr Geschlecht, ihr Aussehen, ihren Charakter, viermal hatte sie mit van Dusen die Klingen gekreuzt, in Biarritz und Berlin, am schwarzen Meer und in Kairo, viermal war sie entlarvt und besiegt worden.
Prendergast: Bravo Prof, brillant wie immer, leider zu spät, sie haben mich nicht erkannt, sie konnten mich nicht erkennen, ich hab mir ein neues Gesicht schneidern lassen, übrigens durch ihren Bruder Tiberuis, jetzt sitzen sie da wo ich sie seit unserem ersten Zusammentreffen haben wollte, in der Fall, in spätestens eine halben Stunde werden die Wasser über ihrem genialen Schädel zusammenschlagen und mit ihn müssen neben Mr Hatch natürlich 6 kleinere kriminologische Lichter dran glauben, 7 wenn ich den guten Prendergast mitzähle, den ich schon vor Monaten aus dem Weg geräumt habe, damit er meinen wunderschönen Plan nicht stört, daß sie zusammen mit Madame Maigret aus der Welt scheiden, Prof, das freut mich ganz besonders, denn mit dieser Dame habe ich, sie wissen es, ein spezielles Hühnchen zu rupfen wegen der Affäre um die Rose von Kairo, genug geplaudert, Brimstone.
Butler: Chefin.
Prendergast: Du bleibst in der Nähe, guckst ab und zu über den Rand, und wenn sie am ersaufen sind, rufst du mich, das Schauspiel will ich mir nicht entgehen lassen, hahaha.
Hatch: Der Fall war klar aber hoffnungslos, Madame Maigret stand das Wasser an den Schultern, mir an den Achselhöhlen, dem Prof reichte es sogar schon bis ans Kinn, aber er verlor weder Mut noch Kombinationsgabe, er hatte eine Idee.
vanDusen: Helfen sie mir ihre Schulter zu erklimmen, mein lieber Hatch.
Hatch: Wenn sie ihr Leben dadurch ein bißchen verlängern wollen Prof.
vanDusen: Unsinn, nun heben sie mich schon hoch und richten sie den Strahl ihrer Lampe auf diese Stelle hier, sie sehen, ein kreisrundes Stück Mauerwerk, desen Färbung sich auf eklatante Weise von seiner Umgebung abhebt, so stehen sie doch still Hatch.
Hatch: Nicht gerade ein Leichtgewicht, der Prof, erstaunlich, wo er doch so klein ist, wahrscheinlich der Kopf.
vanDusen: Wenn ich an diesem in die Mauer eingelassenen Haken drehe.
Maigret: Eine Tür.
vanDusen: Ja eine Geheimtür, hinter welcher sich ein Geheimgang erstreckt, in jeder Burg welche auf sich hält pflegen sich derartige bauliche Besonderheiten zu finden, wo bleiben ihre Manieren Hatch.
Hatch: Bitte.
vanDusen: Seien sie Madame Maigret behilflich.
Hatch: Der enge Gang führte schräg nach oben und endete in einem finsteren Kellerraum, wir krochen aus dem Loch im Boden, schüttelten uns und sahen uns um, zum Glück hatte die Lampe noch immer nicht den Geist aufgegeben.
Maigret: Wo sind wir Prof.
vanDusen: Nun vergegenwärtigen wir uns den Ausgangspunkt unseres Fluchtwegs, sodann den Neigungswinkel und die Länge der zurück gelegten Stecke, setzen wir dies alles ins rechte trigonometrische Verhältnis, eine höchst simple mathematische Operation.
Hatch: 2 plus 2 ist 4.
vanDusen: So stellen wir fest, wir befinden uns in der Nordwestecke der Burg, das heißt unter dem Rundturm, welchen wir meine ich durchaus Burg- oder Bergfried nennen dürfen, auch wenn er sich nicht in der Mitte, sondern am Rande der Anlage erhebt.
Caruso: Ah.
Maigret: Was ist das.
Hatch: Vorsicht, vielleicht spukt hier doch ein Burggespenst herum.
Maigret: Das kommt aus diesem Nebenraum, mondieu, kommen sie schnell, meine Herren.
Hatch: An der Wand hingen Ketten, in einer Ecke hockte ein staubgraues Gerippe, und auf dem Boden lag Detektiv Caruso von der New Yorker Kriminalpolizei in den letzten Zügen.
Caruso: Gestoßen und gestürzt durch eine Falltür, ich machs nicht mehr lange, Mr Hatch.
Hatch: Ja Caruso.
Caruso: Schreiben sie mir einen Nachruf.
Hatch: Ja Caruso sobald ich hier raus bin.
Caruso: Aber einen schönen, ohne ihr Spitzen und ohne ohne Ironie, bitte.
Hatch: Ich versprech es Ihnen, Caruso.
Caruso: Danke danke Mr Hatch, ach.
vanDusen: Er ist tot.
Butler: Hierher, Chefin, hier sind sie.
Maigret: Hier ist eine Treppe, schnell meine Herren, nach oben.
Hatch: In Windeseile kletterten wir aus dem Keller in den Turm, 10 Stockwerke mindestens, die Treppe wurde schmaler, steiler und hörte dann ganz auf, unter einer Falltür, wir quälten uns durch und schoben innen den Riegel vor, wir waren im obersten Stockwerk in einer Art Rumpelkammer oder besser in einem kleinen Museum ala Glastonbury, altmodische Möbel standen herum, eine Ritterrüstung, und in den Ecken lagen mittelalterliche Waffen, eine Leiter führte durch eine zweite Falltür in der Decke aufs Dach, viel Zeit zum Luftholen hatten wir nicht, auf Anordnung des Prof verrammelten Madame Maigret und ich die Klappe mit allem, was sich im Zimmer fand, Schränke, Kommoden, Stühle, ein Tisch.
vanDusen: Auch die Rüstung mein lieber Hatch.
Hatch: Ayai Sir, ist die schwer.
Holmes: Seien sie so freundlich Mr Hatch die Hände von meiner Person zu lassen.
Hatch: Da steckt ja einer drin.
vanDusen: In der Tat, Mr Sherlock Holmes, wenn ich nicht irre, sie haben sich in dies ungewöhnliche Versteck geflüchtet.
Holmes: Geflüchtet, ich muß doch sehr bitten, eine vorläufige strategische Absatz-bewegung.
vanDusen: Wenn sie es so bezeichnen wollen, Mr Holmes, entsteigen Sie nun gefälligst ihrem Harnisch, gehen sie Mr Hatch zu Hand.
Holmes: Ich verbitte mir diesen Ton, Prof, Sherlock Holmes nimmt von keinem Mensch Befehle entgegen und von ihnen schon gar nicht.
vanDusen: Wie sie wünschen Mr Holmes, es steht ihnen frei, dies Domizil zu verlassen.
Holmes: Ich denke nicht daran, ich war zu erst hier.
Butler: Die Tür ist zu Chefin.
Prendergast: Dann brich sie auf, du Idiot.
Butler: In Ordnung Chefin, es geht nicht Chefin.
Prendergast: Hören Sie Prof.
vanDusen: Madame.
Prendergast: Sie haben sich verbarrikadiert, aber das wird ihnen nichts nützen, ich werde warten, bis sie aufgeben oder verhungert sind oder sich vom Dach in den Abgrund stürzen, eine andere Wahl haben sie nicht.
vanDusen: Glauben Sie, Madame Maigret, sie haben, wie ich sehe, noch immer ihre Handtasche bei sich.
Maigret: Davon trenne ich mich nie Prof.
vanDusen: Ich vermute daß sich in der Tasche unter anderem Nadel und Faden kurz alle zum Nähen benötigten Utensilien befinden.
Maigret: Ja Prof aber.
vanDusen: Sehen sie dies hier.
Maigret: Die Fenstervorhänge, ziemlich schmutzig.
vanDusen: Aber aus reiner fester Seide.
Maigret: Ah sie denken.
vanDusen: An Leonardo da Vinci.
Hatch: Leonardo da Vinci, also jetzt versteh ich gar nichts mehr.
vanDusen: Das macht nichts, helfen sie Madam beim Zuschneiden und Nähen, sie ebenfalls, Mr Holmes, sofern sie es nicht vorziehen, allein hier zurückzubleiben.
Hatch: Die Nadeln qualmten, die Finger taten uns weh, wir nähten wie wild gewordene Putzmacherinnen und das war gut so, gerade als wir fertig waren, verlor das Phantom die Geduld.
Prendergast: Das dauert mir zu lange, Brimstone.
Butler: Chefin.
Prendergast: Lauf runter zur Pulverkammer im Erdgeschoß, hol eine Stange Dynamit, wir werden die Klappe aufsprengen.
Butler: Jawohl Chefin.
vanDusen: Die Pulverkammer im Erdgeschoß richtig, ich habe sie bei unserer eiligen Passage flüchtig zur Kenntnis genommen, ausgezeichnet, das was es uns zugedacht hat, werden wir dem Phantom zurückerstatten, mit Zins und Zinseszins, wir werden dafür sorgen, daß diese Massenmörderin die gerechte Strafe für ihre zahllosen Untaten erhält und daß sie keine Gelegenheit haben wird, weitere abscheuliche Verbrechen zu begehen, Madame Maigret, meine Herren, wer von ihnen ist der treffsicherste Schütze.
Hatch: Also mich können sie streichen Prof.
Holmes: Ich Prof.
Maigret: Nichts gegen sie, Mr Holmes, aber sehen sich doch ihre Finger an, die zittern ja, ich habe eine ruhigere Hand Prof.
vanDusen: Ich stimme ihnen zu, Madame, glauben sie, daß sie mit einer Armbrust unzugehen im Stande sind.
Maigret: Viv Professeur…
vanDusen: Tre bien Madame, mein lieber Hatch, ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, daß sie Zündhölzer bei sich tragen.
Hatch: Hab ich, Prof, ah schon wieder trocken.
vanDusen: Sehr schön, hören sie zu.
Hatch: Zehn Minuten später standen wir vier auf des Turmes Zinnen, die eigenhändig genähten Fallschirme aus roter Vorhangseide auf dem Rucken und spähten in die Tiefe, 50 m Turm und dann runde 300m steiler Felsen, schöne Aussichten, ich fühlte mich wie damals in Athen auf dem Hochseil nur womöglich noch schlimmer.
vanDusen: Wiederholen sie ihre Instruktionen Madame Maigret.
Maigret: Ich entzünde die Lunte, den mit der brennenden Lunte versehenen Armbrustbolzen werde ich beim Vorüberschweben in das von ihnen bezeichnete Fenster im Erdgeschoß schießen.
vanDusen: Exzellent Madame, und nun springen.
Maigret: Vive la France.
Holmes: God save the King.
vanDusen: 2 plus 2 gibt 4.
Hatch: Ach du dicker Pater.
Hatch: Madame schoß ins Fenster der Pulverkammer, das nehm ich jedenfalls an, wie immer in solchen unangenehmen Situationen hatte ich die Augen fest zugedrückt, wir kamen unten an, eine mittelweiche Landung, würde ich sagen, wir standen auf, rissen die Fallschirme runter und rannten so schnell wir konnten ins Gelände, weg von der Burg, die Pulverkammer flog in die Luft, wir blieben stehen und sah uns um, Feuer breitete sich aus, der Turm schwankte, in einer Fensteröffnung tauchte das Phantom auf, von Flammen eingehüllt, dann verschwand es, der Turm stürzte ein, die ganze Burg war ein Trümmerhaufen.
vanDusen: Der Götter Ende dämmert nun auf, oder auch finis phantomae und diesmal ohne jeden Zweifel endgültig.
Holmes: Ein Automobil, ein Pierce-Arrow.
Hatch: Schöner Wagen, ich habe selber einen zuhause in New York.
Maigret: Das Automobil kommt näher.
Holmes: Es hält.
Futrelle: Prof van Dusen nehm ich an.
vanDusen: So ist es.
Futrelle: Happy birthday to you…
vanDusen: Nein bitte, danke danke mein bester, danke sie würden mir eine größere Freude machen wenn sie mich und meine Begleiter auf schnellstem Weg nach San Francisco brächten.
Futrelle: OK Prof steigen sie ein.
Hatch: Es war ein langer Weg zurück zur Küste, Sherlock Holmes schmollte, er mußte mit dem hinteren Klappsitz vorlieb nehmen, was ihm sehr mißfiel, unser Fahrer redete.
Futrelle: Seit gestern bin ich hinter ihnen her, Prof, ich hab sie von Raymond aus verfolgt und dann aus den Augen verloren.
Holmes: Unangenehme Situation.
Maigret: Geben Sie doch Ruhe Holmes.
Futrelle: Seitdem kreuze ich in den Bergen herum wenn das kein glücklicher Zufall ist
vanDusen: Jaja.
Futrelle: Ich will sie nämlich interviewen, zu ihrem Geburtstag, exklusiv.
Hatch: Ach, sie sind auch Journalist.
Futrelle: Bin ich, Futrelle ist mein Name, Jack Futrelle.
Hatch: Was, sie sind dieser Typ, der die Frechheit hat, mir ins Handwerk pfuschen und auch über den Professor zu schreiben.
Futrelle: Ja ich habe mir erlaubt, einige Fälle der Denkmaschine journalistisch aufzuarbeiten.
Hatch: Dann will ich ihnen mal was sagen Mr. Futrelle, in Zukunft lassen sie ihre Finger davon, Prof. van Dusen hat nur einen Chronisten und der heißt Hutchinson Hatch.
Futrelle: Aber Mr Hatch, der Prof. ist eine Figur des öffentlichen Lebens und die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf von mir.
Hatch: Außerdem haben sie keine Ahnung, was sie zum Beispiel aus dem Gaslichtmord gemacht haben, das ist alles falsch, das stimmt doch hinten und vorne nicht, Prof, warum sagen sie denn nichts.
vanDusen: Weil ich dem verbalen Wettbewerb der Schreiberlinge lausche, mein lieber Hatch, mit Interesse und äh ich muß es gestehen mit einem gewissen Amüsement, Sie mein lieber Hatch sind mein Assistent, mein Begleiter, und vor allem diejenigen Abenteuer, welche uns auf unseren ausgedehnten Reisen zustießen, können und dürfen nur sie adäquat beschreiben, doch was meine übrigen Fälle betrifft, so steht es selbstverständlich auch Mr Futrelle frei, sich an ihnen zu versuchen, Prof. DrDrDr Augustus van Dusen ist ein zu großes Thema für nur einen Biografen, möge der bessere gewinnen.
Professor van Dusen: Friedrich W. Bauschulte
Hutchinson Hatch: Klaus Herm
Mrs. Prendergast: Liane Rudolph
Mr. Prendergast: Liane Rudolph
Madame Maigret: Evamaria Miner
Shemlock Homes: Lothar Blumhagen
Detective-Sergeant Caruso: Heinz Giese
Commissaire Gallimard: Gerd Duwner
Chefinspektor Smiley: Rolf Marnitz
Kommissar von Möllhausen: Edgar Ott
Butler Brimstone: Till Hagen
Jacques Futrelle: Wolfgang Condrus
Michael Koser: Prof van Dusen fährt Schlitten (RIAS 1988)
Chef: Frage, was tut unser verehrter Herr Oberbürgermeister? Antwort, nichts oder doch, er grinst, anscheinend glaubt er, die schwerwiegenden Probleme unserer Metropole schlicht und einfach ausgrinsen zu können, und das haben Sie geschrieben, Mr. Hatch.
Hatch: Sieht ganz so aus Chef, erstens steht unter dem Artikel groß und deutlich Hutchinson Hatch.
Chef: Und zweitens.
Hatch: Natürlich der Stil rasant witzig dynamisch intelligent so schreibt nur einer beim guten alten Daily New Yorker oder finden Sie nicht Chef.
Chef: Ich will Ihnen sagen was ich finde Mr. Hatch, ich finde das Maß ist voll diesmal sind Sie zu weit gegangen, schlimm genug daß sie sich dauernd mit der Polizei anlegen aber jetzt auch noch mit dem Herrn Oberbürgermeister, am liebsten würde ich sie feuern jetzt hier auf der Stelle, leider wäre ihr Vater.
Hatch: Leider wäre mein alter Herr damit gar nicht einverstanden und der hat nunmal die Aktienmehrheit von unserem Weltblatt, tut mir ja leid Chef, aber so werden sie Hutchinson Hatch nicht los.
Chef: So nicht Mr Hatch, aber vielleicht anders, mir ist da gerade was eingefallen und zwar.
Hatch: Immer dasselbe, der Chefredakteur des Daily NewYorker war anderer Meinung als sein Reporterass, genau wie sein Vorgänger, sie erinnern sich, van Dusens erster Fall und die Sache mit dem Leichenräuber, ich konnte meinen Chefs einfach nicht beibringen wie eine Zeitung gemacht werden muß mit Pfeffer und Paprika nämlich und ohne Respekt vor der Staatsgewalt, deshalb diese unerfreuliche Diskussion am 27. Juli 1899, eine von vielen dachte ich zuerst aber da hatte ich mich geirrt, dem Chef war tatsächlich was neues eingefallen.
Chef: Und wissen sie was, Mr Hatch, wir haben schon lange nichts mehr aus Alaska gebracht, von den Goldfeldern am Klondike meine ich, fahren sie mal rauf, machen sie uns eine schöne aktuelle Reportage.
Hatch: Chef, das ist doch ein alter Hut, in Alaska buddeln sie schon seit Jahren nach Gold.
Chef: Keine Widerrede, Mr Hatch, Gold, Goldrausch, Goldgräber, das ist interessant, das will man lesen, auch wenn es vielleicht nicht mehr ganz taufrisch ist, sie fahren Mr Hatch, am besten gleich morgen, und wenn ihnen das nicht paßt können sie ja kündigen, das steht ihnen frei, na Mr Hatch was sagen sie.
Hatch: Ich fahre, sagte ich, gleich darauf tat es mir schon leid, eine lange anstrengende Reise in den hohen Norden nur um den Chef zu ärgern, Schwachsinn, aber wenn H. Hatch einmal ja gesagt hat dann bleibt er dabei, ich packte meine Sachen und am Abend trat ich bei Prof van Dusen an, ich wollte mich verabschieden, aber da erlebte ich die zweite Überraschung an diesem denkwürdigen Tag.
vanDusen: Alaska, eine exzellente Idee mein lieber Hatch und ein hochinteressantes Gebiet, wir werden es gemeinsam aufsuchen.
Hatch: Was, sie wollen mich begleiten, Prof.
vanDusen: Das denn nun wohl doch nicht, mein lieber Hatch, ich bin ProfDrDrDr Augustus van Dusen.
Hatch: Genannt die Denkmaschine, der größte Wissenschaftler und Amateurkriminologe unserer Zeit.
vanDusen: Wenn nicht aller Zeiten, und da der Meister nicht seinen Assistenten zu begleiten pflegt und der Held nicht seinen Chronisten.
Hatch: Begleite ich sie, Prof, von mir aus, wissen sie, wer von uns beiden mit wem fährt, das spielt doch keine Rolle.
vanDusen: Nun.
Hatch: Ich muß, weil mein Chefredakteur ein Ekel ist, aber sie, Prof, was treibt sie ins wilde Alaska.
vanDusen: Nun, für meine ein wenig angegriffene Gesundheit wird, davon bin ich überzeugt, ein nicht zu knapp bemessener Aufenthalt in der erfrischenden Atmosphäre jener nördlichen Gefilde sich als wohltuend, ja regenerierend erweisen, vor allem jedoch sehe ich mich der Wissenschaft halber genötigt für eine gewisse Zeit das Refugium geografischer Abgeschiedenheit aufzusuchen, es gilt ein neues, geradezu revolutionäres physikalisches Konzept, die atomare Strukturtheorie der Elemente betreffend präziser zu erfassen, in all seinen Verästelungen und Konsequenzen zu durchdenken, fernab von den Anforderungen des akademischen Lehrbetriebs, von den kleinlichen Störungen des Alltags, ja mein lieber Hatch, es ist entschieden, begeben sich sich stehenden Fußes ans Telefon, lassen sie sich mit dem Auskunftsbüro im Zentralbahnhof verbinden, erfragen sie die Abfahrtszeit des nächsten Zuges gen Westen.
Hatch: Es wurde eine lange und mühselige Reise, erste Etappe eine Woche mit der Eisenbahn quer durch den Kontinent von New York bis nach Seattle an der Westküste, der Prof blieb die ganze Zeit im Abteil, um an seiner revolutionären Atomtheorie herum zugrübeln und ich hätte mich zu Tode gelangweilt, wenn mir im Salonwagen nicht zwei gleichgesinnte Seelen über den Weg gelaufen wären, zwei Herren namens Smith und Jones, die auch nach Alaska wollten, gemeinsam frönten wir fortan dem großen amerikanischen Nationalsport.
Jones: Was fünf Dollar Einsatz, Gott wir spielen Poker und nicht Mensch ärgere dich nicht, 50 Dollar mindestens.
Smith: Sagen wir 25, Mr Jones, wir wollen doch keinen Profit machen oder, sondern uns nur ein wenig die Zeit vertreiben.
Hatch: Einverstanden 25 Dollar und der Höchsteinsatz.
Jones: Quatsch Höchsteinsatz.
Smith: Kein Limit Mr Knickerbocker, das ist unnötig unter Gentlemen.
Hatch: Meinen Sie Mr Smith.
Jones: Hören Sie auf zu zicken, Knickerbocker, fangen sie endlich an zu spielen.
Hatch: Knickerbocker, das war ich und wie ich zu diesem ausgefallenen Namen gekommen bin, das muß ich wohl ein bißchen ausführlicher erklären, also es war noch in New York auf dem Bahnsteig kurz bevor unser Zug abfuhr.
vanDusen: Fast hätte ich es vergessen, um Störungen und Belästigungen seien sie allgemeiner oder auch amateurkriminologischer Natur auszuschließen, werden wir unter Pseudonym reisen, inkognito wenn sie verstehen, was ich meine.
Hatch: Klar verstehe ich, von jetzt ab sind sie nicht mehr Prof van Dusen, sondern sagen wir Mr Miller.
vanDusen: Mein lieber Hatch, wo denken sie hin, ein Pseudonym von derart banaler Ubiquität für eine Persönlichkeit meines Ranges.
Hatch: Na vielleicht van Miller.
vanDusen: Seien Sie nicht albern, lediglich die klangvollsten, die erlauchtesten Namen Amerikas dürfen die Ehre haben, einem Prof van Dusen als zeitweiliges Pseudonym zu Diensten zu sein.
Hatch: Na dann nennen sie sich doch gleich Präsident Washington.
vanDusen: Nun warum nicht, allerdings Präsident erscheint mir dann doch ein klein wenig.
Hatch: Übertrieben.
vanDusen: Sagen wir unangemessen, die schlichte Benamsung Mr George Washington mag genügen, ja und welchen Namen wünschen sie zu wählen, als mein ständiger Begleiter sind ja auch sie der Öffentlichkeit nicht gänzlich unvertraut.
Hatch: Ja wenn sie unbedingt George Washington sein wollen, kann ich mich kaum Johnson oder Miller nennen, wie wäre es denn mit Ripper.
vanDusen: Bitte.
Hatch: Jack Ripper, das hat doch was.
vanDusen: Unterstehen sie sich.
Hatch: Keinen Sinn für Humor, dann eben Knickerbocker und dabei bleibe ich, da können sie sagen was sie wollen.
Hatch: In Seattle stiegen die Herren Washington und Knickerbocker um auf den Küstendampfer Oregon, der sie in einer Woche nach Alaska brachte, zur Station St. Michael an der Mündung des Yukon River, unterwegs die selbe Situation wie im Zug, der Prof unsichtbar in seiner Kabine, sein Begleiter in der Bar mit einem doppelten Whiskey, Pokerkarten nebst Mr Smith und Mr Jones, merkwürdige Burschen, die beiden, sie sahen sich ähnlich wie Zwillinge und hatten doch ganz verschiedene Charaktere, Smith war elegant, ein richtiger Dandy und Jones ein eher ruppiger Typ, aber Pokerspielen konnten sie beide, fast so gut wie ihr ergebener Diener Hutchinson Hatch.
Smith: Wenn sie gestatten, geh ich mit.
Hatch: So ich auch und noch 50 Dollar dazu.
Jones: Nicht kleckern Knickerbocker, klotzen, ihre 50 Mäuse und 200 dazu, was sagen sie jetzt, das ist kein Fliegenschiß, so spielt der Könner.
Hatch: In St. Michael wartete der Schaufelraddampfer Sara, auf dem müllerten wir uns 14 Tage lang den Yukon rauf, vorbei an kahlen menschenleeren Ufern, es wurde kühl, wir pokerten in Pelzmänteln weiter.
Jones: Also dann Hosen runter.
Smith: Bitte sehr, full house mit Assen, ich nehme nicht an daß einer der Herren ein besseres Blatt aufzuweisen hat.
Jones: So und was ist das, na, vier neun, da können sie ihr mickriges Full House in den Yukon schmeißen, Smith, Vater ist der beste, her mit dem Pott.
Hatch: Moment, Mr Jones, Moment hier sitzt ja noch einer, wollen sie nicht sehen was ich in der Hand habe.
Jones: Wozu, was kann das schon sein.
Matrose: Dawson, Dawson City voraus.
Hatch: Nichts besonderes Mr Jones nur ein simpler Straight Flush, Pik Ass, König Dame, Bube, 10.
Hatch: Eine halbe Stunde später standen wir auf dem Pier und sahen uns um, Dawson City, die Metropole der Goldfelder hatte ich mir ganz anders vorgestellt, eine typische Goldgräbersiedlung hatte ich erwartet, eine Wildweststadt, Baracken und Holzschuppen, schlammige Wege, raue Männer mit Vollbärten und Revolvern, Schmutz, Unordnung, Gesetzlosigkeit.
Skinflint: Sie kommen zu spät, meine Herren, das war einmal vor 2 3 Jahren, unser Städtchen hat sich gemausert, natürlich ist Dawson City nicht New York.
Hatch: Weiß gott nicht.
Skinflint: Nicht einmal Calgary oder Winnipeg, aber wir sind stolz darauf daß wir die wilde Gründerzeit hinter uns gebracht haben und nunmehr in einem soliden geordneten Gemeinwesen leben, Dawson City besitzt 30.000 Einwohner meine Herren, 5 Kirchen.
Hatch: Hut ab.
Skinflint: 2 Zeitungen, 3 Hotels.
Hatch: Respekt, und welches würden sie uns empfehlen.
Skinflint: Das Regina, meine Herren, das größte und beste Haus am Platze, sie sehen es da drüben rechts, das Hochhaus an der Frontstreet.
Hatch: Hochhaus.
Skinflint: 4 Stockwerke, mein Herr, 4 stattliche Stockwerke.
Hatch: Kaum zu glauben.
Skinflint: Ferner rühmt sich Dawson City, wie ihrer Aufmerksamkeit kaum entgangen sein dürfte, mehrerer gepflasterter Straßen, mit echten Steinen gepflastert, meine Herren.
Hatch: Sagen Sie bloß noch sie haben schon Elektrizität.
Skinflint: Soweit sind wir noch nicht, leider, aber am Stadtrand arbeitet ein kleines Gaswerk und die Gebäude im Zentrum, an der Wallstreet und an der Frontstreet sind mit modernster Gasbeleuchtung ausgestattet.
Hatch: Sehr eindruckvoll, aber sagen sie mal, lieber Freund, kann man sich in ihrer Weltstadt auch ein bißchen amüsieren.
Skinflint: Wenn Ihnen der Sinn nach alkoholischen Getränken, steht, mein Herr, nach Kartenspiel und Damenbekanntschaft, auch für derartigen Zeitvertreib ist bestens gesorgt, diverse gut geführte Saloons und Dance Halls erwarten sie, in erster Linie das weithin bekannte Montecarlo mit seinem internationalen Showprogramm, doch beachten sie, nur von Montag bis Sonnabend, Sonntags nie, wir sind in Kanada, hier herrscht britische Sabatruhe.
Hatch: Und Gesetz und Ordnung, darauf würd ich wetten.
Skinflint: So ist es mein Herr, so ist es, und daß es so ist dafür sorgt dieser Herr da der gerade die Straße überquert.
Hatch: Meinen sie den in der roten Jacke mit dem gewaltigen Hut.
Skinflint: Eben diesen, Mr Sam Steele Superintendant der North West Mounted Police oder Mounties wie wir kurz sagen, übrigens falls sie Wertsachen zu deponieren oder Nuggets in Banknoten zu wechseln wünschen, Dawson City verfügt auch über ein hochmodernes Geldinstitut mit dem sicherten Panzerschank nördlich von Vancouver, die Handelsbank von Kanada, welche ich ihnen wärmstens anempfehle, habe ich doch die Ehre, als ihr lokaler Manager zu fungieren, Skinflint ist mein Name, Jeremiah Skinflint, hier ist meine Karte, besuchen sie mich doch gelegentlich und meine Herren seien sie in Dawson City willkommen.
Hatch: Wir stiegen im Regina ab, wo die Zimmer ganz passabel waren und die Preise astronomisch, der Prof verbuddelte sich gleich wieder in seine Forschungen und ich trieb mich in und um Dawson City herum, um Material für meine Reportage zu sammeln, ich besichtigte die Grabungen am Klondike River, interviewte ein paar Goldgräber, sah mir ihre Ausbeute an, machte mir Notizen, ich vertrieb mir die Zeit so gut es ging, fast jeden Abend außer Sonntags natürlich saß ich im Montecarlo, die Show konnte sich sehen lassen, die Girls waren so weit an- oder ausgezogen wie es sich mit der britischen Moral von Superintendent Steel vereinbaren ließ und der Star des Hauses, eine gewisse Miss Caprice, sang ein bißchen, warf die Beine, machte Kunststücke mit dem Lasso und sah hinreißend aus, leider war sie in festen Händen, in denen von Mr Skinflint, unserem geschwätzigen Freund von Pier, mit dem hatte ich mich in der Zwischenzeit etwas angefreundet, wir trafen uns ab und zu abends in der Handelsbank zu einem guten Schluck und zum Pokern, so verging der September.
Smith: Wer fängt an.
Jones: Immer wer fragt.
Smith: Also ich, wenn ich sie um 3 Karten ersuchen dürfte, Mr Skinflint.
Skinflint: 3 Karten für Mr Smith. Danke. Wieviel brauchen Sie, Mr Knickerbocker.
Hatch: Danke, Skinflint, keine, wunschlos glücklich.
Jones: Sie bluffen.
Hatch: Wenn sie meinen, Jones.
Jones: Diesmal fallen sie auf die Schnauze, das sag ich ihnen. Machen sie schon Skinflint. Bitte sehr. Und sie Superintendent.
Steel: Die Staatsgewalt begnügt sich mit einer Karte.
Hatch: Außerdem drückte sie ein Auge zu, die Staatsgewalt alias Sam Steele von den Mounties, es war nämlich Sonntag, Sonntag der 1. Oktober 1899, wir saßen im Schalterraum der Handelsbank um den großen Tresen, auf dem sonst Schecks ausgeschrieben, Geldscheine gezählt und vor allem Goldkörner abgewogen wurden, wir waren fünf, Skinflint der Hausherr, Steele, der sein Polizistengewissen damit beruhigte, daß wir unser sündiges Tun nicht in der Öffentlichkeit trieben, die unvermeidlichen Herren Smith und Jones und meine Wenigkeit, es war Winter geworden, den ganzen Nachmittag hatte es geschneit, der Schneefall ließ erst nach, als wir so gegen 6 mit unsern Spielchen anfingen.
Skinflint: Haben alle gesetzt.
Smith: Ja, bis auf Sie Mr Skinflint.
Skinflint: Ach tatsächlich, das wird sofort nachgeholt, nanu wo ist denn meine Brieftasche.
Steel: Vergessen.
Skinflint: Ja sieht so aus, ja meine Herren, dieser kleine Lapsus läßt sich zum Glück schnellstens bereinigen, ein kurzer Gang zum Panzerschrank, ach dabei fällt mir ein, Mr Jones, Mr Smith, Mr Knickerbocker, ich glaube sie kennen dieses Meisterwerk hochmoderner Sicherheitstechnik nicht, kommen sie mit, sehen sich’s an.
Hatch: Gut aber die Karten mitnehmen.
Hatch: Wir kamen alle mit, durch eine Tür hinter dem Tresen, die in ein kleines fensterloses Bad führte, und dann durch eine zweite Tür in ein Hinterzimmer, hier gab es nur zwei Einrichtungsstücke, ein Bett an der Wand unter dem Fenster und ein gewaltiger Panzerschrank mitten im Raum, Skinflint zündete die Gaslampe an und schloß mit einem kompliziert aussehenden Schlüssel den Schrank auf.
Skinflint: Na meine Herren, ist das ein Anblick.
Hatch: Herzerwärmend, Stapel über Stapel von Dollarnoten und diese vielen Ledersäckchen.
Skinflint: Wir nennen sie Pockes, Mr Knickerbocker und jeder Pock enthält pures Gold, Staub, Nuggets, Körner, na da ist sie ja die Brieftasche.
Smith: Was mag er wohl wert sein, der Inhalt ihres Panzerschranks, Mr Skinflint.
Skinflint: Eine runde Million Mr Smith.
Smith: So viel, und da können sie nachts ruhig schlafen.
Skinflint: Wie ein Säugling Mr Smith und zwar in diesem Bett, eine zusätzliche Vorsichtsmaßnahme, eigentlich überflüssig, sehen sie sich den Panzerschrank an, von Newton und Burger Pittsburgh, massive Stahlwände, hören sie, praktisch einbruchsicher, es gibt nur einen einzigen Schlüssel, und der befindet sich stets in meiner Hosentasche, Zugang ist nur möglich vom Schalterraum, und das Fenster ist wie sie bemerken durch ein starkes Gitter unpassierbar gemacht, kein Verbrecher kann eindringen, Geld und Gold von Dawson City ruhen im Tresor der Handelsbank so sicher wie in Abrahams Schoß.
Jones: Hören sie auf zu quatschen Skinflint, machen sie das Ding wieder zu und kommen sie endlich, wir sind hier nicht zum Panzerschrank beglotzen sondern Pokerspielen.
Hatch: Und das taten wir denn auch fast 5 Stunden lang, Skinflint gewann mit dem sprichwörtlichen Glück des Geldmenschen, Steel verlor ein bißchen, ich kam mit plus minus null raus und was die Herren Smith und Jones anging, die hatten anscheinend unglaublich schlechte Karten, jedenfalls passten sie meist schon am Anfang, so läpperte sich die Sache dahin, bis plötzlich was passierte, es war genau 5 Minuten vor 11, ich weiß das, weil ich mit dem Instinkt des geborenen kriminologischen Assistenten sofort auf die Uhr guckte.
Smith: Was war das.
Jones: Da ist was hochgegangen.
Hatch: Hört sich an wie im Hinterzimmer.
Skinflint: Um Gottes Willen, der Panzerschrank, das Geld.
Steel: Superintendent Sam Steel von den Mounties übernimmt das Kommando, folgen sie mir meine Herren.
Hatch: Das Hinterzimmer war voller Qualm und Gestank als wir die Tür aufrissen aber beides zog schnell ab durch den offenen Fensterrahmen, die Scheibe war zersprungen und rausgefallen, in der Wand des Panzerschranks klaffte ein großes unregelmäßiges Loch und der Inhalt.
Skinflint: Verschwunden, nichts mehr da, kein Schein, kein Krümel Gold.
Hatch: Sauber ausgeräumt.
Steel: Merkwürdig, sehr merkwürdig, wann hat es aufgehört zu schneien.
Hatch: So gegen 6.
Steel: Der Schnee reicht fast bis ans Fensterbrett, keine Fußspuren, überhaupt keine Spuren und das Gitter, völlig intakt, höchst merkwürdig.
Hatch: Durch die Tür kann auch keiner gekommen sein, schließlich sitzen wir seit 5 Stunden direkt davor.
Steel: Äußerst merkwürdig, jemand dringt in diesen Raum ein, aber weder durch die Tür noch durchs Fenster, zündet eine Sprengladung, räumt in wenigen Sekunden den Panzerschrank restlos aus und verschwindet mit seiner gewichtigen Beute ebenso spurlos wie er gekommen ist.
Skinflint: Unmöglich.
Steel: Sie nehmen mir das Wort aus dem Mund Skinflint, ein unmögliches Verbrechen, ein Rätsel, ein schlichter Mountie ist da überfordert, was wir brauchen ist ein Meisterdetektiv, jemand wie Mr Sherlock Holmes oder wie dieser berühmte amerikanische Professor.
Hatch: ProfDrDrDrAugustus van Dusen, die Denkmaschine.
Steel: Genau den, Mr Knickerbocker, aber der ist leider weit weg in New York.
Hatch: Meinen Sie Superintendant.
Hatch: So schnell es ging, wühlte ich mich durch den dicken Schnee zum Hotel Regina, van Dusen war noch wach, bekanntlich braucht er wenn überhaupt nur sehr wenig Schlaf und er war höchst ungnädig als ich ihm erzählte was sich gerade in der Handelsbank von Kanada abgespielt hatte.
vanDusen: Mein lieber Mr Knickerbocker, sie sind an der falschen Adresse, sie sprechen nicht mit Prof van Dusen sondern mit Mr George Washington und Mr Washington ist kein wie beliebte ihr Freund Superintendant Steele sich auszudrücken kein Meisterdetektiv.
Hatch: Amateurkriminologe.
vanDusen: Auch kein Amateurkriminologe, Mr Washington wünscht ungestört seinen epochalen Forschungen nachzugehen.
Hatch: Aber Prof, ein unmögliches Verbrechen.
vanDusen: Lassen sie ab davon, mich mit kriminologischen Versuchungen vom geraden Pfad der Wissenschaft fortzulocken, entfernen sie sich, suchen Sie die Hotelbar auf.
Hatch: Geschlossen.
vanDusen: Dann gehen sie zu Bett, gute Nacht.
Hatch: Am nächsten Morgen beim Frühstück sah die Sache schon ganz anders aus, unter uns, es hätte mich auch gewundert wenn der Prof standhaft geblieben wäre.
vanDusen: Mein lieber Hatch, ich habe nachgedacht.
Hatch: Moment Prof.
vanDusen: Bitte.
Hatch: So das Ei muß man nämlich mit Andacht essen, immerhin kostet es drei Dollar, worüber haben sie nachgedacht.
vanDusen: Über den gestrigen Raub in der Handelsbank natürlich.
Hatch: Ach und was haben sie gedacht.
vanDusen: Folgendes, da sie mich mit solcher Verve, solcher Überzeugungskraft bedrängen.
Hatch: Was sie nicht sagen.
vanDusen: Habe ich mich entschlossen schweren Herzens wie ich betonen möchte, die Wissenschaft für eine kurze Zeit hinanzustellen und mich des Falles anzunehmen.
Hatch: Wer hätte das gedacht.
vanDusen: Ja also kommen sie schon.
Hatch: Immer mit der Ruhe, lassen sie einen hungrigen Menschen doch erstmal zu Ende frühstücken.
vanDusen: Nichts da, essen können sie später, kein Zaudern, kein Zagen, es ruft die Kriminologie, geleiten sie mich umgehend zum Ort des Geschehens.
Hatch: Leichter gesagt als getan, der Schnee lag hoch und van Dusen ist bekanntlich von nicht eben stattlicher Statur, mir blieb nichts anderes übrig als den kleinen großen Mann huckepack zur Bank zu schleppen, Sam Steel nahm uns vor der Tür in Empfang.
Steel: Morgen Knickerbocker, gut machen sie sich als Maulesel.
Hatch: Hat sich ausgenickerbockert, Superintendant, denn hören und staunen sie, der vergeistige Herr auf meinen Schultern.
Steel: Mr Washington.
Hatch: Ist in Wahrheit kein anderer und kein geringer als Prof van Dusen.
Steel: Der Prof van Dusen, die Denkmaschine.
vanDusen: Ja wer denn sonst, Vorsicht, lassen sie mich endlich herunter, Hatch.
Hatch: Und ich brauche nicht mehr als Knickerbocker durch die Gegend zu laufen, Hatch ist mein Name, Hutchinson Hatch, Journalist, Chronist, kriminologischer Assistent.
vanDusen: Etc etc. Verlieren wir keine Zeit, wo befindet sich der Tatort, gehen sie voran, Superintendant.
Hatch: Im Hinterzimmer hatte sich nichts verändert und auch der Prof war ganz der alte, sie wissen ja wie er sich bei seinen kriminologischen Untersuchungen benimmt, er wanderte durch den Raum scheinbar geistesabwesend, sah sich um, dachte nach.
Hatch: Wo steckt denn Skinflint.
Steel: Bei Miss Caprice nehm ich an, er will sich ein bißchen ablenken.
Hatch: Und Smith und Jones.
Steel: Ja Smith und Jones, da hat sich was neues ergeben, Mr Knicker Mr Hatch wollte ich sagen, gestern habe ich die beiden zum ersten Mal gesehen und da hatte ich gleich so ein Gefühl, der 6. Sinn des Polizisten, wissen sie, ich hab meine alten Steckbriefe durchgesehen und das hier gefunden.
Hatch: Das sind sie, unerkennbar.
Steel: Lesen sie was unter den Bildern steht Mr Hatch.
Hatch: Chicago November 1897 gesucht werden wegen vielfachen Einbruchs-diebstahl (Spezialität: Safe, Tresore, Panzerschränke) Panzerschränke.
Steel: Interessant, nicht wahr, lesen sie weiter.
Hatch: Die Anführer der berüchtigten Panzerknackerbande, die Brüder Frank Clancy genannt Dandy.
Steel: Mr Smith.
Hatch: Und Elmar Clancy genannt Hooligan.
Steel: Mr Jones.
Hatch: Die haben also Skinflints Geldschrank geknackt.
Steel: Ohne jeden Zweifel, Mr Hatch.
Hatch: Augenblick mal, Superintendant das kann nicht stimmen, als es geknallt hat, haben wir alle 5 am Tresen gesessen und Poker gespielt, alle auch Smith und Jones.
Steel: Richtig aber irgendwas müssen sie mit der Geschichte zu tun haben, jedenfalls hab ich ein paar meiner Leute in ihr Hotel geschickt, das Viktoria, eine Flohkiste am Stadtrand, um die beiden festnehmen zu lassen.
vanDusen: Eine durchaus korrekte Entscheidung, Superintendant, die Brüder Clancy alias Smith und Jones haben in der Tat diesen Panzerschrank geknackt, so lautet ja wohl der polizeiliche terminus technicus.
Hatch: Ja aber der Knall Prof.
vanDusen: Die Explosion, mein lieber Hatch, war lediglich ein Akzidenz, eine im Prinzip überflüssige Zutat geeignet zur Verwirrung der Zeugen und vor allem zur Verschleierung des wahren Tathergangs beizutragen, richten sie gefälligst ihre Aufmerksamkeit auf die durch die Explosion herausgesprengten Trümmerstücke der Stahlwand, was sehen sie hier und hier und auch entschuldigen sie einen Moment, gehen sie mal zur Seite und auch hier an dieser Stelle.
Hatch: Linien, Schnittlinien, sieht aus als ob man in den Stahl geschnitten hat.
Skinflint: Und an den Linien ist der Stahl geschmolzen und später wieder hart geworden.
vanDusen: Sehr richtig, meine Herren, diese Fakten sprechen eine deutliche Sprache, sie verraten uns, daß der Panzerschrank bereits vor der Sprengung geöffnet wurde, er wurde, Mr Hatch hat daraufhingewiesen, aufgeschnitten.
Hatch: Womit Prof, mit einem Büchsenöffner.
vanDusen: Mit einer extrem heißen Stichflamme, wie sie bei der Verbindung von reinem Sauerstoff mit Leuchtgas entsteht, Superintendant Steel dürfte diese neuartige Methode wie sie von unternehmenden und wenn sie mir den Ausdruck gestatten progressiven Mitgliedern der Verbrecherwelt angewandt wird nicht gänzlich unvertraut sein.
Steel: Ich hab davon gehört Prof, aber dazu braucht man doch einiges, Sauerstofflaschen, einen sog Schneidbrenner, Zugang zu einer Gasleitung.
vanDusen: Bitte sehr, kommen sie, hier, schauen sie, da oben der Arm einer Gaslampe, Schirm und Zylinder liegen zerstört am Boden.
Steel: Durch die Sprengladung.
vanDusen: Möglich, Superintendant, doch spricht nichts dagegen, daß sie bereits vorher entfernt abgelegt und durch einen Kautschukschlauch ersetzt wurden, welcher zum Schneidbrenner führte, was nun diesen selbst und die benötigten Sauerstoffbehälter angeht.
Steel: Die hätten wir sehen müssen, als wir vor dem Spiel hier im Zimmer waren.
vanDusen: Haben sie wirklich überall gründlich nachgesehen, Superintendant, zum Beispiel unter dem Bett.
Steel: Unter Skinflints Bett, nein.
vanDusen: Würden sie das freundlicherweise jetzt nachholen.
Steel: Warum nicht.
vanDusen: Nun Superintendant, was sehen sie.
Steel: Nichts.
vanDusen: Machen sie die Augen auf, sie sehen frische Kratzer im Holzfußboden, und in den Kratzern.
Steel: Farbreste.
vanDusen: Sehr gut Superintendant, und auch der leichte metallische Schimmer wird ihrer geschulten Aufmerksamkeit nicht entgangen sein, Fazit, hier, unter dem Bett waren die Utensilien verborgen, mit welchem die Öffnung des Panzerschranks bewerkstelligt wurde.
Steel: Mag ja sein Prof, aber wie haben die Clancys das Ding gedreht.
Hatch: Und wann, das muß doch Stunden gedauert haben.
vanDusen: Angesichts der Stärke der Stahlwand ca eine und eine dreiviertel Stunde.
Hatch: Nabitte und die beiden waren doch bei uns vorne im Schalterraum am Tresen.
vanDusen: Sind sie ganz sicher, daß sie sich ständig in ihrer Gegenwart aufhielten, gestern Abend mein lieber Hatch haben sie mich informiert, daß beide ganz gegen ihre Gewohnheit des öfteren wie sagten sie doch paßten, frühzeitig das Spiel aufgaben, was taten sie dann, blieben sie sitzen, sahen sie ihnen zu.
Skinflint: Nein, sie sind aufgestanden, herumgelaufen, haben sich die Beine vertreten, wir haben nicht darauf geachtet.
Hatch: Wissen sie Prof beim Poker braucht man Konzentration.
vanDusen: Wenn schon nicht Intelligenz, haben die Brüder Clancy womöglich mehrmals das Bad aufgesucht.
Hatch: Jetzt wo sies erwähnen, ja, Smith hat sich dauernd die Hände gewaschen.
Steel: Und der andere mußte alle Nase lang verschwinden, weil er was unrechtes gegessen hatte, sagte er.
vanDusen: Und wenn sie die häufigen Abwesenheitszeiten der Brüder addieren, werden sie, davon bin ich überzeugt als Summe eine Spanne Zeit erhalten welche zur Öffnung des Geldschranks mittels eines Schneidbrenner mehr als hinreichend gewesen sein dürfte.
Steel: Gut und schön Prof, aber wie haben die Safeknacker danach das Werkzeug aus diesem Raum geschafft.
vanDusen: Auf demselben Weg Superintendant, auf dem sie sich auch ihrer Beute entledigten, hier bei jenem dem Fenster gegenüberliegenden vom ihm durch einen abschüssigen, etwa 20m breiten Hof getrennten Gebäude handelt es sich um.
Steel: Das Montecarlo, die Rückseite natürlich.
vanDusen: Aha, merken sie auf, meine Herren, bereits vor der Explosion war das Fenster, wie aus der Stellung des Riegels hier zu ersehen ist geöffnet, ferner erkennen wir an der Kante des Fensterbretts die Spur eines kürzlich stattgehabten Abriebs und hier vor dem Panzerschrank liegt ein kleines Ende Seil, angekohlt, diese eindeutigen Hinweise, meine Herren.
Walker: Chef, das ist ein Ding Chef.
Steel: Walker, was fällt ihn ein, nehmen sie gefälligst Haltung an, so und jetzt erstatten sie Bericht, haben sie die Kerle erwischt, diese Gebrüder Clancy.
Walker: Jawohl Chef.
Steel: Wo sind sie, bringen sie sie rein, Mann.
Walker: Das geht nicht so einfach, Chef, wir haben sie erstmal an der Tür abgelegt.
Steel: Abgelegt.
Walker: Jawohl Chef, sie sind nämlich tot Chef.
Hatch: Wovon wir uns gleich selbst überzeugen konnten, die Brüder Clancy lagen vor der Bank auf dem Gehweg, starr und steif und erstaunlicherweise ohne ihre Pelzmäntel.
Walker: So haben wir sie gefunden Chef, hinter dem Hotel Viktoria, zwischen zwei Schuppen.
Skinflint: Offensichtlich erfroren, haben sie ihre Zimmer durchsucht, Walker.
Walker: Jawohl Chef.
Steel: Und was gefunden, Geld, Gold, Einbruchswerkzeug.
Walker: Nichts Chef.
vanDusen: Die beiden wurden ermordet.
Steel: Was sagen sie da Prof.
vanDusen: Ein durchdringender Geruch nach Alkohol, Hämatome an den Hinterköpfen, unzureichende und was noch aufschlußreicher ist, stark zerknitterte Kleidung, ein zumindest für Frank Clancy zubenamt Dandy höchst untypisches Merkmal, kein Zweifel, Superintendant, man hat Frank und Elmar Clancy betrunken gemacht, niedergeschlagen, mit Wasser übergossen und ins Freie geschafft, wo sie alsbald erfroren, man wollte sich ihrer entledigen als Mitwisser und Teilhaber an der Beute.
Steel: Man, wer ist man.
vanDusen: Der Auftraggeber natürlich.
Steel: Auftraggeber.
vanDusen: Vier Personen waren an der Tat beteiligt, Superintendant, die Brüder Clancy, ein weiterer Komplize und der Auftraggeber, der Kopf, der Drahtzieher des Verbrechens.
Steel: Woher wollen sie das wissen Prof.
Hatch: Der Prof weiß alles, Superintendant, und wie ich ihn kenne, ist der ganze Fall für ihn schon so klar wie Kloßbrühe.
vanDusen: Auch wenn wie so häufig die Wahl ihrer Worte nicht meine volle Zustimmung finden kann, in der Sache haben sie durchaus recht, folgen sie mir, meine Herren, am Tatort soll ihnen volle Aufklärung über Ablauf und Hintergrund des Verbrechens zu teil werden.
Hatch: Das Publikum, Steel, Walker und ich nahm auf dem Bett platz, der Prof stellte sich zwischen Fenster und Panzerschrank in Positur und wollte gerade loslegen, als die Tür aufging und Mr Skinflint erschien, er wollte wissen, was sich inzwischen getan hatte und war nicht schlecht erstaunt als er hörte, wer die Herren Knickerbocker und Washington in Wirklichkeit waren.
Skinflint: Die Denkmaschine.
Steel: So ist es Skinflint und sie können sich freuen, der Prof hat den Fall schon aufgeklärt, restlos.
Skinflint: Was, unmöglich.
vanDusen: Setzen sie sich zu den übrigen, Skinflint und verhalten sie sich ruhig, ich beginne, zwei plus zwei meine Herren gibt vier.
Hatch: Immer und überall.
vanDusen: Ja danke.
Hatch: Bitte.
vanDusen: In diesem Sinne lassen sie uns nunmehr zur Rekonstruktion des am gestrigen Abend in diesem Raum stattgefundenen Verbrechens schreiten.
Hatch: Der Prof beschrieb, wie die Herren Smith und Jones alias Frank und Elmar Clancy in ihren Spielpausen während sie sich angeblich im Bad aufhielten, den Panzerschrank geknackt und ausgeräumt hatten.
vanDusen: Danach warf ihnen der bereits erwähnte Komplize aus dem gegenüber-liegenden Haus ein Seil zu, welches sie, siehe Abriebspur auf dem Fensterbrett am unteren Teil des Fenstergitters befestigten, über dieses schräg nach unten führende Seil ließen sie sodann vermutlich mittels Haken und Rollen den Inhalt des Schrankes, Banknoten, Bündel und Beutel voller Gold dem Komplizen zukommen, der Beute folgten die bei ihrem verbrecherischen Tun benutzten Hilfsmittel, schließlich brachten sie über der aufgeschnittenen Stahlwand die ebenfalls unter dem Bett verborgen gehaltene Sprengladung an und befestigten an ihrem Zünder das vom Gitter gelöste Ende des Seils, nachdem eine gewisse Zeit verstrichen war, die Brüder Clancy hatten ihre Plätze am Spieltisch längst wieder eingenommen, bewegte der Komplize das Seil, und löste so die Explosion aus, nach welcher er das Seil eilens einzog, sie meine Herren stürzten in diesen Raum und standen vor einem unerklärlichen Verbrechen, unerklärlich für sie, jedoch nicht für Prof DrDrDrAugustus van Dusen, auf diese Weise hat sich die Tat abgespielt, meine Herren genauso wie sie vom Auftraggeber der Brüder Clancy geplant und minutiös vorbereitet war.
Steel: Schon wieder dieser mysteriöse Auftraggeber, wer soll denn das sein.
vanDusen: Denken sie nach, Superintendant.
Hatch: Zählen sie zwei und zwei zusammen.
vanDusen: Hatch bitte, wer muß gewußt haben, daß und wo die beim Verbrechen verwendeten Utensilien versteckt waren, wer hat die Brüder Clancy gerade an diesem Abend in die Bank eingeladen und vor allem wer hat in so auffälliger Weise Wert darauf gelegt zu Beginn des Abends ihnen Superintendant und natürlich auch ihnen mein lieber Hatch den gefüllten Panzerschrank ad oculos zu demonstrieren.
Steel: Skinflint.
vanDusen: Mr Jeremiah Skinflint, Manager der Handelsbank von Kanada, wollte sich nicht mehr damit zufrieden geben, die ihm anvertrauten Werte lediglich zu verwalten, er beschloß sie sich anzueignen und zwar auf eine höchst raffinierte Art, welche ihn so glaubte er von jedem Verdacht freistellen würde, aus den Vereinigten Staaten ließ er zwei Spezialisten, sogenannte Safeknacker, nach Dawson kommen.
Skinflint: Hören sie auf Prof, was sie da zusammenreden, sind doch nur Mutmaßungen, reine Spekulationen.
Steel: Das wird sich zeigen, Skinflint, sie sind festgenommen.
vanDusen: Und falls sie eines weiteren Beweises bedürfen, Superintendant, so wird ihnen dieser geliefert durch die Identität von Skinflints Komplizen, es handelt sich um.
Caprice: Hände hoch, meine Herren, du doch nicht Jeremiah.
vanDusen: Mrs Caprice, Star des Montecarlo, wo sie eine geräumige Garderobe ihr eigen nennt, im hinteren Teil des Gebäudes, Lassowerferin.
Caprice: Und Kunstschützin, also keine Dummheiten, meine Herren, nimm Steele und Walker die Waffen ab, Jeremiah, war doch gut, daß ich nicht gleich reingekommen bin, sondern vorher ein bißchen an der Tür gehorcht habe.
Steel: Sie sind der Komplize, Miss Caprice.
Caprice: Hören sie mal Steele, ich trag doch keinen Schnurrbart, Komplizin, wenn ich bitten darf.
Skinflint: Wo ist der Schlitten.
Caprice: Vor der Tür Jeremiah, ich hab alles besorgt, Decken, Proviant.
Skinflint: Und der Reibach.
Caprice: Sicher verstaut.
Skinflint: Gut, also dann, meine Herren.
vanDusen: Hören sie.
Skinflint: Ärgern sie sich nicht, Prof, einen Täter überführen und ihn erwischen, das sind zwei ganz verschiedene paar Stiefel.
Caprice: Küsschen ihr lieben.
Hatch: Wir waren eingesperrt. Wir waren eingesperrt, aber nicht lange, unsere beiden wackeren Mounties warfen sich mit solchem Pflichteifer gegen die Tür, daß sie bald nur noch aus Splittern bestand, trotzdem waren sie nicht schnell genug, als wir vor die Haustür stürzten, sahen wir den Hundeschlitten der Flüchtlinge gerade am Ende der Straße verschwinden.
Steel: Was jetzt.
vanDusen: Na hinterher natürlich.
Steel: Das ist nicht so einfach Prof, Skinflint hat das beste Huskygespann in ganz Dawson.
vanDusen: Na wenn schon.
Steel: OK versuchen wir es, laufen sie voraus zur Station, Walker, lassen sie anspannen.
Walker: Jawohl Chef.
Steel: Auch das noch. Walker so ein Trottel.
vanDusen: Bitte stehen sie auf Walker, beeilen sie sich, kommen sie ich helfe ihnen, stellen sie sich nicht so an, laufen sie zur Station, spannen sie die Hunde an.
Hatch: Im Hundeschlitten der Mounties, 8 kläffende Köter und ein Leithund folgten wir Skinflints Spuren, stundenlang jagten wir durch verschneite Wildnis in Richtung Süden, bis die Spur plötzlich nach Westen abknickte.
Steel: Das hab ich mir gedacht, unser Freund Skinflint ist kein Schischako.
Hatch: Was.
Steel: Greenhorn sagen sie in den Staaten, er will an die Küste nach Skagway und von da mit dem Schiff nach Seattle oder San Francisco, aber weil er natürlich weiß, daß es eine Telefonverbindung zwischen Dawson und unserem Grenzposten auf den White Pants gibt, versucht er es sozusagen durch die Hintertür, über den Malaspinagletscher, sehr riskant, aber er könnte es schaffen, los.
Hatch: Weiter jacherten unsere Huskies durch Eis und Schnee, bis sie Stunden später sich und uns mit letzter Kraft in ein kleines Goldgräbercamp schleppten.
Steel: Superintendant Steel, im Namen des Gesetzes, wir brauchen frische Hunde.
Goldgräber: Ich auch, Superintendant, ich auch.
Steel: Was soll das heißen.
Goldgräber: Vor einer halben Stunde waren zwei Fremde hier, Mann und Frau, haben sich meine besten Hunde ausgesucht und vor ihren Schlitten gespannt.
Steel: Na und, sie werden wohl ein übrig gelassen haben.
Goldgräber: Wie mans nimmt, Superintendant, meine anderen Hunde und die alten die liegen hier hinterm Blockhaus, sie haben sie erschossen.
Steel: Ja meine Herren, da kann man nichts machen, wir sind geschlagen.
vanDusen: Werfen sie die Flinte immer so schnell ins Korn, Superintendant, guter Mann, wie ich höre, arbeitet bei ihnen eine Motorpumpe.
Goldgräber: Ja hab ich mir aus den Staaten kommen lassen sauteuer, aber es lohnt sich.
vanDusen: Wären sie unter Umständen bereit, sie uns für eine gewisse Zeit auszuleihen gegen eine großzügige finanzielle Entschädigung versteht sich.
Hatch: Drei Stunden vergingen, dann setzte sich ein nie gesehenes Monstrum knatternd und qualmend in Bewegung und fegte über das bläuliche Eis des Malaspinagletschers, der Prof hatte den Pumpenmotor in unseren Schlitten gebaut, eine Kraftübertragung konstruiert und so ganz nebenbei den ersten funktionsfähigen Motorschlitten der Welt erfunden, Motorkraft ist stärker als Huskypower, bald sahen wir Skinflints Schlitten vor uns, zuerst nur als kleinen schwarzen Punkt, dann wurde er größer, immer größer, der Gletscher lief aus, vor uns lag eine Goldgräbersiedlung, wir fuhren fast gleichzeitig ein und hielten nebeneinander, Superintendant Steel sprang aus dem Schlitten.
Steel: Jeremiah Skinflint, Miss Caprice, ich verhafte sie im Namen der Königin.
Goldgräber: Langsam Freund, langsam, ihre Königin hat hier gar nichts zu sagen, sie auch nicht, sehen sie mal nach oben, die Fahne, das gute alte Sternenbanner.
Skinflint: Hipphipphurra, wir sind auf amerikanischem Boden, tut mir leid, meine Herren, wo sie sich so große Mühe gegeben haben, aber so ist das Leben.
Caprice: Angenehme Heimreise.
Goldgräber: Und zwar möglichst bald, sonst helfen wir nach.
Hatch: Augenblick Landsleute, ich bin amerikanischer Bürger und ich habe euch was zu sagen, dieser Typ der so unverschämt grinst, ist der Bankier Skinflint aus Dawson City und auf seinem Schlitten hat er eine runde Million in Gold und Scheinen, das hat er alles euren Kollegen in Dawson geklaut zusammen mit seiner Freundin.
Goldgräber: Stimmt das.
Steel: Jedes Wort.
Goldgräber: Dann sieht die Sache anders aus, wir sind hier nämlich sehr für Recht und Ordnung, he Kumpels, kommt mal her, hier ist eine Kleinigkeit zu erledigen.
Hatch: Es ging alles sehr schnell, eine halbe Stunde später hing Sklinflint am Fahnenmast.
vanDusen: Ein recht summarisches Verfahren.
Goldgräber: Das Gesetz der Grenze, Freund.
Hatch: Und Mrs Caprice, wollt ihr die etwa auch aufhängen.
Goldgräber: Aber woher Freund, wir sind Kavaliere, die Lady bleibt hier, lebenslänglich und macht sich nützlich, kochen, waschen und was noch so anfällt.
Caprice: Gotteswillen nur das nicht, lieber zurück nach Dawson, lieber ins Gefängnis, bitte meine Herren, helfen sie mir.
Hatch: Können wir das zulassen, Prof.
vanDusen: Wohl kaum, mein lieber Hatch, hören sie, Freund.
Hatch: Als wir im Motorschlitten nach Dawson City zurückfuhren, waren wir zu viert, van Dusen, ich, Superintendant Steel und Miss Caprice, der Prof hatte es geschafft, aber zu welchem Preis.
Steel: Eine Million, kein Mensch ist 1 Million Dollar wert.
vanDusen: Oh sagen sie das nicht.
Steel: Schon gar nicht dieses Tingeltangelflittchen.
Caprice: Sie sind aber nicht sehr galant.
Steel: Außerdem Prof, sie hatten gar nicht das Recht über Skinflints Beute zu verfügen.
vanDusen: Verehrter Superintendent, ich habe nicht wie sie zu implizieren scheinen Miss Caprice für 1 Mio Dollar eingehandelt, ich habe lediglich zugestanden, daß die Beute bis zur endgültigen juristischen Klärung in der treuhänderischen Obhut der Herren Goldgräber verbleibt.
Steel: Glauben sie denn im Ernst, daß wir davon noch was wiedersehen, keinen Dollarschein, Prof, kein einziges Körnchen Gold.
vanDusen: Vorsicht da ist eine Eisspalte, halten sie sich fest.
Hatch: Damit sollte er rechtbehalten, der gute Superintendant, als im Sommer eine kanadisch-amerikanische Kommission das Goldgräberlager aufsuchte, fand sie es leer vor, die Insassen waren verschwunden und mit ihnen Skinflints Millionen, soweit ich weiß, streiten Kanada und die USA sich noch heute um den Inhalt des Panzerschranks, wie sagte doch Skinflint, so ist das Leben.
Professor van Dusen: Friedrich W. Bauschulte
Hutchinson Hatch: Klaus Herm
Jeremiah Skinflint, Bankier: Helmut Ahner
Sam Steel von den Mounties: Helmut Krauss
Mr. Smith alias Frank Clancy: Wolfgang Condrus
Mr. Jones alias Elmer Clancy: Erwin Schastok
Miss Caprice, Künstlerin: Kerstin Sanders-Dornseif
Chefredakteur des Daily New Yorker: Eric Vaessen
Walker, ein Mountie: Hubertus Bengsch
1. Goldgräber: Till Hagen
2. Goldgräber: Norbert Schwarz
Matrose: Norbert Schwarz
Michael Koser: Prof. van Dusen fällt unter die Räuber (RIAS 1989)
Hatch: Montenegro meine Damen und Herren ist nicht das kleinste Land der Welt, es gibt noch kleinere, Liechtenstein zum Beispiel oder Monaco oder Andorra, aber wenn Montenegro auch nicht groß ist, hat es doch einiges zu bieten, ein weltbekanntes Insektenpulver, eine Haupt- und Residenzstadt mit sage und schreibe 3000 Einwohnern, viele Ziegen, ein paar Bären und Räuber, speziell von denen kann ich Ihnen ein Lied singen, meine Damen und Herren, und damit fange ich jetzt an. Es war am 16. August des Jahres 1904 an einem heißen Sommermorgen, eine große schwarze Kutsche quälte sich die Serpentinen über der dalmatinischen Stadt Katoro hoch, hinten hing ein Schild, Thomas Cook und Söhne, Tagesausflug in die wildromantische Bergwelt Montenegros, vorn auf dem Bock hockten Kutscher und Führer und innen stöhnte eine achtköpfige Reisegesellschaft.
Bernhardine: O Baltasar es ist so heiß.
Bullrich: Wünschest du ein Taschentuch, teuerste, sudarium sudarii neutrum, meine Gattin ist blutarm.
Mayfair: Also wissen sie Dr. Bullrich, man braucht nicht blutarm zu sein um bei dieser Hitze umzukommen, sehen sie mich an, ich hab eher zu viel Blut, was Franco.
Franco: Sisi Carissima.
Mayfair: Und ich schwitze wie verzeihen sie wie ein Schwein.
Bullrich: Sus Sus femininum.
Bernhardine: Und wie es hier riecht, Baltasar.
Hatch: Ihr Musterkoffer, Grenouille.
Grenouille: Missiö Hatch süwosapli, die edelsten Duftkompositionen aus Paris.
Tafelspitz: Nix da, von draußen stinkts eini, na was wollens, Montenegro, tschuschen, schauens doch aus dem Fenster, trostlos, Berge, nix wie Berge, kei Fabrik, kei Kaserne, kei Kultur, die schiere Wildnis, na wird halt zeit daß wir Österreicher auch hier a bißerl a Fortschritt bringen netwahr Herr Prof.
vanDusen: Bitte Herr von Tafelspitz, als amerikanischer Bürger fühle ich mich nicht berufen, zur nicht unumstrittenen Balkanpolitik ihrer Regierung Stellung zu beziehen.
Hatch: Immer weiter, immer höher, immer tiefer ins Gebirge, es war 12 Uhr mittags als wir endlich hielten, auf einer Felsplatte hoch über Schluchten und Abgründen, wir stiegen aus und unser Führer, ein munterer kleiner Grieche namens Dimitri erklärte uns die Landschaft.
Dimitri: Bitte sich umzuwenden hochgeehrte Herren, hochgeschätzte Damen, bitte zu beachten am Horizont tiefblauen Schimmer. Oh. Adriatisches Meer, hochgeehrte Damen, hochgeschätzte Damen und daran anliegend wunderschönes Land Dalmatien.
Tafelspitz: Gehört uns.
Dimitri: Bitte nun Blick zu werfen auf rechte Seite, hochgeehrte Herren, hochgeschätzte Damen, in ferne sie sehen Bosnien und Herzegowina.
Tafelspitz: Gehört auch uns.
Dimitri: Ein wenig weiterdrehen, hochgeehrte Herren, hochgeschätzte Damen, und was liegt vor ihren herrschaftlichen Füßen, gewaltige schwarze Berge in serbische Sprache genannt Tschernagora auf italienisch Montenegro.
Mayfair: Das gehört ihnen nicht, Herr von Tafelspitz.
Tafelspitz: Noch nicht gnä Frau Christian, noch nicht.
Dimitri: Nun hochgeehrte Herren, hochgeschätzte Damen, stehen sprachlos vor wunderbar schöner Landschaft, schöner als Maler kann malen, als photografischer Künstler kann fotografieren.
Bernhardine: Oh Baltasar wie wonnig.
Bullrich: Amönus amöna amönum.
Hatch: Der englische Schriftsteller Dr. Johnson hat mal gesagt ohne ein gemütliches Gasthaus im Vordergrund ist die schönste Landschaft keinen Pfifferling wert.
Bullrich: Banause, Philister, Homo obtusus.
Bernhardine: Ha, Baltasar.
Bullrich: Was ficht dich an, geliebtes Weib.
Bernhardine: Da Baltasar, da steckt einer, hinter dem Felsen. Ja.
Dimitri: Bitte sich nicht unberuhigen, hochgeehrte Herren, hochgeschätzte Damen, bitte zu besichtigen Bergbewohner, Montenegriener, Tschernagorze, typisches Exe-mplar, romantisch wie Landschaft, malerisch in Pluderbeinkleid, goldbestickte Weste sowie Kappe, bitte ferner zu beachten hierzulande üblichen Schmuck der Waffen.
Hatch: Zwei Revolver, Säbel, Dolch, Patronengürtel, bißchen viel für einen einzelnen Herrn.
Mayfair: Sie haben aber auch immer was auszusetzen, Mr Hatch, ist doch sehr männlich so eine Aufmachung.
Bernhardine: Baltasar hier ist noch einer.
Franco: Ecco hier auch.
Bullrich: Und vor uns.
Mayfair: Und hinter uns.
Hatch: Und um uns herum.
Franco: Sie kommen näher.
Bullrich: Sollten wir nicht besser aufbrechen, meine Gattin ist nämlich blutarm.
Mayfair: Ach was machen sie sich nicht in die Hosen, Bullrich, das hat sich Firma Cook für uns ausgedacht, als Überraschung, was soll das werden, Dimitri, Volkstanz, lebende Bilder, Fruchtbarkeitsriten.
Gojko: Das ist Überfall, verhalten sie sich ruhig, folgen sie unsere Anordnungen, leisten sie keine Widerstand.
Tafelspitz: Jessasna.
Hatch: Die sehen mir nicht aus wie Angestellte der Firma Cook und wie biedere Bergbauern auch nicht.
vanDusen: Wohl kaum, ohne Zweifel handelt es sich bei diesen martialischen Herrschaften um wie der Dalmatiner sich ausdrückt, Molaken oder auch Uskopen, in Griechenland heißen sie Kleften, in der Ukraine Heidermarken, Dakeutz in Indien, Rugaruga in Ostafrika, hierzulande pflegt man sie sofern ich nicht irre Rasbonditschi oder auch Heiduken zu nennen.
Hatch: Ach ja und was würde ein sprachlich nicht so gebildeter Zeitgenosse sagen, einer wie ich zum Beispiel.
vanDusen: Nun Wegelagerer vermutlich Banditen, Räuber.
Bullrich: Latro latronus maskulin.
Gojko: So ist es ihr Herren, Räuber sind wir, ehrsame Räuber die im Schweiße ihres Angesichts ihrer Arbeit nachgehen, in aller Bescheidenheit.
Bernhardine: O gott Baltasar Räuber wie fürchterlich.
Tafelspitz: Na typisch Räuber auf offener Straße, a Wirtschaft ist das hier.
Mayfair: Was für ein Abenteuer, leibhaftige Räuber, bitte meine Herren, bedienen sie sich, meine Börse, meine Ringe, mein Strumpfband.
Gojko: Später, sie kommen alle mit.
Grenouille: Wohin missiö.
Gojko: In die Berge.
Bullrich: Zu Fuß.
Gojko: Selbstverständlich zu fuß, auf herrschaftliche Kutschen sind unsere bescheidenen Pfade nicht eingerichtet.
Bullrich: Aber meine Gattin ist blutarm.
Und der Kutscher.
Gojko: Den brauchen wir nicht. Ah. Los, ein bißchen munterer, wenn ich bitten darf, wir haben einen langen Weg vor uns.
Hatch: Lang und heiß und mühsam, rauf und runter, durch Felsen und Geröll über einen halsbrecherischen Klettersteig, auf dem sogar einer montenegrinischen Bergziege schlecht geworden wäre, trotzdem kamen wir zügig voran, auch die blutarme Frau Bullrich, dafür sorgte ab und zu ein Stoß mit dem Gewehrkolben, nach stunden, die Sonne fing schon an hinter die hohen Gipfel im Westen zu rutschen, erreichten wir unser Ziel, ein Mauerviereck, prekär an eine steile Bergwand geklebt, wir wurden über eine Zugbrücke getrieben, die man hinter uns hochzog und blieben im Innenhof stehen vor einem holzgeschnitzten Stuhl auf dem hochgewachsener Greis saß mit einem gewaltigen Walroßschnauzbart, er musterte uns scharf und hob die Hand.
Drako: Hochverehrte Gäste, seien sie gegrüßt ich freue mich daß so zahlreich der Einladung gefolgt sind, die mein Sohn Gojko an der Spitze unserer Männer ihnen überbracht hat und heiße sie willkommen auf Burg Urosch, dem Stammsitz der ruhmreichen Sippe Wassojewitsch, ich bin das Oberhaupt, der Poglawica, Drako Wassojewitsch und mit wem habe ich die Ehre, sie dort mein Sohn, treten sie vor, nennen sie mir ihren Namen.
Grenouille: Jean-Baptiste Grenouille.
Drako: Schante, aus Paris.
Grenouille: Mewie missiö.
Drako: Ah Paris die Hauptstadt der Welt, was ist ihre Profession, Mr Grenouille.
Grenouille: Ich bin Geschäftsreisender Missiö für unsere großen Parfümerien, hier mein Musterkoffer, gestatten sie daß ihnen bzw den reizenden Damen ihres Hauses ein paar Proben.
Drako: Eines nach dem anderen Missiö Grenouille, haben sie Geld.
Grenouille: Ein paar Franc Missiö.
Drako: Aha und zu hause Mr Grenouille ein Sparstrumpf, ein Konto, Rentencoupons.
Grenouille: Nichts von alledem Missiö leider.
Drako: Leider, sie sagen es, Missiö Grenouille, kümmere dich um ihn Gojko.
Gojko: Ja Vater.
Grenouille: Ah.
Mayfair: Hören sie mal was fällt ihnen ein, der arme Mr Grenouille, wo sind wir hier eigentlich.
Drako: In Montenegro, Weib, und in Montenegro haben Frauen im Rat zu schweigen.
Mayfair: Was gehen mich ihre hinterwäldlerischen Sitten an, ich bin Engländerin, Rhoda Mayfair, weltberühmte Schriftstellerin, Verfasserin von Liebe in Fesseln, eine Insel für zwei, Lebwohl auf ewig, Flammen der Leidenschaft, usw usw Millionenauflagen, Übersetzung in alle besseren Sprachen, sie haben bestimmt schon was von mir gelesen das heißt falls sie lesen können natürlich.
Drako: Das Buch des Montenegrieners ist sein Revolver, sind sie reich Mrs Mayfair.
Mayfair: Miss Mayfair bitte, lassen sie ihre Flinte unten, Gojko oder wie sie heißen, ich hab genug, ich kann zahlen.
Franco: Und ich Carissima.
Mayfair: Für dich zahl ich auch Franco, das bin ich doch gewohnt, stell dich vor.
Franco: Si carissima Franco Peroni Italiano.
Mayfair: Mein Sekretär und wie ich immer sage Knabe für alles.
Drako: In Ordnung, jetzt sie, ja sie meine ich mit dem Kneifer.
Bullrich: Statum exemplum, domine referendissime, Bullrich, Baltasar Bullrich, Dr. der Philosophie, aus Hannover im deutschen Reich, Oberstudienrat, klassische Sprachen, mein Gattin Bernhardine, sie ist blutarm.
Drako: Oberstudienrat eine Person von Gewicht wie es scheint, auch von Vermögen.
Bullrich: Nun domine referendissime einerseits.
Drako: Gojko.
Bullrich: Andererseits ein wenig Geldes ist vorhanden, pecunia, pecunium femininum oder auch argentum argenti neutrum.
Drako: Gut mein Sohn, der nächste.
Dimitri: Ich nur Reiseführer großmächtiger gospodar, bescheidener Name Dimitri.
Tafelspitz: Gusch, las uns gütigst besseren Leuten den Vortritt, alsdann Nepomuk Edler von Tafelspitz, habe die Ehre, Offiziar im kaiserlichköniglichen Finanz-ministerium in Wien, leidlich vermögend.
Drako: Sieh da, im Gegensatz zu unseren Fürsten schätzen wir Wassojewitsch die Österreicher, und die letzten beiden Herren.
vanDusen: Prof van Dusen.
Hatch: Hutchinson Hatch, Journalist beim Daily Newyorker, Amerikaner wie der Prof.
Drako: So ein Gelehrter und ein Zeitungsschreiber, wahrlich keine fette Beute, sie gehören dir Gojko.
Hatch: Moment mal alter Knabe sie haben keine Ahnung wer vor ihnen steht, Prof DrDrDrAugustus van Dusen in aller Welt voll Ehrfurcht die Denkmaschine tituliert ist der bedeutendste Wissenschaftler, Erfinder und nebenbei Amateurkriminologe den die Erde je gesehen hat, seine zahllosen Patente haben ihn zum Krösus gemacht.
vanDusen: Mein lieber Hatch, sie übertreiben wieder mal.
Hatch: Klappern gehört zum Handwerk, ich selbst Hutchinson Jefferson Hatch nenne einen Herrn Vater mein eigen welcher mehr Dollars besitzt denn Dagobert Duck.
Drako: Wer soll sein Dagobert Duck.
Hatch: Von Rockefeller ganz zu schweigen, und was sie betrifft alter knabe sie können uns überhaupt nicht imponieren, Räuberhauptmann in Montenegro was ist das schon, da kennen wir ganz andere, der Prof und ich, Präsident Theddy Roosevelt, König Edward von England, Kaiser Willhelm.
Drako: Schweigen sie, nun denn, als Lösegeld setze ich pro Person die Summe von 1000 Mariatheresiataler fest.
vanDusen: Rund 1060 Dollar.
Drako: Auch Mrs Mayfair und Frau Bullrich haben den vollen Betrag zu entrichten.
Bullrich: Aber meine Gattin ist blutarm.
Drako: Da in ihren Heimatländern die ausgefallene Ansicht vorzuherrschen scheint, eine Frau sei ebenso viel wert wie ein Mann, ich werde einen Boten nach Kataro entsenden, auf daß er sich bei ihren Konsulaten um das Geld bemühe, in drei Tagen am 19. August wird er sich wieder auf Burg Urschusch einstellen, wenn nicht übernimmt Gojko das weitere.
Hatch: Alles klar alter Knabe und wenn er mit den Talern pünktlich anmarschiert.
Drako: Werden sie alle entlassen, mit dank und unsern besten Wünschen.
Hatch: Wirklich, wer garantiert uns das.
Drako: Wir sind Ehrenmänner, mein Herr, ich gebe ihnen mein Wort.
Hatch: Na da bin ich aber beruhigt.
Drako: Seien sie in der Zwischenzeit unsere Gäste, sie dürfen sich innerhalb der Burg frei bewegen.
Hatch: Kunststück bei hochgeleierter Zugbrücke.
Drako: Sie können tun was immer sie wollen, mit zwei Ausnahmen, mein Vorkoster ist gestern ein Opfer eines Berufes geworden, ein Hammelknochen in der Luftröhre, ihr für mich ansonsten wertloser Führer wird seine Stelle einnehmen und meine Speisen kosten, bevor ich sie selbst zu mir nehme, eine hierzulande unumgängliche Vorsichtsmaßnahme.
Hatch: Pech für Dimitri, und die zweite Ausnahme.
Drako: Sie, Mr Hatch sind ein sympathischer Mensch, zurückhaltend, bescheiden, gerade sie darauf lege ich wert, sollen sich bei uns wie zu hause fühlen deshalb werden sie Gelegenheit erhalten, sich nützlich zu machen, in der Küche aushelfen, servieren, was so anfällt.
Hatch: Ok wenn sie mir den Lohn vom Lösegeld abziehen.
Drako: Genug, Gojko.
Gojko: Ja Vater.
Drako: Führe unsere Gäste in ihre Quartiere.
Hatch: Die Quartiere bestanden aus ein paar kahlen Löchern möbliert mit antiken Strohsäcken, an denen alles vermodert war, nur nicht die lieben Tierchen die putzmunter darin herumhüpften und krabbelten, waschen konnten wir uns an der sparsamen Pumpe im Hof und was die übrigen sanitären Einrichtungen betrifft die übergehe ich wohl besser mit schweigen, kein wunder daß wir sog. Gäste uns am nächsten morgen kaum von den Gastgebern unterschieden, nur Tafelspitz, der edle Wiener war sauber, glatt wie aus dem Ei gepellt, naja Adel verpflichtet, die Räuber schlichen trübe durch die Gegend, sie hatten nachts den Musterkoffer des seligen Mr Grenouille ausgetrunken und das war ihnen nicht gut bekommen, auch van Dusen wirkte finster, aus guten Grund, man hatte ihn bestohlen.
vanDusen: Sehen sie mein lieber Hatch, meine schwarze Tasche.
Hatch: Ihr chemophysikalisches Miniaturlabor, meinen sie Prof.
vanDusen: Eben dieses, mein lieber Hatch, des Nachts während ich schlief wurde es gewaltsam geöffnet.
Hatch: Ach ja und fehlt was.
vanDusen: wie es scheint wurde lediglich ein Fläschchen mit HCl vulgo Salzsäure entwendet.
Hatch: Sowas, die schlucken hier wohl alles.
vanDusen: Um gottes willen Hatch.
Hatch: Und sonst haben sie keine sorgen Prof, arbeiten sie lieber einen Fluchtplan aus.
vanDusen: Mein lieber Hatch, ich denke nicht daran, einige Tage relativer Unbequemlichkeit, der Verlust einer nicht allzugroßen Summe, deshalb das Risiko einer gefahrvollen Flucht durchs Gebirge einzugehen, lohnt wahrlich nicht, fassen sie sich ein bißchen in Geduld.
Gojko: Los los, Mr Hatch an die Arbeit, in die Küche marsch.
Hatch: Und ich in der Küche wurde ich ganz schön in Atem gehalten, erst ausfegen dann Kartoffelschälen und schließlich Maisbrei rühren, stundenlang, eine verantwortungsvolle wenn auch reichlich stumpfsinnige Tätigkeit, Führer Dimitri, der zwischen den Mahlzeiten frei hatte, leistete mir Gesellschaft, an einer etwas abseits gelegenen Feuerstelle stocherte er in einem Topf herum.
Hatch: Was brutzeln sie denn, das riecht ja seltsam.
Dimitri: Sehen doch Knochen von Schaf.
Hatch: Abgenagte Hammelknochen und Wasser, was soll das werden wenn es fertig ist.
Dimitri: Sie nichts angehen Mr Hatch kümmern um eigene Angelegenheit, bitteschön, rühren fleißig Kukuruzs sonst brennen an und Räuber böse.
Hatch: Auch gut, ansonsten ereignete sich nichts an diesem Tag, oder doch, beim gemeinsamen Abendessen hatte der edle Tafelspitz eine Ankündigung zumachen.
Tafelspitz: Sans a bißl still ich bitt schön.
Drako: Ruhe.
Tafelspitz: Naja verehrte Anwesende, Damen und Herren Räuber sowie geschätzte Mitgefang wollte sagen Gäste, am morgigen Tag schreiben wir den 18 August und wie jeder brave Österreicher weiß, geruht sich am 18 August der holdselige Geburtstag seiner allergnädigsten kaiserlichköniglichen Majestät Franz Josef zu zu stattzufinden.
Hoch soll er leben.
Tafelspitz: Ich bin kei Redner verehrte anwesende, doch es drängt mich zu konstatieren, daß so ein glorreicher patriotischer Feiertag ja gefeiert werden muß, auch unter widrigen oder sagen wir ungewöhnlichen Umständen, nun ich machs kurz, anläßlich des erhabenen Anlaßes erlaube ich mir alle verehrten anwesenden zu einem Festmahl einzuladen, morgen abend soll hier aufgetischt werden, was Küche und Keller vermögen, zu ehren seiner Majestät.
Drako: Für die Kosten aber kommen sie auf Herr von Tafelspitz.
Tafelspitz: I zahl alles.
Die Getränke auch.
Tafelspitz: Na selbstverständlich.
Hatch: Da, jetzt steckt er sich schon wieder eine Havanna an.
vanDusen: Wen meinen sie, mein lieber Hatch.
Hatch: Den Tafelspitz, das ist jetzt die fünfte, ich habe mitgezählt und ich armes Schwein habe seit gestern nichts mehr zu rauchen.
vanDusen: In der Tat mein lieber Hatch, so hat unser erzwungener Aufenthalt in dieser Wildnis denn doch sein gutes, sie werden wenn auch wie ich zu befürchten Anlaß habe lediglich für wenige Tage dem Laster des Nikotingenußes entsagen müssen.
Hatch: Am 18 August gegen 6 Uhr abend fing es an das rauschende Festmahl für Kaiser Franzjosef und alle waren bester Stimmung alle bis auf Hutchinson Hatch ihren ergebenen Diener, und letzteres meine ich wortwörtlich, vom frühen morgen an hatte ich mir am Herd die Beine in den Bauch gestanden, und jetzt mußte ich sie mir wieder ablaufen, Schüsseln, Töpfe, Flaschen schleppen, vorlegen, eingießen, immer auf trab, auch der gute Dimitri machte übrigens keinen ganz glücklichen Eindruck, er war im Dienst und stand unter dem Stuhl des Häuptlings und sah ausgesprochen nervös aus, wahrscheinlich hoffte er inständig daß niemand auf die Idee kam den alten gerade jetzt zu vergiften, wie gesagt, es war ein rauschendes Fest, von Tafelspitz hielt eine Rede, alle schrien hurra, der Gusla, der lokale Barde griff in die Seiten das heißt in die Seite, denn das traditionelle Instrument dieser Landstriche, die Guslar hat nur eine, der Guslar besang endlos und steinerweichend die Heldentaten der edlen Räuber vom Stamme Wassojewitsch und es wurde gegessen.
Gojko: Der erste Gang, saure Kraupensuppe mit Kuttel.
Hatch: Es wurde gegessen, aber nicht einfach drauf los, sondern nach strenger Etikette, der Chef nahm seinen großen silbernen Löffel, tauchte ihn in seine Schüssel und reichte ihm gefüllt dem Vorkoster, der steckte ihn den Mund, schluckte, gab ihn zurück, eine Minute gespanntes warten und wenn der Vorkoster dann noch am Leben war, fing der Chef an zu essen und gab so das Signal zum Beginn der allgemeinen Brekelei.
Gojko: Der zweite Gang, Hammel am Spieß gebraten.
Bullrich: Hammel am Spieß.
Hatch: Mit Salz, Knoblauch, Zwiebeln und Fladenbrot, nicht raffiniert aber reichlich, das konnte man auch vom dritten Gang sagen, als Dessert gab es einheimischen Landwein blutrot und essigsauer oder Slibovicz ganz nach Wunsch und dabei meine Damen und Herren ist es dann passiert, ich entkorkte eine Weinflasche, goß dem alten Drako Wassojewitsch ein, der nahm einen großen Schluck, stellte das Glas ab, plötzlich sprang er auf mit verzerrtem Gesicht krampfte beide Hände um den Hals.
Gojko: Vater, vater, vater was hast du.
vanDusen: Er ist tot.
Gojko: Tot, vergiftet.
vanDusen: Ja ohne jeden Zweifel.
Gojko: Dann weiß ich, wer ihn auf dem Gewissen hat, du warst es.
Hatch: Ich.
Gojko: Ja du Hutchinson Hatch aus Amerika.
Hatch: Das ist doch nicht ihr Ernst, ich mach ja jeden Blödsinn mit aber.
Gojko: Du hast den Korken aus der Flasche gezogen, du hast den Wein eingeschenkt, und dabei hast du das Gift hineingetan, nur du konntest das tun.
Hatch: Aber warum sollte ich denn.
Gojko: Du hast meinen Vater getötet, unseren Häuptling, du bist der Blutrache verfallen, bindet ihn, du wirst deine Tat sühnen und diese Sühne wird schrecklich sein, holt einen Pfahl, spitzt ihn an.
Hatch: Wieso Pfahl.
Gojko: Weil wir dich pfählen werden du Hund.
Hatch: Und wie macht man das.
Gojko: Du wirst auf einen hohen spitzen Pfahl gesetzt hier vor unser aller Augen und wir werden zuschauen wie du schreist und dich windest wenn die Spitze in dein Gedärm dringt tiefer und tiefer, Höllenqualen wirst du leiden.
Hatch: Sagen sie mal wollen sich wirklich so viele Mühe machen.
Pope: Haltet ein meine Kinder, höret den Mann Gottes.
Gojko: Was willst du Pope, mach es kurz.
Pope: Seid ihr Türken, seid ihr Heiden, nein das seid ihr nicht, Christen seid ihr und so handelt denn auch an diesem Menschen wie es Christen geziemt mit Sanftmut und Milde.
Gojko: Nicht pfählen.
Pope: Nein mein Sohn dies wäre unchristlich.
Gojko: Was sollen wird dann mit ihm machen, schlag was vor Pope.
Pope: Nun mein Sohn warum schneiden wir ihm nicht einfach den Kopf ab, so haben schon unsere frommen Vorväter Mord und Totschlag geahndet.
Gojko: Das ist viel zu leicht für den Kerl Pope.
Pope: Nicht wenn wir ein ganz besonders stumpfes Messer benutzen mein Sohn.
Hatch: Prof tun sie doch was, helfen sie mir.
vanDusen: Meine Herren leihen sie mir für einen Augenblick ihr Ohr, bei allem Verständnis für ihren berechtigten Unmut, zügeln sie ihren Übereifer, begehen sie keinen Fehler den sie später bereuen könnten, Mr Hatch lassen sie sich das von mir gesagt sein, Mr Hatch ist nicht der Mörder.
Gojko: Sie können uns viel erzählen, sie sind sein Freund.
vanDusen: Zunächst einmal bin ich Prof DrDrDrAugustus van Dusen Amateur-kriminologe von nicht gewöhnlichem Ruf, und als solcher versichere ich ihnen, Mr Hatch ist unschuldig, hören sie auf mich, meine Herren, bei einem Gift welchem ihr dahin geschiedner Häuptling zum Opfer fiel, handelt es sich, der typische Bittermandelgeruch an seinen Lippen beweist es, um eine der Zyanverbindungen.
Gojko: Was.
vanDusen: Zyan Wasserstoff besser bekannt als Blausäure, oder Kaliumzyanatum, kurz Zyankali, beide gehören bekanntlich zu den rapiden in sekundenschnelle wirksam werdenden Giften.
Gojko: Natürlich der Wein.
vanDusen: Sie irren, mein bester, überzeugen sie sich selbst, weder die Flasche noch das Glas erhalten auch nur eine Spur von Zyan.
Gojko: Überzeugen ja wie denn.
vanDusen: Mittels ihrer Nase, mein bester riechen sie.
Gojko: Ah, nein nein keine bittere Mandel.
vanDusen: Bitte.
Gojko: Das ist unmöglich Prof sie sagen das Gift wirkt sofort und wenn im Wein keins war wie ist mein Vater dann vergiftet worden, sicher er hat vorher Graupensuppe gegessen und Hammelbraten aber das lag eine halbe Stunde oder noch länger zurück und dann wäre ja auch der Vorkoster daraufgegangen, die ganze Sache ist.
vanDusen: Ein Rätsel wollen sie sagen, ich stimme ihnen zu, ein nicht uninteressantes kleines Problem, eine kriminologische Herausforderung, der ich mich stellen werde, ich übernehme den Fall.
Hatch: Für mich, danke Prof, ich danke ihnen.
vanDusen: Ihretwegen mein lieber Hatch ja dies auch doch in erster Linie sehe ich mich motiviert durch die mysteriösen Umstände, die scheinbare Unvereinbarkeit der Fakten, die Aura des auf den ersten Blick Unmöglichen, geben sie mir Zeit bis Morgen mein bester und ich werde ihnen den Täter präsentieren.
Hatch: Manchmal kann er recht innervierend sein der Prof aber wie ich immer sage besser ein enervierender Prof als ein angespitzter Pfahl, Gojko vertagte seine unfreundlichen Absichten, er blieb aber mißtrauisch, nicht nur mir gegenüber, Gojko sperrte uns acht Gäste alle zusammen in einen Kellerraum und stellte eine Wache vor die Tür, da saßen wir nun und versuchten uns auf die Ereignisse der letzten Stunden einen Vers zu machen.
Tafelspitz: Na was sag ich kein Anstand die Tschuschen, ausgerechnet an Kaisers Geburtstag muß er sich umbringen lassen, der Frechling, der Ausgschamte.
Dimitri: Herr Prof sagen bitte Wer ist Mörder.
Bullrich: Sicarius sicarii maskulin.
vanDusen: Doch wohl eher venefikus Dr Bullrich wir haben es mit einem Giftmischer zu tun, nicht mit einem Messerstecher.
Bullrich: Requie, Herr Kollege.
Bernhardine: Baltasar es ist ja alles zu furchtbar.
Bullrich: Beruhige dich teuerste, sie wissen ja meine Gattin ist blutarm.
Mayfair: Also ich glaube es war dieser Goyko, der hat seinen Vater umgebracht.
vanDusen: In der tat Miss Mayfair von wannen wart solche Weisheit.
Mayfair: Machen sie sich nur lustig, Prof ich weiß was ich sage, Gojko hat ein Motiv.
Bullrich: Causa causae femininum.
Mayfair: Jetzt ist er nämlich Häuptling oder poglawica wie die hier sagen gut kombiniert was.
Franco: Brava carissima, du bist so klug wie senior Sherlock Holmes.
Hatch: Auch das noch.
vanDusen: Kommen sie mein lieber Hatch.
Hatch: Der Prof winkte mich in eine Ecke und fing an mich über Dimitri auszufragen ob mir irgendetwas Ungewöhnliches an oder bei ihm aufgefallen sei, vielleicht in der Küche und ich erzählte ihm daß Dimitri gestern Hammelknochen ausgekocht hatte.
vanDusen: Aha hochinteressant mein lieber Hatch, vor allem in Zusammenhang mit der aus meiner schwarzen Tasche entwendeten Salzsäure, die Konturen des Falles beginnen sich zu klären.
Hatch: So na mir soll alles recht sein, wenn die Brüder mich nur nicht auf den Pfahl setzen oder mir den Kopf abschneiden.
vanDusen: Seien sie unbesorgt mein lieber Hatch, es ist spät, begeben wir uns zu Ruhe.
Hatch: Rotwein mit Sliwowiz ist ein ausgezeichnetes Schlafmittel, ich träumte von einer wunderbar duftenden Havanna, plötzlich gerade als ich anrauchen wollte, verwandelte sie sich in einen spitzen Holzpfahl.
Bernhardine: Ha.
Hatch: Ich schreckte hoch, riß die Augen auf, sah daß es schon hell war und hörte wie Frau Bullrich aus vollem Halse schrie.
Bernhardine: Da liegt er Baltasar auf seinem Strohsack und überall Blut.
Bullrich: Sanguies sanguie maskulinum, laß sehen geliebtes Weib, in der Tat, Dimitri ist tot, mortus, mortum.
vanDusen: Kein Zweifel Dr Bullrich, seine Kehle ist durchschnitten.
Bullrich: Und da sein offenes Taschenmesser blutbefleckt neben seiner rechten Hand liegt bedarf es keinerlei meisterdetektivischen Scharfsinns Selbtentleibung zu konstatieren, mors voluntaria.
vanDusen: Meinen sie, aus welchem Grund sollte unser Führer sich töten.
Hatch: Der Grund zeigte sich als wir die Taschen der Leiche durchsuchten, ein kleines Stück weißer Substanz das aussah wie das Ende einer Zuckerstange.
Bullrich: Oder wie Kreide, creta creatae femininum, lassen sich mich einmal kosten, Mr Hatch.
vanDusen: Um gotteswillen nicht in den Mund, legen sie das Stück ab mein lieber Hatch und waschen sie sich bei nächster Gelegenheit gründlichst die Hände, ja wie ich erwartet habe, Zyankali, bekanntlich wird dies hochgiftige Salz in form solcher Stangen gehandelt.
Hatch: Zyankali, na dann ist ja alles klar.
Mayfair: Dimitri hat den alten Häuptling vergiftet.
Franco: Nichte Gojko, charissima.
Bullrich: Und dann er gemerkt, daß sie ihm auf die Schliche gekommen sind, Herr Kollege.
Mayfair: Sie haben ja laut genug geredet gestern abend.
Bullrich: Und deshalb hat er sich eigenhändig entleibt.
Hatch: Aus Angst vor Blutrache.
Bullrich: Quod erat demonstrandum.
Bernhardine: Ja wer hat denn nun wen umgebracht Baltasar.
Bullrich: Ich werde es dir später explizieren, teuerste, meine Gattin ist ja so blutarm.
vanDusen: Auch ich werter Dr Bullrich meine Herrschaften bin mir des tatsächlichen Ablauf der Geschehnisse nicht so sicher, wie sie es zu sein scheinen, in einem Punkte kann ich allerdings voll und ganz beipflichten, Dimitri unser Führer hat dem Oberhaupt der Sippe Wassojewitsch Zyankali appliziert.
Mayfair: Ja und das sagen sie so leicht dahin Prof.
vanDusen: Warum nicht, Miss Mayfair sie haben doch die gleiche Behauptung aufgestellt.
Mayfair: Naja wo er doch das Gift in der Tasche hatte aber sonst, wissen sie denn wie er den alten vergiftet hat Prof.
vanDusen: Gewiß weiß ich das, Miss Mayfair.
Mayfair: Ja und wollen sie es uns nicht verraten, bitte.
vanDusen: Meine Herrschaften, angesichts ihrer Inständigkeit erkläre ich mich gern bereit ihrem Ersuchen stattzugeben.
Hatch: Wie gern.
vanDusen: Jedoch nicht an diesem tristen Orte, Prof van Dusens Aufklärungsvortrag erheischt einen anderen, einen würdigeren Rahmen, Wächter rufen sie mir ihren Häuptling.
Hatch: Zehn Minuten später standen wir auf dem Hof, alle, auch der edle Tafelspitz, der sich aus dem Trubel um den toten Dimitri vornehm rausgehalten und derweil seelenruhig rasiert hatte, vor einem Taschenspiegel, natürlich hatten sich auch sämliche Wassojewitsche eingefunden, schließlich wollten sie erfahren, wer ihren alten Chef ermordet hatte, der Prof stieg auf den großen Banketttisch, sah sich um, und fing an.
vanDusen: Wertes auditorium, zwei plus zwei, nicht zum ersten male finde ich Ver-anlassung auf diese unbestreitbare Tatsache hinzuweisen, zwei plus zwei ergibt vier.
Hatch: Immer und überall.
vanDusen: Oder lassen sie es mich anders ausdrücken, ausgekochter Hammel-knochen plus Salzsäure ergeben nun.
Bullrich: Nesciore domine Kollege.
vanDusen: Die Summe heißt Gelatine, dieser Stoff hierzulande fraglos noch wenig bekannt findet Mrs Mayfair und Frau Bullrich werden es bestätigen, bei uns zuhause immer häufiger Verwendung in der feinen Küche, bei der Komposition von Gelee beispielweise.
Bernhardine: Aspik Prof, Aspik auch.
vanDusen: Daran zweifele ich nicht Frau Bullrich, auf welche Weise wertes Auditorium wird Gelatine hergestellt, man nehme Knochen, reinige sie sorgsam und befreie sie sodann mittels Applikation von Salzsäure von anorganischen Bestandteilen, das heißt von phosphorsaurem und kohlesaurem Kalk, zurück bleibt eine knorpelartige Substanz, welche man nun in Wasser solange kocht bis sie sich auflöst, den bei milder Hitze reduzierten Sud läßt man erstarren, möglichst in platten Formen, bei Ermangelung solcher tut es auch ein flacher Teller und fertig ist die Gelatine, ein spröder glänzender durchsichtiger Stoff, in praxi die reine Erscheinungsform von Glutin oder Knochenlaib.
Tafelspitz: Na dankschön für die Nachhilfe aber ich seh nicht ein was das damit zu tun hat.
vanDusen: Warten sies ab Herr von Tafelspitz, nach dieser Methode welche dies sei am Rande angemerkt nach meinem franz. Kollegen Darfi benannt zu werden pflegt hat Dimitri, unser Reiseführer, Gelatine produziert, hier auf Burg Urusch, er hat wie Mr Hatch bezeugt, Knochen gekocht, nachdem er diese, daran kann ja wohl kein Zweifel obwalten, mit hilfe der meiner Person entwendeten Salzsäure vorschriftsmäßig gesäubert hat.
Franco: Bene bene Prof, materke, warum.
vanDusen: Gelatine, Senior Peroni, wertes auditorium, stellt eine im Endstadium relativ resistente Substanz dar, eine Substanz welche von säure, etwa der menschlichen Magensäure nur langsam aufgelöst wird.
Hatch: Aha.
vanDusen: Ganz recht mein lieber Hatch, aha, wir wissen Drako Wassojewitsch hat das Zyankali nicht im Wein zu sich genommen, angesichts der bekannt schnell Wirkung des Giftes kann es ihm auch nicht in der vorher genossenen Speise beigebracht worden sein, so dachte man, und so sollte man denken, wenn jedoch die Zyankalidosis in Gelatine eingeschlossen war, so mußte zwischen Einnahme und Resultat eine gewisse Zeitspanne liegen, eine halbe, eine ganze Stunde, je nach Stärke der Gelatine.
Bullrich: Das tödliche Gift befand sich also in einer der Speisen, cibus cibu maskulin.
vanDusen: Aber so werden sie fragen, wie konnte es in diesem Fall geschehen, daß der als Vorkoster fungierende Dimitri nicht am Gift zugrunde ging.
Hatch: Ja.
vanDusen: Zyankali, wertes Auditorium ist ein höchst intensives Gift, die tödliche Dosis liegt noch unter ein halben Gramm, das bedeutet die zur Ausführung des Mordes notwendige Gelatinekapsel brauchte nicht größer zu sein als sagen wir ein Getreide- oder Pfefferkorn, eine so winzige Kapsel kann mit Leichtigkeit für eine gewisse Zeit im Munde verborgen gehalten, unbemerkt auf einen Löffel geschoben und mit diesem in die Schüssel des Opfers praktiziert werden, besonders einfach erscheint eine solche Manipulation oder sollte ich korrekter Linguapulation sagen wenn es sich bei der betreffenden Speise um eine Graupensuppe handelt, sieht doch eine kleine Kapsel aus heller Gelatine mit einem ebenfalls hellen Zyankalikern einer Graupe täuschend ähnlich.
Hatch: Ah darum sah Dimitri beim vorkosten so angespannt aus, naja wenn er das Ding ausversehen runtergeschluckt hätte.
Gojko: Ein besonders heimtückischer Mord, aber plausibel, so wie sie es erklärt haben ProfvanDusen, ich bin überzeugt, wir alle sind überzeugt, Dimitri hat meinen Vater getötet, aber warum, Prof warum, das verstehe ich nicht.
vanDusen: Meine Ausführungen wertes auditorium sind noch nicht beendet, Dimitri der Mörder war lediglich ausführendes Organ.
Gojko: Ich muß sie unterbrechen Prof, Milosch, der Bote den mein Vater nach Kataro geschickt hat, ist zurück, Milosch hast du das Lösegeld.
Milosch: Jawohl Chef, hier.
Hatch: Der muntere Mann mit dem Geld war dar, und was dann auf Burg Urusch los war, das hätten sie erleben sollen meine Damen und Herren, welch ein Jubel welch ein Leben, alle drängten sich um Milosch und seinen Sack voll glänzender Silbertaler, Mord und Mörder waren vergessen oder wären vergessen gewesen wenn van Dusen sich nicht energisch gehör verschafft hätte.
vanDusen: Ruhe, ich ersuche um Ruhe, lassen sie mich wenn ich bitten darf meinen Vortrag in aller gebotenen kürze zu Ende führen oder haben sie kein Interesse daran zu erfahren wer Drako Wassojewitsch wirklich.
Hatch: Seid doch mal ruhig.
Gojko: Aber das wissen wir doch Prof, Dimitri.
vanDusen: Wie ich bereits anmerkte war Dimitri lediglich Handlanger, Helfershelfer, Befehlsempfänger, er hat den Mord begangen in der tat, doch ein anderer führte ihm die Hand, ein anderer plante, zog die Drähte, dieser andere ist der eigentliche, der wahre Mörder, der Mörder von Drako Wassojewitsch und von Dimitri.
Bullrich: Dimitri hat Selbstmord begangen.
vanDusen: Nullo modo Dr Bullrich, Dimitri wurde ermordet, zwei gewichtige Gründe hatte der Mörder für diese seine tat, erstens nachdem er meiner Unterredung mit Mr Hatch entnommen hatte ich sei seinem Komplizen auf der Spur, wollte er diesen daran hindern ihn zu verraten, und zweitens der vorgetäuschte Selbstmord hatte die Funktion Dimitri als Sündenbock auszuweisen und so die Aufmerksamkeit vom Drahtzieher im Hintergrund abzulenken.
Mayfair: Wieso vorgetäuscht sein blutiges Messer lag doch direkt daneben.
vanDusen: Eine präparierte falsche Spur welche uns in die irre führen sollte, wie das geschulte Auge des Pathologen zweifelsfrei festzustellen in der Lage ist, wurde die tödliche Halswunde nicht durch das aufgefundene Taschenmesser verursacht sondern durch ein Rasiermesser.
Hatch: Rasiermesser Rasiermesser da war doch was.
vanDusen: Wessen Hand wertes Auditorium führte das Rasiermesser, der Schauplatz des Mordes an Dimitri, jenes verschlossene und bewachte Kellergewölbe in welchem sich allein die acht Mitglieder unserer Reisegesellschaft aufhielten läßt keinen anderen Schluß zu.
Bernhardine: Einer von uns, der Mörder ist einer von uns.
vanDusen: In der Tat Frau Bullrich und nur ein Mitglied der Gesellschaft besitzt ein Rasiermesser.
Hatch: Tafelspitz.
Bernardine: Ja Tafelspitz.
Tafelspitz: Hörens auf, Herr Prof, machens ihnen ned lächerlich.
vanDusen: Lassen sie mich bitte fortfahren, wie kommt es so lautet die nächste an meine Vorbemerkung anknüpfende Frage wie kommt es daß Herr von Tafelspitz und nur Herr von Tafelspitz im Besitz eines Rasiermesser ist.
Hatch: Ja und.
vanDusen: Ich, Mr Hatch, Dr Bullrich, Senior Peroni, wir führten dieses der männlichen Toilette so notwendige Instrument nicht mit uns, waren wir doch lediglich auf einen kurzen Tagesausflug vorbereitet, anders Herr von Tafelspitz, er rechnete ganz ohne Frage mit einem mehrtägigen Aufenthalt.
Hatch: Havannas hatte er sich auch genug eingesteckt.
vanDusen: Und diese hochinteressante Tatsache wertes Auditorium macht es möglich zu den Motiven, den Hintergründen der gesamten auf den ersten Blick so kompliziert wirkenden Affäre vorzudringen, Dimitri mit von Tafelspitz im Bunde und von ihm bezahlt führte uns auftraggemäß an einen Ort an welchem wir überfallen und gefangen wurden, Tafelspitz war im Bilde, weshalb keine Frage, er selbst hat den Überfall organisiert, zusammen mit Drako Wassojewitsch versteht sich.
Gojko: Sie könnten Recht haben Prof, es sind öfter Boten zu Vater gekommen aus den österreichischen Gebieten Bosnien Kataro und er hat uns nie gesagt worum es ging.
Bullrich: Incredible, warum sollte Herr von Tafelspitz mit einem Räuberhauptmann konspirieren.
vanDusen: Herr von Tafelspitz ist beim Finanzministerium in Wien angestellt, dieses Ministerium verwaltet bekanntlich die von Österreich besetzten Gebiete auf dem Balkan, ohne jeden Zweifel ist Österreich höchlichst daran interessiert seinen Besitz durch die Einverleibung des bis dato unabhängigen Fürstentums Montenegro abzurunden, Unruhen an der Grenze, Räubereien, Überfälle kämen der Wiener Politik durchaus gelegen, würden sie doch vor der Weltöffentlichkeit eine spätere österreichische Invasion rechtfertigen, welche nur so das Kalkül einem krisen- geschüttelten Landstrich Ruhe und Frieden brächte.
Mayfair: Raffiniert, dann ist Tafelspitz ja so was wie ein Geheimagent.
vanDusen: So scheint es Miss Mayfair, Drako Wassojewitsch, davon bin ich überzeugt, war in diese polische Dimension keinesfalls eingeweiht, für ihn ging es lediglich um eine geschäftliche Vereinbarung, Tafelspitz hatte sich erboten, ihm eine Gruppe finanziell potenter Opfer zuzuführen, damit die Motive die wirklich hinter der Sache standen auch fernerhin verborgen blieben, war Tafelspitz von anfang an entschlossen, den Mitwisser Häuptling Drako nach durchgeführtem Überfall zu töten, zu diesem Zweck hatte er sich mit einer Stange Zyankali versehen, die präzisen Details der Untat, welche sein Handlanger Dimitri auf seine Anweisung auf die bereits geschilderte Art durchführte, hat Tafelspitz wie ich annehme erst auf Burg Unrusch konzipiert, nach der Bestimmung Dimitri zum Vorkoster, ich bin am Ende wertes Auditorium, der Fall ist gelöst.
Franco: Bravo Prof.
Gojko: Du du warst es also du hat ihn getötet, die Blutrache wird dich verschlingen.
Tafelspitz: Ich sog nix, gor nichts sag i.
Bernhardine: Hättest du das gedacht Baltasar, vier Menschen hat er umgebracht, der nette Herr Tafelspitz.
Bullrich: 4 teuerste quartur, ich zähle deren nur 2, den Räuberhauptmann und Dimitri.
Bernhardine: Na und der arme Monsieur Grenouille und der Kutscher, die hat er doch auch auf dem Gewissen.
Mayfair: Toll wie sie das alles rausgekriegt haben Prof, vielleicht mach ich ein Buch daraus, Räuber, Mörder, Detektive oder so ähnlich.
Hatch: Das lassen sie mal lieber, Miss Mayfair, Prof van Dusen darf nur einer literarisch ausschlachten und der heißt Hutchinson Hatch.
Mayfair: Naja ist ja eigentlich auch kein Stoff für Roda Mayfair, die ist eher für Liebe und Leidenschaft, was Franco.
Franco: Sisi carissima.
Gojko: Prof van Dusen wie können wir ihnen unsere Dankbarkeit beweisen.
Hatch: Na ganz einfach, rücken Sie sein Lösegeld wieder raus.
Gojko: Oh unmöglich Mr Hatch.
Hatch: Warum.
Gojko: Das würde gegen unsere Berufsehre verstoßen, ein Räuber gibt niemals etwas zurück, wie wäre es denn mit der Würde eines Ehrenhäuptlings der Sippe Wassojewitsch, würden Sie das annehmen Prof.
vanDusen: Prof van Dusen, Poglavica honoris causa, warum nicht.
Gojko: Abgemacht, sie sind frei, alle, ah, bis auf Tafelspitz natürlich, der bleibt hier.
Tafelspitz: No Schicksal.
Hatch: Und das verdiente Schicksal hat ihn dann ja auch ereilt den edlen Tafelspitz, was genau mit ihm geschah, wollten wir gar nicht wissen, am Abend dieses ereignisreichen Tages sahen wir restlichen sechs Kataro vor uns liegen, unser Abenteuer in Montenegro war zu Ende.
Bullrich: Finis finis maskulin. Was ich noch sagen wollte, meine Gattin ist blutarm.
Professor van Dusen: Friedrich W. Bauschulte
Hutchinson Hatch: Klaus Herm
Drako Wassojewitsch, Räuberhauptmann: Heinz Rabe
Gojko, sein Sohn: Friedhelm Ptok
Nepomuk Edler von Taflspitz: Peter Matic
Dr. Balthasar Bullrich, Oberstudienrat: Lothar Blumhagen
Bernhardine, seine Gattin: Gudrun Genest
Rhoda Mayfair, Schriftstellerin: Regina Lemnitz
Franco Peroni, ihr Sekretär: Helmut Stauss
Dimitri, Reiseführer: Joachim Grubel
Jean-Baptiste Grenouille, Parfüm-Vertreter: Jean Cuillerier
Pope: Hans Teuscher
Michael Koser: Prof. van Dusen im letzten Moment (RIAS 1989)
Hatch: Prof. van Dusen in der Todeszelle, das ist ein Kapitel für sich, was sage ich Kapitel, ein ganzer Roman, ein Roman der anfängt mit der Flucht aus dem sichersten Gefängnis der Welt, Sie kennen die Geschichte meine Damen und Herren und der zuende geht an jenem tragischen Aprilmorgen im Gefängnis von San Francisco, aber dazwischen gab es im Leben des großen Kriminologen noch eine Todeszelle, die bekannteste von allen, die Todeszelle von Sing Sing, Donnerstag 8. Mai 1902, ein Uhr mittags.
Wärter: Haben Sie gehört Kelly, noch 30 Stunden, 30 Stunden sind schnell vorbei, Kelly.
Kelly: Lassen Sie mich in Ruhe.
Wärter: Ruhe, Sie kommen nicht mehr zur Ruhe, Kelly, Sie müssen immer wieder daran denken, sich vorstellen, wie es sein wird, morgen abend, wie wir sie aus der Zelle holen und über den Gang schleppen nicht weit Kelly nur bis zu dem kleinen Raum ohne Fenster gleich nebenan und was da auf sie wartet das wissen sie Kelly, der Stuhl, der elektr. Stuhl, sie nehmen Platz Kelly, wir schnallen sie an, wir machen die Kontakte fest an ihren Knöchel und auf ihren kahlgeschoren Schädel, sie sitzen da und warten warten, der Obmann der Jury gibt das Zeichen, ich schalte den Strom ein, aber sie sind gleich tot Kelly glauben sie das ja nicht, sie werden schmoren, Kelly Sekunden Minuten eine Ewigkeit, sie werden sich aufbäumen.
Kelly: Hören sie auf.
Wärter: Nur noch 30 Stunden Kelly.
Hatch: Versetzen sie sich aus der Todeszelle im Zuchthaus Sing Sing an einem wesentlich angenehmeren Ort, in das Haus von Prof van Dusen, zwei Personen befanden sich im Salon, der Hausherr und meine Wenigkeit Hutchinson Hatch, wir hatten uns ein paar Wochen nicht gesehen, ich war in Kanada gewesen wegen einer Reportage und der Prof. hatte in dieser Zeit am geheimnisvollen Element Radium herumgeforscht und sich jeder kriminologischen Abschweifung enthalten, ganz leicht konnte ihm das nicht gefallen sein sonst hätte er mich nicht gleich gefragt.
vanDusen: Nun mein lieber Hatch was bringen sie mir, einen mysteriösen Mord, ein kriminologisches Problem, welches unsere wackere Polizei wieder einmal vor ein unlösbares Rätsel stellt, gibt es etwas neues.
Hatch: Nicht daß ich wüßte, Prof, hm, der Fall Kelly natürlich aber ist nicht neu und ein unlösbares Problem ist er auch nicht weil er nämlich abgeschlossen ist, Kelly ist rechtkräftig verurteilt, morgen abend kommt er auf den elektrischen Stuhl das ist so sicher wie das amen in der Kirche.
vanDusen: In der Tat mein lieber Hatch.
Hatch: Da beißt keine Maus auch nur den allerkleinsten Faden ab, die Sache ist gelaufen, und dabei hat er ihn womöglich gar nicht umgebracht den alten Waldorf, na was solls, Kelly sitzt in der Todeszelle, und da holt ihn keiner raus.
vanDusen: Meinen Sie mein lieber Hatch.
Hatch: Nichts mehr zu machen, traurig, und wie siehts denn so bei ihnen aus Prof, leben noch frisch was macht die Wissenschaft erzählen sie doch mal dieses Radium.
vanDusen: Später später mein lieber Hatch, ihr Automobil.
Hatch: Vor der Tür aber was.
vanDusen: Komm sie schon.
Hatch: Ja wohin denn Prof.
vanDusen: Nach Sing Sing natürlich.
Hatch: Na also, wir fuhren los in meinem Pierce Arrow, aber nicht direkt in Richtung Sing Sing, ich machte einen kleinen Umweg über den Times Square, da stand schon jemand an der Straße und wartete mit Ungeduld, ich hielt, er stieg zu, ich gab Gas.
vanDusen: Was hat das zu bedeuten.
Hatch: Darf ich vorstellen, Mr Dolphin, Elmar S Dolphin, Anwalt der Rechte, Prof van Dusen die sog. Denkmaschine.
Dolphin: Wer kennt ihn nicht, den weltberühmten Wissenschaftler und Amateur- kriminologen, ich freue mich Prof, ich freue mich wirklich sehr, daß sich bereit gefunden haben meinem Mandanten zu helfen.
vanDusen: Ihrem Mandanten Mr Dolphin.
Dolphin: Ja hat Hatch sie nicht informiert, ich bin der Verteidiger von Francis Kelly.
vanDusen: Ich verstehe, ein abgekartetes Spiel, ich wünsche nach hause zurück zu kehren, Hatch, haben sie die Güte zu wenden.
Dolphin: Warten sie Hatch, ja ich geb es ja zu, ich hab meinem alten Freund Hatch gebeten auf sie einzuwirken, sie für den Fall meines Mandanten zu interessieren.
Hatch: Und das hat ja auch geklappt, haha, gewußt wie.
Dopphin: Und warum hab ich so gehandelt Prof weil es gilt einen Justizmord zu verhindern, weil es gilt das leben eines unschuldigen zu retten, und weil nur ein Mensch fähig ist das Unmögliche möglich zu machen, nur ein Mensch in New York, in Amerika, in der ganzen Welt, sie Prof van Dusen.
Hatch: Bravo.
vanDusen: Hände ans Steuer, Hatch, da sie an den Menschen in mir appellieren.
Dolphin: An den Menschen, an den Kriminologen, an das Genie, sie dürfen sich ihrer humanitären Pflicht nicht entziehen.
vanDusen: So hat es den Anschein Mr Dolphin, nun gut, worum geht es, referieren sie, knapp summarisch jedoch präzise.
Hatch: Und von Anfang an.
vanDusen: Hatch bitte.
Hatch: Und der Anfang war das große Kostümfest im Hause Waldorf, Park Avenue am 25. Januar, das Ereignis der Saison, davon müssen sogar sie etwas gehört haben Prof.
vanDusen: Nicht das mindeste mein lieber Hatch.
Hatch: Sie leben eben auf dem Mond Prof.
vanDusen: Wie ihnen durchaus bekannt ist lebe ich in der 35. Straße West nicht weit von der öffentlichen Bibliothek, dort pflege ich mich den exakten Wissenschaften zu widmen, gelegentlich in meinen Mußestunden wohl auch der Kriminologie, keinesfalls jedoch törichten Zerstreuungen wie sie in der sog. guten Gesellschaft im schwange sind, insofern.
Hatch: Müssen wir sie wohl ein bißchen ausführlicher aufklären.
vanDusen: Darum bitte ich.
Hatch: Also das Fest stand unter dem Motto die Wunder des 20 Jahrhunderts und entsprechend waren die Kostüme, modern verwegen der Zeit voraus und wunderbar vor allem wunderbar, Mrs Morgan und Mrs Vanderbild hatten ihre Roben mit Phosphor bestrichen und strahlten um die Wette als Elektrizität und als Radium.
vanDusen: Radium.
Hatch: Der alte Rockefeller wandere in einer Art Goldene Kutte, er war nämlich der sog. Krösus.
vanDusen: Krösus im 20 Jahrhundert.
Hatch: Ja da das hab ich ihn auch gefragt, und er hat gesagt Geld braucht der Mensch in jedem Jahrhundert mein Sohn, dabei hat er Mrs Rockefeller angestoßen und die klirrte und klapperte weil sie Krösus Schatzkammer vorstellte und mit Schmuck behängt war wie ein Weihnachtsbaum, der einzige Mensch der kein Kostüm trug war der Gastgeber Mr Waldorf, als erfolgreichster Bankier der Ostküste hielt er eine Verkleidung wohl für unter seiner Würde und begnügte sich mit einem schlichten Frack, aber diesen Mangel machte die Gastgeberin mehr als wett.
vanDusen: Mrs Waldorf meinen sie.
Hatch: Nein ich meine Mrs Steuvesant, Waldorfs Schwester, er ist nämlich Witwer und wenn er zu feierlichen Anläßen eine Dame des Hauses braucht.
vanDusen: Ich verstehe ich verstehe bitte bemühen sie sich ihre Ausführungen ein wenig zu straffen.
Hatch: Ja keine Angst Prof, gleich wirds kriminell oder kriminologisch, wenn ihnen das lieber ist.
vanDusen: Ja bitte.
Hatch: Wo war ich denn.
Dolphin: Mrs Steuwesand.
Hatch: Richtig Mrs Steuwesand hatte sich mit Unmengen grauer Seide umwickelt und schwebte als Luftschiff über den ganzen.
vanDusen: Verrückt.
Hatch: Kurz, Glanz und Glamour allüberall, ganz New York war da, das heißt die Spitzen der Gesellschaft, die oberen 400.
Dolphin: Da durfte natürlich auch Hutchinson Hatch junior nicht fehlen, ein interessantes Kostüm hatten sie übrigens an Hatch was wars doch gleich.
Hatch: Damit brauchen wir uns jetzt nicht aufzuhalten.
Dolphin: Seien sie doch nicht so bescheiden, Hatch, war doch originell ihre Aufmachung, Brille, gelbe Perücke, altmodischer Rock, dann liefen sie so komisch mit eingeknickten Knien und murmelten dauernd vor sich hin, was war das noch.
Hatch: Auweia.
Dolphin: Irgendwas mathematisches 1 mal 1.
vanDusen: Das ist doch.
Dolphin: 2 plus 2, richtig 2 plus 2 gibt vier.
vanDusen: Hatch sie haben sich unterstanden.
Hatch: Prof da muß ich wohl beichten.
vanDusen: Darum möchte ich bitten.
Hatch: Ja ich war als sie auf dem Fest, als Prof van Dusen, ein Riesenerfolg, die Leute haben sich totgelacht, waren sehr beeindruckt, meine ich, wenn sie kein Wunder des 20 Jh, Prof dann weiß ich nicht.
vanDusen: Schweigen sie, Hatch, gehe ihr recht in der Annahme besagtes Kostüm sei auch von ihnen besucht worden Mr Dolphin.
Dolphin: Ja Prof ich war ein mechanischer Mensch, mein Schneider hatte mir ein.
vanDusen: Sehr interessant in diesem Falle seien sie so freundlich den Bericht fortzusetzen, was sie betriff Hatch ihnen empfehle ich mit aller Dringlichkeit sich auf die Führung des Automobil zu konzentrieren, ihre Aufmerksamkeit ungeteilt dem Straßenverkehr zuteilwerden zu lassen, ich höre Mr Dolphin.
Dolphin: Nun es war mein Freund Hatch hat es ja bereits angedeutet ein rauschendes Fest, Jubel Trubel Heiterkeit, Eleganz, es wimmelte von lebenden Maschinen aller Art, von Unterseebooten.
vanDusen: Gewiß Mr Dolphin gewiß, kommen sie doch bitte zur Sache.
Dolphin: Sehr wohl Prof, gegen 10 Uhr gab es eine längere Tanzpause, das junge Volk begann bereits unruhig zu werden, und Mrs Steuvesand, ein Dame die ihre Pflichten als Gastgeberin sehr ernst nimmt, begab sich zur Orchesterempore um die Musiker zur baldigen Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit zu bewegen, Waldorf blieb an seinem Tisch und trank Champagner mit seiner Tochter und ihrem Verlobten.
Hatch: Ja das war ja überhaupt der Grund für das ganze Fest, die Verlobung von Diotima Waldorf und Lord Tilbury aus England, nett sah sie aus Diotima als neue Frau in ihrem kurzen engen Reformkleidchen, fanden sie nicht Dolphin, vor allem neben dem edlen Lord, der sich als Marsmensch verkleidet hatte, eine aufgeblasene grüne Kugel mit sechs Armen und 2 Antennen obenauf, die Schöne und das Biest.
vanDusen: Ihre mehr oder weniger munteren Impressionen aus der großen Welt mögen im Daily New Yorker am platz sein, in einem seriösen kriminologischen Vortrag muß ich sie mir aufs entschieden verbitten.
Hatch: Bitte.
vanDusen: Und sie Mr Dolphin.
Dolphin: Ich komme zur Sache, das heißt ich bin ja schon mitten drin, denn in der erwähnten Tanzpause sprang plötzlich ein Gast auf den Tisch, neben der den Waldorfs, ein Gast im Kostüm eines Aeronauten, er riß Lederhelm und Brille ab, verlangte Ruhe und als es nicht sofort still wurde, zog er aus seiner weiten Jacke einen gewaltigen Revolver und schoß in die Luft, dann richtete er die Waffe auf Waldorf, der war bleich geworden, offenbar kannte er den Mann.
Kelly: Ich sehe sie haben mich nicht vergessen Waldorf.
Diotima: Francis.
Kelly: Und du erinnerst dich auch noch an mich, Diotima, wie nett, den übrigen Anwesenden darf ich mich bekannt machen, mein Name ist Kelly, Francis Rian Kelly, vorbestraft 1 Jahr Gefängnis Betrug und Veruntreuung, sie wissen Waldorf, wem ich das verdanke, ihnen ganz allein ihnen.
Waldorf: Hören sie Kelly.
Kelly: Sie hören Waldorf, sie hören mir zu, sie alle hören mir zu, ich hab ihnen etwas zu sagen über unseren geschätzten Gastgeber den ehrenwerten Mr Walter Waldorf, Bankier und Börsianer von untadeligen Ruf, er ist ein Lump, unser lieber Mr Waldorf, ein Lügner, ein gemeiner Betrüger.
Waldorf: Was erlauben sie sich.
Kelly: Ganz ruhig Waldorf sonst geht mein Revolver los, ich liebte ihre Tochter, Waldorf ich liebe sie immer noch.
Diotima: Francis.
Kelly: Das mißfiel ihnen, Waldorf ich war ja nur ein kleiner Börsenmakler und sie hatten ganz andere Pläne für ihr Kind, sie versuchten uns auseinanderzubringen, aber es gelang ihnen nicht, und da beschlossen sie, mich auf andere Weise loszuwerden, sie kamen zu mir und sagten sie wollten mich reich machen, alles was ich hätte sollte ich in die Firma Chemopetrol investieren, ein kleines Unternehmen in Pittsburgh, ein neues technisches Verfahren und ein hoher Kredit würde den Wert der Aktien über Nacht verzehnfachen, ein todsicheres Geschäft, sie rieten mir die bei mir liegenden Kundengelder kurzfristig auszuleihen und damit Chemopetrol Aktien zu kaufen, ich wollte nicht, aber sie haben mich überredet, goldene Berge habe sie mir versprochen und die Hand ihrer Tochter.
Diotomia: Francis.
Kelly: So wars doch, Waldorf am nächsten Tag ging die Firma Chemopetrol bankrott, kein neues Verfahren, kein Waldorfkredit, ich war ruiniert, ich stelle sie zu rede, sie stritten alles ab, ich beschwor sie mir Geld vorzustrecken damit ich meine Kunden auszahlen konnte, sie haben mich ausgelacht und die Polizei anrufen, sie haben mir eine Falle gestellt, sie haben mich ins Gefängnis gebracht und während ich meine Strafe absaß, haben sie ihre Tochter an einen englischen Lord verkuppelt und du hast dich verkuppeln lassen, Diotima.
Diotima: Aber Francis ich wußte nicht.
Kelly: Sie sind eine Kanaille Waldorf eine widerliche gemeine Kanaile sie haben mein Leben zerstört und dafür werden sie zur Rechenschaft gezogen, jetzt auf der Stelle.
Waldorf: Darüber können wir in Ruhe reden, Kelly, morgen.
Kelly: Heute werden sie reden Waldorf, sie werden eingestehen was sie mir angetan haben hier vor ihren Gästen, ihren Freunden, vor den Menschen auf deren Achtung sie wert legen und vor Diotima und ihrem Verlobten, und dann werden sie mich um Verzeihung bitten, machen sie den Mund auf Waldorf, sie wollen nicht, dann werden sie sterben.
Waldorf: Nein Kelly nicht.
Diotima: Oh was hast du getan Francis.
Kelly: Das versteh ich nicht.
Dolphin: Kelly hatte abgedrückt und Waldorf war zusammengebrochen, Lord Tilbury und ein paar andere Gäste, die in der Nähe waren, stürzten sich auf den Schützen, entrissen ihm die Waffe, überwältigen ihn, der Butler telefonierte nach der Polizei, Waldorf wurde in ein abgelegenes Zimmer getragen, aber der Arzt konnte nur noch den Tod feststellen, Todesursache eine Schußwunde über dem Herzen.
vanDusen: Aha, wie verhielt sich Kelly.
Dolphin: Er ließ alles mit sich geschehen, wirkte verstört.
Hatch: Und machte ein ausgesprochen dummes Gesicht.
Dolphin: Beim Polizeiverhör erkläre er sich für unschuldig, er erzählte eine kuriose Geschichte, die er später vor Gericht wiederholte, daß er nämlich nach der Entlassung aus dem Gefängnis.
vanDusen: Bitte Mr Dolphin, was Kelly zu berichtet hat, wünsche ich aus erster Hand das heißt aus seinem Mund zu vernehmen.
Dolphin: Einverstanden Prof aber das sollten sie wissen, als Kellys Revolver ballistisch untersucht wurde im Labor der Kriminalpolizei stellte sich eindeutig und einwandfrei heraus, daß die Kugel in Waldorfs Herzen aus dieser Waffe und keiner anderen stammte.
Hatch: Vergessen sie den Drohbrief nicht Dolphin.
vanDusen: Drohbrief.
Dolphin: Ja drei Tage vor dem Kostümfest hatte Waldorf einen mit der Maschine geschriebenen anonymen Drohbrief erhalten und in Kellys Zimmer fand die Polizei eine Schreibmaschine, eine alte Underwood.
Hatch: Und die ist genau diejenige welche.
vanDusen: Ohne jeden Zweifel.
Dolphin: Ohne jeden Zweifel Prof, wenn sie jetzt sagen sie wollen umkehren könnte ich es ihnen nicht verdenken, der Fall erscheint so einleuchtend, so absolut klar, einige hundert Tatzeugen dazu diverse gewichtige Indizien.
vanDusen: Ein wenig zu viel des guten, finden sie nicht Mr Dolphin.
Dolphin: Genau das ist auch mein Eindruck Prof, Kelly ist kein Idiot und nur ein Idiot würde einen Mord auf diese weise.
Hatch: Wir sind da, Sing Sing voraus.
Hatch: Die Uhr schlug vier, als wir den finsteren Gang mit den drei Gittertüren betraten, death row, die Todeszeile, nur eine Zelle war besetzt, der muffige Wärter schloß die Tür auf und bleib daneben stehen.
Wärter: Vorschrift.
Kelly: Hallo Dolphin.
Dolphin: Kelly.
Kelly: Was soll denn das werden, ne Abschiedsparty.
Dolphin: Francis Rayn Kelly.
Kelly: Zum Tode verurteilt und dennoch ungebrochen.
Wärter: Warts ab Freundchen das heulen und zähneklappern kommt noch in 26 Stunden.
Dolphin: Prof van Dusen, Mr Hutchinson Hatch.
Kelly: Was sie sind der berühmte van Dusen der Superschnüffler die Denkmaschine.
Hatch: Enttäuscht Kelly.
Kelly: Ehrlich gesagt ja, den hab ich mir anders vorgestellt, irgendwie imposanter.
vanDusen: Ich bedaure ihren Vorstellungen so wenig zu entsprechen Mr Kelly, kommen sie.
Dolphin: Bitte Herr Prof, bitte gehen sie nicht, jetzt hören sie mal zu Kelly, man hat mir alles abgeschmettert, Berufung, Eingaben, Gnadengesuch, Prof van Dusen ist ihre letzte Chance oder wollen sie auf den elektrischen Stuhl.
Kelly: Tut mir leid, danke daß sie gekommen sind, Prof bin ein bißchen nervös.
Wärter: Bißchen nervös.
vanDusen: Nungut Kelly angesichts der Situation in welcher sie sich befinden bin ich bereit, ihre mangelhaften Manieren zu übersehen, auch ein Flegel hat Anspruch auf Gerechtigkeit, sagen sie was sie zu sagen haben.
Kelly: Die Wahrheit, Prof ich werde ihnen erzählen was wirklich passiert ist, hören sie zu.
Hatch: Kelly bestätigte uns, was wir schon wußten, wie Waldorf ihn reingeritten, von seiner Tochter getrennt und ins Gefängnis gebracht hatte.
Kelly: Als ich rauskam übrigens genau am 1. Januar nahm ich mir ein Zimmer unten in Hesterstreet, besseres Viertel konnte ich mir nicht leisten, kaufte mir eine gebrauchte Schreibmaschine, versuchte wieder fuß zu fassen, als Agent, Vermittler, an der Börse war es vorbei, viel zu tun gabs nicht, ich krebse so rum, dann traf ich Quinn.
vanDusen: Wen.
Kelly: Den geheimnisvollen Quinn eines abends in der Kneipe, wir kamen ins Gespräch und stellten fest, daß uns was verband, die Abneigung gegen einen gewissen Bankier.
Quinn: Nieder mit Waldorf.
Kelly: Tod dem Blutsauger.
Quinn: Tod das ist wohl ein bißchen übertrieben Kelly aber heimzahlen sollten sie es ihm schon, was er mit ihnen gemacht hat, übrigens haben sie den Daily New Yorker von heute schon gelesen.
Kelly: Hab ich, Quinn, hab ich, Diotima Waldorf verlobt sich mit einem englischen Aristokraten und deshalb gibt Daddy nächsten Sonnabend Fest mit Kostümzwang.
Quinn: Da fällt mir was ein Kelly, eine interessante Sache, die vor ein paar Jahren passiert ist in Rio de Janeiro glaub ich, einem kleinen Beamten ist unrecht geschehen durch ein hohes Tier und dafür hat er sich auf ungewöhnliche Weise gerächt, er hat sich auf dem Empfang des Bürgermeisters eingeschlichen mit einer Pistole, hat ihm sein Sündenregister vorgehalten und ihn gezwungen, seine Schandtaten vor aller Welt zu bekennen, wie finden sie das, Kelly.
Kelly: Klingt nicht schlecht, Quinn.
Quinn: Nicht wahr wenn ich das mal auf ihren Fall übertrage, sie könnten Waldorf blamieren und vor der Öffentlichkeit rechtfertigen.
Kelly: Und vor Diotima.
Quinn: Auch das, Kelly denken sie mal drüber nach, ich habe Verbindungen, ich könnte ihnen, wenn sie wollen eine Eintrittskarte für Waldorfs Fest besorgen.
Kelly: Ich fing an mich mit der Idee anzufreunden, ein paar Tage vor dem Kostümfest kam Quinn zu mir, ich hatte ihm meine Adresse gegeben.
vanDusen: Ein paar Tage, wann genau.
Kelly: Das Fest war am 25. Januar und Quinn war bei mir am am 21. Dienstag, er brachte die Karte mit, wir setzten uns zusammen und machten einen Plan, wir berieten meinen Auftritt, das heißt was ich wann tun und sagen sollte, mein Kostüm und dann das wichtigste.
Quinn: Die Waffe, die brauchen sie unbedingt, Kelly, sie müssen sich doch Respekt verschaffen bei der ganzen Gesellschaft, vor allem bei Waldorf, gleich wenn sie loslegen schießen sie einmal in die Decke, damit ganz klar ist, sie meinen es ernst, und später wenn der alte Gauner nicht gestehen will, ein zweiter Schuß direkt auf ihn gezielt.
Kelly: Aber mit Platzpatronen.
Quinn: Natürlich mit Platzpatronen, sie wollen ihn doch nicht wirklich umbringen, sie tun nur so, aber da er das nicht weiß, wird er in seiner Todesangst auf alles eingehen, sie brauchen also eine Waffe, die nach was aussieht, die Angst macht, eben als ich durch die Hesterstreet ging, hab ich das richtige für sie gesehen im Fenster des Pfandleihers an der Ecke, Colt Peacemaker, Kaliber 45, die berühmten Revolver unserer Wildwesthelden, 20 cm langer Lauf, sehr eindrucksvoll, laufen sie gleich runter, kaufen sie sich so ein Ding, haben sie Geld.
Kelly: 10 Dollar sollte ein Revolver kosten, ich handelte die Pfandleiherin runter auf 8.
vanDusen: Einen Augenblick, Kelly, wenn ich recht verstehe, befanden sich im Besitz der Pfandleihanstalt 2 Coltrevolver der Marke Peacemaker.
Kelly: Na klar ein paar, das ist so im wilden westen, man hat zwei Revolver, einen rechts einen links, haben sie denn nie ein Buffalo Bill Heft gelesen.
Hatch: Wo denken sie hin Kelly.
vanDusen: Das betreffende Pfandleihinstitut, wo genau befindet es sich.
Kelly: Hester Ecke Norfolk Street.
vanDusen: So, sie erwarben also eine der beiden ausgestellten Waffen, während dieser Zeit befand sich Quinn in ihrem Zimmer.
Kelly: Ja.
vanDusen: Allein.
Kelly: Das nehm ich doch an.
vanDusen: Mit Zugang zu ihrer Schreibmaschine.
Kelly: Die stand auf dem Tisch.
Dolphin: Ich verstehe Prof der Drohbrief an Waldorf.
vanDusen: Darauf will ich hinaus Mr Dolphin, fahren sie fort Kelly.
Kelly: Als ich zurückkam, hatte Quinn es eilig, aber tags darauf war er wieder bei mir, wir besprachen nochmal alle Einzelheiten, vor allem auf den zweiten Schuß direkt auf Waldorf, hat Quinn größten Wert gelegt wegen der psychologischen Wirkung hat er gesagt, wir haben die Sache geübt richtig durchgespielt so wie es dann tatsächlich ablief.
Dolphin: Mit einem Unterschied, Waldorf wurde erschossen.
Kelly: Das versteh ich bis heute nicht.
vanDusen: Ihr Revolver enthielt Platzpatronen.
Kelly: Ja.
vanDusen: Wann haben sie ihn geladen.
Kelly: Am 25 abends kurz bevor ich das Haus Waldorf betrat.
vanDusen: Könnten die Platzpatronen danach gegen scharfe Munition ausgetauscht worden sein.
Kelly: Unmöglich der Revolver war die ganze Zeit in der Innentasche, ich hab ihn nicht aus der Hand gegeben, bis ich überwältigt und entwaffnet wurde, das war nach dem Schuß.
vanDusen: Nach dem Schuß, sie wurden also festgenommen, ins Polizeigefängnis eingeliefert, verhört.
Kelly: Tagelang, nächtelang, mal nett und freundlich, mal dritter grad, geglaubt haben sie mir kein Wort.
Dolphin: Also dennoch das muß ich zur Ehrenrettung der Polizei hier einflechten, man gab sich alle Mühe den mysteriösen Mr Quinn aufzuspüren, niemand kannte ihn, niemand hat ihn gesehen, als habe es ihn nie gegeben.
vanDusen: Wie sah Quinn aus, Kelly, beschreiben sie ihn.
Kelly: Ältlich, 50 bis 60, graue Haare, grauer Bart, ungepflegt, runtergekommen, schäbig angezogen, speckiger Mantel, grüne Brille, Typ der in der Gegend um Hesterstreet nicht auffällt, von der Sorte gibts da viele, Einwanderer, Schnorrer, Leute die bessere Tage gesehen haben.
vanDusen: Eine geschickte Maske, was meinen sie, Kelly könnte es sich bei Quinn auch um eine Frau gehandelt haben.
Kelly: Warum nicht, wenn die Dame eine tiefe Stimme hat und kräftigen Körperbau.
vanDusen: Die Polizei hat ihnen nicht geglaubt und das Gericht.
Dolphin: Genauso wenig, es gab nur zwei Menschen im Saal, die Quinn nicht für eine Fiktion hielten, Kelly und mich, der Richter erklärte die Aussage des Angeklagten sogar für eine nicht besonders intelligente Schutzbehauptung.
Kelly: Ein Märchen aus tausend und einer Nacht, hat er gesagt und da haben die Geschworenen mich schuldig gesprochen, im Eiltempo, und der Richter.
Wärter: Tod auf dem elektrischen Stuhl am 9 Mai 1902, 7 Uhr abends.
vanDusen: Kopf hoch, Kelly ich glaub ihnen, ich Prof DrDrDr Augustus van Dusen und ich werde mein möglichstes tun, sie zu retten, zurück nach New York, meine Herren, es gibt viel zu tun und wir haben wenig Zeit.
Wärter: 6 Uhr Kelly nur noch 25 Stunden.
Hatch: Zurück vom Städtchen Sing Sing an dem lieblichen Ufer des Hudson in die Häuserschluchten der Metropole, 40 km, ich fuhr was der Wagen hergab, ich wußte jede Minute, jede Sekunde zählte.
Dolphin: wir sind uns einig Prof, Kelly hat Waldorf nicht ermordet, frage wer dann.
vanDusen: Selbstverständlich jene Person welcher sich Quinn nannte.
Dolphin: Aber wer ist Quinn.
vanDusen: Das Mr Dolphin wird sich zeigen, Waldorf Testament ist wie ich annehme bereits eröffnet.
Dolphin: Vor zwei Monaten Prof.
vanDusen: Wer erbt das Vermögen des Ermordeten.
Dolphin: Haupterbin ist Waldorfs einziges Kind Diotima, außerdem geht eine größere Summe an seine Schwester Steuwesand.
vanDusen: Wie hoch.
Dolphin: Eine viertel Million, nur ein Bruchteil der gesamten Hinterlassenschaft.
Hatch: Aber trotzdem ein warmer Regen, der alte Steuwesand soll ja kurz vor der Pleite stehen.
vanDusen: Und sonst Mr Dolphin, wohltätige Stiftungen, Legate für die Dienerschaft.
Dolphin: Kein einziger Cent, Prof.
Hatch: Typisch Waldorf knickrig, bis zum letzten.
vanDusen: Nur 2 Erben und beide waren anwesend, als Waldorf erschossen wurde.
Hatch: Wissen sie was Prof, Mrs Steuwesant ist eine große kräftige Person, ein richtiger Dragoner.
vanDusen: Mein lieber Hatch, widmen sie sich wenn ich ihnen einen guten Rat geben darf, widmen sie sich ihren Chauffeurspflichten, überlassen sie die kriminologische Feinarbeit dem Kriminologen.
Hatch: Von mir aus, wir setzten Dolphin am Times Square ab, er versprach in seiner Kanzlei zu bleiben jederzeit erreichbar, der Prof ließ sich zur Mulberry street fahren, wie jeder Kriminelle und Kriminologe weiß, liegt da im Haus Nr 3000 die Zentrale der New Yorker Polizei, unsere Jungs in blau sind immer für uns in Dienst, und so fand van Dusen im kriminaltechnischen Labor, wo er seit Jahren ein bekannter wenn auch nicht immer gern gesehener Gast ist einen kompetenten Gesprächspartner, Leutnant Bigshot legte ihm die Beweisstücke im Mordfall Waldorf vor und äußerte sich zum ballistischen Gutachten das er vor Gericht abgegeben hatte.
Bigshot: Die tödliche Kugel stammt eindeutig aus dem Revolver der von uns bei Kellys Festnahme sichergestellt wurde Prof.
vanDusen: Sind sie wirklich ganz sicher Leutnant.
Bigshot: 100 prozentig.
vanDusen: Kann es nicht lediglich eine ähnliche Waffe, ein Revolver der gleichen Marke.
Bigshot: Wollen sie mich beleidigen, ich weiß was ich sage, bin genau nach dem Lehrbuch vorgegangen, aus der vermuteten Tatwaffe habe ich eine Kugel abgefeuert und mit der bei der Obduktion des Opfers geborgenen Mordkugel verglichen, beide wiesen dieselben Zugrillen auf, dieselben Kratzer und Unregelmäßigkeiten, ich hab sie natürlich unters Mikroskop gelegt.
vanDusen: Ich kenne den Lakasanjatest, desgleichen seinen erst kürzlich durch meinen deutschen Kollegen Dr Paul Jeserich entwickelte Modifizierung, und ich weiß daß sie nicht zum ersten mal durchgeführt haben, ich akzeptiere ihr Ergebnis, wie ich auch bereit bin das Ergebnis ihres Schrifttypenvergleichs zu akzeptieren.
Bigshot: Das können sie auch Prof, der Drohbrief an Waldorf ist auf Kellys Maschine geschrieben worden.
vanDusen: Zweifellos Leutnant zweifelos, mein lieber Hatch.
Hatch: Prof.
vanDusen: Wenn ich mich recht erinnere, behaupteten sie Waldorf habe während des für ihn fatalen Festes kein Kostüm getragen, vielmehr einen Frack.
Hatch: Ja das stimmt Prof.
vanDusen: In diesem Fach befindet sich mit den übrigen Beweisstücken auch die Kleidung des Ermordeten, wie sie sich selbst überzeugen können ist ein Frack nicht vorhanden.
Bigshot: Ja wirklich sie haben recht Prof kein Frack ist mir noch gar nicht aufgefallen.
vanDusen: Das glaub ich ihn aufs Wort Leutnant.
Bigshot: Ist das wichtig, Prof.
vanDusen: Wer weiß.
Bigshot: Vermutlich ist der Frack im Haus Waldorf geblieben.
vanDusen: Vermutlich ja vermutlich, kommen sie Hatch eine Inspektion des Tatorts steht ohnehin auf meinem gedrängten Programm.
Wärter: 9 Uhr Kelly, noch 22 Stunden.
Hatch: Im Hause Waldorf empfing uns der Verlobte der Tochter, Lord Tilbury und führte uns auf van Dusen Wunsch in den Ballsaal.
Tilbury: Bißchen spät für unangemeldeten Besuch, was Prof, aber keine Sorge habe volles Verständnis, kenne mich aus, alle Prof exzentrisch, anders als du und ich, wollte sagen anders als ich und sie, Mr.
Hatch: Hatch, Hutchinson Hatch.
Tilbury: Apropos exzentrisch, dieser Kelly verrückt, wie erschießt Schwiegerpapa vor 500 Menschen, muß verrückt sein, verrückt wie Hutmacher.
van Dusen: Meinen sie, Milord.
Tilbury: Bitte Mrs Waldorf entschuldigen, bißchen mitgenommen, Vater ermordet, ehemaliger Verehrer morgen hingerichtet, in 4 Wochen Hochzeit irgendwie tragisch, hat sich zurückgezogen, Migräne.
vanDusen: Durchaus verständlich.
Tilbury: Äh ja was kann ich für sie tun.
vanDusen: Lassen sie mir bitte eine hohe Leiter bringen.
Tilbury: Äh Leiter.
vanDusen: Ja Leiter.
Tilbury: Exzentrisch.
Hatch: Raten sie mal meine Damen und Herren, wer auf die hohe Leiter steigen mußte, richtig meine Wenigkeit und als ich oben war muß ich die Decke des Saals absuchen cm für cm besonders sorgfältig über die stelle wo Kelly gestanden und seine Tirade gegen Waldorf gehalten hatte.
Hatch: Nichts, sagen sie mal was suchen wir eigentlich.
vanDusen: Das was sie gefunden haben, mein lieber Hatch, nichts, steigen sie wieder herab.
Tilbury: Exzentrisch, wie ein Oxford.
vanDusen: Sagen sie bitte Milord, wurde dieser Saal seit jenem tragischen Fest renoviert.
Tilbury: Renoviert, kein Schimmer, äh Goosbury.
Butler: Nein Herr Prof.
vanDusen: Es wurden auch keinerlei Reparaturen ausgeführt.
Butler: Nein Herr Prof.
vanDusen: So, wo befindet sich der Frack, welcher ihr Herr an jenem Abend trug.
Butler: Das entzieht sich meiner Kenntnis, Herr Prof.
Tilbury: Muß da sein, Goosbury, weiß noch genau haben Waldorf Frack ausgezogen, vor Untersuchung durch Arzt und in irgendeine Ecke gelegt.
Butler: Sehr wohl Milord, ich kann nur erklären fraglicher Frack befindet sich nicht bei der Garderobe des seligen Herrn.
Hatch: Eine Stunde später saß ich wieder in van Dusen Salon, ich versuchte meinen knurrenden Magen durch einen doppelten Whiskey zu besänftigen und meine Wißbegierde durch gezielte Fragen an den Hausherrn.
Hatch: Was haben sie eigentlich mit Waldorfs Frack, Prof warum ist ihnen das gute Stück so wichtig.
vanDusen: Weil das gute Stück wie sie es zu nennen belieben, uns einen höchst bedeutsamen Hinweis auf die Ausführung des Mordes an Waldorf zu geben im stande ist.
Hatch: Na dann weiß ich alles, darf ich jetzt nach Hause und ins Bett Prof.
vanDusen: Warum nicht mein lieber Hatch, wenn sie mir versprechen sich gleich morgen früh um 7 Uhr bei Dienstbeginn im Archiv ihres von manchen geschätzten Blattes einzufinden und dort eine gewisse hochwichtige Recherche vorzunehmen.
Hatch: Sing Sing Todeszelle.
Wärter: Ungeduldig Kelly, dauert nicht mehr lange, nur noch 18 Stunden.
Hatch: Am nächsten Morgen gegen 9 trat ich befehlsgemäß beim Prof an, unausgeschlafen und ungefrühstückt.
vanDusen: Lassen sie das querulieren, wozu schlafen, wozu speisen, ein kriminologischer Assistent findet volle Befriedigung allein in den intellektuellen Wonnen, welches sein Tun gewährt, hatten sie Erfolg.
Hatch: Wie mans nimmt, so eine Geschichte wie Quinn sie Kelly erzählt hat ist tatsächlich passiert, vor 4 Jahren, 1898 aber nicht in Rio de Janeiro sondern in Kalkutta, in Indien beim Empfang des Vizekönig.
vanDusen: Sehr gut.
Hatch: Ich habs nur rausgekriegt weil unser Archivar ein so phänomenales Gedächtnis hat, in der Zeitung stand die Sache nicht, nur in einem unveröffentlichten Korrespondentenbericht.
vanDusen: Verstehe ich sie recht, besagter Bericht über die Affäre zu Kalkutta ist nicht im Daily New Yorker erschienen.
Hatch: Nicht im Daily NewYorker Prof und auch in keiner anderen Zeitung der Stadt.
vanDusen: Ausgezeichnet mein lieber Hatch kommen sie.
Hatch: Wir fuhren Südosten in die finstere Gegend zwischen Bowery und Eastriver.
Wärter: Na Kelly, 9 Stunden Kelly.
Hatch: Die Gegend war schmutzig, die Pfandleiher an der Ecke Hester Norfolk street waren noch schmutziger und am schmutzigsten war die alte Frau die beim Klang der Türglocke aus dem Hinterzimmer schlurfte.
Frau: Sie wollen kaufen, liebe Herren, verkaufen, etwas versetzen, sie brauchen Geld, sie bringen Geld.
vanDusen: Nichts von alledem gute Frau wir benötigen lediglich eine Information.
Frau: Sie wollen nicht kaufen verkaufen versetzen liebe Herren, sie brauchen kein Geld, sie bringen kein Geld, time is money.
vanDusen: Geben sie ihr etwas Hatch, fünf Dollar.
Hatch: Viel zu viel, einer ist genug.
Frau: Aber lieber Herr, 10 Dollar, hat das nicht der andere Herr gesagt.
Hatch: 10, zwei.
Frau: 8 Dollar lieber Herr.
Hatch: 6 Dollar wurden es schließlich, dafür erzählte sie uns daß sie tatsächlich ein Paar Colt Peacemaker besessen und eine davon an Kelly verkauft hatte am nachmittag des 21. Januar.
vanDusen: Und die zweite Waffe.
Frau: Hab ich auch verkauft lieber Herr am selben Tag eine halbe Stunde später, an einen anderen Herrn.
vanDusen: Etwa 55 Jahre alt grauhaarig, graubärtig, grüne Brille.
Frau: Ja das ist er, kennen sie ihn.
vanDusen: In der Tat, gute Frau, ich kenne ihn.
Hatch: Auf der Rückfahrt hielten wir am Telegrafenamt wo ich auf Anweisung des Prof. mehrere Kabel aufgab, die Mittagzeit war schon vorüber.
Wärter: Ein Uhr Kelly, sie haben ja gar nichts gegessen, aber aber, sie müssen doch groß und stark sein wenn es soweit ist, in 6 Stunden Kelly.
vanDusen: Hier ist die Residenz von Prof van Dusen, Prof van Dusen höchstpersönlich am Apparat.
Tilbury: Lord Tilbury, sagen sie mal Prof, sie doch haben vorhin was gesucht, am Plafon vom Ballsaal.
vanDusen: Jaja so ist es Milord.
Tilbury: Und wegen Renovierung gefragt.
vanDusen: Ganz recht Milord.
Tilbury: Die ist jetzt tatsächlich nötig.
vanDusen: Bitte Milord.
Tilbury: Renovierung Prof, Diotima hat was entdeckt, gute Augen das Mädchen.
vanDusen: Lassen sie mich raten Milord ein Loch.
Tilbury: Genau ins schwarze, Prof ein Schußloch, noch was Prof, Frack hat sich auch eingefunden.
vanDusen: Ach ist es die Möglichkeit Milord, ich werde mich gleich bei ihnen einstellen.
Hatch: Na dann wollen wir mal wieder Prof.
vanDusen: Nicht sie mein lieber Hatch, Sie bleiben.
Hatch: Ach was.
vanDusen: Drei für die Lösung des Falles wesentliche Aufgaben hab ich ihnen zugedacht, zuerst werden sie bei der Kriminalpolizei anrufen, Leutnant Bigshot möge sich im Labor bereithalten, sodann werden sie die Antworten auf die von ihnen aufgeben Kabel erwarten und mit diesen Antworten schließlich werden sie sich nach Singsing begeben, ich erwarte sie dort spätestens um 6 Uhr abends.
Hatch: Ich telefonierte und ich wartete.
Wärter: Drei Uhr Kelly, bald haben sie hinter sich, nur noch 4 Stunden.
Hatch: Es war kurz vor 6 als ich in Sing Sing eintraf, in der Todeszelle und auf dem Gang davor herrschte ein Treiben wie sonnabends am Broadway, halb New York war da, Kelly und sein Wärter natürlich, Dolphin, Leutnant Bigshot, der Gefängnisdirektor, ein Geistlicher für den letzten Gang und ein paar sehr offiziell wirkende Herren, darunter ich traute meinen Augen nicht der Governor des Staats NY, ferner Familie Waldorf, das heißt Diotima, Mr Stewesand, Lord Tilbury, wo es dann noch ein freies Plätzchen gab stand todsicher ein Polizist, der Prof war natürlich auch schon da.
Tilbury: Unverschämtheit, Prof, angesehene Bürger, Damen, Lord aus England widerrechtlich hierher gebracht auf ihre Anordnung, Freiheitsberaubung, Zumutung, ich verlange Erklärung.
vanDusen: Die sollen sie erhalten, Milord, sie und die übrigen Anwesenden, meine Damen und Herren, ich ersuche um Ruhe und Aufmerksamkeit.
Wärter: Es hat 6 geschlagen, Kelly noch eine Stunde.
Hatch: Prof van Dusen begann seinen Vortrag mit einer kurzen Zusammenfassung der Vorgeschichte, die sie ja bereits kennen meine Damen und Herren, sodann berichtete er wie der mysteriöse Mr Quinn sich an Kelly herangemacht und ihn dazu gebracht hatte beim Kostümfest als Rächer aufzutreten.
vanDusen: Mr Quinn, lassen sie mich die betreffende Person fürs erste weiterhin mit ihrem selbstgewählten Namen bezeichnen, Mr Quinn war ebenfalls Gast des Kostümfestes im Hause Waldorf, selbstverständlich in seiner wahren Identität, als Kelly wie besprochen auf Waldorf zielte und schoß, schoß auch Quinn, keiner sah es, denn alle Augen waren auf Kelly gerichtet, Quinn presste seinen Revolver, den Zwilling der Waffe, die Kelly in der Hand hielt gegen Waldorfs Brust und drückte ab, gleichzeitig mit Kelly, er verbarg seine Waffe wieder, stürzte sich gemeinsam mit anderen Gästen auf Kelly, überwältige ihn, entriß ihm den Revolver und tauschte ihn im allgemeinen durcheinander unbemerkt gegen seinen eigenen aus.
Bigshot: Darum das ballistische Gutachten.
vanDusen: Ganz recht Leutnant, bei der Durchführung seines raffinierten Szenarios unterlief Quinn allerdings ein Fehler, er hatte nicht bedacht daß Kelly vorher bereits einmal geschossen hatte in die Luft und zwar mit mit seinem Revolver dh mit einer Platzpatrone welche natürlich keine Spur am Plafond hinterlassen konnte, als ich diesen untersuchen ließ versuchte Quinn seinen Fehler wiedergutzumachen, indem er Kelly abgenommen Revolver diesmal scharf geladen nachträglich in die Decke schoß, ich habe die Kugel entfernt und Leutnant Bigshot zur Untersuchung überlassen, ihr Ergebnis Leutnant.
Bigshot: Die Kugel stammt aus einem Colt Peachmaker.
Tilbury: Na bitte.
Bigshot: Aber nicht aus der Waffe mit der der tödliche Schuß auf Waldorf abgegeben wurde.
vanDusen: Aha, auch der Frack des toten hat er verschwunden lassen.
Hatch: Warum.
vanDusen: Warum mein lieber Hatch, weil die Pulverspuren im Gewebe verrieten, daß der Todeseschuß aus nächster Nähe abgefeuert wurde, übrigens tauchte auch der Frack wieder auf, doch es war der falsche, ein starker Geruch nach Mottenpulver bewies, das Kleidungsstück war jahrelang nicht getragen und nur deshalb zur Stelle geschafft worden, weil ich mich für das Detail interessiert hatte, das Fazit meiner Nachforschungen und Schlußfolgerungen, Kelly diente lediglich als Sündenbock, nicht er hat Waldorf ermordet sondern.
Dolphin: Quinn, das ist klar Prof, aber wer ist Quinn.
vanDusen: Eine Person, welche sich während der Kelly verursachten Szene in Waldorfs unmittelbarer Nähe aufhielt und welche einen gewichtigen Grund hatte Waldorf zu töten.
Dolphin: Das Erbe.
vanDusen: In der Tat Mr Dolphin das Erbe und wer erbt Waldorfs Vermögen.
Kelly: Diomita.
vanDusen: Sie ist die Haupterbin, aber sie nicht die Mörderin ihres Vaters.
Diotima: O Francis.
vanDusen: Auf dem Fest trug Mrs Waldorf das Kostüm einer neuen Frau des 20 Jh. ein Kleid von derartiger Kürze und Knappheit, daß es nicht möglich war, eine gewichtige Waffe wie den Colt Peacemaker darunter zu verbergen.
Tilbury: Mrs Stewesand, war Luftschiff, hätte sogar Haubitze mit sich herum tragen können.
vanDusen: Zweifellos Milord doch als der Schuß fiel war Mrs Stewesand verzeihen sie das Wortspiel weit vom Schuß auf der Orchesterempore, auch sie kommt für den Mord nicht in frage.
Dolphin: Achherje wer dann Prof.
vanDusen: Eine Person, welche sich in Waldorfs nähe befand und ein Kostüm trug, in dem sich ein großer Revolver ohne Probleme verstecken ließ.
Dolphin: Vielleicht das Kostüm eines Marsmenschen, Prof, eine dicke grüne Kugel mit 6 Armen und 2 Antennen.
vanDusen: Eben dieses Mr. Dolphin.
Dolphin: Lord Tilbury.
vanDusen: Bitte meine Herrschaften, lassen sich mich meine Ausführungen zuende bringen, ich habe auf telegrafischem Weg in England Erkundungen über Lord Tilbury eingeholt, lesen sie vor Hatch.
Hatch: Sehr wohl Prof, erstes Kabel Lord Tilbury ohne Vermögen hat Familienbesitz verspielt und vergeudet.
vanDusen: Das Motiv, meine Herrschaften, als Gatte der Haupterbin wäre Lord Tilybury in den Besitz der Waldorfmillionen gekommen, weiter Hatch.
Hatch: Zweites Kabel Lord Tilbury 1898 Attache in Kalkutta.
vanDusen: Das heißt er war Zeuge jener Affäre welche den komplizierten Mordplan anregte, um sich nicht bloßzustellen hat er sie im Gespräch mit Kelly nach Rio de Janeiro verlegt, das nächste Kabel Hatch.
Hatch: Zu befehl Lord Tilbury langjähriges Mitglied diverser amateurtheatrischer Zirkel.
vanDusen: Es war ihm also ein leichtes, sich in den ältlichen heruntergekommenen Quinn zu verwandeln, kein Zweifel, Lord Tilbury ist Waldorfs Mörder.
Tilbury: Dummes Zeug, schierer Nonsens, sie sind nicht exzentrisch, sie sind verrückt, verrückt wie Märzhase.
vanDusen: Seine Hand, halten sie seine rechte Hand fest, Bigshot, bei der Waffe welche seine Lordschaft soeben aus der Tasche zu ziehen versucht, handelt es sich sie sehen es alle um einen Colt Peacemaker Single Action Kaliber45.
Kelly: Diotima.
vanDusen: Sieben Uhr, die Stunde der Hinrichtung, Herr Gouvernor, die Entscheidung liegt bei ihnen.
Hatch: Natürlich wurde Kelly nicht hingerichtet, nach Erledigung der notwendigen Formalitäten ließ man ihn frei, Lord Tilbury wurde verhaftet und kam vor Gericht. Ein viertel Jahr später, die Todeszelle von Sing Sing.
Wärter: Zwölf Uhr, Milord, noch sieben Stunden, dann kommen Sie auf den Stuhl.
Tilbury: Verdammt unsportlich ihr elektrischer Stuhl, unfair, unaristokratisch, verlange anständig geköpft zu werden, gehört sich so für Edelmann.
Wärter: Tut uns ja so leid Milord aber wenn sie bei uns morden, werden sie auch bei uns hingerichtet, modern, bürgerlich, demokratisch, finden sie sich damit ab Milord, sie haben es ja bald überstanden, nur noch sieben kurze Stunden.
Hatch: Zur gleichen Zeit in der Greys Church, die Hochzeit von Miss Diotima Waldorf und Mr. Francis Rian Kelly, Trauzeuge war ich, eigentlich hätte es Prof. van Dusen sein sollen, aber er war nicht erschienen, sie kennen ihn ja meine Damen und Herren, wenn er nicht im Mittelpunkt steht.
Professor van Dusen: Friedrich W. Bauschulte
Hutchinson Hatch: Klaus Herm
Francis Kelly, in der Todeszelle: Christian Brückner
Elmer Dolphin, sein Verteidiger: Moritz Milar
Lord Tilbury (alias Mr. Quinn): Hermann Treusch
Wärter in Sing Sing: Henning Schlüter
Lieutenant Bigshot von der Kriminalpolizei: Arnold Marquis
Pfandleiherin: Traute Daniels-Paulschmidt
Butler im Hause Waldorf: Heinz Spitzner
Walter Waldorf, Bankier: Rainer Pigulla
Diotima, seine Tochter: Maren Kroymann
Michael Koser: Prof. van Dusen und der Mord im Club (RIAS 1989)
Wallace: Der Lesesaal des Clubs, bitte leise meine Herren, einige unserer betagteren Mitglieder pflegen sich nach dem Mittagessen hierher zurückzuziehen, um einen Whisky zu sich zu nehmen, um in Ruhe die Times zu studieren.
Hatch: Um ein Nickerchen zu machen, das ist eher ein Schlaf- als ein Lesesaal, Mr. Wallace, Leichenhalle wäre auch nicht verkehrt.
vanDusen: Hatch.
Hatch: Wenn diese ehrwürdigen Mumien nicht so vernehmlich schnarchten, würde man nicht glauben daß sie noch am Leben sind, der hier zum Beispiel in der Ecke zwischen Zimmerpalme und Kamin, wenn ich den mal kurz anstupse, dann fällt er doch tatsächlich aus dem Sessel.
vanDusen: Warum sollte er auch nicht, mein lieber Hatch, der Mann ist tot.
Tot. Tot. Tot. Kein Zweifel Wallace.
Hatch: Aber ich habe ihn doch nur ein ganz klein bißchen mit dem Finger.
vanDusen: Mein lieber Hatch, beruhigen sie sich, der Tod ist keinesfalls auf ihre törichte Einwirkung zurückzuführen, lassen sie sehen, ausgeprägter rigor mortis im Nacken und Schulterbereich, hm, anderseits muß natürlich der beschleunigende Effekt der dem Kamin entströmenden Hitze in die Rechung einbezogen werden, wie spät ist es.
Hatch: Mit dem Gongschlag genau 16 Uhr und 23 min.
vanDusen: Aha, dieser Mann meine Herren.
Wallace: Spargo.
vanDusen: Wie meinen sie Wallace.
Wallace: Das ist der alte Spargo, Roderick Spargo.
Hatch: Der Afrikaforscher.
Wallace: Ebendieser Mr Hatch.
vanDusen: Was immer er war und wie sich nannte er ist es seit 2einhalb Stunden tot.
Hatch: Das heißt, es hat ihn moment so gegen 2 Uhr mittags erwischt.
vanDusen: Exzellent haben sie diese schwierige Kalkulation ganz allein bewältigt.
Hatch: Eine typische van Dusen Spitze, ich zog es vor, sie vornehm zu überhören, darin hatte ich Übung, immerhin war ich nun schon 5einhalb Jahre Assistent Chronist und Begleiter des großen Mannes, als die mysteriösen Ereignisse vorfielen, die ich ihnen heute berichten will, befanden wir der Prof und ich uns in London, wir hatten, es war am 20 September 1903 im exklusiven Globetrotterclub im Westend Cliffard Street zu mittag gegessen mit Mr Alfred Russel Wallace, Prof van Dusen ansonsten sehr auf seine Würde bedacht, war ausnahmsweise der Einladung in den Klub gefolgt, schließlich war der 80 jährige Wallace der Nestor der britischen Zoologie, der Freund und Mitstreiter von Charles Darwin, ein Denkmal der Wissenschaft sozusagen, bei Tisch hatte es eine angeregte Unterhaltung gegeben über Menschenaffen und Affenmenschen und über irgendein ein fehlendes Glied, das beide Koryphäen offenbar schmerzlich vermißten, nach dem Essen geleitete Mr Wallace uns zur Tür und dabei, sie haben es gerade gehört, fiel uns eine Leiche direkt vor die Füße, Wallace bimmelte nach dem Clubdiener, ein paar Minuten später kam er angeschlurft, auch er eine Mumie, wie Wallace, wie der Tote, wie die beiden Greise die im Lesesaal noch immer vor sich hin schnarchten.
Toddles: Sie haben geläutet Sir.
Wallace: Sir Roderik Spargo hat uns verlassen, Toddles.
Toddles: In der Tat, Sir.
Wallace: Unangenehme Geschichte, Toddels, sehr unangenehm.
Toddles: Wenn ich mir einen Vorschlag erlauben dürfte Sir, es wäre zweifellos im Sinne aller Mitglieder Sir Rodericks sterbliche Hülle baldmöglichst aus den Räumen des Club zu entfernen und einem qualifizierten Bestattungsunternehmen zuzuführen.
Wallace: Ganz ihrer Meinung Toddles, leiten sie das in die Wege.
Toddles: Sehr wohl Sir.
vanDusen: Warten Sie, Toddels, sie haben das wichtigste vergessen.
Toddles: In der Tat Sir und das wäre.
vanDusen: Die Benachrichtigung der Polizei, begeben sie sich stehenden Fußes zum nächstgelegenen Telefonapparat, lassen sie sich mit Scotland Yard verbinden.
Toddles: Mr Wallace Sir.
Wallace: Ist das wirklich nötig van Dusen, die Polizei hier im Club.
vanDusen: Ich muß darauf bestehen, Sir Roderick Spargo ist keines natürlichen Todes gestorben,
Wallace: Ah, kein Herzschlag oder so was.
vanDusen: Gift, Wallace, genauer Zyankali, wenn sie ihre Nase den Lippen des Toten nähern, werden sie den spezifischen Geruch nach bitteren Mandel wahrnehmen können.
Wallace: Ich glaubs ihnen auch so, van Dusen, mit Giften kennen sie sich aus, das weiß ich, schließlich gehen sie ja des öfteren fremd.
vanDusen: Fremd, wie darf ich das verstehen Wallace.
Wallace: Daß sie nur zu gern die ihnen ehrbar angetraute Naturwissenschaft betrü-gen, indem sich den anrüchigen Amüsements der Kriminalistik in die Arme werfen.
vanDusen: Der Kriminologie, mein lieber Wallace, auch bei handelt es sich ganz ohne Frage um eine exakte Wissenschaft.
Wallace: Soll sein van Dusen, sie meinen also Spargo sei ermordet worden.
vanDusen: Sofern er nicht Selbstmord begangen hat, sie sind ja noch immer hier Toddels, nun gehen sie schon, läuten sie Scotland Yard.
Toddles: Ist dies auch ihr Wunsch, Mr Wallace, Sir.
Wallace: Tun sie was Prof van Dusen sagt Toddels, und bitten sie Mister Pomeroy hierher.
Toddles: Sehr wohl Sir.
Hatch: Mr. Pomeroy war der Sekretär des Globetrotter Clubs und Mr. Pomeroy war zur Abwechslung keine Mumie, ein reifer Jüngling mitte 30 mit einem hauchdünnen Schnurrbärtchen, gestriegelt und makellos gewandelt, Gehrock, perlgraue Krawatte, weiße Nelke im Knopfloch, auch als er sah was im Lesesaal des von ihm geleiteten Club auf dem Teppich lag, bewahrte er untadelige Haltung und gestattete sich nur ein leichtes Stirnrunzeln.
Pomeroy: Tot, Sir Roderick Spargo, kaum zu glauben, eben hab ich noch mit ihm gesprochen und nun.
vanDusen: Eben, wann genau.
Pomeroy: Wir sind uns glaub ich noch nicht vorstellt worden.
Hatch: Da glauben sie recht, alter Freund, lassen sie sich sagen, daß sie die Ehre und Freude haben von Prof Dr. van Dusen befragt zu werden, dem großen Wissenschafter und Amateurkriminologen, zubenamt die Denkmaschine, was mich betrifft, ich heiße Hutchinson Hatch, aber das brauchen sie sich nicht zu merken.
Pomeroy: Antony Pomeroy, durchaus erfreut, van Dusen der berühmte amerikanische Detektiv.
vanDusen: Amateurkriminologe.
Pomeroy: Prof van Dusen im Globetrotterclub, sie sehen mich überwältigt, warum bin ich nicht informiert worden, ich hätte für einen würdigen Empfang gesorgt.
Hatch: Roter Teppich, Posaunenchor, Ehrenjungfern.
vanDusen: Hatch, ich weiß ihre guten Absichten zu schätzen, Mr Pomeroy, wann und wo haben sie zuletzt mit Sir Roderich Spargo gesprochen.
Pomeroy: Hier Prof im Lesesaal, er saß in einem Lehnstuhl wie immer, direkt vor dem Kamin, weil ihm kalt war, ihm war immer kalt, wer so lange in Afrika war wie Sir Roderick.
vanDusen: Gewiß Mr Pomeroy, wann fand das Gespräch statt.
Pomeroy: Kurz vor 2 Uhr Prof.
vanDusen: Kurz vor 2 Uhr, höchst interessant, wären sie wohl in der Lage, Mr. Pomeroy diese ihrer Zeitangabe noch ein wenig präziser zu fassen.
Pomeroy: Zufälligerweise ja Prof, als wir anfingen zu reden, Sir Roderick und ich, war es genau viertel vor 2, und 10 min später bin ich gegangen.
vanDusen: Sie haben ihre Uhr zu rate gezogen Mr Pomeroy.
Pomeroy: Mehrmals Prof.
Hatch: Im Gespräch mit einer ehrwürdigen Mumie.
Prof: Hatch.
Hatch: Mit einem Greis, Mr Pomeroy, das gehört sich gar nicht.
Pomeroy: Wissen sie Mr äh.
Hatch: Hatch.
Pomeroy: Ich hatte um 2 einen wichtigen Termin in meinem Büro mit unserem Weinlieferanten, da wollte ich nicht zu spät kommen.
vanDusen: Verständlich Mr Pomeroy, sie verließen also Sir Roderick Spargo genau 5 min vor 2 Uhr, zu diesem Zeitpunkt war er noch am leben.
Pomeroy: Aber natürlich Prof, er hat mir sogar etwas nachgerufen, als ich schon in der Tür stand.
vanDusen: Tatsächlich Mr Pomeroy und wissen sie auch noch was Sir Roderick ihnen nachrief.
Pomeroy: Ja Prof, halten sie die Augen offen, hat er gerufen und geben sie mir sofort bescheid, wenn sie in der Nähe des Globetrotter Clubs eine Negerin sehen.
vanDusen: Eine Negerin.
Pomeroy: Eine Negerin Prof, er hatte entsetzliche Angst, Sir Roderik meine ich, deshalb wollte er ja mit mir reden.
Hatch: Berichten Sie Mr Pomeroy.
Hatch: Detailliert, präzise und von anfang an, sie kennen das ja meine Damen und Herren, Pomeroy berichtete, Sir Roderik Spargo hatte ihn zu sich rufen lassen.
Pomeroy: um mir was zu zeigen, eine Holzschnitzerei, eine Schlange, etwa 20 cm lang weißbemalt und Sir Roderick war auch weiß, weiß wie die Wand, der Todesfetisch hat er gesagt, heute morgen lag er vor meinem Bett und keiner weiß wie er dahin gekommen ist, sie ist hinter mir her, Pomeroy helfen sie mir.
vanDusen: Eine seltsame Geschichte, Mr Pomeroy.
Pomeroy: Nicht wahr, Prof.
vanDusen: Und weiter, Mr Pomeroy.
Pomeroy: Dann hat er die Schlange wieder in die Brusttasche gesteckt und einen Whisky in einem Zug ausgetrunken.
vanDusen: Die Brusttasche, ja das ist sie die Schlange, zentralafrikanische Arbeit ohne jeden Zweifel, Baluba wenn ich nicht irre.
Hatch: Sie irren nie Prof.
vanDusen: Eine Redensart, mein lieber Hatch.
Pomeroy: Baluba.
vanDusen: Ein Volk im südlichen Kongobecken, zwischen dem Kasei und dem Hochland von Katanga.
Hatch: Katanga, war Sir Roderick Spargo nicht in den 80er Jahren Distriktkommandeur von Katanga für König Leopold von Belgien.
Pomeroy: Sie haben Recht Mr. äh.
Hatch: Hatch und da hat er doch so gehaust daß es sogar den Belgiern zu viel wurde und die sind ja weiß gott nicht gerade zartbesaitet, rausgeworfen haben sie ihn.
Pomeroy: Bloody Spargo hieß er nicht so in der Presse Mr äh.
Hatch: Genau Mr Pomeroy, Spargo der blutige.
vanDusen: Bei den Bantuvölkern ist weiß die Farbe des Todes, insofern handelt es sich bei diesem kleinen Schnitzewerk wohl in der Tat um einen Todesfetisch, fahren sie fort Mr Pomeroy.
Pomeroy: Wo war ich.
Hatch: Sie ist hinter mir her, Pomeroy, helfen sie mir.
Pomeroy: Danke Mr äh, Sir Roderick war völlig verstört, ich verloren hat er immer wieder gejammert, und dann noch was von einer Priesterin die Macht über leben und tot hat, wem sie den Todesfetisch schickt, der muß sterben oder so ähnlich.
Hatch: Die Negerin.
Pomeroy: Jetzt hat sie mich gefunden, die Rache naht, sehr melodramatisch.
vanDusen: In der Tat Mr Pomeroy und was taten sie.
Pomeroy: Ich Prof nichts besonders, ich habe versucht ihm gut zuzureden, ihn zu beruhigen, ich habe ihm geraten sich von Toddles einen zweiten Whisky bringen zu lassen.
Toddles: Mr Pomeroy Sir.
vanDusen: Ah lupus in fabula.
Pomeroy: Ja Toddles.
Toddles: Verzeihen sie die Störung, Sir, die Herren von Scotland Yard werden in einer halben Stunde eintreffen.
Pomeroy: Danke Toddles, war da noch was.
Toddles: Wenn sie gestatten, Sir, wird den Herren von Scotland Yard Einlaß in die Clubräume gewährt.
Pomeroy: Ich verstehe nicht Toddles.
Toddles: Ich meine wo sie doch keine Mitglieder sind Sir.
Pomeroy: Aber Toddles, das spielt in diesem fall keine Rolle.
Toddles: Nicht, Sir, höchst bedauerlich wenn sie mir die Bemerkung gestatten Sir.
Pomeroy: Sicher Toddles aber leider nicht zu ändern, sagen sie dem Portier bescheid.
Toddles: Sehr wohl Sir.
vanDusen: Noch einen Augenblick, Toddles.
Toddles: Sie haben einen Wunsch Sir.
vanDusen: Eine Frage Toddles, sie haben Sir Roderick Spargo heute nach dem essen in diesem Raum zwei Gläser Whisky serviert.
Toddles: Nein Sir.
vanDusen: Nicht.
Toddles: Ich habe Sir Roderick 2 mal einen doppelten Whiskey kredenzt, Sir Roderick pflegt Verzeihung pflegte nur doppelte Whiskys zu sich zu nehmen.
Hatch: Das spricht für ihn.
vanDusen: Gut gut Toddels, sie haben also Sir Roderick zwei doppelte Whiskys gebracht.
Toddles: Jawohl Sir, sehr merkwürdig Sir, wenn sie mir die Bemerkung erlauben.
van Dusen: Merkwürdig, inwiefern.
Toddles: Nach dem lunch pflegte Sir Roderick im Lesesaal stets nur einen doppelten Whisky zu trinken Sir.
vanDusen: Und diesmal zwei ausnahmsweise, hm, wann haben sie Sir Roderick bedient Toddles.
Toddles: Das erste mal um viertel vor 2 Sir wie jeden Tag.
vanDusen: Mr Pomeroy befand sich bereits bei Sir Roderick.
Toddles: Jawohl Sir, Mr Pomeroy stand neben Sir Rodericks Sessel, es hatte den Anschein, daß beide Herren sich unterhielten.
vanDusen: Worüber.
Toddles: Dies entzieht sich meiner Kenntnis, Sir, ich pflege nicht zu lauschen wenn sie mir diese persönliche Bemerkung gestatten Sir.
vanDusen: Sehr lobenswert Toddels und sie haben auch nicht zufällig das eine oder andere Wort.
Toddles: Was denken sie von mir Sir.
vanDusen: Nur gutes, Toddles, welchen Eindruck hat Sir Roderick auf sie gemacht, war er wie immer, war er verändert.
Toddles: Es steht mir nicht zu Sir, über das Verhalten von Mitgliedern des Globetrotter Clubs ein Urteil abzugeben.
vanDusen: So, wann haben sie Sir Roderick den zweiten doppelten Whisky gebracht.
Toddles: Wenige Minuten vor 2 Uhr Sir.
Pomeroy: Es muß genau 5 vor 2 gewesen ein, ich war nämlich gerade am gehen als Toddles mit dem Tablett aufkreuzte.
vanDusen: Wie hat Sir Roderick reagiert, hat er etwas gesagt, sich bedankt.
Toddles: Sir Roderick hatte nicht die Gewohnheit für geleistete Dienste zu danken, Sir, räumen sie das leere Glas weg hat er gesagt und stellen sie das volle auf den Kaminsims und da.
Hatch: Steht es immer noch.
vanDusen: Nicht angerührt.
Pomeroy: Nun Prof.
vanDusen: Reiner schottischer Maltwhisky.
Hatch: Kein Zyankali.
vanDusen: Nicht die Spur, mein lieber Hatch.
Hatch: Dann war das Gift also im ersten Whisky.
vanDusen: Glauben sie, bekanntlich ist Zyankali ein äußerst rapide wirkendes Gift, welches selbst in geringer Konzentration bereits Sekundenbruchteile nach der Einnahme zum Tod führt, nun hat aber Sir Roderick Spargo nach dem Genuß des ersten Glases Whisky noch minutenlang mit Mr Pomeroy konferiert, insofern.
Hatch: Kann auch der erste Whisky nicht vergiftet gewesen sein.
vanDusen: So scheint es, mein lieber Hatch.
Hatch: Seltsam.
Toddles: Höchst seltsam, wenn ich mir diese Steigerung erlaubten dürfen, sofern sie keinen weiteren Wünsche haben, meine Herren, gestatten sie daß ich mich entferne, die Pflicht ruft.
Pomeroy: Sie können gehen, Toddles.
Toddles: Sehr wohl Sir.
vanDusen: Ein nicht eben ergiebiger Zeuge.
Pomeroy: Aber ein loyaler Bediensteter Prof.
Hatch: Eine richtige Perle, lauscht nicht, klatscht nicht.
Pimpernel: Hahaha, daß ich nicht lache.
Mandrake: Sie haben ja keine Ahnung junger Mann.
Pimpernel: Schwerhörig ist er der alte Toddles.
Mandrake: Und gucken kann er auch nicht mehr richtig.
Pimpernel: Und außerdem ist er senil.
Mandrake: Total verblödet.
Pimpernel: Uns sollte er fragen der andere junge Mann, ja sie meine ich.
vanDusen: Äh mich.
Mandrake: Ja wer denn sonst los fragen sie uns, wir waren die ganze zeit hier.
Hatch: Was sich da so plötzlich einmischte, war das mumifizierte Zweiergespann das bisher friedlich vor sich hingeschlafen und geschnarcht hatte, das hatte ich wenigstens angenommen, aber.
Mandrake: Wir waren wach, junger Mann.
Pimpernel: Hellwach.
Pomeroy: Ich darf die Herren mit einander bekannt machen, Prof van Dusen, Mr Mandrake, Mr Mandrake, Prof van Dusen, Prof van Dusen, Mr Pimpernel, Mr Pimpernel, Prof van Dusen, Mr Äh Mr Mandrake, Mr Mandrake Mr Äh, Mr Äh Mr Pimpernel, Mr Pimpernel, Mr Äh, Mr Mandrake ist der berühmte Erforscher von Juenlun, Jangtsekiang, und in Mr Pimpernel sehen sie den nicht minder berühmten Reisenden welche als erster den australischen Kontinent von Südost nach Nordwest durchquerte, apropos ich muß springen, der Küchenzettel für die nächsten Tage.
vanDusen: Gewiß Pomeroy, gewiß, was sie betrifft, meine Herren, sowohl ihre Namen als auch ihre geografischen Verdienste sind mir keineswegs unbekannt auch wenn ich.
Mandrake: Schon gut, schmieren sie keinen Honig um den Bart, machen sie lieber weiter.
Pimpernel: Es muß doch rauszukriegen sein, wie der alte Spargo den Löffel abgegeben hat, übrigens komplett vertrottelt.
vanDusen: Sir Roderick Spargo.
Mandrake: Natürlich Spargo, von wem reden wir denn, sie scheinen mir aber auch nicht der hellste zu sein, junger Mann.
Pimpernel: Blind wie eine Fledermaus war er sowieso.
Mandrake: Die times hat er immer verkehrt rum gehalten.
Pimpernel: Und taub war er, stocktaub.
Mandrake: Darum mußte man immer brüllen wenn man sich mit ihm unterhielt.
Pimpernel: Und er brüllte natürlich auch.
Mandrake: Und wie vorhin mit Pomeroy kurz vor 2.
Pimpernel: Bei so einem Gebrüll kann kein Mensch schlafen.
Mandrake: Wir waren wach und haben zugehört.
Pimpernel: Und wir können ihn versichern junger Mann.
Mandrake: Was Pomeroy ihnen eben erzählt hat, das stimmt haargenau.
Pimpernel: Wort für wort.
Mandrake: Ein wahrheitsliebender Mensch, unser Tony Pomeroy.
Pimpernel: Aber ein miserabler Clubsekretär.
Mandrake: Den Portwein, den er besorgt, den kann man nicht trinken.
Pimpernel: Hört hört.
Mandrake: Und der Fraß, also schlimmer als in der Wüste Gobi.
Pimpernel: Hört hört.
Mandrake: Oder sehen sie sich mal die Zimmerpalme an, ja die vor dem Kamin, läßt alles hängen, was sie hat.
Pimpernel: Richtig runter gekommen der Globetrotter Club seit Pomeroy das sagen hat, früher.
Mandrake: Ja früher.
vanDusen: Gewiß, gewiß meine Herren, sie haben also die Unterredung zwischen Sir Roderick Spargo und Pomeroy akustisch verfolgt, auch optisch.
Mandrake: Sie meinen, ob wir auch zugesehen haben, junger Mann, na klar haben wir das.
Pimpernel: Unsere Augen sind nämlich noch gut in Schuß.
Mandrake: Auch ohne Brille.
vanDusen: Ja davon bin ich überzeugt, meine Herren, wie hat Sir Roderick sich während des Gesprächs verhalten.
Mandrake: Ja zuerst war er aufgeregt.
Pimpernel: Er hat mit den Armen gefuchtelt und geblubbert.
Mandrake: Ja aber dann hat er sich beruhigt.
Pimpernel: Nachdem er seinen Whisky gekippt hat, denn Whisky ist ein prima Beruhigungsmittel junger Mann.
Hatch: Wem sagen sie das.
vanDusen: Hatch, und dann.
Mandrake: Ja dann hat Pomeroy sich verdrückt, Spargo hat noch etwas gerufen Achtung Negerin oder so, sie habens ja gehört junger Mann.
vanDusen: Und weiter.
Pimpernel: Nichts weiter, junger Mann, wir sind ein bißchen eingedöst.
Mandrake: Ja um zwei, wir dösen immer um 2 ein, was Pimpernel.
Pimpernel: Genau, Mandrake, aber geschlafen haben wir nicht, junger Mann.
Mandrake: Wir waren weiter auf Posten.
Pimpernel: Melde gehorsamst, im Lesesaal alles ruhig.
vanDusen: Niemand hat ihn verlassen oder betreten.
Mandrake: Kein Mensch bis sie gekommen sind, junger Mann.
Pimpernel: Mit dem anderen jungen Mann und dem alten Wallace.
Toddles: Die Herren von Scotland Yard, Inspector.
Hatch: Smiley, wie gehts denn alter Knabe.
Smiley: O Mr Hatch, Prof van Dusen das ist ein Überraschung.
vanDusen: In der Tat Inspector.
Smiley: Ich hoffe sie sind mir nicht mehr böse Prof wegen dieser Geschichte neulich in Doncaster.
Hatch: Smiley meinte natürlich den berühmten Wettbewerb der Detektive bei der er selbst eine etwas zwielichtige Rolle gespielt hatte, deshalb gab sich der Prof zunächst kühl und zugeknöpft, aber legte sich bald, schließlich galt es, gemeinsam an einem hochinteressanten Fall zu arbeiten, Smiley überließ den Tatort seinen Untergebenen, die im Foyer gewartet hatten, verhörte Pomeroy, Toddels, die beiden Mumien und zog sich dann mit van Dusen und mir in ein stilles Hinterzimmer zurück.
Smiley: Das ist wieder so ein Fall Prof.
vanDusen: Sie meinen Inspektor.
Smiley: Ja ein richtiger van Dusen Fall, rätselhaft und undurchsichtig, ein unmögliches Verbrechen, unter uns Prof, ich bin ehrlich froh sie an meiner Seite zu wissen, wie beim Ballonmord in Schottland, sie erinnern sich.
Hatch: Whisky in den Wolken.
vanDusen: Selbstverständlich erinnere ich mich Inspektor und wie damals bin ich auch heute bereit ihnen kriminologisch unter die Arme zu greifen, lassen sie uns also die Fakten rekapitulieren, es handelt sich sie werden mir zustimmen ganz eindeutig um Mord.
Smiley: Keine Frage Prof, alles andere scheidet aus.
Hatch: Auch Selbstmord, ich meine könnte Spargo.
vanDusen: Unmöglich mein lieber Hatch.
Smiley: Ich werde es ihnen erklären, sehen sie Zyankali wirkt sehr schnell, bei Selbstmord hätten wir in der Hand des Toten ein leeres Behältnis gefunden, eine Flasche oder dergleichen oder in einer seiner Taschen Spuren des Gifts, sofern er es in fester Form eingenommen hat, da wir nun weder das eine noch das andere entdeckt haben.
Hatch: Ist Sir Roderick Spargo ermordet worden, alles klar.
vanDusen: Die Tatzeit Inspektor.
Smiley: Kein Problem, 13 Uhr 55 bis 14 Uhr.
vanDusen: Ja das könnte sein, und wie wurde der Mord ausgeführt.
Smiley: Ja da wirds schwierig, im ersten Whisky kann kein Zyankali sein und den zweiten hat der Tote nicht angerührt und auch sonst hat er während der fraglichen Zeit nichts zu sich genommen.
vanDusen: Sie akzeptieren die Aussagen der von ihnen befragten.
Smiley: Ja warum denn nicht, keine Widersprüche, keine eklatanten Unwahrscheinlichkeit.
vanDusen: Ja, was halten sie von Pomeroy, er ist der Hauptzeuge, mit seinen Angaben steht oder fällt der Fall, ist er vertrauenswürdig.
Smily: Unbedingt, er ist einer der Worcercer, ein jüngerer Sohn von Lord Woster, persönlich, naja früher war er so eine Art schwarzes Schaf, als junger Mann da ist er ausgerissen nach Amerika, und hat sich als Tellerwäscher durchgeschlagen, als Cowboy, als Privatdetektiv, beim Cirucs war er auch, aber jetzt da hat sich die Hörner abgestoßen und ist ein verantwortungsbewußtes Mitglied der Gesellschaft.
vanDusen: Wenn sie das sagen.
Smiley: Außerdem wird er von Mr Mandrake und Mr Pimpernel voll und ganz bestätigt, wissen sie was, ich glaube, der Schlüssel zum Mord an Roderik Spargo liegt weit zurück, in Afrika, der Todesfetisch, die Negerin, Baluba, diesen Hinweisen sollten wir nachgehen.
Pomeroy: Wenn ich sie bei ihren kriminologischen Überlegungen mal kurz stören dürfte.
vanDusen: Treten sie näher Mr Pomeroy.
Smiley: Gut daß sie kommen, sind sie sicher, daß in den zurückliegenden Stunden keine Negerin im Club war.
Pomeroy: Völlig sicher, fragen sie von mir aus auch unseren Portier, der wird es ihnen bestätigen, eine solche Person würde einmal nicht ins Foyer gelassen werden.
Hatch: Weil sie schwarz ist.
Pomeoy: Weil sie eine Frau ist, Mr äh, niemals hat eine Frau die heiligen Hallen des Globetrotter Clubs betreten dürfen.
Smiley: Und heimlich durch die Fenster.
Pomeroy: Vergittert, Inspektor, und der Lieferanteneingang ist zugesperrt, genau deswegen dieser mysteriösen Negerin wollte ich sie sprechen, meine Herren, mir ist da was eingefallen, ein Plakat, das ist gestern auf der Straße gesehen habe, ganz in der Nähe, habs wiedergefunden und abgerissen, bitte sehr.
Hatch: Nur wenige Tage im Olympia, King Cole Boloski mit seiner sensationellen Völkerschau, kommen sie, sehen sie, staunen sie, wilde Kannibalen vom Stamm der Baluba, Baluba Prof.
vanDusen: Sehr interessant, lesen sie weiter, mein lieber Hatch.
Hatch: Vom Stamm der Baluba aus dem dunkel Herzen des dunklen Erdteils, laszive Tänze, blutdürstige Riten, schwarze Magie, unglaublich, aber wahr, vor ihren Augen wird Kabora Bassa Zauberpriesterin der Baluba ihrer der Wissenschaft gänzlich unbekannten okkulten Fähigkeiten.
vanDusen: Ach das ist doch Unfug.
Hatch: Sie werden schaudern, sie werden sich entsetzen, sie werden sich glänzend unterhalten, Eintritt 2 Schilling, Kinder und Soldaten.
vanDusen: Das genügt, danke.
Smiley: Es gibt sie also wirklich die Negerin die Zauberpriesterin und ich wette, sie hat was mit dem Mord zu tun.
Hatch: Wie denn, Inspektor, wenn sie nicht im Club war.
Smiley: Das werden wir feststellen Mr Hatch, das Olympia warten sie mal.
Pomeroy: In Kensington, Edison Road.
Smiley: Lassen sie uns bitte eine Kutsche kommen, Mr Pomeroy.
Pomeroy: Nicht nötig mein Rolls-Royce steht der Polizei, ihnen natürlich auch Prof.
Hatch: Die Abendvorstellung fing gerade an, als wir der Prof, Smiley, Pomeroy und ich vor dem Olympia unserem hochherrschaftlichen Gefährt entstiegen, das große Amphitheater war gut besetzt, in der Arena sprangen zu Trommelklang fantastisch aufgeputzte schwarze Gestalten herum, vorgestellt und erklärt von einem kleinen Mann mit großer Stimme.
Boloski: King Cole Boloski, Ladies und Gentlemen, zu ihren Diensten, der König der Kannibalen, der Mogul der Menschenfresser, ich habe keine Kosten keine Mühen keine Gefahren gescheut, durch Urwald und Wüstensand bin ich gezogen, über reißenden Ströme und endlose Savannen, um für sie das interessante aufzuspüren, das amüsante, das sensationelle, doch was ich auch fand, es war nicht interessant, amüsant, sensationell genug, bis ich mich mit Todesverachtung dorthin wagte, wo der schwarze Kontinent am schwärzesten ist, tief in das finstere Becken des Kongo wo bisher noch niemals ein weißer Reisender den wagemutigen Fuß zu setzen wagte, denn dort hausen die wildesten der wilden, jenes Volk dessen Name allein ganz Afrika in Furcht und Grauen versetzt, die Baluba, Menschenfleisch ist ihre Nahrung, Menschenblut ist ihr Getränk.
Hatch: Usw, Ladies und Gentlemen, Mr Boloski tönte, die wilden Baluba produzierten sich, das Publikum war angetan und vertilgte unmengen Bier, Limonade, Popcorn und Würstchen, eine kannibalische Bühnenschau wirkt offenbar appetitanregend, wir achteten natürlich vor allem auf die Zauberpriesterin, eine attraktive und sehr gelenkige schwarze Dame, die mir ohne ihre weiße Kriegsbemalung, ohne den Schmuck von Knochen und Schädel und ohne blutiges Schlachtemesser noch besser gefallen hätte. Nach anderthalb Stunden war die Vorstellung zu Ende, die Akteure verschwanden im Durchgang zu den Garderoben, wir folgen, und stießen im spärlich beleuchteten Korridor auf Boloski der erschöpft auf einer Kiste hockte und sich den Schweiz abwischte.
Boloski: Kabora Bassa wollen sie sprechen, warum was haben sie überhaupt hinter der Bühne zu suchen.
Smiley: Kriminalpolizei, es besteht der begründete Verdacht daß die Person welche wir zu befragen wünschen in einen Mordfall verwickelt ist.
Boloski: Mord.
Smiley: Jawohl Mord an Sir Roderik Spargo.
Boloski: Der ist ermordet worden, aber ich dachte.
Pomeroy: Reden sie nicht herum Mann, sagen sie uns lieber wo wir ihre schwarze Perle finden.
Boloski: In ihrer Garderobe natürlich.
Smiley: Und wo ist die.
Hatch: 10 m weiter den Korridor entlang links die Tür mit den schwarzen Stern, wir klopften und traten ein, bis auf Pomeroy, der mal schnell nach seiner kostbaren Benzinkutsche sehen wollte, die Garderobe war leer, das dachten wir, aber dann raschelte es hinter dem Wandschirm, ein schwarzes Gesicht tauchte auf und große Augen sahen uns an, wir stellten uns vor.
Bassa: Treten sie näher, meine Herren, sie gestatten, daß ich mich weiter umkleide, ich bin im Ritz verabredet und dort wäre ich in meinem Bühnenkostüm wohl kaum korrekt angezogen.
vanDusen: Sie sehen mich verwundert, Miss Bassa.
Bassa: Wirklich Prof, was vermag einen Mann wie sie in erstaunen zu versetzen.
vanDusen: Ihr Auftritt, verehrte Miss Bassa, die gesamte Show, vor allem jedoch die törichte ja abstruse Kommentierung ihrer Aktionen durch Mr Boloski, auch wer sich nur flüchtig mit afrikanischer Geografie und Ethnologie befaßt hat weiß, daß das Kongobecken längst erforscht und kartografiert ist und daß es sich bei den Baluba um ein kulturell hochentwickeltes Bantuvolk handelt, welches keinesfalls der Anthropophragie zugetan ist.
Smiley: Anthro was.
Bassa: Kannibalismus, Inspektor, Menschenfresserei, Sie haben natürlich recht Prof, was Broksi da faselt, ist Unsinn, fauler Zauber, genau wie das was wir auf der Bühne veranstalten, die Tänze, das Gebrüll, das blutrünstige Getue, aber so wollen sie uns schließlich sehen.
vanDusen: Wir Miss Bassa.
Bassa: Sie alle, das Publikum, die weißen.
vanDusen: Und sie Miss Bassa spielen ein so unwürdiges Spiel mit.
Bassa: Warum denn nicht, so steht es im Vertrag mit Boloski und wir haben einen guten Vertrag, Pauschalgage und Beteiligung an den Einnahmen, wenn die sog zivilisierten heulende wilde sehen wollen und dafür tief in die Tasche greifen, bitte sehr, uh uh umba umba wuf wuff, Menschenfleisch lecker.
vanDusen: Ein recht zynischer Standpunkt, Miss Bassa.
Bassa: Mag sein Prof aber sie ja wohl nicht zu mir gekommen um ethische Probleme im Showbusiness zu diskutieren, was kann ich für sie tun, meine Herren.
Smiley: Ist ihnen dieses Objekt bekannt Miss.
Bassa: Mein weißer Schlangenfetisch, haben sie ihn gefunden.
Smily: Wenn sie gestatten Miss wir stellen die Fragen diese Schnitzerei gehört ihnen.
Bassa: Aber ja ich habe sie schon vermißt.
vanDusen: Seit wann.
Bassa: Das kann ich nicht genau sagen, gestern abend bei der Vorstellung da hatte ich sie noch meine kleine nioka und als ich mich heute abend herrichtete war sie verschwunden.
Smiley: So, sagt ihnen der Name Spargo etwas, Sir Roderick Spargo.
Bassa: Spargo, Spargo der blutige, Spargo mubomo, jeder Muluba kennt diesen verfluchten Namen, vor 20 Jahren hat der König der Belgier ihn als Herr über uns gesetzt, er hat uns bedrückt, er hat uns ausgebeutet, er hat uns gequält, unsere Männer starben, unsere Frauen wurden unfruchtbar, unsere Kinder verhungerte, unsere götter wurden vertrieben, Spargo ist ein coebe, ein böser Dämon.
Smiley: Er ist tot, Miss.
Bassa: Tot, Spargo ist tot, ich danke ihnen dank für diese wundervolle Nachricht, mein Herz jubelt, wenn der Feind meines Volkes lebt nicht mehr.
Smiley: Er wurde ermordet, Miss auf bislang ungeklärte Weise, wissen sie was darüber.
Bassa: Auf ungeklärteweise rätselhaft geheimnisvoll unerklärlich mystisch okkultisch.
Smiley: Wissen sie etwas über den Mord Miss.
Bassa: Vielleicht, Inspektor.
Smiley: Wo waren sie heute mittag zwischen 1 und 2 Miss.
Bassa: Hier.
Smiley: Haben sie Zeugen.
Bassa: Oh ja einige tausend Menschen, die Besucher der Sonntagmittag-Sondervorstellung, keine Frage ich war hier, mein Körper war hier.
Smiley: Ihr Körper.
Bassa: Lassen sich durch meine Pariser Robe nicht täuschen, ich bin eine Muluba, ich bin eine Ninganga, eine Hexe, eine Zauberpriesterin, die Minganga hat Macht über die Geister, mahama ist ihr zu diensten, der Geist der Rache, und simbka der Geist der blitzschnell tötet, von der Ninganga ausgesandt überwindet simuka jedes Hindernis, unsichtbar, unhörbar, bis er das von der niganga bestimmte Opfer reicht hat und dann dann tötet simbuka auf geheimnisvolle unerklärte okkulte Weise.
Smiley: Wollen sie behaupten Miss, sie hätten Spargo aus der ferne getötet durch Geister und magische Kräfte.
Bassa: Topoal, ich habe gesprochen.
Smiley: Und was sagen sie dazu Prof.
vanDusen: Zwei Worte Inspektor, fauler Zauber.
Smiley: Na ich bin da nicht so sicher, solange wir keine bessere Erklärung haben, sie wissen doch, es gibt mehr dinge zwischen Himmel und Erde als.
vanDusen: Unsinn lassen sich nicht düpieren, Miss Bassa ist eine intelligente Frau.
Bassa: Danke Prof.
vanDusen: Sie hat den Globetrotterclub nicht betreten und für die Tatzeit hat sie ein unerschütterliches Alibi, sie kann nicht verhaftet oder gar vor Gericht gestellt werden, es ist daher für sie völlig ungefährlich sich in vagen Andeutungen okkulter Natur zu ergehen, die Presse wird erfahren, durch Miss Bassa selbst, durch Mr Boloski.
Hatch: Fetischmord im globetrotterclub schwarze Zauberin hext afrikaforscher zutode
vanDusen: Das Ergebnis, alle Vorstellungen werden ausverkauft sein, der Vertrag der Balubatruppe wird verlängert, zu womöglich günstigeren Bedingungen.
Bassa: Sie sind ein intelligenter Mann.
Pomeroy: Wie siehts aus, meine Herren können wir aufbrechen.
Smiley: Von mir aus, Mr Pomeroy, falls Prof van Dusen nicht noch ein paar fragen.
Pomeroy: Hilfe, hilfe.
Smiley: Das ist Boloski, kommen sie.
Pomeroy: Als ich eben durch den Korridor kam, saß er noch auf seiner Kiste.
Hatch: Boloski saß nicht mehr auf seiner Kiste, er lag daneben, sein Gesicht war blau, die Zunge hing ihm aus dem Hals, seine Augen starrten ins nichts.
vanDusen: Boloski ist tot, erwürgt.
Pomeroy: Ermordet.
vanDusen: Ohne jeden Zweifel, Mr Pomeroy.
Pomeroy: Aber ich hab ihm doch erst vor ein paar Sekunden zugenickt und da war er noch am leben und allein.
Smiley: Als er schrie sind wir sofort nach draußen gelaufen.
Bassa: Es gibt hier kein Versteck und nur eine Tür zu meiner Garderobe.
Hatch: Wir hätten den Mörder sehen müssen.
Smiley: Also noch ein unmöglicher Mord.
vanDusen: Zwei anscheinend unmögliche Morde, mein Herrschaften, wenn wir sie im Zusammenhang sehen, gewissermaßen addieren.
Hatch: zwei plus zwei.
vanDusen: So ungefähr mein lieber Hatch, wenn wir sie addieren so erhalten wir.
Hatch: 4.
vanDusen: Mitnichten mein lieber Hatch, wir erhalten ein Verbrechen, ein plausibel ein erklärbares, ein durchaus mögliches Verbrechen, meine Herrschaften, der Fall ist gelöst, folgen sie mir in den Globetrotterclub, Prof Dr Augustus van Dusen lädt sie ein zu einem kriminologischen Spezialkolleg oder wenn sie so wollen zu einer Sonntagabend-Sondervorstellung.
Hatch: Eine Stunde später, 11 Uhr nachts im Lesesaal des Clubs hatten sich alle Beteiligten versammelt, Kabora Bassa, Pomeroy, der alte Wallace, Mandrake und Pimpernel, die munteren Mumien, Toddels, Smiley und seine Bobbys, ich natürlich und vor allem seine Genialität der Herr Prof.
vanDusen: Gestatten sie mir meine Herrschaften daß ich ihre Aufmerksamkeit auf eine Tatsache lenke, dessen große ja überragende Bedeutung für vorliegenden Fall ihnen womöglich entgangen sein dürfte, ich meine den nicht eben blühenden Zustand dieser Zimmerpalme, es handelt sich übrigens um eine curifa austiralis, eine neuseeländische Schirmpalme, ihre Wedel sie sehen es selbst sind von ungesund gelber Farbe und hängen schlaff herunter, aus gutem Grund.
Smiley: Warum.
Mandrake: Nicht gegossen.
vanDusen: Doch Mr Madrake die Palme wurde gegossen, jedoch nicht mit Wasser, sondern mit Whisky, mit Whisky welche eine größere Menge Zyankali enthielt, dieser Tatbestand konnte ich bereits konstatieren bevor ich den Club verließ um die Völkerschau im Olympia aufzusuchen und auch jetzt noch läßt sich ein schwacher doch unverkennbarer Geruch nach Alkohol und bitteren Mandel wahrnehmen, was bedeutet das, es bedeutet das Gift welches Sir Rodrick Spargo tötete befand sich im ersten von ihm bestellten doppelten Whisky, er trank ihn und starb unmittelbar darauf
Pomeroy: Das stimmt nicht Prof, Sir Roderick hat danach noch mit mir geredet.
Mandrake: Ja wir haben es gehört was Pimpernel.
Pimpernell: Ganz deutlich Mandrake.
vanDusen: Zweifellos, ebenso deutlich wie ich selbst nebst Miss Bassa Smiley und anderen im Garderobentrakt des Olympia Bolsoskis Todesschreie zu hören glaubte, wir haben es hier nämlich mit einem Phänomen zutun, oder besser gesagt mit einer nicht gewöhnlich Fertigkeit welche gewisse darin geübte Personen in den stand setzt, Töne und Worte ohne bemerkbare Bewegung des Mundes auf eine weise wahrnehmbar zu machen daß die Hörer annehmen müssen, sie rührten von einem anderen unter umständen entfernt ort her, ich meine natürlich.
Bassa: Bauchreden, Prof.
vanDusen: In der Tat Miss Bassa, schon früh während der von mir durchgeführten Befragung in diesem Club mutmaßte ich, der Mörder sei ein Ventriloquist, ein Bauchredner, doch erst nach Boloskis Tod war ich meiner Sache sicher, erwürgen stellt eine relativ langwierige Tötungsart dar, zwischen dem Beginn der Aktion und dem Eintritt des Todes vergehen mehrere Minuten, als ich Boloski im Korridor untersuchte, war er bereits tot, er hätte also keinesfalls Sekunden vorher schreien oder gar Worte bilden können, die Folgerung was ich gehört hatte, war nicht Boloskis Stimme, sondern eine von seinem Mörder hervorgebracht ventriloqustische Imitation und weiter, was sie Mr Mandrake, Mr Pimpernel in diesem Raum vernommen haben.
Mandrake: Es hörte sich an wie Spargo, war aber nicht Spargo.
Pimpernel: War ein Bauchredner.
vanDusen: So ist es, der Mörder praktizierte Zyankali in Spargos Whisky, Spargo trank, der Tot trat ein, der Mörder nahm dem Opfer das Glas aus der Hand, goß den Rest in den Palmentopf und ließ sodann den Toten einige Minuten reden.
Toddels: Wenn ich mir eine Frage erlauben darf, den zweiten Whisky hat demnach der Mörder bestellt.
vanDusen: Mit Sir Roderich Stimme, jawohl Toddels.
Toddels: Da läuft es mir noch nachträglich eiskalt über den Rücken, wenn sie mir diese persönliche Bemerkung gestatten.
vanDusen: Erleichtert wurde die Täuschung durch die Tatsache, daß die Zeugen unter gewissen altersbedingten Wahrnehmungseinschränkung litten.
Mandrake: Vielleicht sind wir ein ganz kleines bißchen kurzsichtig.
Pimpernel: Und vielleicht hören wir auch nicht mehr ganz so gut.
Mandrake: Aber blöd sind wir nicht.
Pimpernel: Wir wissen jetzt, wer der Mörder ist.
Smiley: Ach wirklich.
vanDusen: Sie nicht Inspektor.
Smiley: Wenn ich ehrlich bin.
vanDusen: Nur eine Person kommt in frage, eine Person, welche sich bei beiden Morden zur Tatzeit am Tatort aufhielt, eine Person welche durch längeres Verweilen beim Zirkus geboten war die schwierige Kunst des Ventriloqusimus anzueignen.
Hatch: Pomeroy.
vanDusen: Wer denn sonst, mein lieber Hatch.
Mandrake: Das wundert uns nicht, was Pimpernel.
Pimpernel: Ganz und gar nicht Mandrake, vom unfähigen Clubsekretär zum Mörder ist es nur ein klitzekleiner Schritt.
vanDusen: Und damit wären wir auch beim Motiv des Täters angelangt, Pomeroy einem aristokratischen Hause entsprungen jedoch als jüngerer Sohn weder vermögend noch aussichtsreicher Erbe nennt ein nicht eben wohlfeiles Automobil sein eigen, während die Mitglieder des von ihm verwalteten Clubs sich mit zweit-klassigem Portweinen und minderwertigen Speisen abfinden müssen, kein Zweifel Pomeroy unterschlägt Gelder des Globetrotterclubs, eine kritische Durchsicht der Bücher welche ich ihnen überlassen kann Inspektor, Spargo hat Pomeroys Unter-schlagung entdeckt und ihm mit Bloßstellung gedroht, deshalb mußte er sterben.
Bassa: Und darüber kann ich aus gutem Grund keine Trauer empfinden, aber warum hat Pomeroy auch Boloski umgebracht, was hat der mit Spargo zu tun.
vanDusen: Um das zu erläutern sehe ich veranlaßt ein wenig weiter auszuholen, als er von der Anwesenheit der Balubatruppe in London Kenntnis erhielt, beschloß Pomeroy angesichts der ihm wohl bekannten blutigen Vergangenheit Sir Roderisch, sie Miss Bassa zu belasten in dem er mystiösen fakischen Fetischmord inszenierte, dabei unterstützten ihn seine ventriloquistischen Fertigkeiten und ihr Schlangen-fetisch welche er seinen Opfer zuspielte, um es in Todesangst zu versetzen, erhalten hat er ihn dessen bin ich sicher von Boloski, einem Bekannten dessen bin ich ebenfalls sicher aus alten amerikanischen Zirkustagen, wie seine Reaktion zeigte, wußte Boloski allerdings nicht, daß Sir Roderich ermordet werden sollte, er war entsetzt und Pomeroy trennte sich von uns, um ihn zu beschwichtigen, als er das nicht gelang, tötete er den gefährlichen Mitwisser, auch nach diesem Mord gab er eine Einlage als Ventriloquist um sich ein Alibi zu verschaffen, doch gerade dadurch ich hab es bereits ausgeführt dadurch hat Antony Pomeroy sich als Mörder entlarvt, als der skrupellose Doppelmörder von Sir Roderick und King Cole Boloski.
Smiley: Was ist denn jetzt.
Hatch: Wurde es plötzlich duster, Pomeroy hatte das Gaslicht abgedreht, im Lesesaal brach ein mittleres Chaos aus, alles rief und lief durcheinander und Prof van Dusen fing an mit sich selbst zu streiten.
vanDusen: Halten sie ihn, Inspektor.
Pomeroy: Lassen sie den Mann laufen.
Hatch: Ja was denn nun Prof.
vanDusen: Hören sie nicht auf ihn, Inspektor das bin ich nicht.
Pomeroy: Natürlich bin ich Prof van Dusen.
vanDusen: Nein, ich.
Hatch: Prof, was ist los, wo stecken sie.
vanDusen: Hier.
Pomeroy: Unsinn ich bin hier.
vanDusen: Nein hier bin ich, behalten sie kühlen Kopf, entzünden sie das Gaslicht mittels Streichholz.
Hatch: Wird gemacht Prof.
Smiley: Endlich. Wo ist Pomeroy.
Toddles: Wenn sie gestatten, meine Herrschaften, Mr. Pomeroy hat sich ohne Abschied empfohlen.
Smiley: Ja aber sie standen doch neben ihm, Miss Bassa, warum haben sie nicht an der Flucht gehindert.
Bassa: Ich habe keinerlei Veranlassung, ihnen den Mann festzuhalten, der Spargo getötet hat aus welchem Grund auch immer.
Smiley: Weit wird er jedenfalls nicht kommen, los Männer hinterher, jawohl, Spargo.
Hatch: Plötzlich waren sie überall, Prof, in jeder Ecke, sogar im Kamin.
vanDusen: Eine für den bewanderten Ventriloquisten nicht eben schwierige akustische Täuschung, mein lieber Hatch.
Hatch: Einen Augenblick lang dachte ich tatsächlich sie hätten sich vervielfacht.
van Dusen: Eine absurde Vorstellung mein lieber Hatch.
Hatch: Nicht wahr Prof.
vanDusen: Die Welt mein lieber Hatch ist zu klein um mehr als einen Professor van Dusen zu tragen.
Professor van Dusen: Friedrich W. Bauschulte
Hutchinson Hatch: Klaus Herm
Inspektor Smiley von Scotland Yard: Rolf Marnitz
Kabora Bassa, Zauberin aus Afrika: Ursula Heyer
Anthony Pomeroy, Sekretär im Globetrotter Club: Wolfgang Condrus
Toddles, Diener im Club: Heinz Spitzner
Mandrake, Club-Mitglied: Herbert Weißbach
Pimpernel, Club-Mitglied: Otto Czarski
King Cole Boloski, Chef einer Völkerschau: Hans Werner Bussinger
Alfred Russel Wallace, Wissenschaftler: Helmut Heyne
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